Slawische Sprachen
Die slawischen Sprachen (auch slavisch) bilden einen Hauptzweig der indogermanischen Sprachen. Man unterscheidet gewöhnlich zwischen Ostslawisch, Westslawisch und Südslawisch.[1]
Etwa 300 Millionen Menschen sprechen eine der rund 20 slawischen Sprachen als Muttersprache; 400 Millionen inklusive Zweitsprechern. Die mit Abstand sprecherreichste slawische Sprache ist das Russische mit rund 145 Millionen Muttersprachlern. Weitere bedeutende slawische Sprachen sind Polnisch und Ukrainisch (jeweils etwa 50 Millionen Sprecher). Fast alle größeren slawischen Sprachen sind Nationalsprachen ihrer Länder.
Die Wissenschaft von den slawischen Sprachen, Literaturen und Kulturen heißt Slawistik.
Urslawisch und die Entwicklung der slawischen Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der slawische Sprachzweig ist innerhalb des Indogermanischen am nächsten mit dem Baltischen verwandt (vgl. Balto-Slawische Hypothese), was ausnahmslos durch sämtliche lexikostatistischen und glottochronologischen Berechnungen gestützt wird.[2][3]
Der weitverbreitetsten Hypothese nach sind die slawischen Sprachen aus einer gemeinsamen Protosprache entstanden, die als Urslawisch oder Protoslawisch bezeichnet wird und die der ältesten bekannten slawischen Schriftsprache, dem Altkirchenslawischen, zeitlich am nächsten kommt. Die drei Hauptzweige (Ost-, West- und Südslawisch) haben sich wahrscheinlich in der Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. aus dem Urslawischen entwickelt, danach kam es durch weitere Wanderungen zur Ausbildung der heutigen Sprachvielfalt. Große Bedeutung bei der Ausformung des Slawischen aus dem Indogermanischen haben die Lautprozesse der Palatalisierung und der Tendenz zur steigenden Silbensonorität.
Klassifikation der slawischen Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die slawischen Sprachen zerfallen sprachlich sowie geographisch in drei Hauptgruppen: Ostslawisch, Westslawisch und Südslawisch. Insgesamt lassen sich die slawischen Sprachen wie folgt klassifizieren:
- Altnowgoroder Dialekt †
- Altostslawisch (Altrussisch) †
- Russisch
- Ruthenisch (Altweißrussisch, Altukrainisch) †
- Weißrussisch
- Ukrainisch
- Russinisch: Karpato-Russinisch und Jugoslawo-Russinisch
- Westpolessisch
- lechische Gruppe
- Polnisch einschließlich schlesisches Polnisch (*)
- Elb- und Ostseeslawisch
- Kaschubisch
- Slowinzisch †
- Polabisch (Elbslawisch) †
- Pomoranisch (Ostseeslawisch) †
- sorbische Gruppe
- tschechisch-slowakische Gruppe
- Slowakisch
- Tschechisch einschließlich Lachisch (*)
- Knaanisch (westl. Judeo-Slawisch) †
- Südostslawisch
- Altkirchenslawisch † (auch Altbulgarisch genannt; daraus entwickelte sich das Kirchenslawische)
- Bulgarisch, Banater Bulgarisch
- Mazedonisch, Ägäis-Mazedonisch
- Südwestslawisch
- mittelsüdslawische (serbokroatische) Gruppe
- slowenische Gruppe
(*) Dialektbrücke zwischen Polnisch und Tschechisch
† bedeutet, die jeweilige Sprache ist ausgestorben
Bosnisch, Kroatisch und Serbisch stellen aus sprachgenetischer Sicht eine gemeinsame Einzelsprache dar, auch Serbokroatisch genannt. Allerdings gibt es Unterschiede z. B. im Wortschatz, der entsprechend der alten Grenze zwischen West- und Oströmischem Reich im Kroatischen mehr lateinische Lehnwörter aufweist, im Serbischen mehr griechische (vgl. Unterschiede zwischen den serbokroatischen Standardvarietäten). Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden drei nationale Standardsprachen etabliert. Es ist davon auszugehen, dass sich diese drei Varietäten in Zukunft weiter auseinanderentwickeln werden. Als vierte Sprache wird möglicherweise Montenegrinisch (die Form des Serbischen in Montenegro) den Status einer Standardsprache erreichen. Andererseits sind auch Serbisch und Bulgarisch, Tschechisch und Slowakisch, Russisch, Weißrussisch und Ukrainisch, sowie einige andere jeweils untereinander bis zu einem gewissen Grad verständlich. Mazedonisch wiederum wird von bulgarischer und griechischer Seite gern als bulgarischer Dialekt betrachtet.
