Barbara Honigmann

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Barbara Honigmann (* 12. Februar 1949 in Berlin) ist eine deutsche Schriftstellerin.

Leben

Barbara Honigmann ist die Tochter deutsch-jüdischer Emigranten, die die Zeit des Nationalsozialismus im britischen Exil überlebten und 1947 nach Berlin zurückkamen, um am Aufbau eines neuen Deutschland mitarbeiten. Ihr Vater Georg Honigmann entschied sich aufgrund seiner kommunistischen Überzeugung zur Remigration in die sowjetische Besatzungszone. Im englischen Exil hatte er die Mutter Barbara Honigmanns, die aus Wien stammende Alice Kohlmann (unter dem Namen Litzi Friedmann bekannt), geheiratet, welche in zweiter Ehe mit dem Doppelagenten Kim Philby verheiratet gewesen war.[1]

Nach ihrem Abitur studierte Honigmann ab 1967 an der Humboldt-Universität das Fach Theaterwissenschaft, der Abschluss erfolgte 1972. In den folgenden Jahren arbeitete sie als Dramaturgin und Regisseurin in Brandenburg und an der Volksbühne sowie am Deutschen Theater in Ost-Berlin. Seit 1975 ist sie freie Schriftstellerin.

Nach der Geburt ihres ersten Kindes setzte sie sich verstärkt mit ihrer jüdischen Identität auseinander, trat in die Ost-Berliner jüdische Gemeinde ein und heiratete 1981 nach jüdischem Ritus. 1984 reiste sie aus der DDR aus. In ihrem Buch Roman von einem Kinde spricht sie von einem „dreifachen Todessprung ohne Netz: vom Osten in den Westen, von Deutschland nach Frankreich, und aus der Assimilation mitten in das Thora-Judentum hinein“. Seitdem lebt die Autorin mit ihrem Mann, dem Leiter des Heidelberger Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Peter Honigmann,[2] in Straßburg. Barbara Honigmann hat zwei Kinder, Johannes Honigmann (* 1976) und Ruben Honigmann (* 1983).

Honigmann ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Seit 2007 ist sie korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, seit 2009 korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Honigmann zählt gemeinsam mit Maxim Biller, Rafael Seligmann, Esther Dischereit, Irina Liebmann, Robert Schindel, Peter Stephan Jungk und weiteren Autoren zur Deutsch schreibenden „zweiten Generation“ aus jüdischen Familien, die den Holocaust überlebt haben.

Ihre Bücher wurden ins Französische, Italienische (Con tanto, tanto affetto Übers. A. Luise. Marsilio, Venezia 2002), Englische, Ungarische (Zohara utazása ISBN 963-9348-90-2), Norwegische, Niederländische, Portugiesische, Dänische und Finnische übersetzt.

Barbara Honigmann malt und hatte schon mehrere Ausstellungen.

Literaturkritiken

Die Jury des Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis, der ihr am 26. Februar 2012 verliehen wurde, begründete die Verleihung damit, dass „Honigmann den Menschen das Judentum auf eine warmherzige Weise näher [brächte] und es aus dem Verborgenen heraus [hole]“ (Irina Wittmer).[3] „Sie zeigt, dass die Macht des Bösen nicht alles zerstören konnte“, sagt Wittmer, die zudem eine Parallele zur Lebens- und Familiengeschichte von Elisabeth Langgässer sieht, die ebenfalls von den „Irrationalitäten und dem Wahn des 20. Jahrhunderts geprägt“ wurde.[4] Kulturkritiker Thomas Koch, ebenfalls Jurymitglied, lobte den wiederkehrenden Bezug auf Honigmanns Biografie und bezeichnete ihre Werke als „eine schnörkellose, entschlackte, aber dennoch sehr poetische Prosa“.[3]

