B.1.617

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Pango-Entwicklungslinie BPango-Entwicklungslinie APango-Entwicklungslinie B.1 mit Mutation D614GDelta B.1.617.2Kappa B.1.617.1
Variante B.1.617 (Pango-Nomenklatur)

Die Variante B.1.617 mit den Untervarianten (Subkladen) B.1.617.1 (Kappa), B.1.617.2 (Delta) und B.1.617.3 ist eine durch Mutationen entstandene Variante des Coronavirus SARS-CoV-2.

Sie wurde in Form ihrer relevantesten Untervariante Delta B.1.617.2[1] erstmals am 5. Oktober 2020 in Indien im Bundesstaat Maharashtra nachgewiesen,[2] in Großbritannien erstmals Mitte Februar, in Deutschland im März 2021.[3] Weltweit verbreitete sich Delta B.1.617.2 ab Januar 2021, wurde Mitte Mai 2021 von der WHO als besorgniserregende Variante (Variant of Concern, VOC) eingestuft[4] und setzte sich ab Juni bis September 2021 gegen die anderen Varianten durch.[5]

Die Obervariante B.1.617 kombiniert Eigenschaften, die auch in der Alpha- und Beta-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 auftreten.[3]

Variante B.1.617 (Indien)

Eine Anfang Mai 2021 vorveröffentlichte Tierversuch-Studie deutscher Wissenschaftler zeigte schwerere Lungenentzündungen bei Hamstern als beim COVID-Wildtypus. Die Ergebnisse lassen sich nicht 1:1 auf den Menschen übertragen.[6] Die Wissenschaftler analysierten auch den Wirtszelleintritt bei B.1.617 in verschiedene menschliche Zelllinien. Bei zwei aus Lungen- und Darmgewebe stammenden Zelllinien konnte das Team eine um 50 % erhöhte Eintrittseffizienz des Virus nachweisen. Die Antikörper blockieren den Zelleintritt von B.1.617 schwächer als den des Wildtypus.[7]

Verbreitung

Verbreitung in Deutschland

In einem Hochhaus der Stadt Velbert in Nordrhein-Westfalen wurde die Variante B.1.617 im Mai 2021 bei 27 Menschen nachgewiesen, vermutlich habe es eine Ansteckung im Aufzug des Hochhauses gegeben.[8] Seit Mitte April 2021 beobachtet das RKI einen kontinuierlich steigenden Anteil. In Deutschland machte B.1.617 Anfang Mai 2021 rund 2 % der sequenzierten Proben aus.[9] Weiter verbreitete sie sich in Deutschland nicht in ihrer Ursprungsform, sondern als Untervariante Delta (B.1.617.2) mit ihren Untervarianten AY.* (alias B.1.617.2.*), die ab Juli 2021 das Infektionsgeschehen bestimmte.[10]

Verbreitung in Indien

COVID-19-Dichte in Indien (18. Mai 2021)

Medienberichten zufolge seien bis Mitte April 2021 von dieser Variante des Virus allein im indischen Bundesstaat Maharashtra 60 Prozent der neuen COVID-19-Erkrankungen verursacht worden; am 15. April 2021 erreichte dort die Zahl der Neuinfektionen mit 200.739 Corona-Fällen zum siebten Mal in nur acht Tagen einen neuen Höchstwert.[11][12]

Bis Mitte April 2021 sei die Zahl der an COVID-19 erkrankten Kinder – vor allem in der Altersgruppe zwischen ein und fünf Jahren – stark gestiegen. Die indischen Behörden meldeten, religiöse Großveranstaltungen und Wahlkampfkundgebungen seien zu Superspreading-Events geworden.[13]

Verbreitung in Großbritannien

Ende März 2021 wurde die Variante B.1.617 in Großbritannien erstmals nachgewiesen.[14] Großbritannien stufte sie Anfang Mai als „besorgniserregend“ ein, da sie sich in Großbritannien ausbreitete und es zunehmend Hinweise auf lokale Ausbrüche gab. Seit erstem Auftreten dieser Variante gab es mehr Nachweise als bei allen anderen „Variant under Investigation“ (VUI) und „Variant of Concern“ (VOC).[15] Deswegen stufte die deutsche Bundesregierung Ende Mai 2021 das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland einschließlich der Isle of Man, aller Kanalinseln und aller britischen Überseegebiete als Virusvariantengebiet ein. Diese Untervariante erfordere „besondere Aufmerksamkeit“, hieß es. Der Anteil von B.1.617 war höher als der der Varianten Gamma (P.1) und Beta (B.1.351).[16]

