Donut-Ökonomie

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Der durch planetare Ober- und soziale Untergrenzen definierte Donut nach Kate Raworth

Der Begriff Donut-Ökonomie (britisches Englisch doughnut economics) bezeichnet eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie: Sie geht von der Existenz planetarer und sozialer Grenzen aus und verortet in der Berücksichtigung dieser Grenzen einen sicheren und gerechten Handlungsraum für eine menschliche Zivilisation.

Begriffsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Theorie der Donut-Ökonomie wurde erstmals am 13. Februar 2012 in einem Beitrag mit dem Titel A Safe and Just Space for Humanity von Kate Raworth vorgestellt.[1] Die Theorie wurde im Jahr 2017 in Raworths Buch Doughnut Economics: Seven Ways to Think Like a 21st-Century Economist vertieft.[2] Das Buch erschien 2018 auch auf Deutsch.[3]

Kernaussagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Donut-Ökonomie nimmt das Konzept der planetaren und sozialen Grenzen als Ausgangspunkt. Sollen negative Folgen wie Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt vermieden werden, dürfen die planetaren Grenzen nicht überschritten werden. Die sozialen Grenzen wiederum dürfen gleichzeitig nicht unterschritten werden. Allen Menschen sollte z. B. ein ausreichender Zugang zum Gesundheitssystem oder zu Bildung ermöglicht werden. Der in Form eines Donuts visualisierte Handlungsspielraum für wirtschaftliches Handeln ergibt sich durch diese Grenzen. Ziel ist es, dass die gesamte Menschheit gewissermaßen „innerhalb des Donuts“ leben kann, damit Klimakrise und soziale Deprivation verhindert werden. In der Donut-Ökonomie löst dieser Vorsatz die bisher in herkömmlichen Volkswirtschaften etablierte Zielvorgabe eines kontinuierlichen Wachstums des Bruttoinlandsproduktes ab.

Laut Verfechtern der Donut-Ökonomie geht es darum, ökonomische Prioritäten neu zu fokussieren und den allumfassenden Wachstumszwang durch die ökologischen und sozialen Indikatoren als Randbedingungen abzulösen.[1] Wirtschaftswachstum wird dabei nicht kategorisch ausgeschlossen (Post-Growth), jedoch soll generell das menschliche Wohlergehen gefördert werden – unabhängig davon ob das Bruttoinlandsprodukt steigt, fällt oder konstant bleibt.[4] Bei der Betrachtung industrialisierter Staaten oder einkommens- und vermögensstarken Bevölkerungsgruppen können sich somit im Sinne der Donut-Ökonomie Maßnahmen anbieten, die auf einen geringeren Gesamtressourcenbedarf oder wirtschaftliche Schrumpfung (Degrowth) abzielen,[5] während in seltenen Fällen spezifische Branchen oder Regionen mit geringer Infrastruktur durchaus Wachstum erfahren können, ohne die vorgegebenen Kennzahlen zu reißen.[6]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Raworths Theorie wird seit ihrem Erscheinen viel diskutiert und gelobt. So schrieb George Monbiot 2017 im Guardian über Raworth: „Ich sehe sie als John Maynard Keynes des 21. Jahrhunderts: Durch die Neuauslegung der Wirtschaft ermöglicht sie uns, unsere Sicht darauf zu ändern, wer wir sind, wo wir stehen und was wir sein wollen.“[7]

PD und Difu attestieren dem Donut-Modell „aktivierend“ zu wirken und das „wirkungsorientierte Denken“ zu fördern. Es stärke damit die „evidenzbasierte Steuerung einer Kommune“.[8]

