Kerosinsteuer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. Juni 2020 um 10:23 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Leerzeichen vor Maßeinheit, Summenformel, Datumsformat im Einzelnachweis korrigiert, deutsch). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Kerosinsteuer ist eine Steuer auf Flugtreibstoff in der gewerblichen Luftfahrt, die innerhalb der Europäischen Union erhoben werden kann. Die Rechtsgrundlage bildet die EG-Energiesteuerrichtlinie (2003/96/EG) vom 27. Oktober 2003,[1] die den nationalen Regierungen die Möglichkeit zur Einführung einer Steuer auf Turbinenkraftstoff für kommerzielle Inlandsflüge einräumt.

Derzeit ist der kommerzielle Kerosinverbrauch jedoch nach der Gesetzgebung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union – mit Ausnahme der Niederlande[2] – steuerfrei (Stand: 2018).[3]

Große Bedeutung von Kerosin

Große Flächenflugzeuge und fast alle Helikopter fliegen mit Turbinenantrieb, alle Turbinen werden mit Kerosin verschiedener Spezifikationen betrieben. Der Großteil des Personen- und Güterluftverkehrs sowie Militärflug erfolgt auf diese Weise.

Kleine Flächenflugzeuge, also fast alle Modellflugzeuge, Motorsegler, Privatflugzeuge mit typisch 1 bis 5 Sitzen, fast alle Kunstflug- und Rennmaschinen, sowie sehr kleine Helikopter fliegen zumeist mit Kolbenmotorantrieb. Nahezu alle Kolbenmotore weisen Vergaser auf, wofür sie auf Vergaserkraftstoffe angewiesen sind, meist ist das AvGas. Beim LTA (Lighter than Air)-Flug, also der Ballonfahrt, wird im Fall von Heißluftballons der Auftrieb durch das Verbrennen von Propan oder Butan erzeugt, meist wird ohne separaten Antrieb mit dem Wind gefahren.

Vergünstigungen für den kommerziellen Flugverkehr

Deutschland: Keine Energiesteuer

Nach deutschem Energiesteuergesetz 2006 sind Kerosin (Jet A-1) – wie auch Flugbenzin (AvGas) – zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen durch Luftfahrtunternehmen energiesteuerfrei.

Österreich: Weder Mineralölsteuer noch Mehrwertsteuer auf Kerosin

Vorbetrachtung: In Österreich getanktes Flugbenzin (AvGas 100LL, Vergasertreibstoff für Kolbenmotore) wird mit Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer beaufschlagt. Mit unterschiedlichen Mineralölsteuersätzen werden auch Kfz-Treibstoffe, also Diesel und (Super-)Benzin mit Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer beaufschlagt. Der Mineralölsteuersatz (je Liter) auf Benzin ist am höchsten, auf Diesel etwas geringer (obwohl seine Dichte, sein Kohlenstoff- und damit Energiegehalt deutlich höher liegt) und auf Heizöl EL, das dem Diesel ähnelt, sogar viel geringer, weshalb Heizöl rot eingefärbt wird und seine Verwendung im Kfz streng verboten ist.

Der weit überwiegende Anteil des getankten Flugtreibstoffs ist Kerosin (Jet A1, Turbinentreibstoff). Für das Tanken von Kerosin für internationalen Flügen wird weder eine Mineralölsteuer noch Mehrwertsteuer oder eine sonstige Energiesteuer zu bezahlen. Nach einer Steigerung von etwa 12 % gegenüber dem Vorjahr wurde 2018 gut 1 Milliarde Liter = 1 Mio. Kubikmeter Kerosin in Österreich getankt[4] – großteils eben für internationale Flüge. Das entspricht einem Verbrauch von etwa 120 Liter Kerosin pro Kopf und Jahr. Vom für Natur und Bauwerke schädlichen Schwefel darf in Kerosin (Stand Juni 2011) immerhin noch 0,3 Massenprozent[5] enthalten sein. In Heizöl nur 0,1 %, in Diesel nur 0,001 %.

Würde der Staat pro Liter Kerosin wie bei Kfz-Treibstoff grob etwa 0,60 Euro Mineralöl- und Mehrwertsteuer einheben, hätte das im Jahr 2018 gut 600 Millionen € Steuereinnahmen ausgemacht.

