Illegale Tagung der KPD im Sporthaus Ziegenhals

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Ernst Thälmann als Kandidat der Kommunistischen Partei zur Reichspräsidentenwahl 1932.

Die Illegale Tagung der KPD im Sporthaus Ziegenhals bezeichnet ein konspiratives Zusammentreffen der Parteispitze der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), dem Zentralkomitee (ZK), mit Bezirkssekretären und Chefredakteuren der wichtigsten Bezirkszeitungen[1] am 7. Februar 1933, kurz nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Tagungsstätte war das als Treffpunkt von Arbeitersportlern genutzte und von KPD-Mitgliedern geführte damalige Sporthaus Ziegenhals bei Berlin. Es war das letzte Zusammentreffen des Zentralkomitees mit Ernst Thälmann als Vorsitzenden der KPD vor seiner Verhaftung wenige Tage nach dem Reichstagsbrand am 3. März 1933.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die einstige Regierungspartei SPD verlor zur Reichstagswahl am 6. November 1932 im Vergleich zur Wahl 1930 und im Juli 1932 weiter an Zustimmung. Erstmals seit der Reichstagswahl 1930 musste auch die NSDAP Verluste hinnehmen, die die größten dieser Wahl waren, und konnte ihr Ergebnis als stärkste Partei nicht verbessern. Mit größten Gewinnen ging die KPD aus der Wahl hervor und war nun drittstärkste Kraft im Reichstag. Eine parlamentarische Mehrheit konnte nicht gebildet werden. Die kurze Amtszeit von Kurt von Schleicher als Reichskanzler endete bereits am 30. Januar 1933, als Reichspräsident Paul von Hindenburg die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler vollzog.

Bereits zuvor hatten SPD und KPD mit den Schutzformationen des Reichsbanners und dem Kampfbund gegen den Faschismus je eigene antifaschistische Kampfbünde gegründet, um dem Erstarken des Nationalsozialismus sowie der damit verbundenen Gewalt zu begegnen. Zugleich standen sich beide Parteien programmatisch und in allen wesentlichen Fragen der praktischen Politik feindlich und unversöhnlich gegenüber. Ihre Parteiführungen setzten einander wechselseitig mit dem Faschismus gleich. Im Wahlkampf zur Reichstagswahl im Juli 1932 kam es am 25. Mai 1932 im Preußischen Landtag zu einer Saalschlacht zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten, bei der mehrere kommunistische wie sozialdemokratische Abgeordnete teils schwer verletzt wurden, was den Abbruch der Sitzung zur Folge hatte.[2] Die Saalschlacht war Auslöser für die Gründung der Antifaschistischen Aktion durch die KPD im Juni 1932.[3]

Dennoch lehnte die KPD eine Woche vor der Machtübergabe an Hitler ein Angebot der SPD-Führung zur Einheitsfront als Angriff auf die „wahrhafte Einheit der Arbeiterklasse“ ab und sprach ihm die Ernsthaftigkeit als „Einheitsfrontmanöver“ ab.[4] Am 30./31. Januar 1933 bot wiederum die KPD-Führung der SPD, dem ADGB, dem AfA-Bund, den christlichen Gewerkschaften und der „proletarischen Öffentlichkeit“ die Aktionseinheit gegen die Hitler-Hugenberg-Papen-Regierung an und forderte zum Generalstreik und zu Massendemonstrationen auf.[5] Das württembergische Industriedorf Mössingen gilt als deutschlandweit einziger Versuch eine Regierung Adolf Hitlers durch die Teilnahme an einen landesweiten Generalstreik zu vereiteln, der als Mössinger Generalstreik bekannt wurde.

Tagung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anreise und die Durchführung der Tagung erfolgte unter den Regeln der Konspiration. Teilweise konnte die aus dem ganzen Reichsgebiet erfolgende Anreise nur unter größten Anstrengungen realisiert werden.[6] Für die Organisation und Sicherung der Tagung war Hermann Dünow zuständig. Dünow war von 1927 bis 1933 für die sicherheits- und militärpolitische Arbeit der KPD und für verschiedene Gefangenenbefreiungen wie von Otto Braun verantwortlich. Nach verschiedenen Anlaufpunkten in Berlin mit festen Zeitpunkten wurden die Teilnehmer der Tagung für zwei Zeitfenster zur Sternwarte Treptow gelotst, in der ein Mitglied der KPD arbeitete. Die an der Warte eingetroffenen Teilnehmer wurden von Dünow am Ende einer Führung durch die Warte in Empfang genommen und als Sportreisegruppen in Omnibusse zum Sporthaus Ziegenhals gebracht.[7] Den Ordnerdienst am Tagungsort übernahmen Mitglieder des verbotenen Rotfrontkämpferbundes.[8] Die Tagung wurde von Walter Ulbricht geleitet.[1] In den Erinnerungen Herbert Wehners bezeichnet er sich verantwortlich für die bis zur Sternwarte reisenden Tagungsteilnehmer, während er die Sicherung ab Abfahrt und der Tagung Hans Kippenberger zuschreibt.[9]