Auszeichnungen

Werke

  • Das singende springende Löweneckerchen Berlin 1979, Urauff. Bühnen der Stadt Zwickau, 23. November 1980, Regie: Klaus Thewes. Wiederabdruck: Marion Victor (Hrsg) Spielplatz, 3 Verlag der Autoren, Frankfurt, 1990 (S. 125–160), ISBN 3-88661-107-8 (Auch als Schallplatte)
  • Der Schneider von Ulm. Henschel, Berlin 1981 (Mskr.) Hörspiel, Erstsendung 1. April 1982, SR; Theater: Urauff. Frankfurt/M. 22. März 1984, Regie Wolf Vogel, Theater am Turm
  • Don Juan (beigefügt zu vorigem Titel, Mskr.) Urauff. Frankfurt/M. 22. März 1984, Regie Wolf Vogel, Theater am Turm
  • Roman von einem Kinde Darmstadt 1986, als TB dtv 2001 ISBN 3-423-12893-3 (Französisch: Le roman d'un enfant Übers. Françoise Doussin, Nicole Costantino, Charles Fichter. Strasbourg 1999) (zuerst als Hörspiel, Erstsendung SR 2. Dezember 1984)
  • Eine Liebe aus nichts. Rowohlt, Berlin 1991 ISBN 3-87134-004-9, als TB 1993 ISBN 3-499-13245-1 (Franz.: Un amour fait de rien Übers. Christian Richard, Paris 2001)
  • Soharas Reise. Berlin 1996 ISBN 3-499-22495-X
  • Am Sonntag spielt der Rabbi Fußball. Wunderhorn, Heidelberg 1998. ISBN 3-88423-134-0 (Franz.: Le dimanche le rabbin joue au foot. Übers. Raphaëlle Dedourge, Paris 2001)
  • Damals, dann und danach. Hanser, München 1999. ISBN 3-446-19668-4 (Franz.: Les îles du passé. Übers. Colette Strauss-Hiva, Nîmes 1999)
  • Eine „ganz kleine Literatur“ des Anvertrauens. in: Sinn und Form. 2000, Heft 6, S.830–844. (Poetikvorlesung an der Univ. Tübingen 12. Mai 2000, wieder in: B.H., 2006) über Glückel von Hameln, Anne Frank, Rahel Varnhagen
  • Alles, alles Liebe! Hanser, München 2000, dtv, München 2003. ISBN 3-423-13135-7. (Franz.: Très affectueusement Übers. Christian Richard, Paris 2001)
  • Das Schiefe, das Ungraziöse, das Unmögliche, das Unstimmige. Rede zur Verleihung des Kleist-Preises. in: Sinn und Form. Berlin 2001, Heft 1, S.31–40. (wieder in: B.H., 2006)
  • Das Gesicht wiederfinden. Rede anlässlich der Verleihung des Jeanette-Schocken-Preises. in: die horen 2001, Heft 2, S.233–236, wieder in: B.H., 2006
  • Ein Kapitel aus meinem Leben. Hanser, München 2004. ISBN 3-446-20531-4 (Franz.: L'agent recruteur Übers. Colette Strauss-Hiva, Paris 2008)
  • Das Gesicht wiederfinden. Über Schreiben, Schriftsteller und Judentum. (Essays) Hanser, München 2006. ISBN 3-446-20681-7 (Reihe: Edition Akzente), u.a. über Albert Cohen, Bertha Pappenheim, und Jeanette Schocken; weitere siehe B.H., 2000 & 2001[7]
  • Blick übers Tal. Zu Fotos von Arnold Zwahlen. (Essay) Edition Spycher im Verlag von Urs Engeler, Basel/Weil am Rhein 2007, ISBN 978-3-938767-38-2
  • Das überirdische Licht – Rückkehr nach New York. Hanser, München 2008, ISBN 978-3-446-23085-9[8]
  • In Memory of Mutti (Hörspiel, Regie: Leonhard Koppelmann) Südwestrundfunk 2009 - Ursendung
  • Bilder von A. Hanser, München 2011, ISBN 978-3-446-23742-1.[9]
  • Chronik meiner Straße. Hanser, München, 2015, ISBN 978-3-446-24762-8.

Übersetzungen

  • Lew E. Ustinow: Die Holz-Eisenbahn. Berlin 1979 (zusammen mit Nelly Drechsler) Kindertheaterstück (russ. Derevjannaja doroga)
  • Anna Achmatowa: Vor den Fenstern Frost. Berlin 1988 (zusammen mit Fritz Mierau)

Ausstellungskataloge

  • Barbara Honigmann. Bilder und Texte, Michael Hasenclever Galerie, München 1992 (darin: Selbstporträt als Jüdin)
  • Barbara Honigmann. Dreizehn Bilder und ein Tag, München 1997
  • Barbara Honigmann. Von Namen und Sammlungen, München 2002

Literatur

  • Marcel Reich-Ranicki: B.H.s Skizzen und Etüden. In: Marcel Reich-Ranicki: Über Ruhestörer. Juden in der deutschen Literatur, 2. Aufl. dtv, München 1993, S. 191–196, ISBN 3-421-06491-1
  • Karen Remmler: En-gendering Bodies of Memory. Tracing the Genealogy of Identity in the Work of Dischereit, B.H. and Dische. In: Reemerging Jewish Culture in Germany. Life and Literatur since 1989, Hrsg. v. S. L. Gilman & K.R. New York, University Press 1994, S. 184–209, ISBN 0-8147-3062-0, ISBN 0-8147-3065-5
  • Guy Stern: B. H. in: Literarische Kultur im Exil. Collected Essays on the German-speaking Emigration After 1933 (1989–1997), University Press, Dresden 1998, S. 245–251, ISBN 3-931828-05-0
  • Anat Feinberg: Abinding in a Haunted Land. The Issue of „Heimat“ in Contemporary German Jewish Writings. In: New German Critique. University of Wisconsin, Milwaukee 70.1997, S. 161–181 ISSN 0094-033X
  • Helene Schruff: Wechselwirkungen. Deutsch-jüdische Identität in erzählender Prosa der „Zweiten Generation“ (HASKALA. Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd 20), Olms, Hildesheim 2000. ISBN 3-487-11031-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Biografischer Roman über die Mutter: Weltgeschichte nebenher, Rezension, Neue Zürcher Zeitung vom 25. September 2004.
  2. Zentralarchiv Heidelberg.
  3. a b Andreas Riechert: Entschlackte Poesie, Wiesbadener Tagblatt, 26. Oktober 2011, Zugriff am 13. November 2011.
  4. Andreas Riechert: Schnörkelloser Stil in: Allgemeine Zeitung vom 26. Oktober 2011.
  5. Oe1, ORF.at, 18. Oktober
  6. rbb Kulturradio, 19. Juni 2015
  7. Jüdin sein, deutsch schreiben Rezension, Die Welt 23. Dezember 2006
  8. Eine fast fiktive Stadterinnerung Rezension, Deutschlandfunk vom 2. Oktober 2008.
  9. Eine gescheiterte Liebe Rezension, Deutschlandradio Kultur vom 27. Juli 2011.