Heiner Bielefeldt

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Heiner Bielefeldt (links)

Heiner Bielefeldt (* 12. April 1958 in Titz-Opherten) ist ein deutscher Theologe, Philosoph und Historiker. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von Juni 2010 bis Oktober 2016 war Bielefeldt Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats.[1]

Bielefeldt studierte Philosophie und katholische Theologie in Bonn und Tübingen (Examen 1981 und 1982). Anschließend studierte er Geschichtswissenschaften in Tübingen (Examen 1988). Von 1983 bis 1990 arbeitete er als wissenschaftliche Hilfskraft, später als wissenschaftlicher Angestellter am „Interdisziplinären Forschungsprojekt Menschenrechte“ an der philosophischen Fakultät der Universität Tübingen. 1989 promovierte Bielefeldt dort mit einer Arbeit zu den Gesellschaftsvertragstheorien zum Dr. phil.

Von 1990 bis 1992 war er Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Universität Mannheim. Anschließend wechselte er an den Lehrstuhl für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg. Die Jahre 1993 und 1994 verbrachte er als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung einen Forschungs- und Lehraufenthalt an der „Faculty of Law“ sowie am „Department of Philosophy“ der University of Toronto. Im Februar 2000 habilitierte er sich im Fach Philosophie am Fachbereich 9 (Kulturwissenschaften) der Universität Bremen.

Im April 2000 wurde Bielefeldt zum Hochschuldozenten an der Universität Bielefeld ernannt, verbunden mit Lehrverpflichtungen an den Fakultäten für Rechtswissenschaft und Pädagogik. Von 2003 bis 2009 war Bielefeldt Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. 2007 wurde er zum Honorarprofessor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld ernannt.

Seit 2009 hat er den neu geschaffenen Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Der Lehrstuhl ist am dortigen Institut für Politische Wissenschaft angesiedelt, Bielefeldts Lehrtätigkeit erstreckt sich über die Disziplinen der Politischen Wissenschaft, der Philosophie, der Rechts- und der Geschichtswissenschaft.

Tätigkeitsfelder

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Seit 1995 ist Bielefeldt Mitglied der interdisziplinären Forschungsgruppe für multi-ethnische Konflikte an der Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik. Aus dieser Forschungsgruppe ist 1996 das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) unter der Leitung von Wilhelm Heitmeyer hervorgegangen.

Bielefeldt engagiert sich im Interreligiösen Dialog und war Mitglied des Kuratoriums der Muslimischen Akademie in Deutschland. Er ist Mitglied des Kuratoriums der Christlich-Islamischen Gesellschaft. Daneben ist Bielefeldt Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens sowie im Beirat der Zeitschrift für Menschenrechte.[2] Zur Frage der Beschneidung bezeichnet er ein generelles Verbot der religiösen Knabenbeschneidung als unverhältnismäßig.[3]

Im Juni 2010 wurde Bielefeldt vom UN-Menschenrechtsrat als Nachfolger von Asma Jahangir zum Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Religions- und Weltanschauungsfreiheit ernannt.[4]

Bielefeldt sagte 2010 auf der 65. UN-Generalversammlung vor dem Menschenrechtsausschuss der UN-Generalversammlung:„Kleine Gemeinschaften, wie die Zeugen Jehovas, Baha’is, Ahmadis, Falun Gong und andere, werden manchmal als ‘Kulte’ stigmatisiert und treffen häufig auf gesellschaftliche Vorurteile, die sich zu vollwertigen Verschwörungstheorien ausweiten können“.[5]

Christenverfolgung

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Infolge einer nach der US-Invasion des Iraks einsetzenden Welle christenfeindlicher Gewalt, floh ein großer Teil der christliche Bevölkerung aus dem Land.[6] Trotzdem vertritt Bielefeldt die Auffassung, dass man mit dem Begriff der Christenverfolgung vorsichtig sein sollte.[7] Er begründete diese Ansicht damit, dass nirgendwo Christen allein von Verfolgung bedroht seien, „sondern auch andere Minderheiten wie die Jesiden, die Baha’i oder Angehörige der Ahmadiyya-Gemeinde“. Zudem würden Repressionen gegen Christen „in der Regel nicht alle“ innerhalb der christlichen Gemeinschaft „gleich hart“ treffen. So handele es sich bei Ermordungen von Christen im Iran oft um die Ermordung von Konvertiten zum Christentum oder von missionierenden Christen.[7] Daher sei der Begriff Christenverfolgung „einerseits zu eng (...), weil er nichtchristliche Gruppen ausblendet“, und „andererseits zu unspezifisch (...), weil er die Differenzen zwischen den verschiedenen christlichen Gruppen nicht berücksichtigt“.[7]