Ernst Thälmann führte innerhalb seines Referats auf der Tagung aus, dass die neue Regierung unter Hitler keine Niederlage des Proletariats sei, sondern der Beginn einer neuen und höheren Phase des Kampfes gegen den Faschismus. Er hob hervor, dass die KPD nicht in der Lage war, politisch mehr zu erreichen, weil sie den Einfluss der SPD- und ADGB-Führung sowie der christlichen Gewerkschaftsführer auf die Massen nicht „in dem erforderlichen Maße zu liquidieren“ im Stande gewesen sei. Die Kanzlerschaft Hitlers sei begleitet von Anzeichen eines Bürgerkriegs, derer sich die KPD bewusst sein müsse. Daher müsste es nun Aufgabe der Partei sein, dafür Sorge zu tragen, dass eine „Kette der Massenaktionen und Massenkämpfe gegen die faschistische Diktatur in ganz Deutschland nicht mehr abreißt“. Dabei seien die „Massen zu höheren Formen der wehrhaften Massennotwehr“ zu erziehen.[10]

Im Laufe des Referats unterbrach Ulbricht Thälmann und musste die Tagung abbrechen, weil der Charakter der Versammlung für Außenstehende offenkundig wurde und die Konspiration unter diesen Umständen nicht mehr gewahrt werden konnte.[8] Während anschließend Thälmann mit einem Auto in Sicherheit gebracht worden sei, sollen andere Tagungsteilnehmer mit einem Omnibus sowie einem Motorboot vom Sporthaus entkommen sein.[11] Kurze Zeit später kam die SA am verlassenen Tagungsort an.

Teilnehmer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Rahmen einer Gedenkrede am 7. Februar 1953 zum Jahrestag der illegalen Tagung benannte Wilhelm Pieck die Zahl der damalig möglichen Teilnehmer mit 112 Funktionären. Den Großteil hätte mit 39 Mitglieder und 24 Kandidaten das Zentralkomitee der Partei umfasst, das am 8. bis 15. Juni 1929 auf dem Parteitag in Berlin-Wedding gewählt wurde. Die Vorsitzenden der parteilichen Bezirksstrukturen, die Sekretäre, wurden mit 24 und die der Chefredakteure der Bezirkszeitungen und des Zentralorgans Rote Fahne mit 25 angegeben. Pieck beziffert die Gesamtzahl der Anwesenden auf der Tagung mit „35 bis 40 Personen“.[12] Die nachfolgende Auflistung zeigt die Dokumentation der jeweils nicht abgeschlossenen Teilnehmerlisten der Tagung exemplarisch nach Günter Hortzschansky[13] sowie Horst Duhnke.[14] Unterschiede in den Nennungen der Tagungsteilnehmer bei Hortzschansky erfolgen auf Nennung der jeweiligen Auflage nach Hermann Weber:[15]

