Benutzerin:Andrea014/Derailment (Diskussion)

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Diskussion in einem Pariser Café während des Deutsch-Französischen Krieges

Das englische Wort Derailment ist wie seine deutsche Entsprechung Entgleisung ein ursprünglich aus dem schienengebundenen Verkehrswesen stammender Begriff. Als Metapher verweist er bildhaft auf ein Schienenunglück. In Verbindung mit dem Wort „Taktiken“ wird als Begriffspaar signalisiert, dass der unglückliche Diskussionsverlauf nicht schicksalhaft entsteht, sondern absichtsvoll herbeigeführt wird.[1]

Als Oberbegriff fasst Derailment eine Reihe rhetorischer Taktiken zusammen, die sich insbesondere in der Netzkommunikation und anderen sozialen Medien verbreitet haben und dazu dienen, Diskussionen zu manipulieren. In diesem Wortsinn beruht Derailment auf der Absicht, ein Gespräch mit Hilfe gezielter Strategien des Argumentierens in eine andere als die ursprünglich gewollte Richtung zu leiten, vom Thema abzulenken oder Kontroversen eskalieren zu lassen. So verstanden läuft Derailment einer guten Streitkultur zuwider. Mit Aufkommen und Verbreitung des Internets werden Algorithmen und virale Effekte zunehmend strategisch genutzt, um Diskussionen – und darüber hinaus gesellschaftliche Vorgänge oder Wahlen – zu manipulieren. In Folge dessen haben sich Begriffe wie Fake News (in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen) oder Whataboutism (Ablenkung von Kritik durch Fokussieren auf andere Missstände) als neue Anglizismen bzw. sogenannte Neologismen etabliert. Praktisch reicht ihre Verwendung von einer Nebenbemerkung bis zum Versuch, eine Diskussion zu dominieren und Deutungshoheit über das anstehende Thema zu gewinnen.[1] Besonders populäre, dem Derailing dienliche Sophismen, wie das Totschlag-, Dammbruch- und Strohmann-Argument, der Nazi-Vergleich oder die Steinbruch-Methode haben Eingang in die Umgangssprache gefunden.

Im Jahr 2009 fand der Begriff Derailment Eingang in die Argumentations- und Strategieforschung, beispielsweise durch Frans van Eemeren.[2] Spätestens mit Florian Wanoschek kam der Begriff drei Jahre später im wissenschaftlichen Diskurs des deutschen Sprachraumes an.[3] Er etablierte sich schließlich in der alltäglichen Sprachkultur, ebenfalls mit der Bedeutung einer Einflussnahme auf Diskussionen, die anderen Zwecken als einer Verständigung dienen sollen.

Derailment im Netz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johnny Haeusler, Organisator der Web-Konferenz re:publica, definiert Derailing als „Ablenkungsstrategie in Webdiskussionen“.[4] Im Unterschied zu Internettrollen geben „Derailer“ vor, am Thema interessiert zu sein, reißen dann aber die Diskussion an sich, um sie aus dem Ruder laufen zu lassen. Dabei werden mitunter Scheinidentitäten, sogenannte Sockenpuppen, mit verschiedenen IP-Adressen genutzt, um sich selbst zuzustimmen und eine Mehrheit vorzutäuschen. Besonders häufig kommt diese Kommunikationsstrategie vor, wenn es um rechtsradikale Positionen geht. Haeusler färbt solche Kommentare auf seinem Blog Spreeblick weiß und hat damit eine pragmatische „Lösung für Kommentare zwischen Trolling und echten Diskussionsbeiträgen“ gefunden.

Andreas Weck, Redakteur der Onlineplattform t3n, machte in seiner Kolumne unter dem Titel Derailing im Netz auf die bevorzugt ideologischen Gründe als Motiv des Derailings aufmerksam. Beiträge mit gesellschaftlichem Fokus liefen ständig Gefahr, „in den Kommentarspalten entgleist zu werden“. Manche Kommentare hätten keinen anderen Zweck, als andere „lächerlich zu machen“.[5]

Derailment-Taktiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Teil seiner Kolumne Na logisch![6] in dem Magazin Hohe Luft veröffentlichte der Philosoph Daniel-Pascal Zorn 2016 zwei Beiträge über Derailment-Taktiken. „Derailment-Taktiken zielen nicht auf die Sache“, so Zorn, „sondern auf den Sieg, selbst wenn er unfair und schmutzig erkämpft“ würde. Polemiker legitimierten ihr Handeln gern nach dem Motto „Wer fair kämpft, hat schon verloren“. Sie hielten sich selbst für „rhetorisch unschlagbar“ und setzten reichlich „Zeichen [...] ihrer Autorität“. Wer Diskussionen systematisch entgleisen lasse, wolle „beweisen [...], wie mächtig er ist“.[1] Dazu würden verschiedene Taktiken eingesetzt, die Zorn im Einzelnen beschreibt:

  • Ablenkung und Antwortdiktat – als Versuche sich „der Gesprächsführung zu bemächtigen“
  • Verschieben des Torpfostens und Autoritätssimulation – als Versuche „den Inhalt [...] von vornherein festzulegen“
  • Ironisierung – als Versuch „die Rechtfertigungspflicht für die eigenen Aussagen willkürlich festzulegen“.[1][7]