Internationale Abkommen zur Kerosinsteuerbefreiung

Tankwagen auf Flughafen Schiphol. Das Tanken kann EU-weit besteuert werden.[6]

Im Artikel 24 des Chicagoer Abkommens vom 7. Dezember 1944, auf dessen Basis die UN-Luftfahrtorganisation ICAO gegründet wurde, ist vereinbart, dass bei Flügen von einem Vertragsstaat in einen anderen das Kerosin, das sich schon an Bord gelandeter Flugzeuge befindet, nicht besteuert werden darf. Zur Betankung des Flugzeugs vor Abflug gibt es im Chicagoer Abkommen keine steuerliche Regelung.[6] Damit sollten nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs die Luftfahrt, der Wiederaufbau und die Weltwirtschaft gefördert werden. Über das Chicagoer Abkommen hinaus gibt es zahlreiche bilaterale Vereinbarungen, sogenannte Air Services Agreements, die weitergehende Vereinbarungen treffen, darunter häufig die Steuerfreiheit beim Auftanken eines Flugzeugs, das aus einem anderen Vertragsstaat gekommen ist.[6]

Das Chicagoer Abkommen steht einer Kerosinsteuer auf innerstaatlichen Flügen und auf Betankung bei zwischenstaatlichen Flügen nicht entgegen. Auch die EG-Energiesteuerrichtlinie ermöglicht den Mitgliedstaaten die Aufhebung der Steuerbefreiung für innerstaatliche Flüge.[7][8] Sie sieht in Artikel 14 (b) vor, dass die Mitgliedstaaten „Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt, von Steuern befreien“ und dass sie diese Steuerbefreiung „auf Lieferungen von Flugturbinenkraftstoff (KN-Code 2710 19 21) beschränken“ können. Im Erwägungsgrund 23. der Richtlinie heißt es hierzu: „Bestehende internationale Verpflichtungen sowie der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft machen es ratsam, bestehende Steuerbefreiungen für Energieprodukte zur Verwendung in der Luft- und Schifffahrt — außer in der Luft- und Schifffahrt zu privaten Vergnügungszwecken — beizubehalten; die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, diese Steuerbefreiungen einzuschränken.“

Kritik an der Steuerbefreiung von Kerosin

Umweltorganisationen kritisieren zunehmend die weiterhin bestehende Steuerbefreiung angesichts der negativen Umweltauswirkungen des Luftverkehrs.

Das deutsche Umweltbundesamt betont, dass eine fehlende Kerosinbesteuerung Anreize für Fluggesellschaften verringere, verbrauchsärmere Flugzeuge einzusetzen. Aus diesem Grund stuft die Behörde die fehlende Kerosinsteuer als umweltschädliche Subvention ein, die sich im Jahr 2012 allein in Deutschland auf 7,083 Milliarden Euro belaufen habe. Diese Summe entspreche dem Steuerausfall aufgrund der Befreiung des zivilen Luftverkehrs von der Energiesteuer.[9] Laut Greenpeace wird der Flugverkehr in der Schweiz mit jährlich 1,7 Milliarden Franken subventioniert, da bei Fluggesellschaften auf die Mineralölsteuer verzichtet wird.[10]

Kritiker der fehlenden Kerosinbesteuerung weisen nicht nur auf die globale Erwärmung durch den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß hin, sondern auch auf andere Luftfahrtemissionen wie Stickoxid, Feinstaub, Wasserdampf und Kondensstreifenbildung. Da die Abgase in großer Höhe ausgestoßen werden, sind die Auswirkungen gravierend. Diese weiteren Schadstoffe erhöhen den Schaden, den der Luftverkehr in der Atmosphäre anrichtet, um den Faktor zwei bis vier, wie die Organisation atmosfair berechnet hat.[11]

