Dorothea Federschmidt

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Dorothea „Dora“ Federschmidt (* 1903 in St. Ingbert; † 1984 in München) war eine deutsche Journalistin und Ressortleiterin des Feuilletons der Münchner Abendzeitung.[1]

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Federschmidt begann 1922 bei den Münchner Neuesten Nachrichten als Sekretärin von Fritz Gerlich,[2] dem damaligen Chefredakteur der MNN, und wurde später Redakteurin im Feuilleton der Zeitung. Kurz nach Hitlers Machtergreifung wurde Federschmidt als Teil des publizistischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten inhaftiert und erhielt Berufsverbot.[3][4] Richard Wendler von der Bayerischen Politischen Polizei behauptete, Federschmidt habe gemeinsam mit Gerlich, Aretin, Cossmann, Guttenberg, Tschuppik, Betz, u. a. Vorbereitungen zur gewaltsamen Durchführung einer „süddeutsch-separatistischen Mainlinienpolitik mit dem Endzweck der Abtrennung Bayerns vom Reich und Anschluss nach Österreich … oder einer Selbständigmachung Bayerns unter französischer Schutzherrschaft“ getroffen, wozu am 21. Februar 1933 die Ausrufung der Monarchie habe erfolgen sollen.[5] Gemäß Aretin, damaliger Ressortleiter Innenpolitik der MNN, empfanden Federschmidts Kollegen ihre Verhaftung als besonders tragisch, da sich Federschmidt politisch nie exponiert gehabt habe. Sie sei lediglich durch eine Intrige der Frau des NS-Kommissars Leo Hausleiters in Haft geraten.[6] Erfolglos versuchte Gerlichs Nachfolger Fritz Büchner, Paul Reusch als Federschmidts Fürsprecher zu gewinnen.[7] Der Reichsverband der Deutschen Presse führte Dora Federschmidt denn auch mit dem Stichwort „Berufsaufgabe“.[8] 1935 erhielt Federschmidt eine Anstellung bei der Franckh’schen Verlagshandlung in Stuttgart, wo Büchner zunächst als Lektor und dann als Verlagsleiter tätig war.[9] Nach dem Ende der NS-Diktatur war Federschmidt dann ab 1948 als erste Frau überhaupt in der Redaktion der Münchner Abendzeitung tätig und dort bis 1963 für das Feuilleton verantwortlich.[10] Zu ihren Wegbegleitern bei der AZ zählten unter anderem Siegfried Sommer, Hans R. Beierlein, Hannes Obermaier, Werner Meyer, Karl Stankiewitz und Ponkie.

Federschmidt liegt auf dem Schwabinger Nordfriedhof begraben.[11]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ponkie beschrieb Federschmidt als „wie ein alter Indianer“ aussehende Journalistin, die „ein wunderbares Feuilleton gemacht“ habe.[12] Für Karl Stankiewitz war Federschmidt „ruhender Pol im Getriebe“ der Abendzeitung, die als „Grande Dame“ und gute Bekannte von Annette Kolb auch im fortgeschrittenen Alter stets darauf bestanden habe, als „Fräulein“ angesprochen zu werden.[13] Für Anneliese Friedmann prägte Federschmidt das Feuilleton der Abendzeitung auch noch weit über ihr Ausscheiden aus der Redaktion hinaus.[14] Michael Graeter empfand das Feuilleton der Abendzeitung unter Federschmidt als „so brillant, dass sogar die ‚Frankfurter Allgemeine‘ ständig auf ihren Kulturseiten nachziehen“ musste.[15] „Daß Der Spiegel damals 65 Abonnements der AZ bezog“, hatte für Alfons Schweiggert „nichts mit dem zunehmenden Erfolg des FC Bayern, eher mit den bis heute legendären Federn des AZ-Feuilletons unter Dorothea Federschmidt zu tun“.[16]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Institut für Publizistik der FU Berlin: Die Deutsche Presse: Zeitungen und Zeitschriften. Duncker & Humblot 1961, S. 115, (eingeschränkte Vorschau).
  2. Rudolf Morsey: Fritz Gerlich (1883-1934): Ein früher Gegner Hitlers und des Nationalsozialismus. Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 2017, ISBN 978-3-657-78398-4, S. 137, 146f, 154, 194, (eingeschränkte Vorschau).
  3. Walter Flemmer: Interview mit Hans F. Nöhbauer. In: BR-alpha. 28. Oktober 2004.
  4. Max Spindler, Dieter Albrecht: Das Neue Bayern: 1800-1970. Band 4 von Handbuch der Bayerischen Geschichte. Beck Verlag 1975 ISBN 978-3-406-01464-2, S. 1161, (eingeschränkte Vorschau).
  5. Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg: Die Weissen Blätter: eine konservative Zeitschrift im und gegen den Nationalsozialismus. Lukas Verlag Berlin 2012 ISBN 978-3-86732-102-0, S. 10, (eingeschränkte Vorschau).
  6. Erwein von Aretin: Krone und Ketten: Erinnerungen eines bayerischen Edelmannes. Süddeutscher Verlag München 1955. DNB 450135691
  7. Peter Langer: Paul Reusch und die Gleichschaltung der „Münchner Neuesten Nachrichten“ 1933. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Jahrgang 53 (2005), Heft 2. S. 229.
  8. Mitarbeiter- und Sachverzeichnis der Deutschen Presse. Reichsverband der Deutschen Presse. 1935, (eingeschränkte Vorschau).
  9. Eva Zimmer: Wandbilder für die Schulpraxis: Eine historisch-kritische Analyse der Wandbildproduktion des Verlags Schulmann 1925–1987. Verlag Julius Klinkhardt Leipzig 2017 ISBN 978-3-7815-2197-1, S. 122, (eingeschränkte Vorschau).
  10. Paul Hoser: Abendzeitung. In: Historisches Lexikon Bayerns. 17. Oktober 2019.
  11. Werner Ebnet: Sie haben in München gelebt: Biografien aus acht Jahrhunderten. BUCH&media, 2016, ISBN 978-3-86906-911-1, S. 181, (eingeschränkte Vorschau).
  12. Anna Bianca Krause, Waltraud Schwab: „Dummheit ist leider nicht strafbar“. In: taz. 14. Juni 2014.
  13. Karl Stankiewitz: Als in der Abendzeitung die Messer flogen. In: Abendzeitung. 3. Januar 2018.
  14. Anneliese Friedmann: Die richtige Formel für die Zukunft. (Memento vom 21. Februar 2011 im Internet Archive) In: Abendzeitung.
  15. Michael Graeter: Der Kammerjäger der Nation. In: Abendzeitung. 8. September 2009.
  16. Alfons Schweiggert, Hannes S. Macher: Autoren und Autorinnen in Bayern: 20. Jahrhundert. Verlags-Anstalt Bayerland 2004, ISBN 978-3-89251-340-7, S. 286, (eingeschränkte Vorschau).