Richelieu T-85

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Richelieu
Richelieu T-85 Touring, wahrscheinlich mit Fleetwood-Karosserie (1922)
Richelieu T-85 Touring, wahrscheinlich mit Fleetwood-Karosserie (1922)
Richelieu T-85 Touring, wahrscheinlich mit Fleetwood-Karosserie (1922)
T-85
Produktionszeitraum: 1922–1923
Klasse: Oberklasse
Karosserieversionen: Tourenwagen, Roadster
Motoren: Ottomotor:
5,6 Liter (60,4 kW)
Länge:
Breite:
Höhe:
Radstand: 3327 mm
Leergewicht: 1474 kg

Der Richelieu T-85 war ein nur 1922 und 1923 gebauter US-amerikanischer Oberklasse-Sportwagen. Herstellerin war die Richelieu Motor Car Corporation in Asbury Park, Monmouth County, New Jersey.

Richelieu[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Richelieu-Anzeige, ca. 1922

Das Unternehmen wurde im Oktober 1921 von früheren Führungsleuten der Duesenberg Motors Corporation (DMC), N. G. Rost und William Beckman, gegründet. Einer der Investoren war Newton Van Zandt, der zuvor die Revere Motor Car Corporation und die Duesenberg Automobile & Motors Corporation geleitet hatte. Revere war ein Mitbewerber, der ebenfalls Duesenberg-Motoren verwendete. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der gelegentlich zu dubiosen Methoden neigende Van Zandt heimlich einen Revere nach Asbury Park gebracht hatte und ihn dort ohne Wissen der Revere Motor Car Corporation als Vorlage für den T-85 benutzte.[1]

Model T-85 war die einzige Baureihe dieses Unternehmens. Sein Misserfolg auf dem Markt führte zum Scheitern des Herstellers. Die 85 bhp (63,4 kW) boten eine zu ihrer Zeit mehr als ausreichende Leistung; die Rennversion, von der er abgeleitet worden war, hatte 103 bhp (74,6 kW).[2]

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nur zum Motor liegen vollständige Daten vor. Es wird vermerkt, dass nicht nur die technischen Daten mit jenen des Revere Model C übereinstimmen; die Prospektangaben in den Unterlagen von Revere und Richelieu stimmen bis auf den Markennamen wortwörtlich überein. Das sind starke Indizien dafür, dass der T-85 eine genaue Kopie des Revere war, einen direkten Beleg dafür gibt es indes nicht.[3]

Motor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rochester-Duesenberg Model G-3 Vierzylinder (1919). Dies ist die kleinere Version des Walking-Beam-Motors, wie er auch von Richelieu verwendet wurde. Die äußerlich gleichen G-3 und G-1 unterscheiden sich nur in der Zylinderbohrung und damit in der Leistung.


Wegen seiner historischen Bedeutung für die Marke Duesenberg ist der Rochester-Duesenberg Model G-1 recht gut dokumentiert. Es war die größere von zwei lieferbaren Versionen. Der ursprüngliche Entwurf geht auf ein Patent der Brüder Fred S. und August S. Duesenberg von 1914 zurück. Diese Motoren waren eigentlich für den Rennsport entwickelt worden. Sie wurden bis Anfang 1918 von der Duesenberg Motors Corporation (DMC) hergestellt, zuletzt auch als Rennversion mit vier Ventilen pro Zylinder. 1919 wurde die DMC liquidiert; Maschinen, Werkzeuge und Rechte am Walking-Beam-Motor erwarb die Rochester Motors Company, Inc. Mit Hilfe von Fred Duesenberg wurde das Triebwerk in wichtigen Punkten überarbeitet. Die ungewöhnliche Walking-Beam-Ventilsteuerung mit überlangen Kipphebeln wurde in gemilderter Form beibehalten. Ein neues Kurbelwellengehäuse mit tieferer Wanne ermöglichte es, die Nockenwelle höher im Gehäuse anzubringen. Dadurch konnten kürzere Kipphebel eingesetzt werden.[4][5]

Zu den weiteren Änderungen gehörten ein neuer Zylinderkopf, in dem die Ventile – weiterhin zwei pro Zylinder – versetzt angeordnet waren. Neu waren nur noch eine statt zwei Zündkerzen pro Zylinder vorgesehen. Die Änderungen an der Nockenwelle zogen eine Reihe weiterer Anpassungen nach sich, darunter eine neue Kette für ihren Antrieb und jene der Nebenaggregate sowie ein neuer Ansaugkrümmer.[4][5] Schon bei Duesenberg waren die Straßenversionen Model G genannt worden; diese Bezeichnung wurde von Rochester übernommen, wobei G-1 für den hier beschriebenen etwas größeren Motor steht.

