Evangelische Kirche Schwalbach (Schöffengrund)

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Evangelische Kirche Schwalbach
Ansicht von Nordosten

Die Evangelische Kirche im mittelhessischen Schwalbach in der Gemeinde Schöffengrund ist eine frühklassizistische Saalkirche aus den Jahren 1763 bis 1767. Das repräsentative Gebäude ist aufgrund seiner geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen und wissenschaftlichen Bedeutung hessisches Kulturdenkmal.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ort wird 795 im Lorscher Codex als „Sualbacher marca“ bezeichnet.[2][3] Im Jahr 1305 ist eine Kirche und 1368 eine Pfarrei nachgewiesen. Die Kirchengemeinde war im Mittelalter Filial von Bonbaden und gehörte zum Archipresbyterat Wetzlar im Archidiakonat St. Lubentius Dietkirchen in der Erzdiözese Trier.[4]

Die Reformation wurde wohl 1549 unter Pfarrer Johannes Geissler aus Bonbaden eingeführt.[5] Nachdem die alte Kirche 1760 eingestürzt war, wurde die heutige Kirche von 1763 bis 1767 errichtet. Sie ist stilistisch von den Architekten Julius Ludwig Rothweil und Friedrich Joachim Stengel beeinflusst und ähnelt der Atzbacher Kirche, die ebenfalls 1767 fertiggestellt wurde.[1] 1887, 1957–1959 und 1986 ließ die Gemeinde umfangreiche Renovierungen durchführen.

Die Kirchengemeinde gehörte bis Ende 2018 zum Kirchenkreis Braunfels in der Evangelischen Kirche im Rheinland, der 2019 in den Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill aufging.[6] Die Kirchengemeinden Schwalbach, Neukirchen und Bonbaden, die seit der Reformation die meiste Zeit eine pfarramtliche Verbindung eingegangen waren, schlossen sich zum 1. Januar 2020 zur Kirchengemeinde Bonbaden-Schwalbach-Neukirchen zusammen.[7]

Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glasfenster von 1896

Der quergerichtete, hohe Saalbau mit Walmdach ist im Ortszentrum aus unverputztem Bruchsteinmauerwerk errichtet. Der Innenraum wird durch Fensterreihen in zwei Ebenen belichtet, die unten hochrechteckig mit flachen Stichbogen und oben als stehende Ovale gestaltet sind.[8] Die figürlichen Glasmalereien im Stil des Neobarock wurden 1896 von Henning und Andrés aus Hannover gefertigt.[1] Sie haben seitlich und im Stichbogen Ornamentbänder. Das Fenster über dem Westportal zeigt das Agnus Dei mit der Siegesfahne, das Fenster über dem Ostportal ein rotes Kreuz über einem Abendmahlskelch und die beiden hohen Südfenster je drei vierpassartige Rahmen, in deren Mitte Moses und Christus dargestellt sind.

Mittig an der Nordseite ist ein Kirchturm auf quadratischem Grundriss mit offener Laterne und Zwiebelhaube in den Saalbau eingebunden.[8] Die Turmhalle dient als Sakristei und Aufgang zur Kanzel. In die Glockenstube im obersten Geschoss sind rundbogige Schallöffnungen für das Geläut eingelassen.

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Innenraum Richtung Westen
Altar mit Kanzel

Die hölzerne Kirchenausstattung weist eine einheitlich graue Fassung auf, von der sich rot-weiß marmorierte Füllungen mit vergoldeten Profilen abheben. Im Inneren ruht die Flachdecke auf zwei Längsunterzügen, die von vier rot-weiß marmoriert bemalten Säulen gestützt werden. Die beiden westlichen Säulen wurden 1793 zur statischen Verstärkung eingebaut.[8] Die dreiseitig umlaufende graue Empore stammt wohl aus dem 19. Jahrhundert und wird von achteckigen Pfosten gestützt. Die Emporenbrüstung hat querrechteckige Füllungen, die ebenfalls rot-weiß marmoriert bemalt sind. In den beiden südlichen Ecken sind die Aufgänge eingebaut. Die Nordseite blieb ohne Empore, weil hier die Kanzel errichtet wurde.

