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Neos Kosmos (‚Neue Welt‘), ein Stadtteil Athens, ursprünglich Dourgouti

Ein Großteil der Toponyme in Griechenland ist durch gezielte Umbenennung im 19. und 20. Jahrhundert entstanden. Hierbei wurden regelmäßig Namen vor allem slawischen, osmanisch-türkischen, italienischen oder venezianischen, albanischen und aromunischen Ursprungs durch griechische ersetzt. Zudem erhielten Dörfer mit neugriechischen Namen einen aus dem Altgriechischen entlehnten Ersatz. Ein beträchtlicher Teil der griechischen Toponyme, die aus anderen Sprachen entlehnt sind, besteht aber weiter fort, manchmal parallel zu einem ‚offiziellen‘ neueren Namen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gebiet des modernen Staats Griechenland war seit dem Ende des Hellenismus vielen Bevölkerungswanderungen und Eroberungen ausgesetzt. Die führte zur Zerstörung und Aufgabe vieler Städte und Dörfer und zu ebenso vielen Neugründungen. Städte wie Athen, Korinth, Edessa oder Didymoticho, die ununterbrochen griechisch bewohnt waren, auch weitgehend griechisch bewohnte Inseln, behielten ihren griechischen Namen; viele andere wurden umbenannt oder entstanden neu unter nicht griechischem Namen. Neue Siedlungen mit anderssprachigen Namen entstanden unter anderem im Frühmittelalter durch Slawische Einwanderung, im Hochmittelalter durch den Zuzug albanischer Bevölkerung, in Spätmittelalter und Neuzeit vor allem durch die Eroberung des Landes durch die Republik Venedig und das Osmanische Reich.

19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Administration des 1932 durch die Londoner Konferenz bestimmten Königreichs unter König Otto stammte zu einem großen Teil aus dem Bayern des philhellenischen Königs Ludwig I. Als Staatssprache diente die aus vielen Eigenheiten des klassischen Attisch entwickelte Katharevousa. Die bayerisch-griechische Bürokratie teilte das Land 1934 und 1835 in Kreise (gr. nomos), Eparchien (gr. eparchia) und Gemeinden (gr. dimos) ein, die fast alle nach antiken Toponymen benannt wurden und auch viele Namen griechischen Ursprungs ersetzten. 1940 wurden die Gemeinden noch einmal vergrößert. Auf die Namen der kleineren Siedlungen dieser Gemeinden wurde dabei weniger Wert gelegt.

Im königlichen Erlass von 1934, der (zweisprachig Katharevousa und Deutsch) die Gliederung des Kreises Argolis und Korinthia bestimmte, ließ fast alle antiken Ortsnamen dieser Gegend wieder erstehen.[1]

Beispiele für Umbenennungen im Kreis Argolis und Korinthia 1834
alter Name der Siedlung deutsch Bemerkungen Name der Gemeinde deutsch Bemerkungen
Μπουγιάτι / Bougiati Bogiati aus alb. Bujati ‚Abkömmlinge aus Buja[2] Ἀλέα Alea nach dem antiken Alea
Ἅγιος Γεώργιος / Agios Georgios St. Georgios nach dem Patronat der byzantinischen Kirche Νεμέα Neméa nach dem antiken Nemea
Σπέτσες Spetses aus ital. spezie ‚Gewürz‘ Τιπάρηνος / Tiparinos Tiparenos nach dem altgriechischen Namen der Insel, Tiparēnos
Κουτσοπόδι Koutsopodi neugr. ‚Hinkefuß‘ Μυσία Mysia
Χαϊδάρι Chaïdari zum türk. Vornamen Haydar Ασίνη / Asini Asine nach dem antiken Asinē
Κάτω Μπέλεσι / Kato Belesi Unter-Belesi aus slaw. *Bělešь zu belo ‚weiß‘[3] Λύρκεια / Lyrkia Lyrkeia nach dem antiken Lyrkeia