Islamischer Staat

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Bezüglich des Islamischen Staats erklärte Bielefeldt, dass „derartige Verbrechen“, wie sie der Islamischer Staat verübte, „auch im Namen des Christentums verübt worden sind oder immer noch verübt werden.“ Als Beispiel für derartige Verbrechen im Namen des Christentums zitiert Bielefeld die Lord’s Resistance Army, die „ebenfalls Blutorgien veranstalte“, sowie nicht näher genannte „christliche Milizen in Zentralafrika“, die auch brutal vorgehen würden.[7] Dabei handelt es sich bei der Lords Resistance Army um eine politische Organisation innerhalb eines ethnischen Konflikts. Der Gersony-Bericht The Anguish of Northern Uganda, welcher die am meisten zitierte Quelle über die Lords Resistance Army darstellt,[8] kam zu dem Schluss, dass „die LRA kein politisches Programm oder keine Ideologie hat, zumindest keine, die die lokale Bevölkerung gehört hat oder verstehen kann“.[9] Die Lords Resistance Army wird auch in wissenschaftlichen Quellen als nicht-christliche bzw. nicht-religiöse Gruppe eingestuft,[10][11][12] obwohl sie nach eigenen Aussagen für die Errichtung eines Gottesstaates auf Erden nach dem Willen Gottes kämpft, wie es sich in der Bibel im Allgemeinen sowie im Zehn Gebote im Besonderen geoffenbart habe.[13]

Religion in Israel

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Im dritten Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit, den die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz am 5. Juli 2023 vorstellten, äußerte Bielefeldt, dass Christen und Muslime in Jerusalem Marginalisierung und Rechtsunsicherheit ausgesetzt sind. Ausgangspunkt ist das israelische Familienrecht, das auf der Religionszugehörigkeit basiert.[14]

Weitere Funktionen

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Veröffentlichungen (Auswahl)

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Als Autor

  • Neuzeitliches Freiheitsrecht und politische Gerechtigkeit. Perspektiven der Gesellschaftsvertragstheorien. Königshausen & Neumann, Würzburg 1990, ISBN 3-88479-497-3.
  • Zum Ethos der menschenrechtlichen Demokratie. Eine Einführung am Beispiel des Grundgesetzes. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991, ISBN 3-88479-555-4.
  • Wiedergewinnung des Politischen. Eine Einführung in Hannah Arendts politisches Denken. Königshausen & Neumann, Würzburg 1993, ISBN 3-88479-783-2.
  • Kampf und Entscheidung. Politischer Existentialismus bei Carl Schmitt, Helmuth Plessner und Karl Jaspers. Königshausen & Neumann, Würzburg 1994, ISBN 3-88479-857-X.
  • Philosophie der Menschenrechte. Grundlagen eines weltweiten Freiheitsethos. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt und Primus, 1998.
  • Kants Symbolik. Ein Schlüssel zur kritischen Freiheitsphilosophie. Alber, Freiburg i.Br. 2001. (Reihe Praktische Philosophie. Band 69), ISBN 3-495-48018-8.
  • Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit. transcript, Bielefeld 2003, ISBN 3-89942-130-2.
  • Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft. Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus. transcript, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89942-720-2.
  • Auslaufmodell Menschenwürde? Warum sie in Frage steht und warum wir sie verteidigen müssen, Herder Verlag, Freiburg 2011, ISBN 978-3-451-32508-3.
  • Freedom of Religion or Belief. An International Commentary, Oxford OUP, 2016.

Als Herausgeber von Sammelbänden

  • mit Volkmar Deile, Bernd Thomsen: Menschenrechte vor der Jahrtausendwende. amnesty international-Publikation. Fischer, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-596-11691-0.
  • mit Wilhelm Heitmeyer: Politisierte Religion. Ursprünge und Erscheinungsformen des modernen Fundamentalismus. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-12073-5.
  • mit Heike Alefsen, Bernd Thomsen, Katharina Wegener (Red.): Menschenrechte im Umbruch. Fünfzig Jahre Allgemeine Menschenrechtserklärung. Hrsg. Amnesty International. Luchterhand, Neuwied 1998, ISBN 3-472-03352-5.
  • mit Jörg Lüer: Rechte nationaler Minderheiten. Ethische Begründung, rechtliche Verankerung und historische Erfahrung. transcript, Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-241-4.
  • mit Petra Follmar-Otto: Konzeptionelle und redaktionelle Arbeit für: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Zwangsverheiratung in Deutschland. Deutsches Institut für Menschenrechte, Baden-Baden 2007
  • mit Franz-Josef Hutter, Sabine Kurtenbach, Carsten Tessmer: Menschenrechtsfragen. Loeper Literaturverlag, Karlsruhe, 2008, ISBN 978-3-86059-521-3.
  • mit Volkmar Deile, Brigitte Hamm, Franz-Josef Hutter, Sabine Kurtenbach, Hannes Tretter: Jahrbuch Menschenrechte 2009: Religionsfreiheit. Böhlau, Wien 2008, ISBN 978-3-205-78190-5.
  • mit Marianne Heimbach-Steins: Religionen und Religionsfreiheit. Menschenrechtliche Perspektiven im Spannungsfeld von Mission und Konversion. Ergon Verlag, Würzburg 2010, ISBN 978-3-89913-729-3.
  • mit Andreas Frewer: Das Menschenrecht auf Gesundheit. Normative Grundlagen und aktuelle Diskurse. Transcript-Verlag, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8376-3471-6.
  • mit Caroline Welsh, Christoph Ostgathe, Andreas Frewer: Autonomie und Menschenrechte am Lebensende. Grundlagen, Erfahrungen, Reflexionen aus der Praxis. Transcript-Verlag, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8376-3746-5.
  • mit Nicole J. Saam: Die Idee der Freiheit und ihre Semantiken. Zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit. transcript, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8376-6188-0.

