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Joshua Norton

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Joshua Abraham Norton (* 17. Januar 1811 in England; † 8. Januar 1880 in San Francisco, Kalifornien) war ein Geschäftsmann aus San Francisco, der sein Vermögen durch die Investition in peruanischen Reis verlor. Er ernannte sich 1859 selbst zu Kaiser Norton I., dem Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherrn von Mexiko.

Obwohl er für verrückt oder zumindest in hohem Maße exzentrisch gehalten wurde, war er bei den Bürgern von San Francisco im mittleren und späten 19. Jahrhundert wegen seines Humors und seiner „kaiserlichen Erlasse“ sehr beliebt: Seine aufsehenerregendsten Befehle waren die gewaltsame Auflösung des US-Kongresses – was sowohl vom Kongress als auch von der Armee ignoriert wurde – und die Errichtung einer Brücke über die San Francisco Bay. Seine Skurrilitäten wurden aber nicht nur von den Bürgern von San Francisco zur Kenntnis genommen. Mark Twain, der in Norton mehr als nur einen skurrilen Verrückten sah, schuf seine Figur des Königs in Huckleberry Finn nach dem Vorbild Nortons. Norton ist außerdem die Vorlage für den Kaiser im Lucky-Luke-Heft Der Kaiser von Amerika.

Joshua Abraham Norton

Kindheit und Jugend

Norton wurde in England geboren, die Angaben über Ort und Datum sind jedoch nicht eindeutig: Die Aufzeichnungen aus der Kirchengemeinde von Priors-Lee (heute Telford) besagen, dass er am 17. Januar 1811 als Sohn von John und Sarah Norton geboren und einen Monat später am 20. Februar in Shropshire getauft wurde (1). Sein Nachruf im San Francisco Chronicle beruft sich „in Bezug auf die besten zu erhaltenden Informationen“ auf die Silberplatte auf seinem Sarg, die ihn zum Zeitpunkt des Todes als „ungefähr 65 Jahre alt“ ausweist, was auf 1814 als Geburtsjahr hinweisen würde. Andere Quellen nennen als Geburtsort London und als Geburtstag den 14. Februar 1819. Man kann jedoch annehmen, dass letztere Quellen keine Einsicht in die oben zitierten Aufzeichnungen nehmen konnten.

Nortons Eltern emigrierten 1820 nach Südafrika und waren dort offenbar geschäftlich erfolgreich. Nachdem Norton ein Geschenk von 40.000 US-Dollar von seinem Vater erhalten hatte, begab er sich 1849 nach San Francisco, wo er zunächst einige bemerkenswerte Geschäfte auf dem Grundstücksmarkt abschließen konnte. Als China angesichts einer schweren Hungersnot den Export von Reis verbot, stieg der Verkaufspreis in San Francisco schlagartig von 9 auf 79 Cent pro Kilogramm. Norton witterte seine Chance, und als er von einer kommenden Schiffsladung von 91 Tonnen peruanischen Reises hörte, kaufte er den gesamten Vorrat in der Hoffnung auf, damit den Reismarkt unter seine Kontrolle zu bringen. Als dann jedoch ein Schiff nach dem anderen Reis aus Peru lieferte, sackte der Preis wieder ab. Norton musste 1858 Bankrott erklären.

Es gibt bis zu diesem Zeitpunkt keine Dokumente oder Aufzeichnungen, die auf eine besonders exzentrische Persönlichkeit Nortons schließen lassen. Es ist daher unklar, ob seine später gezeigten Skurrilitäten sich bereits während seiner frühen Lebensjahre andeuteten oder ob erst der Verlust seines Vermögens in den 1850er Jahren bei ihm dieses Verhalten auslöste. Es ist jedoch unbestritten, dass sich Norton nach dem Verlust seiner finanziellen Sicherheit merkwürdig benahm; obwohl es keine fachliche Diagnose gibt, werden die Symptome oft als Größenwahn beschrieben.

Kaiserlicher Werdegang

Selbsternennung

Datei:Joshua A Norton2.JPG
Norton in voller Uniform

Enttäuscht von den Unzulänglichkeiten des politischen Systems und der Staats- und Bundesregierungen der USA nahm Norton die Dinge schließlich selbst in die Hand: Am 17. September 1859 ernannte er sich – in Briefen an die ansässigen Zeitungen – zum „Kaiser dieser Vereinigten Staaten“ („Emperor of These United States“). Gelegentlich fügte er diesem Titel noch den Zusatz „Schutzherr von Mexiko“ bei. So begann seine 21-jährige „unangefochtene“ Herrschaft über Amerika.

