Beate Zschäpe

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Beate Zschäpe (* 2. Januar 1975 in Jena als Beate Apel) ist eine deutsche Rechtsextremistin aus der Neonazi-Szene und mutmaßliches Mitglied der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

Leben

Herkunft und Kindheit

Beate Zschäpes Mutter studierte als DDR-Bürgerin in Bukarest Zahnmedizin; ihr Vater, den sie nie kennengelernt hat, war ein rumänischer Kommilitone ihrer Mutter. Sie wuchs in Jena in einfachen Verhältnissen auf und befand sich häufig in der Obhut ihrer Großmutter. Ihre Mutter ließ sich zweimal scheiden. Zschäpe nahm jeweils den Namen des neuen Partners ihrer Mutter an.[1] In den ersten 15 Lebensjahren Beate Zschäpes kam es zu sechs Umzügen in Jena und Umgebung.[2][3] 1991 verließ sie nach der zehnten Klasse die staatliche Regelschule „Johann Wolfgang von Goethe“ in Jena-Winzerla und begann im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine Tätigkeit als Malergehilfin.[1] Von 1992 bis 1996 machte sie eine Lehre als Gärtnerin, Fachrichtung Gemüsebau.[4]

Thüringer Neonazi-Szene

In dieser Zeit (1991/92) schloss sie sich der neonazistischen Jugendclique Winzer-Clan in ihrer Nachbarschaft im Plattenbau-Viertel in Jena-Winzerla an[5] und lernte Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kennen.[4] Mit ihren Freunden Mundlos und Böhnhardt und drei anderen Neonazis, unter ihnen Ralf Wohlleben, bildete sie die Kameradschaft Jena,[6] beteiligte sich an bundesweiten Aufmärschen der Neonazi–Szene[4] und Aktionen der Anti-Antifa Ostthüringen und der Nachfolge-Organisation Thüringer Heimatschutz. Außerdem gab es Kontakte zum militanten Neonazi-Netzwerk Blood and Honour.[5]

Ebenfalls in den 1990er-Jahren meldete sie politische Demonstrationen in Jena an („Zur Bewahrung Thüringer Identität, gegen die Internationalisierung der EG“) und beteiligte sich an Straftaten gegen linke Jugendliche und vietnamesische Zigarettenhändler.[7]

Nachdem 1996 und 1997 in Jena mehrere Bombenattrappen und nicht zündfähige Sprengkörper gefunden worden waren, durchsuchte die Polizei am 26. Januar 1998 die Wohnungen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt.[8] Dabei fand sich in Zschäpes Wohnung neben einer Machete und einem Gewehr[5] ebenfalls ein handgefertigtes Brettspiel namens Pogromly, ein Monopoly für Neonazis.[9] In einer von Zschäpe angemieteten Garage wurden vier Rohrbomben mit etwa 1,4 Kilogramm TNT gefunden.[1] Gegen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe wurden Haftbefehle erlassen.[8]

Nach der Durchsuchungsaktion ging Zschäpe gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos in den Untergrund.

Explosion in Zwickau

Das durch die Explosion beschädigte Haus in Zwickau am 4. November 2011

Nachdem sich ihre Komplizen Böhnhardt und Mundlos nach einem missglückten Banküberfall in Eisenach am 4. November 2011 das Leben genommen hatten, ereignete sich am selben Tag eine Explosion in einem Wohnhaus in der Frühlingsstraße in Zwickau-Weißenborn. Dort hatte das Trio dreieinhalb Jahre in einer konspirativen Wohnung gelebt.[10] Zschäpe verschüttete laut Haftbefehl „eine brennbare Flüssigkeit und entzündete diese", wodurch es zu einer Verpuffung kam.[11] Das Mehrfamilienhaus wurde stark beschädigt und musste später abgerissen werden. Im Bauschutt fanden sich zahlreiche Waffen, darunter die Tatwaffen der Serienmorde an Migranten und die Waffen, die beim Polizistenmord von Heilbronn an der Polizistin Michèle Kiesewetter benutzt wurden.[12] Außerdem wurde ein Laptop sichergestellt, auf dem sich u. a. Entwürfe des „Paulchen Panther-Videos“ befanden, in dem sich der Nationalsozialistische Untergrund zu seinen Taten bekannte.[13] Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof wirft Zschäpe vor, sie habe das Gebäude in Brand gesteckt, „um das Auffinden von Beweismitteln zu vereiteln”.[14] Als Zschäpe aus dem Haus flüchtete, gab sie noch ihre Katzen bei einer Nachbarin ab, ließ hingegen eine bettlägerige ältere Frau in dem brennenden Haus zurück.[7][15] Einen Tag später versandte sie von Leipzig aus mindestens 12 Briefumschläge mit dem Bekennervideo an Zeitungen, Moscheevereine, Parteien und einen rechten Versand. Damit stellte sie sicher, dass ihre Gruppe und deren Taten schlagartig bekannt wurden.[2]