Einen guten Eindruck vom Verwandtschaftsgrad der einzelnen slawischen Sprachen gibt die unten angeführte Tabelle slawischer Wortgleichungen.
Zum Zweck der Binnengliederung sind Vokabeln wichtig, die sich zwischen den Untergruppen unterscheiden (sog. Isoglossen). Das Wort für "vergessen" wird in jeder der drei Untergruppen durch verschiedene Vokabeln ausgedrückt (hier zwei Beispielsprachen pro Untergruppe):
Ostslawisch | Westslawisch | Südslawisch | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Russisch | Russinisch | Weißrussisch | Ukrainisch | Slowakisch | Tschechisch | Polnisch | Kroatisch | Bulgarisch | |
"vergessen" | забывать (zabyvat') | забуду | забыцца (zabycca) | забувати (zabuvaty) | zabúdať | zapomínat | zapominać | zaboravljati | забравя (zabravja) |
Häufiger ist der Fall, dass nur eine Untergruppe eine spezielle Vokabel hat, während die beiden anderen Untergruppen zusammengehen. Je fünf Beispiele für diese Situation:
Ostslawisch | Westslawisch | Südslawisch | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Russisch | Ukrainisch | Slowakisch | Tschechisch | Polnisch | Kroatisch | Bulgarisch | |
"Freund" | друг (drug), приятель (prijatel') | друг (druh), приятель (prijatel') | priateľ | přítel, druh | przyjaciel | prijatelj, drug | приятел (prijatel) |
"heute" | сегодня (segodn'a), сей день (sej den') | сьогодні (s'ohodni) | dnes | dnes | dziś | danas | днес (dnes) |
"mehr" | больше (bol'še) | більше (bil'še) | viac | více | więcej | više | повече (poveče) |
"öffnen" | открывать (otkryvat') | відкривати (vidkryvaty) | otvárať | otvírat | otwierać | otvarati | отваря (otvarja) |
"unten" | внизу (vnizu),
на дне (na dne) |
внизу (vnizu),
на дні (na dni) |
dole | dole | na dole | dole | долу (dolu) |
"Brust" | грудь (grud') | груди (hrudy) | prsia, hruď | prsa, hrud´ | pierś | grudi | гърди (gărdi) |
"Dorf" | село (selo),
деревня (derewnja) |
село (selo),
деревня (derewnja) |
dedina | vesnice | wieś | selo | село (selo) |
"sich freuen" | радоваться (radovat's'a), тусить (tusit') | радіти (radity), тусить (tusit') | tešiť sa | těšit se | cieszyć się | radovati se | радва се (radva se) |
"töten" | убивать (ubivat'),
забивать (zabivat') |
вбивати (vbyvaty),
забивати (zabivati) |
zabíjať | zabíjet | zabijać | ubijati | убива (ubiva) |
"wissen" | знать (znat'),
ведать (wedat') |
знати (znaty),
відати (widati) |
vedieť, poznať | vědět, znát | wiedzieć | znati | знае (znaje) |
"Ende" | конец (konec),
край (kraj) |
кінець (kinec'),
край (kraj) |
koniec | konec | koniec | kraj | край (kraj) |
"Haar" | волос (volos), косы (kosy) | волосся (voloss'a), коси (kosy) | vlas | vlas | włos | kosa | коса (kosa) |
"rechts" | правый (pravyj) | правий (pravyj) | vpravo, doprava | pravý | prawy | desni | десен (desen) |
"teuer" | дорогой (dorogoj) | дорогий (dorohyj) | drahý | drahý | drogi | skup | скъп (skăp) |
"Tür" | дверь (dver'), ворота (vorota), врата (vrata) | двері (dveri), ворота (vorota), врата (vrata) | dvere | dveře | drzwi | vrata | врата (vrata) |
Neben den hier genannten lexikalischen Isoglossen gibt es auch Isoglossen auf anderen Ebenen, wie der Grammatik oder der Lautung.
