Pawel Nikolajewitsch Grudinin

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Pawel Grudinin (2018)

Pawel Nikolajewitsch Grudinin (russisch Павел Николаевич Грудинин; * 20. Oktober 1960 in Moskau, Sowjetunion) ist ein russischer Agrarunternehmer und Politiker. Er trat für die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) als parteiloser Kandidat zur Präsidentschaftswahl 2018 an.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung und Aufstieg zum Direktor und Hauptinhaber eines Landwirtschaftsbetriebes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grudinin wurde 1960 in Moskau geboren. Seine Familie zog ein Jahr später in den Leninski rajon der Oblast Moskau. Er schloss 1977 die Schule ab[1] und absolvierte 1982 die Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen des „Moskauer Instituts für Ingenieure der landwirtschaftlichen Produktion“ als Maschinenbauingenieur. Von 1982 bis 1989 arbeitete er als Werkstattleiter der staatlichen Sowchose „W. I. Lenin“ im Leninski rajon und war von 1990 bis 1995 stellvertretender kaufmännischer Direktor dieses Unternehmens. 1995 wurde er von den Aktionären der geschlossenen Aktiengesellschaft „Lenin-Sowchose“ zum Direktor des Unternehmens gewählt. Grudinins Firma wird in der öffentlichen Wahrnehmung als „Insel des Sozialismus im harten kapitalistischen Dschungel“ bezeichnet. Der Betrieb ist sehr sozial orientiert. Den Mitarbeitern werden kostenlose Wohnungen zur Verfügung gestellt, die Infrastruktur entwickelt, Schulen und Kindergärten gebaut.[2] Schulessen und Gesundheitsversorgung sowie zahlreiche kommunale Dienstleistungen sind kostenfrei. Die Bezahlung ist überdurchschnittlich.[1] Das Unternehmen erwirtschaftet einen Umsatz von etwa 40 Millionen Franken, verbunden mit maschinellen Modernisierungen wurden jedoch auch hier in 15 Jahren zwei Drittel der Belegschaft abgebaut. Grudinin gehörten 2018 knapp 43 Prozent der Anteile, er ist damit größter Aktionär der Sowchose.[3]

2001 absolvierte Grudinin die Russische Akademie des Staatsdienstes beim Präsidenten der Russischen Föderation als Rechtswissenschaftler. Er ist seit August 2012 Mitglied des Expertenrates bei der Regierung der Russischen Föderation und seit Februar 2015 Leitungsmitglied des Nationalen Rates der Milchproduzenten. Seit 2011 fungiert er als Stellvertreter des Vorsitzenden der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation. Er ist seit 2016 Mitglied des Öffentlichen Rates des Landwirtschaftsministeriums der Russischen Föderation.

Politische Tätigkeiten bis 2017[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grudinin war von 1997 bis 2001 Duma-Abgeordneter der Oblast Moskau. Er war Mitglied des Komitees für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Vorsitzender des Haushaltskomitees. Im Jahr 2000 war er Vertrauter des Kandidaten Putin zur Präsidentschaftswahl. Grudinin war bis 2010 Mitglied der Partei „Einiges Russland“. 2002 bis 2007 wurde er als Direktkandidat sowie von 2007 bis 2011 als Kandidat der Partei „Einiges Russland“ erneut zum Duma-Abgeordneten der Oblast Moskau gewählt. Er war für die Parteifraktion tätig und übernahm die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Komitees für Wirtschafts- und Innovationspolitik. 2010 kandidierte er für den Posten des Bezirkschefs des Leninski rajon. Das Wahlkomitee versagte ihm die Registrierung wegen Unregelmäßigkeiten in den Unterschriftenlisten des Kandidaten. 2011 wurde er zur Duma-Wahl der Oblast Moskau von der KPRF nominiert. Im November 2011 annullierte das Oberste Gericht der Oblast Moskau seine Registrierung. In einem am 3. November 2011 veröffentlichten Interview der Zeitschrift „Russischer Reporter“ erkannte das Gericht Anzeichen von Extremismus. Grudinin bestritt die Vorwürfe und teilte mit, das Interview sei verzerrt worden. Auf Grundlage des Gerichtsurteils wurde Grudinin ein zeitweiliges Kandidaturverbot ausgesprochen und ihm die Registrierung zur Abgeordnetenwahl des Rajonsowjets 2013 versagt. Im Februar 2014 stimmte das Oberste Gericht der Russischen Föderation der Berufung Grudinins zu und forderte das Oberste Gericht der Oblast Moskau auf, den Fall wieder aufzunehmen.

Am 18. September 2016 kandidierte er zur Wahl der Staatsduma der Russischen Föderation für die KPRF. Er konnte sich weder bei dieser Wahl noch bei der späteren Abgeordnetenwahl zur Duma der Oblast Moskau durchsetzen. Am 10. September 2017 kandidierte er für den Abgeordnetenrat der Stadt Widnoje und wurde mit 71,13 % der Stimmen gewählt. Am 29. September 2017 wurde er zum Vorsitzenden des Abgeordnetenrates der Stadt Widnoje gewählt.