Einzelnachweise

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  1. Moldova: UN human rights expert calls for more fostering of religious diversity, UN News Center, 9. September 2011, abgerufen am 10. Februar 2018
  2. a b Zeitschrift für Menschenrechte, Journal for Human Rights, Menschenrechtsabkommen, Wochenschauverlag, Jahrgang 11, Nr. 1, 2017, abgerufen am 10. Februar 2018
  3. Religiöse Beschneidungen (www.aerzteblatt.de 6. August 2012)
  4. "Deutscher ist neuer UN-Religionsbeauftragter", DW-WORLD.DE/Deutsche Welle
  5. Louis Charbonneau, U.N. envoy defends Falun Gong, „evil cult“ for China, Reuters, 21. Oktober 2010, abgerufen am 10. Februar 2018
  6. Der Exodus In: FAZ, 1. März 2011
  7. a b c d Michael Trauthig. Interview mit dem UN-Sonderberichterstatter. Keine Religion ist unschuldig In: Stuttgarter Zeitung, 20. November 2014.
  8. Zachary Lomo, Lucy Hovil: Behind the Violence. The War in Northern Uganda. Appendix 2: Literature Review. 1. März 2004, abgerufen am 30. April 2024.
  9. Robert Gersony: Results of a field-based assessment of the civil conflicts in northern Uganda. In: USAID (Hrsg.): The anguish of northern Uganda. Kampala, Uganda August 1997 (PDF [abgerufen am 18. März 2009]).
  10. Hema Chatlani: Uganda: A Nation In Crisis. In: California Western International Law Journal. 37. Jahrgang, S. 284 (californiawestern.edu (Memento des Originals vom 18. März 2009 im Internet Archive) [abgerufen am 18. März 2009]).
  11. C. Ghana: Don't Praise The Lord. In: Africa Confidential. 43. Jahrgang, Nr. 16, 9. August 2002.
  12. Uganda: Demystifying Kony (Memento des Originals vom 17. Juli 2012 im Internet Archive) In: ACR, Institute for War & Peace Reporting, 3. Juli 2006. Abgerufen am 17. Oktober 2011 
  13. In-depth: Life in northern Uganda: Nature, structure and ideology of the LRA. (Memento vom 11. Februar 2017 im Internet Archive) IRIN, 1. Januar 2004; Kony’s Invisible Christian Fanaticism. MWC News, 20. März 2012
  14. Benjamin Lassive: Säkularisierung bedroht Religionsfreiheit. Weser Kurier, 5. Juli 2023, abgerufen am 30. April 2024.
  15. Advisory Board, Commonwealth Initiative for Freedom of Religion or Belief (CIFoRB), Member of the Advisory Board, 2016, abgerufen am 10. Februar 2018
  16. Über uns, Deutsche Kommission Justitia Et Pax, abgerufen am 10. Februar 2018
  17. Advisory Board of the Migration Law Network, Academy of the Roman Catholic Diocese of Rottenburg-Stuttgart, 2007, abgerufen am 10. Februar 2018
  18. Kuratorium der Stiftung, Hirschfeld-Eddy-Stiftung, abgerufen am 10. Februar 2018
  19. Team, Projektgruppe (Lehrstuhl für Christliche Soziallehre und Allgemeine Religionssoziologie der Universität Bamberg), 2016, abgerufen am 10. Februar 2018
  20. Über uns, Beirat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes konstituiert (Memento vom 16. Februar 2018 im Internet Archive), Antidiskriminiekrungsstelle des Bundes, Pressemeldung, 17. Juni 2010, abgerufen am 10. Februar 2018
  21. Archivierte Kopie (Memento vom 23. November 2018 im Internet Archive)
  22. https://www.pol.phil.fau.de/person/heiner-bielefeldt/
  23. Engagement für Menschenrechte: Universität Tübingen zeichnet Heiner Bielefeldt aus, Eberhard Karls Universität Tübingen, 18. September 2017, abgerufen am 10. Februar 2018
  24. Bundesverdienstkreuz für Prof. Heiner Bielefeldt, FAU-Menschenrechtsexperte erhält das Verdienstkreuz 1. Klasse, FAU Erlangen-Nürnberg, 5. Oktober 2017, abgerufen am 10. Februar 2018
  25. Michael Frammelsberger, Ehrung, Für Menschenrechte unterwegs, Schwäbisches Tagblatt, 16. November 2017, abgerufen am 10. Februar 2018