Mitglieder und Kandidaten des Zentralkomitees[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teilnehmer Lebensdaten lt. Hortzschansky lt. Duhnke NS-Opfer Große Säuberung Anmerkungen
Franz Dahlem 1892–1981 Ja Ja Emigriert N/A Teilnahme nach Hortzschansky (3. Auflage)[15]
Wilhelm Florin 1894–1944 Ja Ja Emigriert N/A Teilnahme nach Hortzschansky (1. und 3. Auflage)[15]
Fritz Große 1904–1957 Ja Ja Inhaftiert N/A Kandidat des Zentralkomitees
Ernst Grube 1890–1945 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Fritz Heckert 1884–1936 Nein Ja Ausgebürgert N/A In den Ausführungen Wilhelm Piecks lediglich als verstorbenes ZK-Mitglied jedoch nicht als Teilnehmer der illegalen Tagung benannt[12]
Wilhelm Hein 1889–1958 Nein Ja Inhaftiert N/A 1933/34 wegen „Feigheit und Desertion“ aus der KPD ausgeschlossen[16]
Walter Kaßner 1894–1970 Ja Nein Inhaftiert N/A Kandidat des Zentralkomitees
Wilhelm Koenen 1886–1963 Ja Nein Emigriert N/A
Michael Niederkirchner 1882–1949 Ja Ja Inhaftiert und emigriert N/A
Hans Pfeiffer 1895–1968 Nein Nein Inhaftiert N/A Kandidat des Zentralkomitees; direkte Anweisung der Kaderabteilung des ZK der SED Pfeiffer nicht als Teilnehmer der Tagung zu erwähnen[17]
Wilhelm Pieck 1876–1960 Ja Ja Emigriert N/A Späterer und einziger Präsident der DDR
Siegfried Rädel 1893–1943 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A Kandidat des Zentralkomitees
Hermann Remmele 1880–1939 Nein Ja Ausgebürgert Inhaftiert und ermordet Rehabilitierung und Aufhebung des Urteils 1988
Rudolf Renner 1894–1940 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A In den Ausführungen Wilhelm Piecks ebenso als Chefredakteur benannt[12]
John Schehr 1896–1934 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A Kandidat des Zentralkomitees bis zur Kooptierung als Vollmitglied, Mitte 1932
Ernst Schneller 1890–1944 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A Nach der 3. Reichsparteikonferenz der KPD im Oktober 1932 ins Zentralkomitee berufen
Hermann Schubert 1886–1938 Nein Ja Emigriert und ausgebürgert Inhaftiert und ermordet Ernennung zum Vollmitglied des Zentralkomitee 1931; Rehabilitierung und Aufhebung des Urteils unbekannt
Franz Stenzer 1900–1933 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A Ernennung zum Vollmitglied des Zentralkomitees, Ende 1932
Walter Stoecker 1891–1939 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Ernst Thälmann 1886–1944 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A Parteivorsitzender der KPD; Referent auf der illegalen Tagung
Walter Ulbricht 1893–1973 Ja Ja Emigriert N/A Leiter der illegalen Tagung

Weitere führende Funktionäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teilnehmer Lebensdaten lt. Hortzschansky lt. Duhnke NS-Opfer Große Säuberung Anmerkungen
August Creutzburg 1892–1941 Nein Ja Emigriert Inhaftiert und ermordet Rehabilitierung und Aufhebung des Urteils 1998
Philipp Dengel 1888–1948 Nein Ja Emigriert N/A In den Ausführungen Wilhelm Piecks lediglich als verstorbenes ZK-Mitglied jedoch nicht als Teilnehmer der illegalen Tagung benannt;[12] Teilnahme nach Hortzschansky (1. und 2. Auflage)[15]
Hermann Dünow 1898–1973 Ja Ja Inhaftiert N/A Mitorganisator und Verantwortlicher der Sicherung der illegalen Tagung
Karl Elgaß 1900–1985 Nein Nein Inhaftiert N/A Teilnahme nach eigenen Angaben;[18] Ausschluss/Austritt aus der SED 1948 und Flucht nach West-Berlin
Otto Franke 1877–1953 Ja Ja Inhaftiert und emigriert N/A Mitorganisator der illegalen Tagung
Georg Ulrich Handke 1894–1962 Ja Nein Inhaftiert N/A
Hans Kippenberger 1898–1937 Ja Nein Emigriert Inhaftiert und ermordet Rehabilitierung und Aufhebung des Urteils 1957; Teilnahme nach Hortzschansky (3. Auflage)[15]
Arthur Lange 1906–1972 Nein Nein Inhaftiert N/A Mitorganisator der illegalen Tagung
Max Maddalena 1895–1943 Nein Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Theodor Neubauer 1890–1945 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Ernst Putz 1896–1933 Nein Ja Inhaftiert und Freitod N/A
Georg Schumann 1886–1945 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Lisa Ullrich 1900–1986 Ja Nein Inhaftiert N/A
Herbert Wehner 1906–1990 Nein Nein Emigriert N/A Teilnahme nach Angaben von Karl Elgaß;[19] 1942 wegen des Vorwurfs des Verrats aus der KPD ausgeschlossen

Bezirkssekretäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teilnehmer Lebensdaten lt. Hortzschansky lt. Duhnke NS-Opfer Große Säuberung Anmerkungen
Karl Barthel 1907–1974 Nein Nein Inhaftiert N/A Teilnahme nach eigenen Angaben; Vorwürfe wegen angeblichen Fehlverhaltens in der Haft[20]
Bernhard Bästlein 1894–1944 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Hans Beimler 1895–1936 Ja Ja Inhaftiert N/A Im Spanischen Bürgerkrieg gefallen
Jakob Boulanger 1897–1968 Ja Nein Inhaftiert N/A
Albert Buchmann 1894–1975 Ja Nein Inhaftiert N/A
Philipp Daub 1896–1976 Ja Nein Inhaftiert und emigriert N/A
Lambert Horn 1899–1939 Ja Nein Inhaftiert und ermordet N/A
Werner Kraus 1898–1964 Nein Nein Inhaftiert N/A Teilnahme nach eigenen Angaben;[21] Mit Inhaftierung im Juli 1933 V-Mann der Gestapo innerhalb der KPD
Albert Kuntz 1896–1945 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Hermann Matern 1893–1971 Ja Nein Inhaftiert und emigriert N/A
Max Opitz 1890–1982 Ja Nein Inhaftiert N/A
Anton Saefkow 1903–1944 Nein Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Augustin Sandtner 1893–1944 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Fritz Selbmann 1899–1975 Ja Nein Inhaftiert N/A Teilnahme nach Hortzschansky (3. Auflage)[15]
Robert Stamm 1900–1937 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Paul Suhr 1902–1933 Ja Nein Ermordet N/A
Mathias Thesen 1891–1944 Ja Ja Inhaftiert und ermordet N/A
Paul Wojtkowski 1892–1960 Nein Nein Inhaftiert N/A Teilnahme nach Angaben von Karl Elgaß[22]

Chefredakteure[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teilnehmer Lebensdaten lt. Hortzschansky lt. Duhnke NS-Opfer Große Säuberung Anmerkungen
Willi Bohn 1900–1985 Ja Nein Inhaftiert N/A

Weitere Teilnehmer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teilnehmer Lebensdaten lt. Hortzschansky lt. Duhnke NS-Opfer Große Säuberung Anmerkungen
Paula Mörschel 1893–1987 Ja Ja N/A N/A Wirtsleute des Tagungsorts Sporthaus Ziegenhals
Wilhelm Mörschel 1890–1948 Ja Ja N/A N/A Wirtsleute des Tagungsorts Sporthaus Ziegenhals

Nachgang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl-Liebknecht-Haus am Berliner Bülowplatz als Sitz der KPD zur Reichstagswahl 1932.

Am 23. Februar 1933 wurde das Karl-Liebknecht-Haus als Parteizentrale der KPD und Sitz der Chefredaktion der Roten Fahne durch die Politische Polizei besetzt. Wenige Tage später, am 27. Februar, erneuerte die KPD mit einem offenen Brief „An die sozialdemokratischen und christlichen Arbeiter Deutschlands! An die Kollegen der freien Gewerkschaften und die Reichsbannerkameraden!“ von Ernst Thälmann ihr Angebot zur Einheitsfront. Dem Brief vorausgegangen war die letzte Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees, an der Thälmann vor seiner Verhaftung teilnahm.[1] In der folgenden Nacht von dem 27. auf den 28. Februar kam es zum Brand des Reichstagsgebäudes. Bereits am 28. Februar 1933 wurde die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat (Reichstagsbrandverordnung) erlassen. Damit wurden die Grundrechte der Weimarer Verfassung de facto außer Kraft gesetzt und der Weg freigeräumt für die legalisierte Verfolgung der politischen Gegner der NSDAP durch Polizei und SA.[23] Die Verordnung war gleichbedeutend mit dem Ende des Rechtsstaates in seiner bisherigen Form. Die Verordnung blieb bis zum Ende des Dritten Reiches in Kraft und war die Grundlage für ein Regime des permanenten Ausnahmezustandes.

