Boos von Waldeck
Boos von Waldeck ist ein altes rheinisches Ministerialengeschlecht mit Stammsitz auf der Burg Waldeck im heutigen Rhein-Hunsrück-Kreis. Die reichsfreie Herrschaft Waldeck auf dem Linken Rheinufer wurde durch französische Revolutionstruppen 1794 beschlagnahmt. Die Familie zog sich auf Besitzungen am Rechten Rheinufer zurück und erwarb Güter in Böhmen und Österreich.
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Rheinland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die erste Erwähnung eines „von Waldeck“, der mit der Hunsrücker Burg dieses Namens in Zusammenhang gebracht werden kann, ist von 1189 und nennt einen Anselm vom Waldeck.[1] Die Boos von Waldeck erscheinen zuerst mit Bosso von Waldeck, der am 25. März 1243 gemeinsam mit den Rittern Heribert, Udo und Winand von Waldeck die Ganerbenburg Waldeck dem Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden für 200 Mark kölnische Denare zum Lehen auftrug, im Zusammenhang eines Vergleichs und umfangreichen Gütertausches zwischen Kurköln und den Pfalzgrafen bei Rhein.
Die Familie der Boos von Waldeck war eine der drei Familienstämme, die sich nach Burg Waldeck nannten und als Ganerben dort wohnten. Die beiden anderen waren die sogenannte Winandsche und die Rudolfsche Linie, benannt nach den Leitnamen der Familie. Das von ihr beherrschte Gebiet stand unter dem Oberlehen der Erzbischöfe von Köln, gelangte aber als Unterlehen zeitweise auch an die Pfalzgrafen, die Erzbischöfe von Trier und die Grafen von Sponheim, in deren Dienste Mitglieder der Familie als Lehensträger und Amtmänner traten. Angehörige aller drei Linien waren 1331 an der Eltzer Fehde gegen Erzbischof Balduin von Luxemburg beteiligt, zusammen mit den Gemeinern der Burgen Schöneck, Ehrenburg und Eltz. Nach ihrer Niederlage und dem Friedensschluss wurden die vier Burgen von Kurtrier lehnsabhängig, Waldeck aber nur bis kurz nach dem Tod des Kurfürsten Balduin.
Die Rudolfsche Linie starb bereits um 1370 aus, die Winandsche um 1400. Die Boos von Waldeck konnten jeweils Teile des Besitzes der ausgestorbenen Familienzweige an sich bringen. 1398 nahm Pfalzgraf Ruprecht, der spätere römisch-deutsche König, die Burg ein.
Durch die Heirat von Johann IV. mit Else von Montfort gelangten Ende des 14. Jahrhunderts auch Anteile an der Burg und Herrschaft Montfort an der Nahe in den Besitz der Familie. Diese war ebenfalls eine Ganerbenburg, die aber 1456 wegen des Raubrittertums einiger ihrer Bewohner durch Truppen des Mainzer Erzbischofs und des Pfälzer Kurfürsten Friedrich I. erobert und zerstört wurde. 1480 erhielt Simon Boos von Waldeck die Burg als Erblehen, mit der Erlaubnis sie wieder aufzubauen, was aber wohl nur zur Wiedererrichtung eines einzelnen Wohnturms auf der Ruine führte. Seitdem nannte die Familie sich Boos von Waldeck und Montfort.
Die Herrschaft Waldeck war spätestens ab dem 16. Jahrhundert reichsunmittelbar, konnte also die Lehnsbindung zu den Trierer und Kölner Erzbischöfen, den Pfalzgrafen und den Grafen von Sponheim abschütteln, wodurch die Boos den Status freier Reichsritter erlangten. Die Herrschaft umfasste neben der Burg die Dörfer Dorweiler, Mannebach und Korweiler sowie die Wüstung Hausen bei Beltheim. Trotz der Zugehörigkeit zur Herrschaft Waldeck galten deren Einwohner zumindest teilweise aber als „Willibrordskinder“, d. h. als ursprünglich zu einem Lehen der Reichsabtei Echternach (mit der Basilika St. Willibrord) gehörig. Aus dieser mehrfachen Erbuntertänigkeit erwuchsen in der Frühen Neuzeit immer wieder Unstimmigkeiten mit den Herren Boos von Waldeck, die zu Konflikten und Vergleichen bis hin zum Reichskammergericht führten. Die genauen Besitzverhältnisse und Zuständigkeiten dieser Zeit sind bis heute ungeklärt.