At the pre-emptory request of a large majority of the citizens of these United States, I Joshua Norton, formerly of Algoa Bay, Cape of Good Hope, and now for the last nine years and ten months past of San Francisco, California, declare and proclaim myself the Emperor of These United States.
Auf Forderung einer großen Mehrheit der Bürger dieser Vereinigten Staaten ernenne ich, Joshua Norton, stammend aus Algoa Bay am Kap der Guten Hoffnung und nunmehr seit neun Jahren und zehn Monaten in San Franciso (Kalifornien) lebend, mich selbst zum Kaiser und Herrscher dieser Vereinigten Staaten.

Kaiserliche Weisungen

Wie es einem regierenden Kaiser entspricht, erließ Norton zahlreiche Weisungen in Staatsangelegenheiten, die in den Tageszeitungen von San Francisco erschienen. Er erklärte beispielsweise, dass nach der Machtübernahme durch einen Monarchen eine andere gesetzgebende Gewalt, also der US-Kongress, überflüssig sei und erließ am 12. Oktober 1859 einen Erlass zu seiner Auflösung. Er verlautbarte außerdem, dass „...Betrug und Korruption die ehrliche und angemessene Äußerung des Volkswillens verhindern; dass offene Verstöße gegen die Gesetze immer wieder vorkommen, die von Banden, Parteien, politischen Vereinigungen und Sekten angestachelt werden; dass ebenfalls der einzelne Bürger nicht den Schutz von Person und Eigentum genießt, den er verdient“. Deshalb forderte der Kaiser „alle interessierten Seiten“ zum Treffen in Platt's Music Hall in San Francisco im Februar 1860 auf, „auf dass man das beklagte Übel bekämpfe“.

Dieser Erlass wurde von den „rebellierenden“ Politikern in Washington ignoriert. Da offenbar ernstere Maßnahmen notwendig waren, befahl Kaiser Norton I. in einem weiteren kaiserlichen Erlass vom Januar 1860 der Armee, die Rebellen zu beseitigen:

Man berichtet, eine Gruppe von Menschen, die sich selbst der Nationalkongress nennt, tagt zur Zeit in Washington, in offener Verletzung unseres kaiserlichen Erlasses vom 12. Oktober letzten Jahres, der den genannten Kongress für aufgelöst erklärt hat;
Es ist höchst notwendig für das Ansehen unseres Reiches dass diesem Erlass strikt Folge geleistet wird;
Und deshalb geben wir hiermit Befehl und Anweisung an Generalmajor Winfield Scott, den Kommandeur unserer Armeen, unverzüglich mit gegebenem Nachdruck die Kongresshalle zu räumen.

Sehr zur Verärgerung Seiner Majestät verfehlte die Armee das gesetzte Ziel und der Kongress blieb entgegen ausdrücklicher Befehle bestehen. Dies zog notwendigerweise weitergehende Erlasse im Jahre 1860 nach sich, die die Republik auflösten und jegliche Vereinigungen von ehemaligen Kongressmitgliedern untersagten. Der Kampf gegen die früheren Führer des Reiches kam in den Jahren der kaiserlichen Herrschaft nie völlig zum Ruhen. Zeitweise erlaubte jedoch der Kaiser – wenn auch missmutig – dem Kongress die Weiterarbeit.

Vom störrischen Kongress herausgefordert, verschärfte Kaiser Norton I. seine Maßnahmen in diesem stets schwelenden Konflikt: Am 4. August 1869 schaffte er einfach sowohl die demokratische als auch die republikanische Partei per kaiserlichem Erlass ab. Der fehlende Respekt, der sich in der Bezeichnung des gewählten kaiserlichen Regierungssitzes San Francisco als „Frisco“ ausdrückt, veranlasste Kaiser Norton I. zu folgendem besorgten Erlass aus dem Jahr 1872:

Jeder, der nach dieser ausdrücklichen Warnung, bei der Benutzung des fürchterlichen Begriffs „Frisco“, welcher keine sprachliche oder sonstige Bedeutung hat, ertappt wird, wird Groben Fehlverhaltens schuldig gehalten werden und hat dem Kaiserlichen Schatzamt zur Strafe eine Summe von fünfundzwanzig Dollar zu entrichten!