Im zweiten Teil widmet sich Zorn „personalen Formen des Derailments“, die auf Beleidigung, Herabwürdigung und Diffamierung des Gesprächspartners zielen. Mit ihrer Hilfe solle die Glaubwürdigkeit des Gegenübers erschüttert oder dessen Einschüchterung erreicht werden. Man bezeichnet sie als Argumente ad hominem (den Menschen betreffend) oder als Argumente ad personam (auf die Person zielend). Beispiele, auf diese Weise die „soziale Hackordnung [...] zu etablieren“, lassen sich zahlreich in alltäglichen Situationen finden. „Die Achillesferse der polemischen Gesprächshaltung ist ihr Exzess“, so Zorn. Deshalb müsse der „selbstgeschaffene Schein der eigenen Autorität und Überlegenheit“ ständig wiederholt werden, denn ohne diese Wiederholung schwinde er recht schnell. Derailment als „rhetorische[r] Krieg aller gegen alle“ werde ständig geprobt, „im Internet, aber auch auf der Straße und in einschlägigen Magazinen“.[7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Scott F. Aikin, Robert B. Talisse: Why We Argue (And How We Should). A Guide to Political Disagreement in an Age of Unreason. 2. Auflage. Routledge, London 2019, ISBN 978-1-138-08741-5, S. 134–136 (englisch).
  • Yeliz Demir: Derailment of Strategic Maneuvering in a Multi-Participant Tv Debate. The Fallacy of Ignoratio Elenchi. In: Mersin Üniversitesi Dil ve Edebiyat Dergisi. Band 15, Nr. 1. Mersin 2018, S. 25–58 (englisch).
  • Frans H. van Eemeren: Strategic manoeuvering between rhetorical effectiveness and dialectical reasonableness. In: Henrique Jales Ribeiro (Hrsg.): Rhetoric and Argumentation in the Beginning of the XXIst Century. Coimbra 2009, S. 55–72 (englisch).
  • Frans H. van Eemeren: Fallacies as derailments of argumentative discourse. Acceptance based on understanding and critical assessment. In: Journal of Pragmatics. Band 59, 2013, S. 141–152 (englisch).
  • Frans H. van Eemeren, Bart Garssen (Hrsg.): From Argument Schemes to Argumentative Relations in the Wild. A Variety of Contributions to Argumentation Theory (= Argumentation Library. Band 35). Springer, Cham, ISBN 978-3-03028366-7, doi:10.1007/978-3-030-28367-4 (englisch, (2020)).
  • Francisca A. Snoeck Henkemans: Praeterito as strategic manoeuvering. In: Henrique Jales Ribeiro (Hrsg.): Rhetoric and Argumentation in the Beginning of the XXIst Century. Coimbra 2009, S. 73–86 (englisch).
  • Eveline T. Feteris: Strategic manoeuvres with linguistic arguments in legal decisions. In: Eveline T. Feteris (Hrsg.): Argumentation and the Application of Legal Rules. Amsterdam 2009, S. 55–73 (englisch).
  • Florian Wanoschek: ‚Rationale Konsensenteignung‘ und die Rolle der Ablenkung in argumentativen Dialogen. Eine argumentationstheoretische und rhetorisch-pragmatische Untersuchung am Beispiel des argumentum ad hominem. Zugl. Univ. Diss. (= Studien zur Linguistik. Band 18). Lit, Berlin, Münster 2012, ISBN 978-3-643-11689-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Daniel-Pascal Zorn: Die Derailment-Taktiken, Teil 1. In: Hohe Luft (= Na logisch! Nr. 19). 27. Oktober 2016, ZDB-ID 2647790-7 (hoheluft-magazin.de [abgerufen am 22. November 2019]).
  2. Frans H. van Eemeren: Strategic manoeuvering between rhetorical effectiveness and dialectical reasonableness. In: Henrique Jales Ribeiro (Hrsg.): Rhetoric and Argumentation in the Beginning of the XXIst Century. Coimbra 2009, S. 69,74 (englisch).
  3. Florian Wanoschek: ‚Rationale Konsensenteignung‘ und die Rolle der Ablenkung in argumentativen Dialogen. Eine argumentationstheoretische und rhetorisch-pragmatische Untersuchung am Beispiel des argumentum ad hominem. Zugl. Univ. Diss. (= Studien zur Linguistik. Band 18). Lit, Berlin, Münster 2012, ISBN 978-3-643-11689-5.
  4. Derailing im Spreeblick-Blog. Kommentarentgleisung: Ganz in Weiß. Ralph Günther im Gespräch mit Johnny Haeusler in der Reihe Grünstreifen. In: Deutschlandfunk Nova. 9. September 2015, abgerufen am 29. November 2019.
  5. Andreas Weck: Derailing im Netz. Wie Diskussionen in eine völlig andere Richtung gelenkt werden. In: t3n. 3. September 2015, abgerufen am 2. Dezember 2019.
  6. Daniel-Pascal Zorn: Philosophie als Kunst der Rechtfertigung. In: Hohe Luft (= Na logisch! Nr. 1). 16. Oktober 2015, ZDB-ID 2647790-7 (hoheluft-magazin.de [abgerufen am 22. November 2019]).
  7. a b Daniel-Pascal Zorn: Die Derailment-Taktiken, Teil 2. In: Hohe Luft (= Na logisch! Nr. 20). 7. November 2016, ZDB-ID 2647790-7 (hoheluft-magazin.de [abgerufen am 22. November 2019]).
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