Präsidentschaftskandidatur zur Wahl 2018[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grudinin wurde anstelle des KPRF-Vorsitzenden Gennadi Sjuganow am 23. Dezember 2017 auf dem XVII. Parteitag der KPRF für die Präsidentschaftswahl am 18. März 2018 nominiert. Er ist Anhänger der KPRF, aber kein Parteimitglied.[4] Zu Grudinins Wahlzielen gehören u. a. die Verstaatlichung der russischen Eisenbahn und des Ölunternehmens Rosneft. Die Oligarchen sollen gezwungen werden, ihr Geld von Offshore-Zonen nach Russland zurückzubringen.[5] Er orientiert sich dabei nach eigenen Angaben an der sozialen Marktwirtschaft Deutschlands.[6]

Laut Gesetz müssen die Präsidentschaftskandidaten vor ihrer Registrierung der zentralen Wahlkommission nachweisen, dass sie keine Auslandskonten oder ausländische Finanzinstrumente besitzen. Grudinin teilte der zentralen Wahlkommission am 8. Januar 2018 mit, dass er über ausländische Konten und Wertpapiere im Wert von ca. 7,5 Mrd. Rubel verfüge. In den am 28. Dezember 2017 eingereichten Nominierungsunterlagen fehlten diese Angaben. Grudinin gab an, über Auslandskonten in Österreich für Spitalaufenthalte zu verfügen, und verwies auf Probleme im russischen Gesundheitssystem.[3] Am 12. Januar 2018 registrierte die zentrale Wahlkommission ihn als Kandidaten, nachdem Grudinin erklärt hatte, alle ausländischen Konten geschlossen zu haben.[7]

Nach einer Umfrage von Mitte Januar 2018 erreichte er landesweit eine Zustimmung von etwa acht Prozent.[2] Grudinin nutzte auch wesentlich YouTube-Videos für seinen Wahlkampf, in denen er die russische Regierungspolitik als antisozial und wirtschaftlich unmodern kritisierte.[8] Er wurde von westlichen Medien teilweise als Kandidat einer Systemopposition betrachtet, welche Stimmen der unzufriedenen Bürger bindet, sich aber im Wesentlichen der Regierungspartei unterwerfen werde.[3] Jedoch revidierte der Stern (Zeitschrift) dieses Urteil und bescheinigte Grudinin, ein ernsthafter Gegenkandidat geworden zu sein, der vom Kreml auch entsprechend angegriffen werde.[9] Auch innerhalb der russischen Linken wurde die Kandidatur Grudinin vor dem Hintergrund einer möglichen zu großen Nähe zum Kreml und mangelnder Nähe zum Volk kontrovers diskutiert, wobei ihm auch Charisma und persönliche Erfolge auf dem Gebiet der Sozialpolitik als Gegenargument bescheinigt wurden.[5] Bei der Präsidentschaftswahl 2018 erhielt er 11,77 % der Stimmen.[10]

Präsidentschaftswahlen 2024[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im November 2019 kündigte Grudinin an, bei den Präsidentschaftswahlen 2024 kandidieren zu wollen. Im Falle eines Wahlsieges werde er das Parlament auflösen und unverzügliche Neuwahlen organisieren lassen. Darüber hinaus werde er alle auf illegale Weise erworbenen Einkünfte verstaatlichen.[11][12]

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grudinin ist verheiratet und Vater zweier Söhne. Sein Großvater mütterlicherseits war Jude.[13][14]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Verdienter Arbeiter der Landwirtschaft der Russischen Föderation (2001)
  • Sieger des gesamtrussischen Wettbewerbs „Manager des Jahres“ (2005)
  • Nationaler Preisträger „Beste Führungskraft des Jahres 2010“

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pawel Nikolajewitsch Grudinin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Павел Грудинин - Директор подмосковного ЗАО «Совхоз имени Ленина». Swobodnaja Pressa, abgerufen am 13. Januar 2018 (russisch).
  2. a b Erdbeerkönig auf Politikerpfaden, SRF, 10. Februar 2018
  3. a b c Warum Russlands Kommunisten einen Kapitalisten lieben. Neue Zürcher Zeitung, 22. Januar 2018, abgerufen am 28. Januar 2018.
  4. Биография директора совхоза им. Ленина Павла Грудинина. TASS, 23. Dezember 2017, abgerufen am 13. Januar 2018 (russisch).
  5. a b Ulrich Heyden: Roter Agrar-Unternehmer soll russische Präsidentschaftswahlen aufmischen. Telepolis, 27. Dezember 2017, abgerufen am 13. Januar 2018.
  6. Reinhard Lauterbach: Rot wie die Erdbeere - Russische Kommunisten nominieren erfolgreichen Agrarunternehmer als Präsidentschaftskandidaten. Junge Welt, 9. Januar 2018, abgerufen am 13. Januar 2018.
  7. ЦИК: доходы Грудинина за шесть лет составили более 157 млн рублей. TASS, 12. Januar 2018, abgerufen am 14. Januar 2018 (russisch).
  8. Jens Siegert: Notizen aus Moskau: Pawel Grudinin – ein gar nicht so kommunistischer Kandidat – bpb. In: bpb.de. 13. März 2018, abgerufen am 3. August 2020.
  9. Der Erdbeerbaron, der Putin fast zwölf Prozent der Stimmen abtrotzte, Stern, 19. März 2018
  10. Сводная таблица результатов выборов (Übersichtstabelle der Wahlergebnisse). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Dezember 2020; abgerufen am 25. März 2018 (russisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.vybory.izbirkom.ru
  11. Redaktion FederalPress, Rustam Junusow: Грудинин будет участвовать в следующих выборах президента. In: Федерал Пресс. 14. November 2019, abgerufen am 21. September 2021 (russisch).
  12. Genri Dostojewski, Aleksandr Slabijew: Грудинин объявил, что будет баллотироваться в президенты в 2024 году. In: Daily Storm. 14. November 2019, abgerufen am 21. September 2021 (russisch).
  13. Русская Правда: Грудинин - еврей по маме. 24. Dezember 2017, abgerufen am 16. November 2018.
  14. Грудинин Павел Николаевич: биография кандидата в президенты России 2018 DIWIS. Abgerufen am 16. November 2018 (russisch).