Es ist nicht bekannt, ob das kaiserliche Schatzamt in irgendeiner Weise von diesem Erlass profitierte.

Nortons geistiger Zustand

Es gab einige Versuche anhand eines Studiums der Kaiserlichen Erlasse, Rückschlüsse auf den Geisteszustand des einzigen Monarchen Amerikas zu ziehen. Es ist jedoch nicht möglich, aus den nur anekdotenhaft übermittelten Aufzeichnungen zu seinem Verhalten eine stichhaltige Diagnose seines psychischen Zustands abzuleiten. Möglicherweise litt Norton an Schizophrenie, da Größenwahn oft im Zusammenhang mit diesem Geisteszustand beobachtet wird. Denkbar ist auch, dass Norton nach seinem wirtschaftlichen Bankrott an einer Depression litt, die er durch das Leben in einer Scheinwelt überwand (2). Die Anekdoten auf dieser Seite passen auch sehr gut zu einer manischen Phase einer Manisch-Depressive Erkrankung. Es ist nicht auszuschließen, dass Norton medizinisch gesehen gesund war.

Trotz seiner Macken und unabhängig von seinem tatsächlichen Geisteszustand sollte nicht vergessen werden, dass Kaiser Norton I. gelegentlich visionäre Ideen entwickelte und dass nicht wenige seiner kaiserlichen Erlasse von Weitsicht zeugten. So finden sich darunter Anweisungen zum Gründen einer „Liga der Nationen“ und Untersagungen jeglicher Religions- und Sektenstreitigkeiten. Ferner erhob der Kaiser oft die Forderung, eine Hängebrücke zwischen Oakland und San Francisco zu errichten. Die späteren Äußerungen waren hingegen stark von der Irritation über den fehlenden Gehorsam der Ämter geprägt:

In der Sache, dass wir einen Befehl aussprachen, die Bürger von San Francisco mögen finanzielle Mittel zur Prüfung des Brückenprojekts von Oakland und ebenso für einen Tunnelbau bereitstellen und feststellen, welches Projekt das bessere sei; und weil die genannten Bürger bisher den genannten Befehl ignorierten; und weil wir fest entschlossen sind unserer Autorität Nachdruck zu verleihen;
Deshalb befehlen wir hiermit die Festnahme beider Räte der Stadtväter durch die Armee, sollten sie sich uns weiter widersetzen.
Mit königlich-kaiserlichem Siegel, San Francisco am 17. September im Jahre 1872.

Im Gegensatz zu vielen seiner Befehle wurde die Anweisung zum Brückenbau viel später tatsächlich in die Tat umgesetzt: Die Errichtung der „Bay Bridge“ von San Francisco nach Oakland wurde 1933 begonnen und 1936 abgeschlossen.

Das Leben als Kaiser

Amtsausübung

Die Amtsausübung des Kaisers verlief nach einer recht gut dokumentierten Routine: Oft inspizierte er seinen Regierungssitz (die Straßen von San Francisco) in einer kunstvollen blauen Uniform mit goldenen Schulterstücken, welche er von Offizieren des Armeestützpunkts Presidio bekommen hatte und zu der er eine Biberfellkappe mit Straußenfeder und Rosette trug. Sein Äußeres vervollständigte er dabei gerne durch Stock oder Schirm. Während seiner Wanderungen durch die Straßen von San Francisco überprüfte Kaiser Norton I. den Zustand der Gehwege sowie der „Cable Cars“, den Fortgang von Reparaturen an öffentlichem Eigentum und das Auftreten und Erscheinungsbild der Polizei. Er nahm sich persönlich der Sorgen seiner Untertanen an und trug ihnen gerne lange philosophische Reden zu einer Vielzahl von Themen vor.

Sein konsequentes Eingreifen in einer Krisensituation auf San Franciscos Straßen während einer dieser Kaiserlichen Inspektionen zählt zu seinen berühmtesten Taten. In den 1860ern und 1870ern gab es oft antichinesische Demonstrationen in den ärmeren Stadtvierteln von San Francisco, die hin und wieder in blutigen Unruhen eskalierten. Bei einem dieser Vorfälle soll sich Kaiser Norton I. angeblich zwischen die Fronten der Aufständischen und der angegriffenen Chinesen gestellt und geneigten Hauptes immer wieder das Vaterunser gesprochen haben, bis sich der Mob zerstreute.