Die Burg Waldeck wurde 1689 im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs von französischen Truppen niedergebrannt und zerstört, auf den Ruinen Mitte des 18. Jahrhunderts aber ein Jagdschloss errichtet. Die Herrschaft bestand rechtlich bis zum Frieden von Lunéville (1801), faktisch allerdings nur bis zur Besetzung des Linken Rheinufers durch französische Revolutionstruppen im Jahre 1794. Die Burganlage wurde während der Franzosenzeit (1794 bis 1814 war das linke Rheinufer besetzt) von der Ersten Französischen Republik enteignet und 1813 von der französischen Verwaltung versteigert.
Die 1790 in den Grafenstand erhobene Familie zog sich nach dem Verlust ihrer linksrheinischen Besitzungen zurück auf ihr durch Heirat 1753 erworbenes Schloss Sayn auf dem rechten Rheinufer, das 1848 verkauft wurde.
Böhmen und Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1808 erwarb Clemens Wenzel Graf von Boos zu Waldeck und Montfort das böhmische Schloss Wosseletz mit zugehöriger Herrschaft im Pilsener Bezirk. Der Sohn Franz Anton erbte es 1832 und vereinigte die Besitztümer Wosseletz und Laschan Desfours (bei Chanovice).
Die Familie teilte sich in zwei Linien, Raabs und Wosseletz. Reichsgraf Philipp Boos von Waldeck und Montfort aus der älteren Linie erwarb 1888 die Burg Raabs an der Thaya in Niederösterreich, die jedoch nur bis 1912 gehalten wurde. Hugo (1869–1945) kaufte stattdessen 1912 das Schloss Rif im Salzburger Land und heiratete Julie Gräfin Hunyady; der Sohn Philipp verkaufte Rif und hinterließ zwei Töchter, sein Bruder Alexander drei Töchter, womit diese Linie endete.
Victor von Boos zu Waldeck erbte 1887 Wosseletz; er verkaufte im selben Jahr das Gut und Schloss in Smolivec. In den 1890er Jahren machte er Schloss Wosseletz zu einer Stätte der Literatur und Musik. 1910 hatte der zum Schloss gehörende Grundbesitz eine Fläche von 912 Hektar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Besitz der Grafen Boos zu Waldeck, die bis 1948 im Schloss lebten, infolge des Februarumsturzes von der Tschechoslowakei enteignet. Ebenso wurde Schloss Vizovice (Wisowitz) enteignet, das durch die Heirat von Victors Sohn Viktor (1871–1973) mit Marietta von Stillfried und Rathenitz erworben worden war. Dessen Bruder Rudolf fiel, während der jüngste, Franz, nach Niederösterreich zog und die Familie fortsetzte.
Adelserhebungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Böhmischer Alter Herrenstand mit Wappenbesserung und Inkolat am 10. September 1698 in Ebersdorf für Johann Booß von Waldeckh zu Monfurth.
- Reichs- und bayerischer Grafenstand durch Kurfürst Karl Theodor von Pfalzbayern als Reichsverweser am 29. Mai 1790 in München für Ludwig Joseph Wilhelm Freiherr von Boos zu Waldeck, kurtrierischer Obermarschall (Oberstallmeister) und kurpfälzischer Oberamtmann in Simmern.
- Immatrikulation (Einschreibung) im Königreich Bayern bei der Grafenklasse am 29. März 1821 und böhmisches Inkolat am 19. November 1842 für Clemens Graf von Boos zu Waldeck, vormals kurfürstlich trierischer Kämmerer.
Wappen (1790)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In Rot drei schrägrechts übereinander gestellte rautenförmige silberne Sporenschnallen ohne Dorn. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein geschlossener schwarzer Flug, belegt mit rotem Rundschild, darin das Schildbild.
Besitz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Burg Waldeck mit den Ortschaften Dorweiler, Korweiler und Mannebach (bis 1794)
- Burg Montfort mit dem Montforter Hof und den Ortschaften Hüffelsheim, Hundsbach und Lauschied (bis 1794)
- Ruine Rauschenburg (während der Eltzer Fehde 1331–1336 von Kurfürst Balduin als Trutzburg gegen die Waldecker und ihre Verbündeten errichtet; kam vom 15. Jahrhundert bis 1789 an die Familie, wurde aber wohl schon 1456 oder 1488 zerstört)
- Wasenbach im Rhein-Lahn-Kreis (ab 1704)
- Boos von Waldeckscher Hof in Meisenheim (vor 1400 erbaut, von 1422 bis 1806 im Besitz der Boos von Waldeck, die dort in Diensten der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken standen)
- Hof der Herren Boos von Waldeck in Boppard
- Schenk von Schmittburg'scher Hof in Koblenz (1890 abgerissen)
- Schloss Sayn (1753 durch Heirat erworben, Anfang des 19. Jahrhunderts durch Erwerb der benachbarten Güter und Weinberge des Reichsfreiherren vom und zum Stein vergrößert; vom Landrat Graf Clemens Boos von Waldeck 1848 an Fürst Ludwig Adolph Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Ludwigsburg verkauft.)
