Renate Valtin

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Renate Valtin (* 20. September 1943 in Winterberg[1]) ist eine deutsche Erziehungswissenschaftlerin und Autorin von Büchern zum Thema Schriftspracherwerb und Legasthenie. Sie forscht ferner zu sozial-kognitiver und moralischer Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie zu digitalen Medien im Zusammenhang mit Lese- und Schreibkompetenzen. Valtin entwickelte in Berlin ein Stufenmodell des Schriftspracherwerbs.

Renate Valtin, Tochter von Emmy Valtin (geb. Biederbeck) und dem Elektrokaufmann Karl Valtin, studierte von 1962 bis 1966 in Köln und Hamburg Germanistik, Romanistik, Psychologie und Pädagogik. Ihre erste Lehramtsprüfung für die Volks- und Realschule legte sie 1966 an der Universität Hamburg ab und erhielt im selben Jahr ein Promotionsstipendium der Stiftung Volkswagenwerk. Im Jahr 1969 wurde sie an der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg bei Peter Martin Roeder in Erziehungswissenschaften zur Dr. phil. promoviert. Von 1969 bis 1975 arbeitete sie ebendort als wissenschaftliche Assistentin. Sie ist verheiratet.

Im Jahr 1974 hielt sich Valtin im Rahmen einer Gastprofessur an der Universität Buffalo in New York auf; ab 1975 bekleidete sie eine erziehungswissenschaftliche Professur mit dem Schwerpunkt Vorschulpädagogik und Schuleingangsstufe an der Pädagogischen Hochschule Berlin. Ab 1981 war sie Professorin für Erziehungswissenschaft an die Freie Universität Berlin und seit 1992 ist sie Professorin für Grundschulpädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Parallel hatte sie von 1982 bis 1996 den Vorsitz des Arbeitskreises Grundschule e. V. im Grundschulverband inne und war von 1988 bis 1999 Herausgeberin der Reihe Beiträge zur Reform der Grundschule. Valtin ist ferner Mitglied des Berliner Bildungsrats und des Deutschen Jugendinstituts. Ab dem Jahr 1994 arbeitete sie an der Konzeption der Primarstufenlehrerausbildung im Rahmen des Potsdamer Modells der Lehrerbildung mit.[2] Die Liste ihrer Veröffentlichungen umfasst ca. 250 Texte.[2]

Seit den 1970er Jahren bekleidete Valtin dreimal für jeweils mehrere Jahre das Amt der Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben.[3] Von 2001 bis 2004 war sie außerdem Mitglied im Konsortium der IGLU-Studie (Internationale Grundschul-Leseuntersuchung). Neben Legasthenie und Schriftspracherwerb gehören geschlechtsspezifische Sozialisation und Koedukation sowie grundschulpädagogische Themen zur Leistungsbewertung und Integration behinderter Kinder zu ihren Arbeitsschwerpunkten.

Valtins Stufenmodell zum Lesen und Schreiben

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Das Stufenmodell geht davon aus, dass es für Annäherungen an einen Lerngegenstand sinnvoll ist, Fehler zu machen. Diese können paradoxerweise Fortschritte in der Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten signalisieren.

Stufe Fähigkeiten und Einsichten Lesen Schreiben
1 Nachahmung äußerer Verhaltensweisen „Als-ob-Lesen“ Kritzeln
2 Kenntnis einzelner Buchstaben anhand figurativer Merkmale Erraten von Wörtern auf Grund von visueller Merkmale von Buchstaben oder -teilen. z. B. Firmennamen Malen von Buchstabenreihen und Malen des Namens
3 Beginnende Einsicht in den Buchstaben-Laut-Bezug, Kenntnisse einiger Buchstaben / Laute Benennen von Lautelementen häufig orientiert am Anfangsbuchstaben, Abhängigkeit von Kontext Schreiben von Lautelementen (Anlaut, prägnanter Laut zu beginn des Wortes), „Skelettschreibungen“
4 Einsicht in die Buchstabe-Laut-Beziehung Buchstabenweises Erlesen (Übersetzen von Buchstaben und Lautreihen), gelegentliches Sinnverständnis Phonetische Schreibung nach dem Prinzip „Schreibe wie du sprichst“
5 Verwendung orthographischer bzw. sprachstruktureller Muster Fortgeschrittenes Lesen, Verwendung größerer Einheiten (z. B. mehrgliedrige Schriftzeichen, Silben, Endungen wie -en und -er) Verwendung orthographischer Muster (z. B. -en, -er, Umlaute), gelegentlich falsche Generalisierungen
6 Automatisierung von Teilprozessen Automatisches Worterkennen und Hypothesenbildung Entfaltete orthographische Kenntnisse
  • 1974: Institute of Reading Research Fellowship Award der International Reading Association
  • 2000: Berufung in die Reading Hall of Fame
  • 2005: William S. Gray Citation of Merit Award der International Reading[4]