Diesem Prinzip blieb der griechische Staat auch im übrigen 19. Jahrhundert treu. So wurden auch in den hinzugewonnenen Gebieten der Ionischen Inseln (1866[4]) sowie in Thessalien und um Arta (1883[5]) die Dörfer in Gemeinden antiker Namensgebung zusammengefasst, wobei häufig nicht das antike Toponym zum offiziellen Gemeindenamen wurde, sondern der Genitiv Plural des Ethnonyms. Beispiele hierfür sind für Lixouri der ‚Dēmos der Palier‘ (Δήμος Παλέων) nach der antiken Umgebung der Stadt Paleis (Παλεῖς), die als Provinz Pali wiedererstand, oder der ‚Dēmos der Trikkäer‘ (Δήμος Τρικκαίων) für Trikala, nach der antiken Stadt Trikka.

20. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der griechische Nationalismus hatte sich mit der Megali Idea am Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Art Staatsdoktrin entwickelt. Ansprüche eines ‚Griechentums‘ (gr. ellinismos ελληνισμός) wurden durch die historiographische (Pavlos Karolidis, Spyridon Lambros) und volkskundliche Forschung (Georgios Chatzidakis, Nikolaos G. Politis) untermauert.[6] Mit dem Anspruch auf das ideologisch umkämpfte Makedonien und Thrakien gerieten Gebiete ins Blickfeld, in denen griechischsprachige Bewohner in großen Gebieten in der Minderheit waren und die meisten Dörfer türkische oder slawische Namen trugen.[7]

Im Mai 1808 beschloss der Stadtrat Athens die erste amtliche Einteilung der Gemeinde in Stadtteile, wobei die überlieferten Namen durch solche der Demoi Athens ersetzt wurden.

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1909 wurde per Erlass eine Kommission namens ‚Vormundschaft über die Toponyme Griechenlands‘ (gr. epitropia ton toponymion tis Ellados ἐπιτροπεία τῶν τοπωνυμιῶν τὴς Ἑλλάδος) unter der Leitung des Athener Professors Politis eingesetzt, die die Toponyme erforschen und ihren historischen Ursprung herausfinden sollte und Empfehlungen erarbeiten sollte „zur Änderung anderssprachiger und kakophoner Namen“ und „fehlerhafter griechischer Namen, um sie durch ältere und vertrautere zu ersetzen“. Alle staatlichen Behörden wurden verpflichtet, die Kommission zu unterstützen.[8]

Im Jahr 1912 wurde in Griechenland eine umfassende Gemeindereform beschlossen. Die relativ großen Gemeinden wurden in kleinere Einheiten aufgeteilt, für die mit der kinotita (etwa ‚Landgemeinde‘) eine neue Kategorie der Gebietskörperschaft geschaffen wurde. Dies lenkte den Blick zusätzlich auf die kleineren Ortschaften in Griechenland.

Nach den Empfehlungen der Kommission unter Politis wurden ab 1914 zahlreiche Dörfer und Gemeinden umbenannt, was 1920 in einem umfangreichen Gutachten der Kommission zur „Umbenennung von Siedlungen und Landgemeinden“ ( gr. Gnomodotisis peri metonomasias synikismon ke kinotiton Γνωμοδοτήσεις περὶ μετονομασίας συνοικισμὼν καὶ κοινοτήτων) dokumentiert wurde.[9] Erste Umbenennungen in Kreta und Makedonien sowie auf Lesbos waren auch aufgeführt.

Als Ergebnis der Balkankriege konnte Griechenland unter Eleftherios Venizelos sein Territorium durch Hinzugewinnung eines großen Teils Makedoniens, des südlichen Epirus der Inseln der Nördlichen Ägäis und Kretas beinahe verdoppelt werden. Nach Erstem Weltkrieg und Griechisch-Türkischem Krieg kam auch Westthrakien hinzu.