Die Einführung einer staatlichen Abgabe auf Turbinenkraftstoff wird von Umweltschutz- und Verkehrsverbänden und europäischen Schienenverkehrsunternehmen entweder auf nationaler oder europäischer Ebene mit dem Verweis auf eine verbesserte Wettbewerbsgerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern und eine konsequente Einpreisung von Umweltexternalitäten in die Tarife des Flugverkehrs gefordert. Umweltorganisationen wie der Verkehrsclub Deutschland sehen in einer Ticketsteuer einen Schritt in die richtige Richtung zur Beseitigung der erheblichen Wettbewerbsverzerrungen, Ziel müsse aber weiterhin die Besteuerung von Kerosin sein.[12]

Bestrebungen zur Einführung einer Kerosinbesteuerung

EU: Europäische Bürgerinitiative soll Steuerbefreiung auf Kerosin beenden

Seit 10. Mai 2019 läuft eine Europäische Bürgerinitiative mit dem Ziel, die existierende Steuerbefreiung auf Kerosin zu beenden. Die Unterstützungsfrist dieser Initiative ist der 10. Mai 2020.[13]

Bis 25. August 2019 haben nach ca. 27 % der Laufzeit (10. Mai 2019 bis 10. Mai 2020) der Bürgerinitiative insgesamt 47.214 EU-Bürger, also 4,7 % der erforderlichen Mindestbeteiligung diese Europäische Bürgerinitiative unterzeichnet. Um erfolgreich zu sein, muss eine Europäische Bürgerinitiative insgesamt eine Million Unterstützungsbekundungen erhalten, davon in mindestens sieben Ländern jeweils eine Mindestanzahl. In Belgien sind am 25. August 2019 bereits 33,15 % der erforderlichen Beteiligung erreicht, in Deutschland 26,79 %, in Schweden 21,15 %, in Österreich 15,63 % und in den Niederlanden 12,25 %.[14]

Per 6. Februar 2020 (knapp 75 % der Laufzeit) sind 69.963 Unterstützungen also knapp 7 % der nötigen Gesamtzahl eingegangen. Deutschland 26.127 = 36,29 % der Schwelle, Österreich 3.901 = 28,9 %. Länder mit den höchsten Werten: Frankreich 8.441 = 15,21 %, Belgien 7.596 = 48,23 %, Finnland 6.285 = 64,46 %, Schweden 3.631 = 24,21 % – jeweils vom nationalen Schwellenwert. Bulgarien, Zypern, Kroatien, Lettland, Malta, Rumänien haben bis dahin nur 0,27…0,38 % erreicht. Die Unterstützung erfolgt rein via Webformular, für Österreich mit Angabe der Personalausweis- oder Passnummer, für Deutsche ohne.

EU-institutionelle Bemühungen

Timmermans: 'Ich persönlich bin ein Befürworter einer Kerosinsteuer.'[15]

Die französische Regierung wollte beim Treffen der EU-Verkehrsminister am 6. Juni 2019 in Luxemburg eine europaweite Flugsteuer vorschlagen. Diese Steuer könnte auf Flugtickets und Kerosin aufgeschlagen oder durch Änderungen beim EU-Emissionshandel erhoben werden.[16] Da eine auf den EU-Raum beschränkte Besteuerung die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Airlines gefährde, wurde der Vorschlag jedoch nicht umgesetzt und das Thema werde zur globalen Diskussion "auf der Agenda bleiben".[17] Im November 2019 legten die Finanzminister von Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden eine gemeinsame Erklärung vor, in der sie die Europäische Kommission, insbesondere den Europäischen Kommissar für Klimaschutz Frans Timmermans, EU-weite Steuern auf die Luftfahrt einzuführen, um der gesamten Luftfahrtindustrie mehr für ihre Emissionen und Umweltverschmutzung in Rechnung zu stellen, und alle Mitgliedstaaten auf gleichen Niveau zu bringen. Unter Berufung auf die Tatsache, dass die Luftfahrt rund 2,5 % der weltweiten CO2-Emissionen verursacht, schlugen die Minister sowohl einheitliche Luftverkehrabgaben als auch Kerosinsteuern (sowohl Verbrauchsteuern als auch Mehrwertsteuer) vor.[18][15]

Österreich: 73 % befürworten Kerosinsteuer

In Österreich hätte mit Stand Juli 2019 die Einführung einer Kerosinsteuer eine deutliche Mehrheit in der Gesellschaft, 73 % befürworteten eine solche Sondersteuer.[19][20] Bei den Parteien sind SPÖ, Grüne und Neos für die Einführung, die ÖVP uneinig, die FPÖ gegen die Einführung einer Sondersteuer auf den Flugtreibstoff.