Praktische Umsetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als erster Wirtschaftsraum hat die Stadt Amsterdam zusammen mit Raworth ein Konzept für den Umbau der Stadt- und Wirtschaftsentwicklung gemäß den Prinzipien der Donut-Ökonomie entwickelt. Ziele des Vorhabens, das im April 2020 gestartet wurde, sind der schonende, auf Nachhaltigkeit angelegte Umgang mit Ressourcen bei gleichzeitiger Sicherung der Grundbedürfnisse der Menschen. Die Stadt verspricht: Um Umwelt und Klima zu schonen, soll die Energiegewinnung auf Solarstrom und Windkraft umgestellt und der CO2-Ausstoß entscheidend gesenkt werden. Möglichst sollen nur noch recycelte Rohstoffe zum Einsatz kommen, und zwar ab 2030 zu 50 und ab 2050 sogar zu 100 Prozent.[9] In der Bevölkerung scheint Optimismus vorzuherrschen, dass die Einführung der Kreislaufwirtschaft gelingen kann. Jedenfalls sind dort bereits eine Reihe von Initiativen zu dem Vorhaben gestartet: Zum Beispiel treibt ein Chemiker ein Verfahren zur Wiederverwertung von Zement voran, eine Wohnungseigentümergemeinschaft baut klimaneutrale Häuser auf dem Wasser und eine Wissenschaftlerin probt den platzsparenden Nahrungsmittelanbau mitten in der Stadt.[10] Es gibt in Amsterdam noch viele weitere Projekte zu dem Thema.[11] Auch die Städte Kopenhagen, Philadelphia und Portland (Oregon) planen die Einführung einer am Donut-Prinzip orientierten Ökonomie.[10]

In Deutschland planen Bad Nauheim und Krefeld die Orientierung an der Donut-Indikatorik.[12] Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere zivilgesellschaftliche Initiativen, bspw. in Berlin, Frankfurt a. M. und Hamburg.[13][14][15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie. Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört. Hanser, München 2018, ISBN 978-3-446-25845-7.
  • Dani Hill-Hansen und Kasper Guldager Jensen (Hrsg.): Doughnut for Urban Development. A Manual. Danish Architectural Press/Arkitektens Forlag, Kopenhagen 2023, ISBN 978-8-774078326.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Kate Raworth (2012): A Safe and Just Space for Humanity: Can We Live within the Doughnut? Oxfam Discussion Papers.
  2. Kate Raworth (2017): Doughnut Economics: Seven Ways to Think Like a 21st Century Economist New York: Random House. ISBN 978-1-60358-674-0.
  3. Kate Raworth (2018): Die Donut-Ökonomie: Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört München: Hanser. ISBN 3-446-25845-0.
  4. Kate Raworth (2018): Die Donut-Ökonomie. Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört. München: Hanser, S. 295.
  5. Federico Savini: Post-growth, degrowth, the doughnut and circular economy: a short guide. In: Ontgroei. Universität Amsterdam, 7. November 2022, abgerufen am 7. Dezember 2022 (englisch).
  6. European Environment Agency.: Growth without economic growth. Publications Office, LU 2021, doi:10.2800/492717 (europa.eu [abgerufen am 7. Dezember 2022]).
  7. George Monbiot: Finally, a breakthrough alternative to growth economics – the doughnut – George Monbiot. In: theguardian.com. 28. November 2017, abgerufen am 2. Februar 2021 (englisch).
  8. Katharina Schlüter, Irina Leibold, Isabell Burian, Gesa Griese, Katrin Reuter, Theres Marthaler, Leah Weber, Oliver Peters und Sandra Wagner-Endres (2022): Die Donut-Ökonomie als strategischer Kompass. Wie kommunale Strateginnen und Strategen die Methoden der Donut-Ökonomie für die wirkungsorientierte Transformation nutzen können. Herausgegeben von PD – Berater der öffentlichen Hand, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, S. 2.
  9. 488901 Amsterdam Circular Strategy 2020–2025
  10. a b Alicia Prager: Süße Idee Oder Revolution? Amsterdam baut seine Wirtschaft für die Zeit nach Corona um. 23. November 2020, abgerufen am 14. März 2023.
  11. Amsterdam Donut Koalition - Projekte
  12. Katharina Schlüter, Irina Leibold, Isabell Burian, Gesa Griese, Katrin Reuter, Theres Marthaler, Leah Weber, Oliver Peters und Sandra Wagner-Endres (2022): Die Donut-Ökonomie als strategischer Kompass. Wie kommunale Strateginnen und Strategen die Methoden der Donut-Ökonomie für die wirkungsorientierte Transformation nutzen können. Herausgegeben von PD – Berater der öffentlichen Hand, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin.
  13. Donut Berlin. Abgerufen am 5. April 2022 (deutsch).
  14. Frankfurt Doughnut Coalition. Abgerufen am 23. März 2023 (deutsch).
  15. Doughnut Coalition Hamburg. Abgerufen am 5. April 2022 (deutsch).