Geographische Verbreitung und Sprecherzahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über die geographische Verbreitung und Sprecherzahlen der slawischen Sprachen, gegliedert nach den drei Hauptzweigen. In der Spalte Verbreitung sind Gebiete, in denen die betreffende Sprache Amtssprache ist, fett und Gebiete, in die die betreffende Sprache erst durch Auswanderungen in jüngerer Zeit gelangt ist, kursiv hervorgehoben.
Sprache | Verbreitung | Sprecher |
---|---|---|
Ostslawische Sprachen | ||
Russisch (русский язык) | Russland, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan, weitere Länder der ehemaligen Sowjetunion (vor allem Ukraine, Lettland, Estland), USA, Israel, Deutschland, weitere westeuropäische Länder | 145 Millionen |
Ukrainisch (українська мова) | Ukraine, Russland, Kasachstan, Moldau, Polen, Weißrussland, Slowakei, Rumänien, Nordamerika, Argentinien, Kirgisistan, Lettland, Westeuropa, Tschechien | 47 Millionen |
Weißrussisch (беларуская мова) | Weißrussland, Russland, Ukraine, Polen (in der Umgebung von Białystok), Lettland, Litauen, Kasachstan, USA | 8 bis 10 Millionen |
Karpato-Russinisch (Ruthenisch) (руски язик) | Karpatenukraine (Ukraine, dort aber nicht offiziell anerkannt, sondern als ukrainischer Dialekt betrachtet), nordöstliche Slowakei und angrenzende Gebiete Polens, Emigranten vor allem in Nordamerika | 830.000 bis 1 Million |
Jugoslawo-Russinisch (Batschka-Russinisch) (бачвански руски язик) | Vojvodina (Serbien) und Slawonien (Kroatien) (ursprüngliche Herkunft: Karpatenukraine) | 23.000 |
Westpolessisch | im Grenzbereich zwischen der Ukraine und Weißrussland | etwa 800.000 (Volkszählung von 1931) |
Westslawische Sprachen | ||
Niedersorbisch (dolnoserbska rěc) | Niederlausitz (Deutschland) in der Umgebung von Cottbus | 7.000 |
Obersorbisch (hornjoserbska rěč) | Oberlausitz (Deutschland) in der Umgebung von Bautzen | 20.000 |
Polnisch (język polski) | Polen, Weißrussland, Ukraine, Israel, Tschechien, Litauen, Nordamerika, Westeuropa, Brasilien, Australien | 50 Millionen |
Kaschubisch (kaszëbsczi jãzëk) | in Polen westlich und südlich von Danzig | 50.000 |
Slowakisch (slovenský jazyk) | Slowakei, Vojvodina (Serbien), Ungarn, Rumänien, Tschechien, Ukraine, Kroatien, Nordamerika, Australien, Westeuropa | 6 Millionen |
Tschechisch (český jazyk) | Tschechien, angrenzende Länder (v. a. Slowakei), Nordamerika, Westeuropa, Australien | 12 Millionen |
Südslawische Sprachen | ||
Slowenisch (slovenski jezik) | Slowenien, südliches Kärnten, ehemalige Provinzen Triest und Gorizia (Italien), westliches Ungarn | 2 Millionen |
Resianisch (rozojanski lengač) | Resia-Tal in der Provinz Udine (Italien) | 19.000 |
Kroatisch (hrvatski jezik) | Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Westeuropa | ca. 7 Millionen |
Burgenlandkroatisch (gradišćansko-hrvatski jezik) | Burgenland, Wien (Österreich), Westungarn, Südwestslowakei | 19.000 |
Moliseslawisch (naš jezik, na-našu) | Molise (Italien) | 2.500 |
Bosnisch (bosanski jezik) | Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, Türkei, Nordamerika, Westeuropa | 4 Millionen |
Serbisch (српски језик, srpski jezik) | Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Nordmazedonien, Albanien, Rumänien, Ungarn, Türkei, Westeuropa, Amerika, Australien | ca. 12 Millionen |