Verbreitung in anderen Ländern

Bis Ende April 2021 wurde die Variante B.1.617 in mehreren Ländern nachgewiesen, darunter dem Vereinigten Königreich (erstmals am 22. Februar 2021), den Vereinigten Staaten (23. Februar 2021), Singapur (26. Februar 2021), Deutschland (1. März 2021), Australien (16. März 2021), Belgien (25. März 2021) und der Schweiz (29. März 2021).[14][17]

Wirkung von Impfstoffen

Eine Spritze wird mit COVID-19-Impfstoff befüllt

Eine vorveröffentlichte Studie der New York University vom Mai 2021 untersuchte im Labor, wie gut Antikörper Genesener, die mit mRNA-1273 (Moderna) oder mit BNT162b2 (Biontech/Pfizer) geimpft worden waren, an mutierte Virusproteine binden. Danach sei die Wirksamkeit der Antikörper bei Infektionen mit B.1.617 nur etwas geringer als bei den gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 entwickelten Impfstoffen, eine Schutzwirkung sei demnach auch weiterhin vorhanden.[18] Eine vorveröffentlichte Untersuchung mit Covaxin kam im April 2021 zu ähnlichem Ergebnis, die Neutralisation von B.1.617 sei halb so gering wie beim Wildtyp von SARS-CoV-2 und damit weniger beeinträchtigt als bei der südafrikanischen oder brasilianischen Variante.[19] Eine vorveröffentlichte Studie schloss aus der Analyse von Neutralisationstests von Genesenen oder mit mRNA-Impfstoffen Geimpfter, dass die Schutzwirkung dieser Impfstoffe gegenüber B.1.617 wahrscheinlich erhalten bleibe. Veränderte Spike-Proteine führten zu einer „geringfügig reduzierten Empfindlichkeit“ gegenüber den durch die Impfung gebildeten Antikörpern.[20]

Eine vorveröffentlichte Studie vom Mai 2021 kam zum Ergebnis, die Untervariante Kappa (B.1.617.1) sei 6,8-fach resistenter gegen Neutralisation durch Impfstoffe von COVID-19-Genesenen sowie Moderna- und Pfizer-geimpften Personen. Dennoch konnte ein Großteil der Seren von Genesenen und alle Seren von Geimpften die Variante Kappa noch neutralisieren.[21]

Mutationen

Die drei Untervarianten von B.1.617 – Spike-Proteine mit Mutationen.[22]
Bei dominierender B.1.617.2 (Delta) sind L452R, T478K, D614G und P681R von besonderem Interesse (Mitte).[23]
Die Mutation E484Q tritt bei ihr nicht auf – anders als bei 1.617.1 (Kappa) und 1.617.3.
Plastische Darstellung eines SARS-CoV-2-Spike-Proteins

Um sich zu replizieren leiten Viren ihre Erbinformationen in eine Wirtszelle ein. Kleine Kopierfehler treten bei jeder Reproduktion auf und jeder dieser Fehler verändert auch den genetischen Code des Virus. Das Spike-Protein wird in die Hülle von SARS-CoV-2 eingebaut und vermittelt den Eintritt des Virus in Wirtszellen.

Bei der Variante B.1.617 führen 13 Mutationen zu Aminosäureveränderungen.

Die Klade wird nochmals in die Subkladen B.1.617.1 (Kappa), B.1.617.2 (Delta) und B.1.617.3 eingeteilt. Diese haben Mutationen an den Positionen 452 und 681 des Spike-Proteins gemeinsam, ansonsten unterscheiden sie sich aber genetisch deutlich. Schon im Mai 2021 epidemiologische gab es Hinweise, dass die Untervariante Delta eine erhöhte Übertragbarkeit aufweist, die zumindest der Übertragbarkeit von Variante Alpha (B.1.1.7) gleichkommt. Solche Genveränderungen werden auch Fluchtmutationen genannt.[24]

Ribonukleinsäure

Mutationen L452R und P681R: Durch sie wird an Position 452 des Spike-Proteins die Aminosäure Leucin (L) durch Arginin (R) ersetzt. Die Mutation 681 führt dazu, dass die Variante B.1.617 die infektionsbedingte Zellfusion verstärkt.[25]

Mutation E484Q (nur bei Kappa 1.617.1 & 1.617.3): Durch sie wird an Position 484 des Spike-Proteins die Aminosäure Glutaminsäure (E) durch Glutamin (Q) ersetzt. Mutationen an Position 484 sind in den Variante Beta (B.1.351), Gamma (P.1) und teilweise auch in der Variante Alpha aufgetreten (E484K).