In Europa haben nur die Niederlande & Norwegen eine Kerosinsteuer

Nach EU-Recht ist es seit 2005 möglich, Kerosin national zu besteuern.[1] Diesen Weg haben in Europa nur die Niederlande und Norwegen schon beschritten (Stand August 2019).[21] In allen anderen Ländern Europas außer den Niederlanden und außer Norwegen ist (mit Stand 2018) der kommerzielle Kerosinverbrauch steuerfrei.[2]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Vorlage:EG-RL des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom.
  2. a b Nadine Ahr, Dirk Asendorpf, Petra Pinzler: Flugverkehr: Die Hölle am Himmel. In: Zeit online. 8. August 2018, abgerufen am 30. Mai 2019.
  3. Tina Berg: Wieso es keine Kerosinsteuer gibt. In: beobachter.ch. 31. Januar 2019, abgerufen am 6. Februar 2019.
  4. Kerosinverbrauch steigt, bleibt aber steuerbefreit sn.at, 26. März 2019, abgerufen 9. April 2020.
  5. Jet_A1 total.fr, abgerufen 9- April 2020.
  6. a b c Jasper Faber, Aoife O’Leary: Taxing aviation fuels in the EU. Hrsg.: CE Delft. 18.7R09.036, 2018, S. 15 (transportenvironment.org [PDF; 636 kB] im Auftrag von Transport and Environment).
  7. Eckhard Pache: Möglichkeiten der Einführung einerKerosinsteuer auf innerdeutschen Flügen. In: Forschungsbericht 363 01 091. Umweltbundesamt, April 2005, abgerufen am 30. Mai 2019.
  8. VCD NewsletterFlugverkehr & Umwelt, 5. Ausgabe, S.1–2. 11. April 2005, abgerufen am 30. Mai 2019.
  9. Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Umweltbundesamt, Dezember 2016, S. 44. Abgerufen am 2. Juli 2017.
  10. Iwan Santoro: 500 Milliarden Subventionen - Soll Benzin billig bleiben oder nicht? In: srf.ch. 1. Dezember 2019, abgerufen am 14. Dezember 2019.
  11. Anne Kretzschmar, Matthias Schmelzer: Flugverzicht: Jeder, der fliegt, ist einer zu viel. In: Die Zeit. 31. Mai 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 6. Juni 2019]).
  12. Luftverkehrssteer : Ein Schritt in die richtige Richtung vcd.org, abgerufen 6. Februar 2020.
  13. Ending the aviation fuel tax exemption in Europe. In: Europäische Bürgerinitiative. 10. Mai 2019, abgerufen am 6. Juni 2019 (englisch).
  14. Europäische Bürgerinitiative Abschaffung der Steuerbefreiung für Flugzeugtreibstoff Button "Alle Länder anzeigen", abgerufen am 25. August 2019.
  15. a b Emanuela Barbiroglio: There Are Now Nine Countries Asking For An EU Aviation Carbon Tax In: Forbes, 11. November 2019. Abgerufen im 13. Juni 2020 
  16. Frankreich will europaweite Flugsteuer vorschlagen orf.at, 6. Juni 2019, abgerufen 6. Juni 2019.
  17. EU-Verkehrsminister lehnen Kerosinsteuer ab. Abgerufen am 18. Juni 2019.
  18. Jonas Ekblom: Nine EU countries call for European aviation tax to curb emissions In: Reuters, 7. November 2019. Abgerufen am 13. Juni 2020 
  19. Drei von vier sind für Klima-Steuer auf Flüge, heute.at OÖ, 15..7.2019, abgerufen am 25. August 2019
  20. HEUTE Umfrage: Kerosinsteuer, unique-research.at, HEUTE.at, 15. Juli 2019, abgerufen am 25. August 2019
  21. Kerosinsteuer: Notwendig und machbar, VCD.org, abgerufen am 25. August 2019