Serbokroatisch (srpskohrvatski jezik, hrvatskosrpski jezik) | bis 1991 Amtssprache in Jugoslawien, Verwendung in Auswanderungsländern | 18 Millionen |
Bulgarisch (български език) | Bulgarien, Ukraine, Moldawien, angrenzende Länder (Mazedonien, Ost-Serbien, Ost-Rumänien, europäischem Teil der Türkei), USA, Westeuropa | 9 Millionen |
Banater Bulgarisch (bâlgarsći jazič) | Banat (Rumänien, Serbien) | 18.000 |
Mazedonisch (македонски јазик) | Nordmazedonien, angrenzende Länder (Serbien, Griechenland, Bulgarien), Westeuropa | 2 Millionen |
Sprachkategorien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Standardsprachen und Mikroliteratursprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Es ist in der Slawistik üblich, slawische Sprachen in „Standardsprachen“ und „Mikroliteratursprachen“ einzuteilen. Von vielen Forschern werden manche dieser Kleinsprachen aber nur als Dialekte oder Varietäten von Standardsprachen aufgefasst (vor allem in der angelsächsischen Literatur). Die Standardsprachen sind nach dem Zerfall Jugoslawiens und der Aufteilung der Tschechoslowakei exakt die slawischen Sprachen mit dem Status einer Nationalsprache.
In diesem Sinne sind
- Standardsprachen: Russisch, Ukrainisch, Weißrussisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Obersorbisch, Slowenisch, Kroatisch, Bosnisch, Serbisch, Bulgarisch und Mazedonisch.
- Mikroliteratursprachen: Jugoslawo-Russinisch, Karpato-Russinisch, Westpolessisch, Kaschubisch, Niedersorbisch, Resianisch (zu Slowenisch), Burgenland-Kroatisch, Molise-Kroatisch, Banater Bulgarisch und Pomakisch (zu Bulgarisch).
Die Klassifizierung der sorbischen Sprachen wird unterschiedlich gehandhabt, allerdings fehlen insbesondere dem Niedersorbischen die meisten Kriterien einer „Standardsprache“.
Ausgestorbene slawische Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die wichtigste ausgestorbene slawische Sprache ist das zum südslawischen Zweig gehörende Altkirchenslawische, eine Frühform des Bulgarischen, das in etwa 30 Handschriften und einigen Inschriften des 10. und 11. Jahrhunderts bezeugt ist. Vor allem anhand des Altkirchenslawischen lässt sich das Proto-Slawische, die hypothetische gemeinsame Vorgängersprache aller slawischen Sprachen, weitgehend erschließen. Weiterentwicklungen des Altkirchenslawischen – durch lokale Substrateinflüsse und bewusste Normierungsansätze entstandene, sogenannte Redaktionen des Kirchenslawischen – spielten bis zur Neuzeit eine zentrale Rolle als Literatursprache in den orthodox geprägten slawischen Gebieten. Auch heute noch wird das Neukirchenslawische in fast allen slawisch-orthodoxen Kirchen als Liturgiesprache verwendet.
Im Zuge der deutschen Ostsiedlung wurde eine größere Zahl von westslawischen Völkern assimiliert oder verdrängt, ihre Sprachen sind ausgestorben. Dies betrifft zunächst die slawischen Stämme zwischen Elbe und Oder und der Insel Rügen, die sich zum Beginn des 15. Jahrhunderts sprachlich assimilierten, dann das Polabische (auch Drawänopolabisch) im Wendland bei Lüchow (Wendland) und Dannenberg (Elbe), das in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausgestorben ist. Schließlich das bis kurz nach 1900 in Pommern gesprochene Slowinzische. Auch die Sprecherzahl der beiden sorbischen Sprachen geht seit Jahrhunderten stetig zurück, das Niedersorbische muss heute als akut bedroht gelten.
