Giebułtów

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Giebułtów
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Giebułtów (Polen)
Giebułtów (Polen)
Giebułtów
Basisdaten
Staat: Polen
Woiwodschaft: Niederschlesien
Powiat: Lwówek Śląski
Geographische Lage: 50° 59′ N, 15° 21′ OKoordinaten: 50° 58′ 42″ N, 15° 20′ 49″ O
Einwohner:
Telefonvorwahl: (+48) 75
Kfz-Kennzeichen: DLW



Giebułtów (deutsch Gebhardsdorf) ist ein Dorf in der Landgemeinde Mirsk (Friedeberg am Queis) im Powiat Lwówecki in der Woiwodschaft Niederschlesien in Polen.

Geographie

Ehemalige evangelische Zufluchtskirche von Gebhardsdorf, jetzt katholische Pfarrkirche des Ortes

Giebułtów liegt im Isergebirgsvorland, den nördlichen Ausläufern des Isergebirges, am Zusammenfluss des Lausitzbaches und dem Schwarzbach, drei Kilometer nordwestlich von Mirsk. Der Ort untergliederte sich in Ober- und Untergebhardsdorf, die zwei dazugehörigen Exulantenkolonien sind Estherwalde und Augusta. Nachbarorte sind Złotniki Lubańskie (Goldentraum) im Norden, Zacisze (Hartha) und Karłowiec (Karlsberg) im Nordosten, Orłowice (Gräflich Ullersdorf) im Süden und Świecie (Schwerta) im Nordwesten. Jenseits der Grenze zu Tschechien liegen im Südwesten Nové Město pod Smrkem (Neustadt an der Tafelfichte), Dětřichovec (Dittersbächel) und Jindřichovice pod Smrkem (Heinersdorf an der Tafelfichte).

Geschichte

Gebhardsdorf wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet. In alten Urkunden hieß es Geppersdorf. Es gehörte zunächst zum Burgbezirk Schwerta im Oberlausitzer Queiskreis. Von 1187 an war Gebhardsdorf im Besitz des adligen Geschlechts von Uechtritz. Während der Hussitenkriege wurde es 1431 zerstört. 1508/09 hielt sich der namhafte Ablasshändler Johann Tetzel in Alt Gebhardsdorf No. 3 im Queiskreis auf. Eine Einreise nach Schlesien wurde ihm versagt. Trotzdem ließ er aus Dankbarkeit für die guten Ablassgeschäfte im Grenzgebiet Sachsen-Schlesien die Kapellen in Friedeberg und Gebhardsdorf mit einem Teil des für den Papst erworbenen Geldes renovieren. Die nun wieder errichtete Kirche St. Michael diente nach Annahme der Reformation als evangelisches Gotteshaus. 1536 trat der Dorfherr zur protestantischen Kirche über. Nach dem Erlöschen des Schwertaer Familienzweigs der Uechtritz wurde die Herrschaft Schwerta dreigeteilt. Gebhardsdorf wurde Sitz der gleichnamigen Herrschaft, die etwa 15 km² groß war und an der Grenze der Oberlausitz zum böhmischen Erbfürstentum Schweidnitz lag. Sie blieb bis ins 20. Jahrhundert im Besitz verschiedener Zweige des Adelsgeschlechts Uechtritz.[1]

Zusammen mit der Oberlausitz fiel die Herrschaft Gebhardsdorf 1635 an das evangelische Kurfürstentum Sachsen. Dadurch kam es zur Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen aus Böhmen und Schlesien, für die auf Gebhardsdorfer Grund zwischen 1650 und 1674 vier Siedlungen (unter anderem Neu Gebhardsdorf um 1663 und 1674 Ober Gebhardsdorf) und zwei weitere, 1713 die Ortssiedlung Estherwaldau und 1730 der Ortsteil Augustthal, entstanden. Bereits seit 1654 diente die Gebhardsdorfer Kirche als Zufluchtskirche für die evangelische Bevölkerung jenseits der Grenze zu Schlesien. 1682 kam es zu einem Prozess zwischen der böhmischen Herrschaft Starkenbach und der sächsischen Herrschaft Gebhardsdorf wegen 200, von George Gernert nach Gebhardsdorf geführter, böhmischer Exulanten. Der Kurfürst von Sachsen sollte die Personen auf Prager Geheiß zurückführen. 120 Exulanten wurden wieder nach Rochlitz in Böhmen zurückgebracht.

Im Ort wurden zwei Märkte pro Jahr abgehalten. Durch das Einführen der sächsischen Postkutschen (Jouraliere) gab es eine Verkehrsverbindung in die Messestadt Leipzig. Gebhardsdorf erhielt zu der Zeit den scherzhaften Beinamen „Klein-Leipzig“; schlesische Käufer erwarben hier die aus aller Welt herangefahrenen Waren.[2]

1745, nach der Schlacht bei Hohenfriedeberg, rückte vorübergehend ein österreichisches Militär-Corps mit 13.000 Mann in den Ort ein.

