Recht der Natur

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When nature regains its rights over capitalism, „Wenn die Natur ihre Rechte über den Kapitalismus wiedererlangt“ – In der abgelegenen Stadt Sassandra (Elfenbeinküste, Westafrika) überwuchert Gestrüpp eine ehemalige Telefon-Zelle (März 2019, siehe auch Kapitalozän).

Mit Recht der Natur wird – nicht zu verwechseln mit „Naturrecht“ – der Status bzw. das Rechtsprinzip (→ Rechtstheorie) der Anerkennung von Tieren oder anderen in der Natur bzw. Umwelt existierenden Gütern wie Ökosystemen, Gebirgen oder Gewässern – gar die Natur selbst[1] – als „Juristische Person“ mit Subjektiven Rechten umschrieben; damit soll eine fundamental andere Beziehung zu unserer Umwelt erreicht werden, „eine, die auf Verantwortung beruht statt auf Eigentumsrecht“.[2]

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Global Alliance for the Rights of Nature (GARN, „Globale Allianz für die Rechte der Natur“)[3] beschreibt das Anliegen: „Statt die Natur als Besitz zu behandeln, erkennen Naturrechte (Earth Laws) an, dass die Natur in all ihren lebendigen Formen das Recht hat zu existieren, weiterzuleben, sich zu erhalten und zu regenerieren“ – das hätte weitreichende Folgen für die Frage, wer die globalen Ressourcen nutzen, besitzen und ausbeuten dürfte.[2]

Seit 2008 ist in Ecuador in Südamerika der Schutz der Natur in der dort unter Rafael Correa neu verabschiedeten nationalen Verfassung im Artikel 10 niedergelegt: „Die Natur ist Subjekt derjenigen Rechte, welche die Verfassung ihr zugesteht“ – Zurück geht das auf ein Konzept der indigenen Kichwa-Bevölkerung mit großem politischen Einfluss vor Ort: Sumak Kawsay, „das gute Leben“. Hiernach ist der Mensch nicht die „Krone der Schöpfung“, sondern Teil der Natur (-> „Unswelt), lebt harmonisch mit ihr zusammen und in gegenseitiger Abhängigkeit von allen Lebewesen.[4][5]

Spanien hat im September 2022 als erstes Land der Europäischen Union ein Naturgut als Subjekt mit eigenen Rechten benannt: Das Mar Menor, die größte Salzwasserlagune Europas – das hoch gefährdete Haff besitzt nun das Recht auf Existenz und natürliche Entwicklung, auf Schutz, Erhalt und Wiederherstellung; drei Expertenkomitees sollen seine Vormundschaft übernehmen.[4]

In Bayern versucht die Initiative Rechte der Natur,[6] ein Volksbegehren für die Verankerung von Rechten für die Natur in der bayrischen Verfassung anzustrengen.[7][2][8][9]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Flüsse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Impression des Amazonas-Fluss-Systems

Bereits 2017 wurde einer der längsten Flüsse Neuseelands, der Wanganui (auf Māori Te Awa Tupua) zu einer eigenen juristischen Person erklärt und damit zu einem eigenen Lebewesen mit eigenen Rechtsansprüchen – „der Fluss gehört sich nun selbst“: Das Ergebnis eines seit 1870 andauernden Konflikts zwischen den einheimischen Māori und der britischen Monarchie um die Fluss-Nutzung.[10] Die Übereinkunft akzeptiert das Personenrecht des Wassers sowie des ehemaligen Nationalparks Te Urewera, die Māori und die neuseeländische Regierung teilen sich nun treuhänderisch die entsprechende „Vormundschaft“.[11]

Kurz danach wurde zwei heiligen Flüssen Indiens ebenfalls der Status einer Rechtspersönlichkeit zuerkannt: Das Oberste Gericht des nordindischen Bundesstaats Uttarakhand, dem Ursprung der Ganges, sprach dem Ganges und seinem Nebenfluss zu, dass sie lebendige Wesen seien, die den Status einer Rechtspersönlichkeit hätten und folglich auch „alle damit verbundenen Rechte“.[12]

Ein Gericht in Kolumbien hat ebenfalls einem Fluss eigene Rechte eingeräumt, dem Río Atrato, in Peru läuft vor dem Gericht in der Provinzhauptstadt Iquitos ein Verfahren, den Río Marañón mit eigenen Rechten auszustatten.[4]

In Bayern setzt sich Rechte der Natur für ein Volksbegehren ein, das u. a. der Isar eigene Rechte geben soll.[7][5]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Anliegen wird z. B. thematisiert im 2023 zum Hörspiel des Monats“ November ausgezeichneten Die Konferenz der Flüsse von Denise Reimann und Frank M. Raddatz (Produktion: Deutschlandfunk Kultur), im Titel eine Analogie zum bekannten, mehrfach verfilmten Buch und Roman Die Konferenz der Tiere von Erich Kästner: Es soll „erkunden, was die Flüsse der Welt uns sagen würden, wenn sie sprechen könnten“.[13]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. deutschlandfunk.de: Natur als Rechtssubjekt: Wenn Tiere klagen können. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  2. a b c Michaela Haas: Der Fluss, der gegen seine Verschmutzung klagt. 1. Juni 2022, abgerufen am 7. Februar 2024.
  3. Global Alliance for the Rights of Nature (GARN). 12. Oktober 2020, abgerufen am 7. Februar 2024 (amerikanisches Englisch).
  4. a b c Umweltschutz: Wenn ein Fluss vor Gericht zieht. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  5. a b deutschlandfunkkultur.de: Gegen Artensterben und Klimaerwärmung – Eigene Rechte für die Natur. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  6. Rechte der Natur – Das Volksbegehren! – Das bayerische Volksbegehren zur Verankerung von Rechten für die Natur in der bayerischen Verfassung. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  7. a b Nadja Tausche: Bayern: Initiative initiiert Volksbegehren „Rechte der Natur“. 24. Oktober 2021, abgerufen am 7. Februar 2024.
  8. Volksbegehren in Bayern soll Rechte für die Natur in Verfassung verankern. 2. August 2021, abgerufen am 7. Februar 2024.
  9. OER (open educational resource) BY memonature: Bayern: Neues Volksbegehren. In: memonature. 28. März 2022, abgerufen am 7. Februar 2024.
  10. Neuseeland – Menschenrechte für Whanganui River. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  11. Michaela Haas: Der Fluss, der gegen seine Verschmutzung klagt. 1. Juni 2022, abgerufen am 7. Februar 2024.
  12. Neuseeland und Indien: Flüsse als Rechtspersonen anerkannt. In: rechte-der-natur.de. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  13. hoerspielundfeature.de: "Die Konferenz der Flüsse": Hörspiel des Monats November. Abgerufen am 7. Februar 2024.