„Pardon (Zeitschrift)“ – Versionsunterschied

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== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Oliver Maria Schmitt]]: ''Die schärfsten Kritiker der Elche in Wort und Strich und Bild''. Berlin: Alexander Fest 2001


== Weblinks ==
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Version vom 16. Februar 2011, 16:32 Uhr

Pardon (eigene Schreibweise: pardon) war eine deutschsprachige literarisch-satirische Zeitschrift, die von 1962 bis 1982 erschien. Markenzeichen von Pardon war F. K. Waechters Teufelchen, das seine Melone lupft. Ihr Ziel war ein kritisches Klima und etwas Farbe in die, nach Pardon-Sicht, „verkrusteten Verhältnisse“ der Adenauer-Ära zu bringen.

Mitarbeiter und Ressorts

Pardon verband Politik mit Humor, Information mit Satire und Philosophie mit Grafik. Zu den Autoren gehörten die damals noch unbekannten und erstmals veröffentlichenden Studenten Robert Gernhardt und F.W. Bernstein sowie die Zeichner Kurt Halbritter, Hans Traxler, F.K. Waechter, Walter Hanel, Stano Kochan und Chlodwig Poth. Es gab die ständige Nonsensdoppelseite WimS – Welt im Spiegel, viele Jahre vorwiegend von Bernstein, Gernhardt und Waechter bestritten. In Pardon veröffentlichten Alice Schwarzer, Günter Wallraff und Gerhard Kromschröder ihre ersten großen Rollenreportagen, Freimut Duve, Robert Jungk, Hagen Rudolph und andere ihre viel beachteten Meinungskolumnen. Auch Wilhelm Genazino war einige Zeit Redaktionsmitglied. Im Februar 1979 waren Paul Badde und Albert Christian Sellner verantwortlich für das Ressort Theologie und Pornographie der Zeitschrift.[1]

Pardon entwickelte als weitere internationale Besonderheit des Journals auch andere, nicht nur satirische Schwerpunkte, u. a. durch Gerd Winklers bilder- und informationsreiche Kunstwetterlage (Vorbild für die spätere Zeitschrift art), durch kritisch-witzige Literaturrezensionen (etwa Otto Köhlers Literaturkiller) und durch ein Film-Magazin, vor allem aber durch den Sonderteil ANDERS LEBEN mit Berichten über Zukunftswerkstätten. „Zu Zeiten, als die grüne Partei noch nicht einmal erdacht war, hatte der Pardon-Chef das Thema Ökologie schon besetzt, über das er den Zukunftsforscher Robert Jungk schreiben ließ“ (FAZ vom 9. August 2001).

Geschichte

Start und Erfolge: 1961 bis 1971

Mit einer Auflage von (zu Höchstzeiten) 320.000 Exemplaren und mehr als 1,5 Millionen regelmäßigen Lesern wurde Pardon zeitweilig zur größten Satirezeitschrift Europas. Nach einer Nullnummer 1961 und einem internen Vorausheft erschien am 27. August 1962 die erste Ausgabe von Pardon, gegründet von den Verlegern Hans A. Nikel und Erich Bärmeier. Nikel gewann Erich Kästner als Paten, auch Loriot, der das erste Titelblatt gestaltete, und Werner Finck, auch Literaten wie Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser und Günter Grass waren als Autoren aktiv.[2] Erich Bärmeier war zuständig für die Verlags- und Vertriebsgeschäfte, Chefredakteur war Hans A. Nikel, er entwickelte Konzept und Themen.

Trotz ihres hohen Anspruchs hatte Pardon von Anfang an Erfolg. Die von Pardon neu erfundene Institution der Pardon-Aktion sorgte regelmäßig für Aufregung in der Bundesrepublik. Veränderungen wurden bis in den Bundestag hinein angestoßen. Zumeist waren es Aktivitäten auf der politischen Rechten, die Pardon angriff. Es gab auch satirische Analysen, Aktionen und Angriffe auf den Spiegel, den Stern oder die Frankfurter Rundschau. Bezüglich der "Bild" des Axel Springers wurde eine Sonderausgabe unter der Titelschlagzeile Pardons großer Freizeit-Knüller: Finden sie doch mal eine wahre Geschichte in der Bild! herausgegeben, in der die Nachrichten in der Bild überprüft und entsprechende Fälschungen dokumentiert wurden.[3] Die FAZ musste ein Vierteljahrhundert später konstatieren: „Pardon hat unter Nikels Leitung mit dessen literarisch-satirischem Spürsinn 18 Jahre lang Einfluss auf den Zeitgeist der Republik genommen – eine markante Phase der Nachkriegsgeschichte.“

So wurde etwa im Herbst 1963 eine Günther-Grass-Büste in der Walhalla bei Regensburg aufgestellt. Nachdem die Frankfurter Rundschau einen Bericht über eine vermeintlich „skandalöse LSD–Party“ veröffentlicht hatte, die tatsächlich von der FR-Chefredaktion selbst finanziert worden war, inszenierten Pardon-Mitarbeiter eine solche angebliche „LSD-Party.“ Die Frankfurter Rundschau berichtete auch über diese Party. Daraufhin wurden die tatsächlichen Hintergründe von Pardon enthüllt. Mit der Aktion sollte ein Beweis für die Manipulierbarkeit der Medien geliefert werden. Ein anderes Mal schickte die Redaktion unter dem erfundenen Namen eines Amateur-Schriftstellers acht Maschinenseiten aus Robert Musils berühmtem Werk Der Mann ohne Eigenschaften als „Probe eigener Arbeit mit der Bitte um Veröffentlichung“ an mehr als 30 Verlage, die das Manuskript ausnahmslos ablehnten.