- Schloss Oselce (deutsch Schloss Wosseletz), Tschechien (1808 bis zur Enteignung 1945; bis 1887 auch Schloss Smolivec)
- Burg Raabs an der Thaya in Niederösterreich (1888 bis 1912)
- Schloss Rif bei Hallein, Salzburger Land (1912 - ?)
- Schloss Vizovice (Wisowitz) in Tschechien (1924 durch die Heirat des Grafen Viktor Boos von Waldeck und Montfort mit Marietta von Stillfried und Rathenitz erworben und 1945 enteignet)
Boos von Waldeckscher Hof in Meisenheim
Schloss Sayn (um 1860)
Schloss Oselce (Wosseletz), Tschechien
Schloss Vizovice, Tschechien
Burg Raabs an der Thaya, Niederösterreich
Schloss Rif, Salzburg
Namensträger[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Alexander Graf von Boos zu Waldeck und Montfort (1874–1924), Oberstleutnant und einer der Begleiter Erzherzogs Franz Ferdinands während des Attentates von Sarajevo
- Franz Karl Ludwig von Boos zu Waldeck (um 1710–1776), Domdekan und Statthalter von Trier
- Casimir Friedrich Boos von Waldeck (1724–1781), Landkomtur der Deutschordenskommende Trier von 1762 bis 1781
- Friedrich Freiherr von Boos zu Waldeck und Montfort, Mitglied des Illuminatenordens (1779 erwähnt)
- Friedrich Karl Graf von Boos zu Waldeck und Montfort (1749–1832), Kapitular und Domscholaster des Erzstifts Mainz, Kapitular des Ritterstifts St. Burkard zu Würzburg, kurfürstlicher Geheimrat und Jubelpriester
- Joseph Graf von Boos zu Waldeck und Montfort (1798–1880), herzoglich-nassauischer Oberstleutnant und Stallmeister sowie Mitbegründer des „Mainzer Adelsvereins“
- Heinrich Graf von Boos zu Waldeck und Montfort (1828–1910), Kammerherr mit Schwert und Mantel am päpstlichen Hof in Rom; 1859 Köln. cam.segt.sopr.
- Johann Friedrich Philipp Freiherr von Boos zu Waldeck und Montfort (1749–1832), Kammerherr in Mainz, Mitglied des Illuminatenordens (Mitgliedsname Alcuinus)
- Carlotta von Boos-Waldeck geb. von Breidbach-Bürresheim (1838–1920), deutsche Hofdame, Portraitierte der Schönheitengalerie
- Reinhold Graf von Boos zu Waldeck (1876–1951), Dr.jur. nach 1918 Landesvizepräsident von Böhmen, um deutsch-tschechische Verständigung bemüht.
- Viktor Boos von Waldeck (1871– 24. Februar 1973), österr. Offizier, Flügenadjutant des Erzherzog Eugen, verstorben auf Schloss Hohenberg, Gemeinde Langgries
- Philipp Graf von Boos zu Waldeck und Montfort (1896–1968), Automobil- und Motorradrennfahrer
- Victor Graf von Boos zu Waldeck und Montfort (1840–1916), böhmischer Komponist, Übersetzer und Mäzen, Ehrenritter des Deutschen Ritterordens, Schlossherr zu Woseletz (Oselce), Bezirk Strakonitz, Gründer des deutschen Nationalvereins in Pilsen.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Hartmut Benz: Kammerherren „mit Schwert und Mantel“: Zur Präsenz deutscher Katholiken am päpstlichen Hof im 19. und 20. Jahrhundert. (Teil 1), In: Archiv für Familiengeschichtsforschung. (AfF), C.A. Starke Verlag, 2006, Tabelle 1, S. 14.
- Die Wappen des böhmischen Adels, J. Siebmacher´s grosses Wappenbuch. Band 30, Neustadt an der Aisch 1979, ISBN 3-87947-030-8, S. 107: Boos-Waldeck, Wappen-Tafel 58.
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band II, S. 1, Band 58 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1974, ISSN 0435-2408
- Otto Gruber: Der Adel. In: Franz-Josef Heyen (Hrsg.): Zwischen Rhein und Mosel. Der Kreis St. Goar. Boppard 1966, S. 389–420.
- Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. Herausgegeben im Auftrag des Collegium Carolinum (Institut), Band I, R. Oldenbourg Verlag, München/ Wien 1979, ISBN 3-486-49491-0, S. 124: Namensträger der Grafen Boos zu Waldeck und Montfort.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ A. Goerz: Mittelrheinische Regesten. 4 Bände, Coblenz 1876/86, Band 2, Nr. 608. (Ein 1184 genannter Winandus ist nicht gesichert, Görz Band 2, Nr. 511.)