Forschungsprojekte

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  • Legasthenie: Verschiedene quantitative und qualitative empirische Studien sowie theoretische und didaktische Beiträge zu Ursachen und Erscheinungsformen von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten.[5][6]
  • Schriftspracherwerb: Diverse, thematisch unterschiedlich gelagerte Studien mit Kindern im Vor- und Grundschulschulalter.[7]
  • Entwicklung sozialkognitiver und moralischer Konzepte: Mehrere Teilstudien in der Tradition von Jean Piaget und den von ihm beeinflussten Psychologen Lawrence Kohlberg & Robert L. Selman, innerhalb derer halb strukturierte Einzelinterviews mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 18 Jahren durchgeführt wurden.[8][9]
  • NOVARA (Noten- oder Verbalbeurteilung – Akzeptanz, Realisierung und Auswirkungen): Bei dem NOVARA-Projekt handelt es sich um eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Längsschnittstudie zur Leistungsbeurteilung in Ost- und Westberliner Grundschulen.[10]
  • AIDA (Adaption in der Adoleszenz): Das ebenfalls DFG-geförderte AIDA-Projekt ist die Fortsetzung von NOVARA sowie einem weiteren Projekt mit dem Titel "Schulische Adaption und Bildungsaspiration" (SABA). AIDA untersucht im fortgesetzten Vergleich von Grundschulkindern aus Ost- und West-Berlin die Stabilität und Veränderung schulleistungsbezogener Persönlichkeitsmerkmale von der Kindheit bis zur Adoleszenz. Es handelt sich ebenfalls um eine Längsschnittstudie, an der mehrere Tausend Jugendliche über drei Messzeitpunkte (Klasse 7, 8 und 9) teilnahmen.[11][12]
  • ELINET (European Literacy Policy Network): Das ELINET-Projekt wurde im Februar 2014 ins Leben gerufen und erhielt von der Europäischen Kommission eine Zuwendung von 3 Millionen Euro. Ziele waren die Entwicklung evidenzbasierter Instrumente für alle Akteure in den verschiedenen Bereichen der Lese- und Schreibförderung auf lokaler, regionaler, nationaler und transnationaler Ebene, ferner die Unterstützung bestehender und die Initiierung neuer Aktivitäten zur Verringerung der Zahl schwacher Leser, und schließlich die Verbesserung der zugehörigen Bildungspolitik in allen EU-Mitgliedsländern. Dem ELINET-Projekt gehörten 80 Partnerorganisationen aus 28 Ländern an, davon 24 EU-Mitgliedstaaten. Das Netzwerk wurde von Prof. Dr. Christine Garbe (Universität Köln) koordiniert. Renate Valtin war Leiterin der Arbeitsgruppe Vor- und Grundschule.[13]
  • Förderung digitaler Kompetenzen: Im Zusammenhang mit dem ELINET-Projekt entstanden in internationaler Kooperation außerdem zwei Berichte zum Thema digitale Medien und deren Eignung für die Vermittlung und Förderung basaler Lese- und Schreibkompetenzen (Überblicke zu den Forschungsständen für das Neugeborenen-, Säuglings-, Kleinkind- und Kindesalter).[14]

Schriften (Auswahl)

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Als Autorin

Als Herausgeberin

Einzelnachweise

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  1. Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Abgerufen am 1. Januar 2024.
  2. a b Valtin, Vita auf der HU-Homepage; Zugriff am 4. Mai 2011 (Memento des Originals vom 15. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.renate-valtin.de
  3. Geschichte der DGLS. Abgerufen am 7. April 2024 (deutsch).
  4. Prof. Dr. Renate Valtin Abruf vom 17. März 2013 (Memento vom 10. Februar 2012 im Internet Archive)
  5. Valtin, Renate (2015) Stellungnahme zu: Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung. Evidenz- und konsensbasierte Leitlinie.
  6. Valtin, Renate (2009) Brauchen wir die Legasthenie?
  7. Valtin, Renate (2020) Schreibenlernen erfordert mehr als "phonologische Bewusstheit". Eine Längsschnittstudie zur Entwicklung sprachanalytischer Fähigkeiten von Schulanfängern. Aktualisierter Beitrag aus R. Valtin & I. Naegele (Hrsg.) "Schreiben ist wichtig!". Grundlagen und Beispiele für kommunikatives Schreiben(lernen). 4. Auflage. Frankfurt a. M. : Arbeitskreis Grundschule e.V., S. 23–53.
  8. Valtin, Renate (2020) Zur Entwicklung sozialkognitiver und moralischer Konzepte I. Was Kinder über Geheimnisse, Petzen und Strafe denken.
  9. Valtin, Renate (2020) Zur Entwicklung sozialkognitiver und moralischer Konzepte II. Was Kinder und Jugendliche über Freundschaft und Streit denken.
  10. Valtin, Renate; Schmude, Corinna; Rosenfeld, Heidrun; Darge, Kerstin; Ostrup, Gudula; Thiel, Oliver; Wagener, Mattea & Wagner, Christine (2002) Valtin, Renate; Schmude, Corinna; Rosenfeld, Heidrun; Darge, Kerstin; Ostrup, Gudula; Thiel, Oliver; Wagener, Mattea & Wagner, Christine (2002). Was ist ein gutes Zeugnis? Noten und verbale Beurteilungen auf dem Prüfstand. Weinheim; München: Juventa Verlag.
  11. Johannes König, Christine Wagner, Renate Valtin: Jugend-Schule-Zukunft. Psychosoziale Bedingungen der Persönlichkeitsentwicklung. Ergebnisse der Längsschnittstudie AIDA. (PDF; 5,9 MB) Waxmann, Münste 2011.
  12. Weitere Informationen zum Projekt AIDA
  13. Renate Valtin, Christine Garbe: Das ELINET-Projekt. Ziele und Ergebnisse eines europäischen Netzwerks zur Lese- und Schreibförderung. (PDF; 0,5 MB) 2023.
  14. Renate Valtin: The challenge to develop the digital literacy skills of children. (PDF; 0,4 MB) Literacy Today April/May/June 2023.