Hochverrat durch den Polizisten Armand Barbier

Ein Skandal ereignete sich 1867, als ein Polizist namens Armand Barbier Norton in Haft nahm, um ihn gegen seinen Willen der Behandlung von Geisteskrankheiten unterziehen zu lassen. Dies führte zu lautem Protest bei den Bürgern und den Zeitungen von San Francisco. Der Polizeikommandant Patrick Crowley reagierte schnell und setzte Norton auf freien Fuß, nicht ohne sich im Namen der Polizeikräfte zu entschuldigen. Norton war großzügig genug, dem jungen Polizisten Barbier seinen begangenen Hochverrat zu verzeihen. Als Folge dieses Skandals wurde dem Kaiser in der Folgezeit auf der Straße von den Polizisten salutiert.

Die öffentliche Wertschätzung

Ganz offensichtlich war Kaiser Norton bei seinen Untertanen sehr beliebt. Obwohl er kaum Geld besaß, speiste er häufig in den feinsten Restaurants und deren Besitzer hängten bronzenfarbene Schilder an die Eingänge „Im Dienste Ihrer Kaiserlichen Majestät, Kaiser Norton I. der Vereinigten Staaten“. Diese Eitelkeit wurde vom Kaiser offenbar geduldet. Man sagt, diese Plaketten hätten tatsächlich einigen Einfluss auf die Geschäfte dieser Restaurantes gehabt. Keine Theater- oder Musikvorführung hätte es sich erlaubt, in San Francisco zu eröffnen, ohne dem Kaiser und seinen beiden Hunden Lazarus und Bummer Logenplätze zu reservieren. Der Tod des Hundes Lazarus durch einen Unfall mit einem Feuerwehrwagen im Jahre 1863 führte zu einer Periode der Staatstrauer. Als der Hund Bummer 1865 starb, entwarf Mark Twain für ihn die Grabinschrift, er sei „voll an Jahren und Ehre und Krankheit und Flöhen“ gestorben.

Kaiser Norton I. empfing auch tatsächlich kleinere Insignien der formalen Anerkennung: Die Volkszählung von 1870 führt in der Liste einen Joshua Norton, wohnhaft in der Commercial St. 624 mit der Berufsbezeichnung „Kaiser“. Außerdem gab der Kaiser eine eigene Währung zum Begleichen kleinerer Schulden aus, die von lokalen Geschäften durchaus angenommen wurde. Die Banknoten wurden von 50 Cent bis 5$ ausgegeben; auf heutigen Auktionen erreichen die wenigen verbliebenen Scheine Werte in den Tausendern (3).

Die Stadt San Francisco ehrte und verehrte ihren „Machthaber“: Als seine Uniform abgenutzt war, spendierte ihm die Stadtverwaltung mit großer Zeremonie genug Geld für eine neue. Im Gegenzug sandte der Kaiser eine Dankesnote und erhob die Angehörigen des Rates zu Adligen.

Die späten Jahre

In seinen späten Amtsjahren war der Kaiser immer wieder Gegenstand vielfältiger Gerüchte und Spekulationen. Eine häufig erzähltes Gerücht besagt, er sei tatsächlich der Sohn des Kaisers Napoléon und seine angebliche Herkunft aus Südafrika solle ihn nur vor Verfolgung schützen. Eine andere beliebte Geschichte legte nahe, dass Kaiser Norton beabsichtigte, Queen Victoria zu heiraten. Obwohl auch dies eher nicht der Wahrheit entspricht, gibt es Beweise, dass der Kaiser einige Male der Queen schrieb und Ratschläge erteilte. Ein letztes Gerücht besagt, dass Norton in Wahrheit unsagbar reich sei und nur aus einer Neigung heraus den Armen spielte.

Zusätzlich zu diesen Gerüchten wurden einige gefälschte kaiserliche Erlasse in den Zeitungen abgedruckt. Man verdächtigt die Redakteure der Zeitungen, zumindest in einigen wenigen Fällen selbst Edikte mit passendem Inhalt fingiert zu haben. Das Städtische Museum von San Francisco verfügt über eine Liste aller Kaiserlichen Weisungen, die man tatsächlich auf ihn zurückführt (4).