Der Hubraum beträgt 340,5 c.i. (5579 cm³) bei einer Bohrung von 4 ¼ Zoll (107,95 mm) und einem Hub von 6 Zoll (152,4 mm).[6][5] Für den Richelieu T-85 vermerkte der Hersteller eine Leistung von 85 bhp (63,4 kW); üblicherweise wird sie für diesen Motor mit 81 bhp (60,4 kW) angegeben.[7] Das auf die Zylinderbohrung abgestellte N.A.C.C.-Rating beträgt 28,9 HP.[5][Anm. 1]

Fahrgestell[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Richelieu T-85 hat ein konventionelles Fahrgestell und Heckantrieb. Ein Radstand von 131 Zoll (3327 mm) ist gut belegt.[6][8]

Da keine anders lautenden Angaben vorliegen, kann von einem konventionellen Leiterrahmen mit vorderen und hinteren Starrachsen ausgegangen werden; jener des Revere war doppelt gekröpft und hatte außen an den Längsträgern angebrachte Halbelliptik-Blattfedern mit Aufnahmen für als Extra lieferbare Stoßdämpfer. Erhältlich war auch ein System zur Zentralchassisschmierung.[3]

Der T-85 war mit Rädern der Dimension 32 × 4½ Zoll ausgestattet.[6]

Kraftübertragung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Genannt wird ein Vierganggetriebe mit direkt übersetztem obersten Gang[6]; bei sportlichen Ausführungen war der vierte Gang als Overdrive ausgelegt.[3]

Die Hinterachse war wahlweise 3,0 : 1 oder 3,5 : 1 untersetzt.[6]

Karosserien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Richelieu T-85 Sport Touring, wahrscheinlich mit Fleetwood-Karosserie (1922). Im Gegensatz zum oben abgebildeten Fahrzeug hast dieser T-85 eine in Wagenfarbe lackierte Kühlerverschalung, spezielle Ersatzradabdeckungen und eine Sonderausführung des Verdecks. Vernickelte Trittstufen und Houk-Speichenräder gehörten zur Grundausstattung. Die Positionslampen wurden an eine andere Stelle versetzt.

Zunächst war der Richelieu ab Werk nur als viertüriger Touring lieferbar. 1923 wurde zusätzlich ein Roadster aufgenommen.

Die meisten Richelieu erhielten Werkskarosserien von Fleetwood. Das Unternehmen hatte schon vor seiner Übernahme durch General Motors eine beachtliche Kundenliste mit vielen bekannten Luxusmarken, darunter ALCo, Biddle, American Fiat, Benz, Chadwick, Simplex und Crane-Simplex, Daniels, Doble, Duesenberg, Ford, F.R.P., Hispano-Suiza, Isotta Fraschini, LaFayette, Lancia, Lincoln, Locomobile, Minerva, Mercedes, Meteor, Owen Magnetic, Packard, Pierce-Arrow, Porter, Renault, Rolls-Royce und SGV.[9]

Einige später produzierte Fahrzeuge erhielten Aufbauten von lokalen Karosseriebauern wie der United Body Company in Rahway (New Jersey), welche das Unternehmen möglicherweise für kurze Zeit besaß. United Body hatte als einer der Zulieferer von Locomobile-Werkskarosserien und mit Einzelanfertigungen für verschiedene europäische Marken (Mercedes, Renault, Rolls-Royce) Erfahrung mit dem Markt für Oberklasse-Automobile.[10]

Auch die in Kleinserien produzierten Karosserien waren handgefertigte Produkte von hoher Qualität. Zu dieser Zeit bestanden sie üblicherweise aus einem Holzgerippe mit Blechbeplankung.

Der T-85 war anfangs nur als viertüriger Touring mit einer Karosserie von Fleetwood erhältlich, ein Roadster und ein Sedan folgten 1923. Das Design war sportlich-europäisch ausgerichtet.

Mit der vernickelten, oben gerundeten Kühlereinfassung erinnerte der Richelieu nicht nur an große Fiat-Modelle, die zu dieser Zeit in den USA zur Oberklasse gehörten; es gibt eine große optische Ähnlichkeit zum Revere, unter anderem mit den eng geschnittenen Kotflügeln und den vernickelten Trittstufen vor jeder Tür anstelle eines durchgehenden Trittbretts. Drahtspeichenräder, große, trommelförmige Scheinwerfer und eine horizontal geteilte Windschutzscheibe vervollständigten die Ausstattung.

Modellübersicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die nachstehende Modellübersicht beruht auf den Angaben der Automobilhistoriker Beverly Rae Kimes und Henry Austin Clark, jr. im Standard Catalogue of American Cars 1805–1942, 3. Auflage, 1996.[11] Für die technischen Daten wurde Fred Roe: Duesenberg – The Pursuit of Perfection. (1982) herangezogen.[6]

Modell
Rating
Bauzeit Motor Leistung
bhp/kW
Radstand
in / mm
[Anm. 2]
Karosserie Preis
US$
[Anm. 3]
Bemerkungen
T-85 1922 R4 WB
Duesenberg G
340,6 c.i.
5580 cm³
81 / 60,4 kW 131 / 3327 Touring, 4 Pl 3950,-
T-85 1923 R4 WB
Duesenberg G
340,6 c.i.
5580 cm³
81 / 60,4 kW 131 / 3327 Touring, 4 Pl 4200,-
T-85 1923 R4 WB
Duesenberg G
340,6 c.i.
5580 cm³
81 / 60,4 kW 131 / 3327 Roadster, 2 Pl 4200,-
T-85 1923 R4 WB
Duesenberg G
340,6 c.i.
5580 cm³
81 / 60,4 kW 131 / 3327 Sedan, 7 Pl 4200,-

Vergleich Revere / Richelieu (1922)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In diesem Vergleich wurde der Revere Series D mit dem Motor Rochester-Duesenberg G-1 herangezogen, der auch im Richelieu T-85 verwendet wurde.[Anm. 4]

Daten Revere Series D Richelieu T-85
Motor: Rochester-Duesenberg G-1
28,9 HP
Bauweise: Vierzylinder-Reihenmotor
Grauguss-Motorblock
Viertaktmotor
Ventile: 8
liegend
Ventiltrieb: Walking Beam
Einlass und Auslass seitlich
Bohrung × Hub: 4¼ × 6
Hubraum: 340,6 c.i. / 5580 cm³
Leistung: 81 bhp (60,4 kW)[6] 81 bhp (60,4 kW)[6]
85 bhp (63,4 kW)[8]
Getriebe: 4-Gang 4-Gang; oberster Gang direkt
Untersetzung: 3,6 : 1[6] 3,0 : 1
opt. 3,5 : 1
Radstand: 131 Zoll / 3327 mm
Räder: 32 × 4½ Zoll

Baureihen anderer Hersteller mit Rochester-Duesenberg Motoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Roamer Motor Car Company war der bei weitem größte Abnehmer von Rochester-Duesenberg-Motorewn. Anzeige von 1920

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das N.A.C.C.-Rating war eine Vorgängerformel für SAE-PS. Die N.A.C.C. (National Automobile Chamber of Commerce) war eine 1913 gegründete Vereinigung der Automobilindustrie und Nachfolgerin der A.L.A.M. (Association of Licensed Automobile Manufacturers), die 1903 diese Norm als erste im US-Automobilbau eingeführt hatte. Sie entspricht somit der N.A.C.C.-Formel. Die Leistung wird berechnet: Zylinderbohrung² × Anzahl Zylinder, das Ergebnis wird durch 2,5 dividiert. Aus dieser Formel wurden später SAE-PS entwickelt, sie liegt auch dem damaligen britischen Steuer-PS zu Grunde.
  2. Abweichende Daten; verwendet wurde B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 124–125.
  3. Nach B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 124–125.
  4. Alle Daten wurden kompiliert aus Kimes/Clark: Standard Catalog of American Cars 1805–1942. (1996); Roe: Duesenberg – The Pursuit of Perfection. (1982) und Butler: Auburn Cord Duesenberg. (1992).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Richelieu T-85 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Daniel Strohl, Hemmings Classic Car, Februar 2006: Revere's Ride.
  2. Roe: Duesenberg – The Pursuit of Perfection. 1982, S. 44.
  3. a b c Roe: Duesenberg – The Pursuit of Perfection. 1982, S. 70.
  4. a b c Roe: Duesenberg – The Pursuit of Perfection. 1982, S. 63.
  5. a b c d Classic Car Database: Standard Specifications Revere C Series, Rochester-Duesenberg G1 engine, 131 in. wheelbase.
  6. a b c d e f g h i Roe: Duesenberg – The Pursuit of Perfection. 1982, S. 65.
  7. Roe: Duesenberg – The Pursuit of Perfection. 1982, S. 66.
  8. a b B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 1289 (Richelieu).
  9. coachbuilt.com: Fleetwood.
  10. coachbuilt.com: United body.
  11. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 124–125 (Biddle).
  12. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 62–63 (Argonne).
  13. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 803 (Kenworthy).
  14. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 961 (Mercury).
  15. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 966 (Meteor).
  16. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars 1805–1942. 1996, S. 1245–1246 (Premocar).
  17. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 1286–1287 (Revere).
  18. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 1297–1299 (Roamer).
  19. a b B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 1344–1345 (Shaw).
  20. B. R. Kimes, H. A. Clark: Standard Catalog of American Cars, 1805–1942. 1996, S. 355 (Colonial).