Ebenso am 28. Februar machte Adolf Hitler unmissverständlich deutlich, dass jetzt „rücksichtslose Auseinandersetzung mit der KPD dringend geboten sei“.[24] Die Notverordnung konnte darüber hinaus auch auf Sozialdemokraten und letztlich auf alle Gegner des Regimes angewandt werden. Der laufende Reichstagswahlkampf zur Wahl am 5. März konnte von der NSDAP nach dem Brand in offen terroristische Bahnen gelenkt werden. Bis Mitte Mai 1933 wurden allein in Preußen über 100.000 politische Gegner – die Mehrzahl Kommunisten – verhaftet und in provisorische Konzentrationslager und Folterkeller gebracht. Größter Verlierer der Wahl war nach dem Terror der vergangenen Wochen die KPD mit einem Stimmenverlust von etwa einer Million. Dies entsprach einem Verlust von 4,2 Prozentpunkten. Die Verluste der SPD waren mit 2,1 Prozentpunkten relativ gering. Insbesondere in ihren Hochburgen wie in Berlin oder in Sachsen blieben die beiden „marxistischen Parteien“ stabil. Noch vor der ersten (konstituierenden) Sitzung des neu gewählten Reichstags wurden die Mandate der KPD annulliert, sodass das Parlament 566 Abgeordnete umfasste. Dieser Schritt brachte der NSDAP die absolute Mehrheit.

Ernst Thälmann wurde bereits am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl und einige Tage nach dem Reichstagsbrand, verhaftet. Die Dokumentation des Referats von Thälmann im Sporthaus Ziegenhals erfolgte lediglich in Auszügen. Diese Auszüge befanden sich in der Anklageschrift für einen Prozess gegen Thälmann, der nie umgesetzt wurde. Thälmann fertigte eine erhalten gebliebene Abschrift der Anklageschrift an, die zur Grundlage der Dokumentation des Inhalts des Referats wurde.[25] Thälmann wurde im August 1944, nach über elf Jahren Einzelhaft, vermutlich auf direkten Befehl Adolf Hitlers, im KZ Buchenwald erschossen.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jugendstunde zur Vorbereitung auf die Jugendweihe in dem als Gedenkzimmer gestalteten ehemaligen Tagungsraum, 1978.

Innerhalb der DDR wurde das Zusammentreffen im Sporthaus Ziegenhals als „illegale Tagung des Zentralkomitees mit etwa 40 Teilnehmern“ charakterisiert.[1] Im von Ernst Thälmann auf der Tagung gehaltenen Referat wurde demnach die Taktik und Strategie für die KPD formuliert, um „die schwerste Belastungsprobe in der Geschichte der Arbeiterbewegung“ bestehen zu können. Aus diesem Grund bezog sich die SED für das eigene Programm „Programm zur Errichtung einer Arbeiter- und Bauernmacht“ auf den Inhalt des Referats.[26] Das Referat bildet die Schlussszene des zweiteiligen Ernst Thälmann-Films der DEFA von 1986. Das Sporthaus Ziegenhals als Tagungsort wurde nach dem Krieg HO-Gaststätte und baubedingt in den Folgejahren abgerissen. Das Tagungszimmer des Treffens blieb dabei erhalten und wurde im Neubau von 1959 als Gedenkzimmer hergerichtet.[11] Die Eröffnung der neuen Gedenkstätte erfolgte durch den damaligen Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck. Das Gedenkzimmer war daraufhin bis zum Ende der DDR u. a. Anlaufpunkt für die Jugendstunde zur Vorbereitung auf die Jugendweihe.