Der Tod des Kaisers

Die gutwillige und größtenteils schadens- und folgenlose Herrschaft des Kaisers Norton I. endete am Abend des 8. Januar 1880, als dieser auf dem Weg zu einer Vorlesung an der Academy of Science auf der Straße zusammenbrach. Ein Polizeibeamter requirierte schnellstens eine Kutsche, um den Kaiser in ein Krankenhaus zu bringen. Der Herrscher starb jedoch noch bevor die Kutsche am Krankenhaus ankam.

Am folgenden Tag veröffentlichte der San Francisco Chronicle auf seiner Titelseite einen Nachruf unter der Überschrift „Le Roi Est Mort“ („Der König ist tot“) (5). Der Ton des Artikels war trauernd und respektvoll: „Auf dem elenden Pflaster, im Dunkel einer mondlosen Nacht im tropfenden Regen..., verstarb Norton I., von Gottes Gnaden Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko“. Der Morning Star, eine andere führende Zeitung in San Franciscos, veröffentlichte einen Leitartikel mit fast identischer Überschrift: „Norton der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser dieser Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko, verstorben“.

Entgegen aller Gerüchte wurde schnell klar, dass Kaiser Norton I. in völliger Armut gestorben war und sein gesamtes Vermögen nicht mehr als ein paar Dollar betrug. Fünf bis sechs Dollar Bargeld hatte er bei sich getragen und eine Durchsuchung seines Zimmers im Mietshaus in der Commercial Street erbrachte weitere 2,50$, seine Sammlung von Wanderstöcken, den Briefwechsel mit Queen Victoria und 1.098.235 Börsenanteile an einer wertlosen Goldmine.

Da absehbar war, dass Nortons hinterlassene Mittel nur für eine Bestattung in einem Armengrab reichte, schritt der Pacific Club, eine Vereinigung von Geschäftsleuten, mit einer Geldsammlung ein, um dem Kaiser eine würdigere Beerdigung zu organisieren. Letztlich kam es zu einer großen, ernsten und würdigen Trauerfeierlichkeit: Man sagt, dass „...alle Klassen dem Kaiser Respekt zollten, vom Kapitalisten zum Armen, vom Verkäufer bis zum Dieb, von den feingekleideten Damen bis zu denen, denen man die Herkunft aus üblen Gegenden ansah“ (3). Einige Aufzeichnungen sprechen von bis zu 30.000 Menschen, die die Straßen säumten, als der Sarg zum Friedhof gebracht wurde und dass der Leichenzug, der dem Sarg folgte, zwei Meilen lang gewesen sei. Der Kaiser fand seine erste Ruhestätte auf dem Freimaurerfriedhof von San Francisco.

Im Jahre 1934 wurden die Gebeine des Kaisers umgebettet. Joshua Norton ruht nun auf dem Woodlawn-Friedhof im Colma (Kalifornien). Der Grabstein bezeichnet ihn als „Norton I., Kaiser der Vereinigten Staaten, Schutzherr von Mexiko“. Im Januar 1980 gab es in San Francisco eine Reihe von Zeremonien und Gedenkveranstaltungen anlässlich des 100. Todestages des einzigen Kaisers der Vereinigten Staaten.

Kaiser Norton I. heute

Der vorläufig letzte kaiserliche Erlass

Eine zwar merkwürdige, aber seltsam passende Fußnote zur Geschichte Ihrer Kaiserlichen Majestät, des Kaisers Norton I. ist der vorläufig letzte, 1999 durch ein „Medium“ übermittelte kaiserliche Erlass: Danach erstreckt sich das Reich des Kaisers Norton I. nun auch ins Usenet.

Es ist so, dass wir zum speziellen Zweck des Überwachens und Beilegens im großen Tumult, von einigen Flame War genannt, der gerade in rec.skiing.alpine wütet;
bei welchem der Austausch rüder Worte den Seelenfrieden derer erheblich stört, welche die genannte Gesellschaft im Sinne der Entspannung und des reflektierten Gedankenaustauschs zum Sport des „Ski-Fahrens“ besuchen;
und bei dem die anhaltenden Drohungen und Rachefeldzüge und Anschuldigungen und gerichtlichen Schritte sehr wenig zur Lösung des Konflikts und sehr viel zur Verbreitung des Streits weit über die Grenzen der schönen Stadt Seattle hinaus beitragen;
aus welchem Grunde wir, Norton I., Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko und des USENet, verkünden, dass alle Teilnehmer an diesem Streit (einschließlich der Richter) sich der Rebellion und der Unruhestiftung gegen die wohlbedachte Ordnung des Kaisers schuldig machen und wir verlangen daher, dass diese Subjekte vom dem InterNet und der Versorgung mit elektrischem Strome ausgeschlossen werden, bis dass sie ihre Differenzen beigelegt haben.