Die Untervarianten B.1.617.1 und B.1.617.3 sind durch die Mutationen E484Q und L452R gekennzeichnet, beide betreffen das Spike-Protein des Virus. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat diese Veränderungen im Mai 2021 mit einer „reduzierten Neutralisierbarkeit durch Antikörper oder T-Zellen“ in Verbindung gebracht. Die Wissenschaftler untersuchten die Übertragbarkeit mit Hilfe pseudotypisierter, vesikulärer Stomatitis-Viren (VSV), die entweder das Spike-Protein des Wildtyps von SARS-CoV-2 oder das Spike-Protein der Varianten B.1.617 oder B.1.351 (Beta) exprimierten.[26][27]

Membranfusion

Um eine Membranfusion zu vermitteln und eine Infektion zu verursachen, muss das Spike-Protein, bestehend aus einer Rezeptor-bindenden Untereinheit (S1) und einer Fusionsuntereinheit (S2), gespalten werden. Die Furin-Spaltungsstelle ist die Verbindungsstelle, an der dies stattfindet. Die Variante Delta (B.1.617.2) enthält eine Prolin-Arginin-Substitution in der Nähe dieser Spaltungsstelle an Position 681, die die Sequenz weniger sauer macht. Dies bewirkt, dass Furin effektiver erkennt und schneidet, sodass mehr Spike-Proteine stimuliert werden, um in menschliche Zellen einzudringen. Die virale Infektiosität und Übertragbarkeit wird durch die Mutation gesteigert.[28]

Die B.1.617-Linie ist wie beschrieben nicht homogen, was bemerkenswert ist, da mehrere Mutationen in einer Unterlinie fixiert sind. Dies kann Gründereffekte oder ähnliche selektive Zwänge widerspiegeln, die auf diese aufkommenden Varianten wirken.[29]