Weitere slawische Kleinsprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weitere Sprachen und Dialekte, die zu den slawischen Sprachen gerechnet werden, sind:
- Ägäis-Mazedonisch ist eine dem Mazedonischen und Bulgarischen verwandte Sprache in Nordgriechenland, um deren Verschriftung sich dortige Intellektuelle seit wenigen Jahren bemühen
- Čakavisch ist ein Sammelbegriff für kroatische Dialekte um Istrien, Pomorje-Inseln (Kvarner), Zadar und Split, die in der Vergangenheit (bis Mitte des 19. Jahrhunderts) auch als Schriftsprache gedient hat;
- Kajkavisch ist ein Sammelbegriff für kroatische Dialekte im Raum um Zagreb und Umgebung, begrenzt durch die Linie Karlovac – Jasenovac – Koprivnica – Varaždin und Karlovac. Kajkavische Dialekte haben in der Vergangenheit als Schriftsprache gedient;
- Štokavisch ist eine Sammelbezeichnung für Dialekte in Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Teilen Kroatiens.
- Lachisch ist ein in Nordmähren und im ehemaligen Österreichisch-Schlesien gesprochener Dialekt des Tschechischen, den der Schriftsteller Óndra Łysohorsky zur Schriftsprache erheben wollte;
- unter Mährisch versteht man unterschiedliche Versuche, auf der Grundlage der in Mähren gesprochenen tschechischen Dialekte eine eigene Standardsprache einzuführen;
- Masurisch ist ein stark vom Deutschen beeinflusster polnischer Dialekt auf dem Gebiet des ehemaligen Ostpreußen, in dem zeitweise eine gewisse Menge von Literatur veröffentlicht wurde;
- Ostslowakisch bezeichnet den Versuch einer eigenen Schriftsprache auf der Grundlage ostslowakischer Dialekte, den slowakische Calvinisten ab dem 17. Jahrhundert unternahmen;
- Podhalisch ist der polnische Dialekt des Podhale am Fuße der Karpaten, in dem eine gewisse Menge von Dialektliteratur veröffentlicht wurde;
- Pomakisch ist die Sprache einer slawischen Volksgruppe muslimischer Religion im Süden Bulgariens, die zeitweise in griechischer Schrift geschrieben wurde;
- Slawenoserbisch ist eine Form des Russisch-Kirchenslawischen, die im 18. Jahrhundert und am Anfang des 19. Jahrhunderts in Serbien als Schriftsprache verwendet wurde.
Grammatik im Vergleich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Slawische Sprachen weisen viele gemeinsame grammatische Merkmale auf, von denen das prominenteste der Aspekt sein dürfte. Außerdem wird die Belebtheitskategorie im Paradigma vor allem maskuliner Substantive markiert.
Konjugation slawischer Verben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Slawische Verben können nach den grammatischen Kategorien Person und Numerus flektiert werden. Als Beispiel die Konjugation der beiden Verben mit der Bedeutung ‘nehmen’ (bzw. ‘lesen’ im Slowenischen) im Vergleich:
Numerus | Person | Bulgarisch | Serbokroatisch | Slowenisch | Slowakisch | Tschechisch | Polnisch | Ukrainisch | Russisch |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Aspekt: Imperfektiv | |||||||||
Infinitiv: | – | brati | bráti | brať | brát | brać | брáти (bráti) | брать (brať) | |
Singular | 1 | бера (bera) | berem | bérem | beriem | beru | biorę | берý (berú) | берý (berú) |
2 | береш (beresch) | bereš | béreš | berieš | bereš | bierzesz | берéш (berésch) | берёшь (berjósch') | |
3 | бере (bere) | bere | bére | berie | bere | bierze | берé (beré) | берёт (berjót) | |
Plural | 1 | берем (berem) | beremo | béremo | berieme | bereme | bierzemy | беремо́ (beremó) | берём (berjóm) |