Kaiser Norton I. in der Literatur

Die Geschichte des Kaisers Norton wurde von Neil Gaiman in Three Septembers and a January aufgegriffen, einer Ausgabe seiner Graphic Novel The Sandman. Die Geschichte findet sich im Band Fables and Reflections.

Eine Kurzgeschichte von Robert Silverberg, The Palace at Midnight beschreibt ein post-apokalyptisches Kalifornien mit einem Kaiserreich von San Francisco. Der herrschende Kaiser ist ein seniler Norton VII. Einen kurzen Auftritt haben Kaiser Norton und seine Hunde Bummer und Lazarus in Barbara Hambly's Ishmael, einem Roman vor dem Hintergrund des Star Trek-Universums. In Christopher Moores Roman Bloodsucking Fiends gibt es einen scheinbar unsterblichen Norton im San Francisco der Gegenwart und die Ausgabe Nr. 57 der Comic-Serie Lucky Luke mit dem Titel Der Kaiser von Amerika widmet sich mit vielen witzigen Details der Person Kaiser Norton.

Sonstiges

In der Religion der Diskordier ist Kaiser Norton ein Heiliger zweiter Klasse, dem dort höchsten spirituellen Rang, den ein echter nicht-fiktionaler Mensch erreichen kann. In den Aufzeichnungen der Principia Discordia hat die Gruppe Joshua Norton aus San Francisco den Slogan:

Jeder versteht Mickey Mouse. Wenige verstanden Hermann Hesse. Nur eine Handvoll verstanden Albert Einstein. Und niemand verstand Kaiser Norton.

Ghirardelli, ein Chocolatier in San Francisco, bietet einen Kaiser-Norton-Eisbecher an, der mit zwei Bananen und einer Handvoll Nüssen garniert ist. Da in der englischen Sprache mit den Redewendungen he is bananas und he is completely nuts umgangssprachlich die Verrücktheit einer Person beschrieben wird, soll damit an die Exzentrik von Kaiser Norton I. erinnert werden.

An den Exzentriker erinnert auch ein Independent-Label mit dem Namen emperor norton records. Eine Gruppe etwas surrealer Software und Unterhaltungssoftware nennt sich Emperor Norton Utilities. Damit wird auch daran erinnert, dass die Softwaresammlung Norton Utilities von Peter Norton geschrieben wurde.

Kaiser Norton erschien außerdem als Ehrengast auf der 1993er „World Science Fiction Convention“ in San Francisco. Als Medium seiner Präsenz diente ein eindrucksvoller lokaler Fan. Und mittlerweile erinnert auch eine von Henry Mollicone geschriebene Oper an Nortons Leben. Sie wurde unter anderem von der West Bay Opera Company in San Francisco im Herbst 1990 aufgeführt.

Literatur

  • Robert E. Cowan: The Forgotton Characters of Old San Francisco. The Ward Ritchie Press, Los Angeles 1964.
  • Albert Dressler: Emperor Norton of the United States. Dressler, Sacramento 1927.
  • William Drury: Norton I, Emperor of the United States. Dodd, Mead & Company, New York 1986. ISBN 0396085091.
  • Michael Robert Gorman 1998: The Empress Is a Man. Stories from the Life of José Sarria. Haworth Press, New York. ISBN 0789002590.
  • William M. Kramer: Emperor Norton of San Francisco. Norton B. Stern, Santa Monica 1974.
  • Allen Stanley Lane: Emperor Norton, Mad Monarch of America. Caxton Printers, Caldwell Ida 1939.
  • David Warren Ryder: San Francisco's Emperor Norton. Ryder, San Francisco 1939.

Weblinks

Commons: Joshua Abraham Norton – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Aufzeichnungen aus der Kirchgemeinde
  2. Diagnosing Norton
  3. EMPEROR NORTON'S NOTES
  4. Liste aller Kaiserlichen Weisungen
  5. „Le Roi Est Mort“ - San Francisco Chronicle