Die hölzerne, polygonale Kanzel aus dem späten 18. Jahrhundert ist auf einer Kanzelwand vor der Turmhalle angebracht. Die Kanzelwand hat im unteren Drittel hochrechteckige Füllungen, in der Mitte durchbrochenes Rautenwerk und oben Verglasungen. Der Kanzelkorb hat konkave Felder mit trapezförmigen Füllungen, eine Rückwand mit Füllungen vermittelt zum Schalldeckel, der an der Unterseite von einem achtstrahligen Stern verziert wird und von einer teils vergoldeten Volutenkrone und Rankenwerk bekrönt wird. Vor der Kanzel steht der Altartisch. Die Ostempore dient als Aufstellungsort für die Orgel.[1] Das Kirchengestühl ist von drei Seiten auf die Kanzel und den Altar ausgerichtet. Die Brüstung des Gestühls hat querrechteckige Füllungen. In der Sakristei ist eine spätgotische Truhe erhalten.[8]

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orgelprospekt von 1872

Die Orgel baute Guido Knauf aus Gotha im Jahr 1872. Das Werk umfasst 17 Register auf zwei Manualen und Pedal. 1970 erfolgte ein Neubau durch Günter Hardt hinter dem historischen Prospekt. Die Disposition umfasst seitdem 16 Register und lautet wie folgt:[9]

I Manual C–g3
Prinzipal 8′
Rohrflöte 8′
Oktave 4′
Spindelflöte 4′
Schwiegel 2′
Mixtur IV 113
II Manual C–g3
Gedackt 8′
Blockflöte 4′
Prinzipal 2′
Quinte 113
Zimbel II 1′
Krummhorn 8′
Tremulant
Pedal C–f1
Subbass 16′
Offenbass 8′
Choralbass 4′ + 2′
Posaune 16′

Geläut[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dilman Schmid goss 1692 eine Glocke, die in den Neubau übernommen wurde. Eine zweite Dilman-Glocke von 1701 (as′, 270 kg) wurde 1830 aus Braunfels gegen einen Aufpreis von 50 fl. gegen eine andere Glocke eingetauscht. Diese wurde im Zweiten Weltkrieg konfisziert und erlitt dabei – obwohl sie bis Kriegsende erhalten blieb – Beschädigungen und wurde 1950 umgegossen.[10][11]

Nr. Gussjahr Gießer Masse Durchmesser Schlagton Inschrift
1 1950 Gebr. Rincker 646 kg g′ „ICH TRETE IN DIE NACHFOLGE EIN / DER SCHWESTERN DIE GESPRUNGEN SEIN / IN 1701 UND 1945 / ICH RUFE WIE SIE WEITER FORT / LAND LAND HOERE DES HERRN WORT“
2 1692 Dilman Schmid 220 kg 790 mm b′-
3 1961 Gebr. Rincker 200 kg c′′

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich Kilian Abicht: Der Kreis Wetzlar historisch, statistisch und topographisch dargestellt. Teil: 2. Die Statistik, Topographie und Orts-Geschichte des Kreises. Wigand, Wetzlar 1836, S. 134–135, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  • Folkhard Cremer (Red.): Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen I: Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2008, ISBN 978-3-422-03092-3, S. 830.
  • Fest- und Heimatbuch für Oberquembach und den Schöffengrund. Oberquembach [1955].
  • Gerhard Kleinfeldt, Hans Weirich: Die mittelalterliche Kirchenorganisation im oberhessisch-nassauischen Raum (= Schriften des Instituts für geschichtliche Landeskunde von Hessen und Nassau 16). N. G. Elwert, Marburg 1937, ND 1984, S. 194, 205.
  • Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), Maria Wenzel (Bearb.): Kulturdenkmäler in Hessen. Lahn-Dill-Kreis II (Altkreis Wetzlar) (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-8062-1652-3, S. 450–451.
  • Heinrich Läufer (Bearb.): Gemeindebuch der Kreissynoden Braunfels und Wetzlar. Herausgegeben von den Kreissynoden Braunfels und Wetzlar. Lichtweg, Essen 1953, S. 28–29.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Evangelische Kirche (Schöffengrund-Schwalbach) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Evangelische Kirche In: DenkXweb, Online-Ausgabe von Kulturdenkmäler in Hessen
  2. Fest- und Heimatbuch für Oberquembach und den Schöffengrund. Oberquembach [1955], [S. 27].
  3. Archivum Laureshamense digital: Lorscher Codex, abgerufen am 19. Juli 2020.
  4. Kleinfeldt, Weirich: Die mittelalterliche Kirchenorganisation im oberhessisch-nassauischen Raum. 1984, S. 194, 205.
  5. Schwalbach. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 20. Juli 2020.
  6. Kirchenkreis an Lahn und Dill, abgerufen am 19. Juli 2020.
  7. Homepage der Kirchengemeinde, abgerufen am 19. Juli 2020.
  8. a b c d Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen I. 2008, S. 830.
  9. Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,2). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 2: L–Z. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2, S. 747.
  10. Chronik der Kirchengemeinde Schwalbach.
  11. Hellmut Schliephake: Glockenkunde des Kreises Wetzlar. In: Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft Lahntal e. V. 12. Jahrbuch. 1989, ISSN 0722-1126, S. 5–150, hier S. 141.

Koordinaten: 50° 29′ 48,1″ N, 8° 28′ 11,8″ O