In den „Neuen Ländern“ wurde die Verwaltungsstruktur von 1912 nun übertragen, zunächst 1918 und 1919 für Makedonien, die Nordägäis und Epirus, 1924 und 1925 folgten Westthrakien und Kreta. Bei der Verwaltungsgliederung für Westthrakien wurden bereits systematisch neue, griechische Gemeindenamen beschlossen und die älteren, meist türkischen Namen nicht dokumentiert.[10] Insgesamt wurde mit rund 3.500 von 11.000 Dörfern in den Folgejahren bis 1961 rund ein Drittel der Siedlungen Griechenlands umbenannt, die meisten in Nordgriechenland, aber auch eine beträchtliche Anzahl in den seit der Staatsgründung zum Land gehörigen Regionen.[11]

Flüchtlingssiedlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die Vertreibungen während der Kriege und den 1923 vereinbarten Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei kamen über 1,5 Millionen Neubürger nach Griechenland, die nicht nur in die entvölkerten Siedlungen Nordgriechenlands gebracht wurden, sondern für die auch viele neue Siedlungen errichtet wurden. Die führte zu vielen Umbenennungen nach den griechischen Namen der alten Siedlungen und Landschaften, aus denen die Flüchtlinge stammten, gelegentlich mit dem Zusatz Neu-. Besonders im Bereich der Großstädte Athen und Thessaloniki wurden so einige kleine Siedlungen, die noch die türkische Namen trugen zu Städten, die durch ihren Namen die Erinnerung an die ‚alte Heimat‘ bewahren.

Rückbenennungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vereinzelt wurden in den 1970er und 1980er Jahren Siedlungen wieder mit ihren alten Namen versehen, dazu gehören Kileler, das von 1919bis 1985 offiziell Kypseli hieß oder für Gaios, den Hauptort der Insel Paxi, der von 1957 bis 1979 nach der Insel benannt war.

Seit 1997[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gliederung Griechenlands in Städte bzw. Stadtgemeinden (dimi) und viele kleine Landgemeinden (kinototes) wurde 1997 zugunsten größerer Gemeinden etwa wie im 19. Jahrhundert (Kapodistrias-Programm) aufgegeben. Mit dem Kallikratis-Programm 2010 wurden insgesamt 325 Großgemeinden etwa vom Zuschnitt der alten eparchies (Kallikratis-Programm) gebildet. Hierbei wurden nicht wenige der Gemeindenamen aus der Zeit vor 1912 wiederbelebt, aber auch Namen nach verschiedenen Persönlichkeiten der griechischen Geschichte vergeben, zum Beispiel Aristotelis, Risa Fereos, Georgios Karaiskakis oder Nikos Kazantzakis. Außerdem erhielten viele Gemeinden die Namen von Gebirgen, Gewässern oder Landschaften wie Voio, Limni Plastira oder Peonia.

Seit von 2006 werden Ortsnamen durch Dekret des griechischen Präsidenten auf Vorschlag des Innenministers bestimmt. Ein Ortsnamenrat (gr. Symvoulio Toponymion Συμβούλιο Τοπωνυμιών) beim griechischen Innenministerium berät den Innenminister in Fragen der Namensgebung. Der Gemeinderat kann nach Mehrheitsbeschluss solche Umbenennungen beim Innenminister beantragen.[12] Dieser Ortsnamenrat wurde 2012 eingerichtet.[13]

Regionen im Vergleich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umbenennungen griechischer Siedlungen bis 1961
Region bei Griechenland seit 1833–1911[7] 1912–1961[11] Siedlungen 1920
Peloponnes 1830 38 687 2.429
Festlandsgriechenland:
Attika, Mittelgriechenland und Ätolien-Akarnanien
1830
1881 (Domokos)
26 430 1.388
Ägäische Inseln 1830 (Kykladen)
1913 (Nördliche Ägäis)
1946 (Dodekanes)
5 55 409
Ionische Inseln 1864 1 37 622
Thessalien 1881
1913 (Elassona)
12 397 779
Epirus 1881 (Teile Artas)
1913 (übriger Epirus)
376 789
Kreta 1913 81 1503
Makedonien 1913 1313 2077
Thrakien (Zahl geschätzt[11]) 1920 200 449
Summe 82 3576 10.748

Beispiele für Umbenennungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die neu gewählten Toponyme sind häufig die Übertragung von Namen der griechischen Antike oder aus byzantinischer Zeit, Namen orthodoxer Heiliger oder Übersetzungen des nicht griechischen Namens.

