Ferrihydrit

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Ferrihydrit
Grubenentwässerung aus Ohio (USA) mit Ferrihydrit-Niederschlag
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1971-015[1]

IMA-Symbol

Fhy[2]

Chemische Formel
  • Fe3+10O14(OH)2[1]
  • Fe3+5O3(OH)9[3]
  • ≈ Fe5(OH,O)12[4]
  • ≈ Fe3+5O6(OH)3·3H2O[5]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

IV/F.09-020

4.FE.35
04.03.02.02
Kristallographische Daten
Kristallsystem hexagonal
Kristallklasse; Symbol dihexagonal-pyramidal; 6mm
Raumgruppe P63mc (Nr. 186)Vorlage:Raumgruppe/186[6]
Gitterparameter a = 5,95 Å; c = 9,06 Å[6]
Formeleinheiten Z = 1[6]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte nicht definiert
Dichte (g/cm3) nicht definiert
Spaltbarkeit nicht definiert
Bruch; Tenazität nicht definiert
Farbe gelblichbraun bis rötlichbraun, dunkelbraun
Strichfarbe gelblichbraun
Transparenz undurchsichtig[7]
Glanz nicht definiert

Ferrihydrit (IMA-Symbol Fhy[2]) ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der chemischen Zusammensetzung Fe3+10O14(OH)2[1][6] und damit chemisch gesehen ein Eisen-Oxidhydroxid.

Ferrihydrit entwickelt kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem, entwickelt aber nur mikroskopisch kleine Kristalle und sphärolithische Mineral-Aggregate bis etwa 50 μm Größe von gelblichbrauner bis rötlichbrauner oder dunkelbrauner Farbe bei gelblichbrauner Strichfarbe.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals entdeckt wurde Ferrihydrit in kalten und heißen Quellen zusammen mit Eisenbakterien (Gallionella, Leptothrix, Toxothrix)[8] im Altaigebirge in Osten Kasachstans.

Die Analyse und Erstbeschreibung erfolgte durch Fedor Wassiljewitsch Tschuchrow (russisch Федор Васильевич Чухров[9]), B. B. Zvyagin, A. I. Gorshkov, L. P. Ermilova, V. V. Balashova, die das Mineral nach dessen chemischer Zusammensetzung als „hydratisiertes Eisen“ (englisch ferric und hydrated; russisch ферригидрит) benannten. Das Mineralogenteam sandte seine Untersuchungsergebnisse und den gewählten Namen 1971 zur Prüfung an die International Mineralogical Association (interne Eingangs-Nr. der IMA: 1971-015[1]), die den Ferrihydrit als eigenständige Mineralart anerkannte.

Da das Material zur Analyse des Minerals aus den Bergwerken „Belousovsky“ (auch Belousovskii oder Belousovskoe) bei Glubokoje und „Ridder-Sokolnoe“ (auch Leninogorsk) bei Ridder stammt, gelten beide Gruben als Typlokalität.[10][11] Das Typmaterial des Minerals wird im Vernadsky Geological Museum (Register-Nr. 51508) und Fersman Mineralogical Museum der Russischen Akademie der Wissenschaften (Register-Nr. 76642) in Moskau (Russland) aufbewahrt.[7]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist der Ferrihydrit noch nicht verzeichnet.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. IV/F.09-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Hydroxide und oxidische Hydrate (wasserhaltige Oxide mit Schichtstruktur)“, wo Ferrihydrit zusammen mit Akdalait die unbenannte Gruppe IV/F.09 bildet.[3]

Die von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Ferrihydrit dagegen in die Abteilung der „Hydroxide (ohne V oder U)“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit von OH und/oder H2O sowie der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in der Unterabteilung „Hydroxide mit OH, ohne H2O; Lagen kantenverknüpfter Oktaeder“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Ferrihydritgruppe“ mit der System-Nr. 4.FE.35 und dem bisher nur hypothetischen Mineral Hydromaghemit bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Ferrihydrit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Oxidminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Akdalait in der unbenannten Gruppe 04.03.02 innerhalb der Unterabteilung „Einfache Oxide mit einer Kationenladung von 3+ (A2O3)“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ferrihydrit kristallisiert hexagonal in der Raumgruppe P63mc (Raumgruppen-Nr. 186)Vorlage:Raumgruppe/186 mit den durchschnittlichen Gitterparametern a = 5,95 Å und c = 9,06 Å sowie eine Formeleinheit pro Elementarzelle.[6]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ferrihydrit bildet sich als Niederschlag in kalten und heißen Quellen unter Mitwirkung von Eisenoxidierenden Mikroorganismen (Eisenbakterien), findet sich aber auch verbreitet in der löslichen Fraktion von Böden und verwittertem Gestein. Als Begleitminerale können unter anderem Goethit, Hämatit, Lepidokrokit und verschiedene Manganoxide auftreten.

Als seltene Mineralbildung konnte Ferrihydrit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2013) rund 60 Fundorte als bekannt gelten.[13] Neben seiner Typlokalität Altaigebirge trat das Mineral in Kasachstan noch in der Eisengrube „Sokolovskoe“ in der Provinz Qostanai zutage.