2 | берете (berete) | berete | bérete | beriete | berete | bierzecie | берете́ (bereté) | берёте (berjóte) | |
3 | берат (berat) | beru | bérejo | beru | berou | biorą | берýть (berút') | берýт (berút) | |
Aspekt: Perfektiv | |||||||||
Infinitiv: | – | uzeti | vzéti | vziať | vzít | wziąć | взяти (wzjati) | взять (wzjat') | |
Singular | 1 | взема (wzema) | uzmem | vzámem | vezmem | vezmu | wezmę | візьмý (wizmú) | возьмý (wazmú) |
2 | вземеш (wzemesch) | uzmeš | vzámeš | vezmeš | vezmeš | weźmiesz | ві́зьмеш (wízmesch) | возьмёшь (wazmjósch) | |
3 | вземе (wzeme) | uzme | vzáme | vezme | vezme | weźmie | ві́зьме (wízme) | возьмёт (wazmjót) | |
Plural | 1 | вземеме (wzemame) | uzmemo | vzámemo | vezmeme | vezmeme | weźmiemy | ві́зьмемо (wízmemo) | возьмём (wazmjóm) |
2 | вземете (wzemete) | uzmete | vzámete | vezmete | vezmete | weźmiecie | ві́зьмете (wízmete) | возьмёте (wazmjóte) | |
3 | вземат (wzemat) | uzmu | vzámejo | vezmu | vezmou | wezmą | ві́зьмуть (wízmut') | возьмýт (wazmút) |
Wortschatz im Vergleich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Wortschatz des Urslawischen kann teilweise mit Methoden der vergleichenden Sprachwissenschaft anhand später schriftlich festgehaltener slawischer Sprachen sowie überlieferter slawischer Wörter in anderen Sprachen rekonstruiert werden. In der folgenden Tabelle sind einige slawische Wortgleichungen mit den rekonstruierten urslawischen Formen (zweitletzte Spalte) und der entsprechenden indogermanischen Wortwurzel (letzte Spalte) dargestellt. Diese Tabelle zeigt den engen Verwandtschaftsgrad der slawischen Sprachen untereinander.
Das Beispiel Kopf zeigt deutlich die bereits beim urslawischen Lautprozess der Tendenz zur steigenden Silbensonorität einsetzende Auseinanderentwicklung der drei slawischen Sprachzweige.
Rekonstruierte, nicht belegte Formen werden mit einem vorangestellten Sternchen * markiert. Die in kyrillischer Schrift geschriebenen Sprachen (Russisch, Ukrainisch, Bulgarisch, Mazedonisch, Altkirchenslawisch) werden transliteriert.
Slawische Wortgleichungen
Bedeutung | Russisch | Ukrainisch | Polnisch | Tschechisch/ Slowakisch |
Obersorbisch | Slowenisch | Kroatisch/ Bosnisch/ Serbisch |
Bulgarisch/ Mazedonisch |
AltKslaw. | Urslawisch | Indogerm. |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Auge | глаз (glaz), око (oko) | око (oko) | oko | oko | woko | oko | oko | око (oko) | oko | *ȍko | *h₃okʷ-os |
Bruder | брат (brat) | брат (brat) | brat | bratr / brat | bratr | brat | brat | брат (brat) | bratrъ | *bràtrъ | *bʰréh₂tēr |
Fuß, Bein | нога (noga) | нога (noha) | noga | noha | noha | noga | noga | крак/нога (krak/noga) | noga | *nogà | *h₃nogʷʰ- ‚Nagel‘ |
Hand, Arm | рука (ruka) | рука (ruka) | ręka | ruka | ruka | roka | ruka | ръка/рака (răka/raka) | rǫka | *rǭkà | *wronk-eh₂- |
Herz | сердце (serdce) | серце (serce) | serce | srdce | wutroba | srce | srce | сърце/срце (sărce/srce) | srьdьce | *sьrdьce | *ḱr̥d-ik-io- |
Kopf | головa (golowa) | голова (holowa) | głowa | hlava | hłowa | glava | glava | глава (glawa) | glava | *golvà | *golH-u- ‚kahl‘ |
Mutter | мать (mat’) | мати (maty) | matka, mama | matka, máti / matka, mať, mater, mati |
mać | mati, mater | mati (Akk. mater), majka | майка/мајка (majka) | mati | *màti | *méh₂tēr |
Nase | нoc (nos) | ніс (nis) | nos | nos | nós | nos | nos | нос (nos) | – | *nȏsъ | *nh₂-es- |
Ohr | ухо (ucho) | вухо (wucho) | ucho | ucho | wucho | uho | uho / uho / uvo | ухо/уво (ucho/uvo) | uxo | *ȗxo | *h₂eus-os- |