Aufgrund seiner Aktionen wurde Pardon auch häufig verklagt. Nachhaltige Auseinandersetzungen gab es insbesondere mit dem Politiker Franz Josef Strauß, der pardon insgesamt 18 mal verklagte - und dabei jedes Mal vor Gericht verlor.[2]

Spaltung, Reorganisation und Untergang

1971 kam es zur Trennung der Teilhaber. Erich Bärmeier schied aus, Hans A. Nikel führte Pardon allein weiter. In der Redaktion kam es schließlich zu differierenden Auffassungen. Ein Stein des Anstoßes war die zunehmende Neuorientierung des Heftes an New Age-Themen durch den damaligen Maharishi Mahesh Yogi-Anhänger Nikel (beispielhaft dafür die Titelstory „Kein Witz: Ich kann fliegen!“ über das „yogische Fliegen“, Ausgabe 11/1977[4]) wie allgemein der Wandel vom Satiremagazin zum Gemischtwarenladen aus Film-, Musik- und Reisemagazin.

Einige Mitarbeiter trennten sich, fanden sich zur Neuen Frankfurter Schule zusammen und gründeten 1979 die Titanic als Konkurrenzmagazin.

Herausgeber Nikel gewann Elke Heidenreich, Peter Härtling und weitere Autoren. Er entdeckte neue Redakteure, die später als Autoren Bekanntheit erreichten, etwa Paul Badde, Matthias Horx, Albert Sellner (Autor für Enzensbergers Andere Bibliothek). Er veröffentlichte Karikaturen von Freimut Wössner, Manfred Limmroth, Gerhard Seyfried und Bernd Pfarr. Erich Rauschenbach, Klaus Puth, Norbert Golluch (alle drei jetzt Eichborn-/ Diogenes-Autoren), Volker Reiche (jetzt FAZ-Serien-Cartoonist). Brösel, der „zeichnende Anarchist“, brachte bei Pardon seinen Werner auf die Welt und zeichnete ihn als monatliche Kolumne. Die Doppelseite Welt im Spiegel wurde nach dem Ausscheiden von Gernhardt, Bernstein und Waechter von anderen Pardon-Mitarbeitern weitergeführt (u. a. Manfred Hofmann, Michael Schiff, Thomas Wenner). Gleichzeitig übernahm Pardon viel Material vom französischen Charlie Hebdo.

Nikel beendete seine Herausgebertätigkeit Ende 1980 und verkaufte Pardon an den Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza. Chefredakteur mit neuer Redaktion in Hamburg wurde Henning Venske. Während dieser Zeit erschien das Blatt nicht mehr geklammert, sondern wie eine Zeitung gefaltet. 1984 wurde Pardon eingestellt.

Gleichnamige Zeitung 2004-2007

Im April 2004 wurde eine gleichnamige Zeitschrift vom Jenaer Satiriker Bernd Zeller herausgegeben.[5] Die Erstveröffentlichung erzielte aufgrund des bedeutenden Vorbildes große Aufmerksamkeit und in der ersten Ausgabe erschienen Texte von Götz Alsmann, Roger Willemsen, Doris Dörrie und Wiglaf Droste. Harald Schmidt schrieb das Vorwort: einen Absagebrief. Die Druckauflage betrug 97.000 Stück.

Die neue Pardon sollte nach Zellers Vorstellung Satire, gemischt mit Essays und Kolumnen bieten. Zudem setzte die Zeitschrift auf die Kooperation mit mehreren rechten Webseiten wie z.B. dem Blog "Politically Incorrect". Nach dem Erfolg der ersten Auflage (47.000 verkauft) ging die Zahl der verkauften Exemplare bei der dritten Ausgabe bereits deutlich auf 12.000 zurück. Probleme bereitete zudem von Anfang an die zentrale Stellung von Zeller als Verleger, Chefredakteur, Herausgeber und Autor mit den meisten Beiträgen. Im Frühjahr 2005 wurde ein neuer Verlag gefunden und bis August 2006 erschien Pardon im Rübe Verlag. Seit September desselben Jahres erschien die Zeitschrift im Macchiato Verlag unter Herausgeberin Antje Hellmann. Im September 2007 wurde die Zeitschrift mit nur noch 1000 Abonnenten eingestellt[6], der Onlineauftritt wird unter dem Namen Darvins Illustrierte  fortgeführt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Paul Badde: Heiliges Land : auf dem Königsweg aller Pilgerreisen., Gütersloher Verl.-Haus, Gütersloh, 1. Aufl. 2008, S. 16
  2. a b Der Teufel grüßt nicht mehr, Beitrag von Michael Marek in Das Parlament, Ausgabe 43/2007
  3. Der Spiegel: Blutige Strecke, 7. Dezember 1970; dokumentiert sind die Artikel im Bildblog: [1]
  4. Flug zum Ich, Titel und Artikel vom November 1977
  5. SZ: Christian Fuchs zum Neustart von Pardon, 29. März 2004
  6. Focus: „Pardon“. Satiremagazin eingestellt, Meldung vom 2. September 2007.

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