Haft und Anklage

Seit dem 8. November 2011 befindet sich Beate Zschäpe in Untersuchungshaft, nachdem sie sich nach mehrtägiger Flucht in Jena der Polizei gestellt hatte. Am 11. November 2011 übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.[16]

Am 8. November 2012, ein Jahr nach Bekanntwerden der Mordserie, erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer. Zschäpe wird vorgeworfen, „sich als Gründungsmitglied des ‚NSU‘ … an der Ermordung von acht Mitbürgern türkischer und einem Mitbürger griechischer Herkunft, dem Mordanschlag auf zwei Polizeibeamte in Heilbronn sowie an den versuchten Morden durch die Sprengstoffanschläge des ‚NSU‘ in der Kölner Altstadt und in Köln-Mülheim beteiligt zu haben“.[17] Laut Anklage war der „Nationalsozialistische Untergrund (NSU)“ „eine aus drei gleichberechtigten Mitgliedern bestehende Gruppierung“, die ihre Taten „in einer aufeinander abgestimmten Arbeitsteilung“ verübte. Zschäpe habe dabei die „unverzichtbare Aufgabe“ gehabt, „dem Dasein der terroristischen Vereinigung den Anschein von Normalität und Legalität zu geben“, u. a., indem sie an den „jeweiligen Wohnorten eine unauffällige Fassade“ gepflegt und die gemeinsame Wohnung „als Rückzugsort und Aktionszentrale“ gesichert habe. Zudem sei sie „maßgeblich für die Logistik der Gruppe verantwortlich“ gewesen. So habe sie das Geld aus den Raubüberfällen verwaltet und mehrfach Wohnmobile angemietet, darunter ein Tatfahrzeug, so die Bundesanwaltschaft in der 500-seitigen Anklageschrift.

Laut einem "Daktyloskopischen Sachstandsbericht", sollen DNA-Spuren von Zschäpe an Zeitungsartikeln über den Sprengstoffanschlag in Köln und dem Mord an Habil Kilic gefunden worden sein. Außerdem wird Zschäpe vorgeworfen, die Wohnung in Zwickau „in Brand gesetzt und sich dadurch wegen eines weiteren versuchten Mordes an einer Nachbarin und zwei Handwerkern und wegen besonders schwerer Brandstiftung strafbar gemacht zu haben“.[18]

Laut der Staatsanwaltschaft Zwickau wurde gegen sie auch wegen des Fundes kinderpornografischer Dateien auf ihrem Computer ermittelt. Dieses Verfahren sei jedoch eingestellt worden, da die Strafe dafür im Vergleich zu der für die ihr vorgeworfenen Taten „voraussichtlich nicht beträchtlich ins Gewicht“ falle.[19]

Der Prozess wird ab dem 6. Mai 2013 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München stattfinden. Nach der Strafprozessordnung muss der Prozess in einem Bundesland geführt werden, in dem einer der NSU-Tatorte liegt. Fünf der neun Migranten-Morde wurden in Bayern verübt.[20] Zschäpes Verteidiger sind Wolfgang Heer (Köln), Wolfgang Stahl (Koblenz) und Anja Sturm (Berlin).[21] Beate Zschäpe saß in der Haftanstalt Köln-Ossendorf ein[5] und wurde Mitte März 2013 in die Justizvollzugsanstalt München verbracht.[22] Eine Untersuchung durch den vom Gericht bestimmten psychiatrischen Gutachter Henning Saß lehnte sie ab.[23] Nach Ansicht der Verteidigung ist Zschäpe keine Mittäterschaft an den NSU-Morden vorzuwerfen.[24] Das Oberlandesgericht München sprach sich im Januar 2013 für Hafterleichterungen Zschäpes aus, da der NSU nicht mehr existiere und daher eine Unterstützung der Gruppe durch die Inhaftierte nicht mehr möglich sei.[24][25]