In der jüngeren Forschung wird die Dokumentation der Tagung in Ziegenhals durch die DDR kritisch beleuchtet. Die Dokumentation wird als u. a. selektiv wahrgenommen, weil sie immer wieder Teilnehmer der Tagung ausspare, „die nicht mehr mit der Politik der SED einverstanden waren oder die zu Opfern Stalins gehörten“. In diesem Zusammenhang wurde in der DDR-Geschichtsschreibung nie Herbert Wehner als Tagungsteilnehmer erwähnt.[27] Es müsse darüber hinaus überprüft werden, wer in seiner Teilnahme ebenso ausgeklammert wurde oder sogar zu Unrecht als Teilnehmer Erwähnung fand.[28] Ebenso wird der Charakter der Tagung als illegales Zusammenkommen des Zentralkomitees der KPD in Frage gestellt und das Wesen einer Reichsfunktionärsversammlung der Tagung betont.[29] Ebenso spricht Henryk Skrzypczak wegen des Charakters der Versammlung und der noch nicht vorhandenen Illegalität der kommunistischen Partei von einer geheime(n) Reichsfunktionärskonferenz der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals (Zeuthener Konferenz).[30] Hinterfragt wird ebenso der Ablauf des Fluchtgeschehens nach dem Ende der Tagung, das sich teilweise per Motorboot gestaltet haben soll, obwohl der See eine dicke Eisschicht getragen habe.[8]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 5. Von Januar 1933 bis Mai 1945, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 20ff.
  2. Angelika Voss-Louis, Ursula Büttner, Hermann Weber (Hrsg.): Vom Hamburger Aufstand zur politischen Isolierung. Kommunistische Politik 1923–1933 in Hamburg und im Deutschen Reich, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, Hamburg, 1983, S. 235.
  3. Bernd Langer, in: Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e.V. (Hrsg.): 80 Jahre Antifaschistische Aktion, S. 23.
  4. Die Rote Fahne, Nr. 20a, vom 24. Januar 1933, S. 1f., zitiert nach: Hartmut Mehringer, Klaus Schönhoven, Anton Grossmann (Hrsg.): Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand, De Gruyter, Berlin, 2018, S. 68
  5. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 5. Von Januar 1933 bis Mai 1945, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 13f.
  6. Horst Duhnke: Die KPD von 1933 bis 1945, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2018, S. 102.
  7. Museum für Deutsche Geschichte, Abteilung Gedenkstätten (Hrsg.): Die illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals bei Berlin, Dietz Verlag, Berlin, 1961, S. 53.
  8. a b c Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Treptow-Köpenick, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin, 2010, S. 105ff.
  9. Gerhard Jahn (Hrsg.): Herbert Wehner. Zeugnis, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1982, S. 67.
  10. Ernst Thälmann: Referat auf der Tagung des ZK der KPD im Sporthaus Ziegenhals, in: Ernst Thälmann: Ausgewählte Reden und Schriften. Band 2, Marxistische Taschenbücher, Frankfurt/Main, 1977, S. 345ff.
  11. a b Annemarie Lange: Berlin. Hauptstadt der DDR, Brockhaus Verlag, Leipzig, 1966, S. 204.
  12. a b c d Wir erfüllen Ernst Thälmanns Vermächtnis. In: Neues Deutschland, 8. Februar 1953, S. 1; online.
  13. Vgl. Günter Hortzschansky (Hrsg.): Die illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals bei Berlin, Dietz Verlag, Berlin, 1984.
  14. Vgl. Horst Duhnke: Die KPD von 1933 bis 1945, Kiepenheuer & Witch, Köln, 2018, S. 102f., Fußnote 8.
  15. a b c d e f Vgl. Hermann Weber: Kommunismus in Deutschland 1918–1945, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1983, S. 14–17.
  16. Udo Grashoff: Gefahr von Innen. Verrat im kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Wallstein, Göttingen, 2021, S. 33.
  17. Pfeiffer, Hans Walter. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Dietz, Berlin 2008.
  18. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 314ff.
  19. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 314.
  20. Barthel, Karl. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Dietz, Berlin 2008.
  21. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 318.
  22. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 314, Fußnoten 97/98.
  23. Hans-Ulrich Thamer: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft. Ausnahmezustand. Bundeszentrale für politische Bildung
  24. Konrad Repgen, Karl-Heinz Minuth: Die Regierung Hitler. Teil 1. 1933/34. In: Akten der Reichskanzlei. Band 1. 30. Januar bis 31. August 1933, Dokumente Nr. 1 bis 206. Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein 1983, ISBN 3-7646-1839-6, Nr. 32 – Ministerbesprechung vom 28. Februar 1933, 11 Uhr, S. 128 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  25. Ernst Thälmann: Referat auf der Tagung des ZK der KPD im Sporthaus Ziegenhals, in: Ernst Thälmann: Ausgewählte Reden und Schriften. Band 2, Marxistische Taschenbücher, Frankfurt/Main, 1977, S. 345, Fußnote 1.
  26. Günter Hortzschansky (Hrsg.): Die illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals bei Berlin, Dietz Verlag, Berlin, 1984, S. 14f.
  27. Johannes Tuchel (Hrsg.): Der vergessene Widerstand. Zu Realgeschichte und Wahrnehmung des Kampfes gegen die NS-Diktatur, Wallstein Verlag, Göttingen, 2005, S. 16.
  28. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 322.
  29. Ilko-Sascha Kowalczuk: Walter Ulbricht. Der deutsche Kommunist, C.H. Beck, München, 2023, S. 463.
  30. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 320.