alter Name der Siedlung deutsch Bemerkungen Datum Name der Gemeinde deutsch Bemerkungen
Γιασί-κιοϊ / Giasi-kioi Yassı / Yassıköy türk. yassı ‚platt‘, köy ‚Dorf‘ 1924 Ίασμος Iasmos lautliche Ähnlichkeit zu gr. [ʝasɛˈmi] γιασεμί ‚Jasmin‘, dieses antikisiert zu Iasmos
Οκτσιλάρ / Oktsilar Okçular türk. ‚Bogenschützen‘ 1924 Τοξότες Toxotes Übersetzung ins Griechische: gr toxotis τοξότης ‚Bogenschütze‘
Τσερνέσοβον / Tsernesovon Cъrneševo slaw. ' ‚‘, ' ‚‘ 1926 Γαρέφη Garefi nach Kostas Garefis (1874–1906), einem Kämpfer der makedonischen Bandenkriege aus dem Pilion, der in dem Dorf starb.

Flüsse, Inseln und Landschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

So existieren für viele Berge und Flüsse heute zwei griechische Namen. [1]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Regierungsblatt des Königreichs Griechenland Nr. 19, Nauplia, 7. Juni 1834 (PDF online)
  2. Charalambos Symeonidis: Byzantinisch-neugriechische Namengebung, in: Ernst Eichler (Hrsg.): Namenforschung: ein internationales Handbuch zur Onomastik, 1. Teilband, Berlin (Verlag Walter de Gruyter) 1995, ISBN 3110114267, S. 710–717 (Buchvorschau online)
  3. Max Vasmer: Die Slaven in Griechenland, Berlin (Verlag der Akademie der Wissenschaften) 1941 und Leipzig (Zentral Antiquariat der Deutschen Demokratischen Republik) 1970, S. 127 (online)
  4. Regierungsblatt des Königreichs Griechenland Nr. 9, Athen, 28. Januar 1866 (PDF online)
  5. Regierungsblatt des Königreichs Griechenland Nr. 126, Athen, 2. April 1883 (PDF online)
  6. Ioannis Zelepos: Die Ethnisierung griechischer Identität, 1870-1912. Staat und private Akteure vor dem Hintergrund der „Megali idea“], München (R. Oldenburg) 2002, ISBN 3-486-56666-0, S. 170–172 (Buchvorschau online)
  7. a b Umfangreiche Quellensammlung zur Bevölkerung und den Ortsnamen griechischer Dörfer vor den Umbenennungen von Dimitri Lithoxoou
  8. Regierungsblatt des Königreichs Griechenland Nr. 125, Athen, 8. Juni 1909 (PDF online)
  9. Ayşe Çavdar: Baptizing Territory: Reconstituting Rumeli after 1878, Diss., Istanbul (Boğaziçi Üniversitesi) 2004 (online)
  10. Regierungsblatt der Hellenischen Republik Nr. 194, Athen, 14. Juni 1224 (PDF online)
  11. a b c Léonidas F. Kallivretakis: Géographie et démographie historiques de la Grèce : le problème des sources, in: Histoire & Mesure, Bd. 10 No. 1–2, S. 9–23, 1995 PDF online (franz.), rev. Fassung 2003 (griech., PDF online)
  12. Gesetz Nr. 3463 Art. 7; Regierungsblatt der Hellenischen Republik Nr. 114, 8. Juni 2006) als PDF)
  13. [http://www.et.gr/idocs-nph/search/pdfViewerForm.html?args=5C7QrtC22wEbA_BZxkczbHdtvSoClrL8XL8tG9fmXDl5MXD0LzQTLWPU9yLzB8V6PZKHBUSqIM6CiBSQOpYnTy36MacmUFCx2ppFvBej56Pu3hxZzkOTz5qZnsIAdk8Lv_e6czmhEembNmZCMxLMtZ5d9H1IDiMUWV9adH_wrsFEX-0___5ZkHfPaEA08RGv Regierungsblatt der Hellenischen Republik Nr. 112, 13. März 2012 als PDF