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c Göran Schattauer: Ich schlafe jetzt ruhiger. Jahrelang lebte sie an der Seite zweier rechtsradikaler Killer. Nun haben Ermittler die unheimliche Biografie der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe rekonstruiert. In: Focus 4/2012
  2. a b Beate, die braune Witwe. Christian Fuchs, John Goetz: Porträt im Dossier der Zeit, 31. Mai 2012. Abgerufen am 8. Mai 2012.
  3. Ralf Isermann: Zschäpes rätselhafte Rolle. Frankfurter Rundschau, 2. November 2012, abgerufen am 4. November 2012.
  4. a b c Christian Fuchs, John Goetz: Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland. Reinbek bei Hamburg, 2012, S. 60 ff.
  5. a b c d Andrea Röpke: Im Untergrund, aber nicht allein. Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 14. September 2012.
  6. Julia Jüttner: Terrorgruppe aus Zwickau: Mörderische Blutsbrüderschaft. Der Spiegel, 13. November 2011, abgerufen am 14. September 2012.
  7. a b Anklage gegen Beate Zschäpe: "Sie hatte die Jungs im Griff" tagesschau.de vom 8. November 2012
  8. a b Verfassungsschutzbericht Thüringen 1998, zit. nach: Regierungserklärung des Thüringer Innenministers vor dem Landtag, Erfurt, 21. Juni 2012.
  9. Rainer Erb: Das Zwickauer Terror–Trio. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, Februar 2012, abgerufen am 14. September 2012.
  10. Fuchs, Goetz: Die Zelle, a.a.O., S. 208
  11. Fuchs, Goetz: Die Zelle, a.a.O., S. 240
  12. Chronik NSU. (PDF; 396 kB) Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag, 8. Mai 2012, abgerufen am 14. September 2012.
  13. Generalbundesanwalt sieht Ermittlungen auf gutem Weg. Süddeutsche Zeitung, 14. Dezember 2011, abgerufen am 28. September 2012.
  14. Bundesgerichtshof: Beschluss vom 12. September 2012 in dem Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung u. a. (PDF; 43 kB) 12. September 2012, abgerufen am 14. September 2012.
  15. Fuchs, Goetz: Die Zelle, a.a.O., S. 242
  16. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof: Pressemitteilung 35/2011. 11. November 2011, abgerufen am 14. September 2012.
  17. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof: Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Beate Zschäpe. 8. November 2012, abgerufen am 9. November 2012.
  18. Anklage Beate Zschäpe - Sie hatte die Jungs im Griff Tagesschau.de vom 8. November 2012
  19. Besitz von Kinderpornografie: Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Zschäpe. Spiegel Online, 12. Februar 2013, abgerufen am 29. März 2013.
  20. Verfahren gegen Zschäpe in München? Bayerischer Rundfunk, 1. Juni 2012, abgerufen am 25. Oktober 2012.
  21. Holger Schmidt: Zschäpes Verteidiger keilen gegen den GBA. SWR, 1. September 2012, abgerufen am 25. Oktober 2012.
  22. Ann-Kathrin Gerke: NSU: Zschäpe sitzt jetzt in München. tz.online.de, 13. März 2013, abgerufen am 26. März 2013.
  23. Zschäpe lehnt psychiatrisches Gutachten ab. Spiegel Online, abgerufen am 17. Dezember 2012.
  24. a b Zschäpes Anwälte machen Teil-Rückzieher. Tagesschau-Online, 9. Januar 2013, abgerufen am 10. Januar 2012.
  25. Karin Truscheit: Gericht gewährt Zschäpe Erleichterungen. In: F.A.Z. 9. Januar 2013, abgerufen am 10. Januar 2013.