In Deutschland fand man Ferrihydrit unter anderem im „Schmiedestollen“ bei Wittichen und in der Grube Clara bei Oberwolfach in Baden-Württemberg, auf den Schlackenhalden der Ochsenhütte nahe Goslar und im Hölltal bei Lautenthal in Niedersachsen, auf der Schlackenhalde der Hüstener Gewerkschaft im Sauerland (Nordrhein-Westfalen), in der „Eckardthütte“ bei Leimbach (Mansfeld) in Sachsen-Anhalt, im Schacht „Weißer Hirsch“ bei Neustädtel (Schneeberg) und in mehreren Gruben am Zechenberg bei Hohenstein-Ernstthal in Sachsen und auf der Schlackenhalde am Kammberg in der Gemeinde Joldelund in Schleswig-Holstein.

In Österreich konnte Ferrihydrit bisher nur am Rotbachl im Zamser Grund (Zillertal) und am Silberberg bei Reith im Alpbachtal im Inntal in Tirol gefunden werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Ägypten, der Antarktis, Brasilien, China, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan, Polen, Russland, der Slowakei, Spanien, Tonga, Tschechien, Turkmenistan und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[14]

Auch in Gesteinsproben aus der Barentssee im Arktischen Ozean, in mehreren Gesteinsproben vom Mittelatlantischen Rücken, vom Manus-Becken in der Bismarcksee, vom Ostpazifischen Rücken und vom Franklin Seamount im Pazifischen Ozean sowie von Gesteinsproben vom Roten Meer konnte Ferrihydrit nachgewiesen werden.[14]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • F. V. Chukhrov, B. B. Zvyagin, A. I. Gorshkov, L. P. Ermilova, V. V. Balashova: Ferrihydrite. In: Izvestiya Akademii Nauk SSSR. Band 4, 1973, S. 23–33 (russisch).
  • Michael Fleischer: Ferrihydrite. In: International Geology Review. Band 16, 1973, S. 1131–1143 (englisch, rruff.info [PDF; 1,4 MB; abgerufen am 15. Dezember 2022] englische Übersetzung von F. V. Chukhrov, B. B. Zvyagin, A. I. Gorshkov, L. P. Yermilova, V. V. Balashova (1973): Ferrihydrite. In: Izvestiya Akademii Nauk SSSR 1973, S. 23–33).
  • Michael Fleischer, G. Y. Chao, Akiro Kato: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 60, 1975, S. 485–489 (englisch, rruff.info [PDF; 638 kB; abgerufen am 15. Dezember 2022]).
  • Igor V. Pekov: Minerals first discovered on the territory of the former Soviet Union. 1. Auflage. Ocean Pictures, Moscow 1998, ISBN 5-900395-16-2, S. 82, 298–299, 360.
  • F. Marc Michel, Lars Ehm, Sytle M. Antao, Peter L. Lee, Peter J. Chupas, Gang Liu, Daniel R. Strongin, Martin A. A. Schoonen, Brian L. Phillips, John B. Parise: The Structure of Ferrihydrite, a Nanocrystalline Material. In: Science. Band 316, Nr. 5832, 2007, S. 1726–1729, doi:10.1126/science.1142525 (englisch, pharmazie.uni-muenchen.de [PDF; 231 kB; abgerufen am 12. Dezember 2022]).
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 555 (Erstausgabe: 1891).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ferrihydrite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 1. Februar 2023 (englisch).
  2. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 14. Dezember 2022]).
  3. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  4. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 240 (englisch).
  5. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 555 (Erstausgabe: 1891).
  6. a b c d F. Marc Michel, Lars Ehm, Sytle M. Antao, Peter L. Lee, Peter J. Chupas, Gang Liu, Daniel R. Strongin, Martin A. A. Schoonen, Brian L. Phillips, John B. Parise: The Structure of Ferrihydrite, a Nanocrystalline Material. In: Science. Band 316, Nr. 5832, 2007, S. 1726–1729, doi:10.1126/science.1142525 (englisch, pharmazie.uni-muenchen.de [PDF; 231 kB; abgerufen am 12. Dezember 2022]).
  7. a b Ferrihydrite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 54 kB; abgerufen am 12. Dezember 2022]).
  8. Michael Fleischer, G. Y. Chao, Akiro Kato: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 60, 1975, S. 485–489 (englisch, rruff.info [PDF; 638 kB; abgerufen am 15. Dezember 2022]).
  9. Igor V. Pekov: Minerals first discovered on the territory of the former Soviet Union. 1. Auflage. Ocean Pictures, Moscow 1998, ISBN 5-900395-16-2, S. 360.
  10. Ferrihydrit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 15. Dezember 2022.
  11. Ferrihydrite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 12. Dezember 2022 (englisch).
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 14. Dezember 2022 (englisch).
  13. Localities for Ferrihydrite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 12. Dezember 2022 (englisch).
  14. a b Fundortliste für Ferrihydrit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 12. Dezember 2022.