Nach dem Wiener Kongress 1815 fiel Gebhardsdorf zusammen mit dem Queiskreis und der Ostoberlausitz an Preußen. Es wurde nun der Provinz Schlesien zugeschlagen und 1816 als selbständige Landgemeinde dem neu gebildeten Landkreis Lauban im Regierungsbezirk Liegnitz eingegliedert.[3] Dadurch verlor Gebhardsdorf 1816 seine regelmäßigen Jahrmärkte. Es gab zudem Einschnitte in der wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinde. 1630 Einwohner lebten in der Folgezeit, um 1860, von den Einnahmen der Kattunfabrikation, der Zwirnfabrikation, der Weberei, vom Spillenmacher- und vom Drechslerhandwerk, dem Ackerbau und den einträglichen Marktgeschäften. 1874 wurde der Amtsbezirk Gebhardsdorf gebildet, der am 1. Januar 1908 aus den Landgemeinden Gebhardsdorf, Hartha, Karlsberg und Wiesa sowie den Gutsbezirken Gebhardsdorf, Hartha und Wiesa bestand.[4] Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich in Gebhardsdorf von September 1944 bis Januar 1945 ein Außenlager des KZ Groß Rosen.[5]

Nach Kriegsende fiel Gebhardsdorf 1945 an Polen und wurde in Giebułtów umbenannt. Die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben. Die neu angesiedelten Bewohner waren teilweise Zwangsausgesiedelte aus Ostpolen. 1975–1998 gehörte Giebułtów zur Woiwodschaft Jelenia Góra.

Ortsteile und Einwohnerzahlen

1764 gab es eine erste amtliche Volkszählung:

  • Gebhardsdorf 834; Einwohner (Ew)
  • Neu Gebhardsdorf; 411 Ew
  • Ober Gebhardsdorf; 215 Ew
  • Estherwaldau, auch Est(h)erwalde; 150 Ew

Die Exulantenhäuser 1 bis 10 wurden als Runddorf angelegt, die Erweiterung mit den Häusern 11 bis 42 dann als Reihendorf. Hinter den Häusern 9 und 10 lag die sächsisch-schlesischen Grenze; dort wohnten die Exulanten-Nachkommen Gernert aus Rochlitz, wegen der Gefahr der Rückführung nach Böhmen unter dem geänderten Namen Gerner.

  • Augustthal; 134 Ew

Sehenswürdigkeiten

Schloss Gebhardsdorf

Die Pfarrkirche St. Michael wurde 1508 an der Stelle einer 1431 durch die Hussiten zerstörten Kirche errichtet. Nach Einführung der Reformation diente sie als evangelisches Gotteshaus, ab 1654 als Zufluchtskirche. 1703/04 wurde sie wegen Platzmangel zu einem rechteckigen Saalbau für 2000 Gläubige umgebaut. Der spätbarocke architektonische Hauptaltar wurde 1735 geschaffen. Die Kanzel schuf der Löwenberger Bildhauer Gottfried Lincke. An der Südfassade befinden sich zahlreiche Epitaphien aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Seit dem Übergang an Polen 1945 dient die Kirche wiederum als katholisches Gotteshaus. Die zweigeschossigen Emporen mit Malereien aus dem Jahr 1714 wurden 1963 bei Renovierungsarbeiten entfernt.

Das Schloss Gebhardsdorf wurde im 18. Jahrhundert von Christoph von Uechtritz errichtet. Umbauten und Restaurierungen erfolgten im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach 1945 wurde es dem Verfall preisgegeben.

Der Ablassprediger und -händler Johann Tetzel hielt sich in Alt Gebhardsdorf Nr. 3 in den Jahren 1508 bis 1509 auf. Aus Dankbarkeit für seine guten Geschäfte ließ er die Kapelle von Gebhardsdorf renovieren.[6]

Persönlichkeiten

  • Johann Tetzel (1465–1519), Dominikaner, Ablassprediger, wirkte in Gebhardsdorf
  • George Gernert (1630–1693), Exulantenführer, böhmischer Gerichtsprimus und Dorfrichter
  • Paul Hubrich (1869–1948), deutscher Bildhauer

Literatur

Einzelnachweise

  1. Auszug Schlossarchiv
  2. Karl Pellegrini: Kurze Geschichte der Gemeinde Gebhardsdorf. Buchdruckerei Arthur Dresler, Friedeberg (Queis) 1927, S. 13–14.
  3. Landkreis Lauban
  4. Amtsbezirk Gebhardsdorf
  5. Andrea Rudorff: Frauen in den Außenlagern des Konzentrationslagers Groß-Rosen. Metropol Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86331-162-9.
  6. Karl Pellegrini: Kurze Geschichte der Gemeinde Gebhardsdorf. Buchdruckerei Arthur Dresler, Friedeberg (Queis) 1927, S. 10.