Schwester | сестра (sestra) | сестра (sestra) | siostra | sestra | sotra | sestra | sestra | сестра (sestra) | sestra | *sestrà | *swésōr |
Sohn | сын (syn) | син (syn) | syn | syn | syn | sin | sin | син (sin) | synъ | *sy̑nъ | *suHnús |
Tochter | дочь (doč'), дочка (dočka) | донька (don'ka) | córka | dcera / dcéra | dźowka | hči | kći / kćerka / ćerka | дъщеря / ќерка (dăšterija / ḱerka) | dъšti | *dъkti | *dʰugh₂tḗr |
Vater | отец (otec) | батько (bat'ko) | ojciec, tata | otec /oteʦ//otec /oceʦ/ | nan wótc (gehoben) |
oče, ata | otac, tata | баща, татко (bašta / tatko) | otьcь | *otьcь | *atta |
Fisch | рыба (ryba) | риба (ryba) | ryba | ryba | ryba | riba | riba | риба (riba) | ryba | *ryba | *dʰǵʰu- |
Einige deutsche Wörter slawischer Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Doline – Droschke – Grenze – Gurke – Karst – Kolchos – Kren – Nerz – Quark – Reizker – Ogonek – Petschaft – Peitsche – Pistole – Pogrom – Ponor – Roboter – Samowar – Schmetterling – Sputnik – Stieglitz – Troika – Vampir – Weichsel – Zobel – Zeisig
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Bernard Comrie, Greville G. Corbett (Hrsg.): The Slavonic Languages. Routledge, London 1993, ISBN 0-415-04755-2.
- Bernard Comrie (Hrsg.): Slavonic Languages. In: The World's Major Languages. Oxford University Press, Oxford (UK) 1990, ISBN 0-19-506511-5.
- Snježana Kordić: Demonstrativpronomina in den slavischen Sprachen. In: Bernhard Symanzik, Gerhard Birkfellner, Alfred Sproede (Hrsg.): Die Übersetzung als Problem sprach- und literaturwissenschaftlicher Forschung in Slavistik und Baltistik (= Studien zur Slavistik). Band 1. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2002, ISBN 3-8300-0714-0, S. 89–116 (PDF-Datei; 2,1 MB (PDF) [abgerufen am 3. Dezember 2010]).
- Snježana Kordić: Komplexe Satzmuster. In: Sebastian Kempgen, Peter Kosta, Tilman Berger, Karl Gutschmidt (Hrsg.): Die slavischen Sprachen. Ein internationales Handbuch zu ihrer Struktur, ihrer Geschichte und ihrer Erforschung, Bd. 1. de Gruyter, Berlin, New York 2009, ISBN 978-3-11-015660-7, S. 592–607 (PDF-Datei; 1,5 MB (PDF) [abgerufen am 27. März 2013]).
- Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens Klagenfurt 2002 (darin u. a. Urslawisch (PDF; 247 kB) von Georg Holzer, S. 551–557, Pomoranisch (PDF; 118 kB) von Małgorzata Zemła, S. 965–966).
- Peter Rehder (Hrsg.): Einführung in die slavischen Sprachen. (Mit einer Einführung in die Balkanphilologie von Wilfried Fiedler). 7. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2012, ISBN 978-3-534-25373-9.
- Roland Sussex, Paul Cubberley: The Slavic Languages. Cambridge University Press, Cambridge (UK) 2006, ISBN 0-521-22315-6.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Slavistik-Portal mit großen Datenbanken
- Eintrag zu den (untergegangen) slawischen Sprachen (Die Slavia submersa) in der Enzyklopädie des Europäischen Ostens (PDF-Datei; 111 kB)
- WWWoerterbuch, Sammlung slavischer online-Wörterbücher und Sprachportale
- Linkkatalog zum Thema Slawische Sprachen bei curlie.org (ehemals DMOZ)
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Brockhaus, B20, ISBN 3-7653-3680-7, S. 311.
- ↑ Petra Novotná, Václav Blažek: Glottochronology and Its Application to the Balto-Slavic Languages doi: 10.15388/baltistica.42.3.1178, abgerufen am 9. April 2020.
- ↑ Balto-Slavic languages, Concise Encyclopedia of Languages of the World