Delta-Variante B.1.617.2

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Einzelnachweise

  1. Jeromie Wesley Vivian Thangaraj et al.: Predominance of delta variant among the COVID-19 vaccinated and unvaccinated individuals, India, May 2021. In: Journal of Infection. Band 83, Nr. 2, August 2021, doi:10.1016/j.jinf.2021.08.006 (englisch): “India experienced a severe secod wave of SARS-CoV-2 infections during the months of April and May 2021. […] During the course of second wave in India, Delta B.1.617.2 variant emerged as the major sub-lineage among variants that also included B1617.1, B.617.3 and B.1.1.7.”
  2. Mlcochova, P. et al. in Nature: SARS-CoV-2 B.1.617.2 Delta variant replication and immune evasion. (pdf) nature.com, 6. September 2021, abgerufen am 7. September 2021 (englisch): „B.1.617.2 (Delta) variant was first identified in the state of Maharashtra in late 2020 and spread throughout India, outcompeting pre-existing lineages including B.1.617.1 (Kappa) and B.1.1.7 (Alpha).“ doi:10.1038/s41586-021-03944-y
  3. a b COVID-19: Wie gefährlich ist die „indische“ Variante B.1.617? In: aerzteblatt.de. 20. April 2021, abgerufen am 14. Mai 2021.
  4. WHO: COVID-19 Weekly Epidemiological Update Edition 42, published 1 June 2021. (pdf) who.int, 1. Juni 2021, S. 5, abgerufen am 5. September 2021 (englisch): „WHO label […] Delta B.1.617.2 […] Earliest documented samples […] India, Oct-2020 […] VOI: 4-Apr-2021, VOC: 11-May-2021“
  5. WHO: WHO Director-General's opening remarks at the 8th meeting of the IHR Emergency Committee on COVID-19 – 14 July 2021. who.int, 14. Juli 2021, abgerufen am 6. September 2021 (englisch): „The Delta variant is now in more than 111 countries and we expect it to soon be the dominant COVID-19 strain circulating worldwide, if it isn’t already. The Delta variant is one of the main drivers of the current increase in transmission“
  6. Markus Hoffmann (DPZ) et al. / biorxiv.org: Summary; doi:10.1101/2021.05.04.442663, 5. Mai 2021, Volltext (pdf, 44 S.)
  7. Markus Hoffmann et al.: cell.com. 27. Juli 2021, abgerufen am 30. Juli 2021.
  8. Indische Corona-Variante: 27 bestätigte Fälle in Velbert. In: WDR. 24. Mai 2021, abgerufen am 24. Mai 2021.
  9. Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland. RKI, Stand: 12. Mai 2021, abgerufen am 13. Mai 2021.
  10. Location Tracker – Germany Mutation Report. In: outbreak.info. Abgerufen am 3. September 2021 (englisch).
  11. Coronavirus in Indien: 200.739 Neuinfektionen an einem Tag. In: tagesschau.de. 15. April 2021, abgerufen im Mai 2021.
  12. Tabassum Barnagarwala, Anuradha Mascarenhas: Explained: B.1.617 variant and the Covid-19 surge in India. In: indianexpress.com. 27. April 2021, abgerufen am 16. April 2021 (englisch).
  13. Expert reaction to COVID-19 situation in India. In: sciencemediacentre.org. 26. April 2021, abgerufen am 28. Juli 2021 (englisch).
  14. a b Gudrun Heise: The COVID variant from India: What we know so far. Deutsche Welle, 21. April 2021, abgerufen am 11. Mai 2021 (englisch).
  15. Peter Stäuber: Indische Mutation in England: Wettlauf gegen die Zeit. In: Berliner Morgenpost. 18. Mai 2021, abgerufen am 21. Mai 2021.
  16. Informationen zur Ausweisung internationaler Risikogebiete durch das Auswärtige Amt, BMG und BMI. RKI, 21. Mai 2021, abgerufen am 24. Mai 2021 (wird laufend aktualisiert).
  17. Weekly epidemiological update on COVID-19 – 11 May 2021. WHO, 11. Mai 2021, abgerufen am 22. Mai 2021 (englisch).
  18. Nathaniel Landau et al.: The Spike Proteins of SARS-CoV-2 B.1.617 and B.1.618 Variants Identified in India Provide Partial Resistance to Vaccine-elicited and Therapeutic Monoclonal Antibodies. bioRxiv 16. Mai 2021, doi:10.1101/2021.05.14.444076
  19. V. Krishna Mohan: Neutralization of variant under investigation B.1.617 with sera of BBV152 vaccinees. biorxiv, 23. April 2021, doi:10.1101/2021.04.23.441101
  20. In Indien entdeckte Coronavirus-Variante: Wie gefährlich ist B.1.617? In: Redaktionsnetzwerk Deutschland. 18. Mai 2021, abgerufen am 18. Mai 2021.
  21. Mehul Suthar et al.: Infection and vaccine-induced neutralizing antibody responses to the SARS-CoV-2 B.1.617.1 variant. bioRxiv. 10 Mai 2021 doi:10.1101/2021.05.09.443299
  22. Tzou, P.L. et al., Stanford University: SARS-CoV-2 Variants. Variants genome viewer. In: Coronavirus Antiviral Research Database (CoV-RDB), Resistance Database. stanford.edu, 7. September 2021, abgerufen am 9. September 2021 (englisch, Outbreak.info B.1.617.1, B.1.617.2, B.1.617.3 Lineage Reports). doi:10.3390/v12091006
  23. ECDC: SARS-CoV-2 variants of concern as of 6 September 2021. In: COVID-19/Situation updates on COVID-19/Variants of concern. ecdc.europa.eu, 6. September 2021, abgerufen am 6. September 2021 (englisch): „Spike mutations of interest: not all spike protein amino acid changes are included – this is not a full reference for assignment of the variants. It includes changes to spike protein residues 319-541 (receptor binding domain) and 613-705 (the S1 part of the S1/S2 junction and a small stretch on the S2 side), and any additional unusual changes specific to the variant. […] Delta B.1.617.2 […] Spike mutations of interest […] L452R, T478K, D614G, P681R“
  24. Übersicht und Empfehlungen zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC). RKI, abgerufen am 16. Mai 2021 (wird fortlaufend aktualisiert).
  25. Markus Hoffmann et al.: SARS-CoV-2 variant B.1.617 is resistant to Bamlanivimab and evades antibodies induced by infection and vaccination. In: BioRxiv. 5. Mai 2021, abgerufen am 14. Mai 2021 (englisch).
  26. Wie gefährlich ist B.1.617? In: Deutschlandfunk. 11. Mai 2021, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Mai 2021; abgerufen am 13. Mai 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunk.de
  27. Theo Dingermann: Indische Variante B.1.617 als »besorgniserregend« eingestuft. In: pharmazeutische-zeitung.de. 11. Mai 2021, abgerufen am 13. Mai 2021.
  28. Ashley Hagen: How Dangerous Is the Delta Variant (B.1.617.2)? In: asm.org. 30. Juli 2021, abgerufen am 12. April 2022 (englisch).
  29. Delphine Planas et al.: Reduced sensitivity of SARS-CoV-2 variant Delta to antibody neutralization. In: Nature. Nr. 596, 2021, S. 276–280 (englisch, nature.com [abgerufen am 3. Mai 2022]).