Saugluftbremse

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An diesen Drehschemelwagen der Rhätischen Bahn sind deutlich die seitlich angebrachten Vakuumbehälter für die Saugluftbremse zu erkennen.

Die Saugluftbremse, auch Luftsaugbremse oder Vakuumbremse genannt, ist eine im Eisenbahnbetrieb zur Bremsung der Züge eingesetzte Betriebsbremse für Triebfahrzeuge und Wagen. Im Gegensatz zur heute überwiegend eingesetzten Druckluftbremse funktioniert die Saugluftbremse nicht durch einen Überdruck, sondern durch einen Unterdruck gegenüber dem herrschenden Umgebungsluftdruck. Die Bremse erhielt ihren Namen nach dem zur Erzeugung des Unterdruckes eingesetzten Luftsauger. Die in der Schweiz und Österreich gebräuchliche Bezeichnung Vakuumbremse wurde früher auch in Deutschland verwendet.

Funktionsprinzip

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Ejektor (Luftsauger) der Saugluftbremse bei der Lokomotive 252.008 der Tschechoslowakischen Staatsbahnen

Bei der Saugluftbremse entsteht die Bremskraft dadurch, dass auf beide Seiten des Bremszylinderkolbens ein unterschiedlich hoher Druck einwirkt.

Um die Saugluftbremse als durchgehende Zugbremse einzusetzen, werden alle Fahrzeuge des Zuges mit einer Saugluftleitung (Schweiz: Vakuum-Hauptleitung) verbunden. Die Saugluftschläuche der Kupplungen waren früher an wendelförmigen Verstärkungen zu erkennen. Inzwischen werden auch Schläuche ohne sichtbare Wendel eingesetzt. Absperrhähne gibt es an den Fahrzeugen nicht. Die Schlauchkupplungen sind im Vergleich zu Druckluftbremsen weniger aufwändig, da sich die Dichtflächen durch die Druckdifferenz zur Außenluft selbsttätig aneinander pressen. Nicht benötigte Schlauchkupplungen werden mit am Kopfstück aufgehängten (beispielsweise in Sachsen) oder fest angebauten (Großbritannien und iberische Halbinsel) Blindstopfen abgedeckt. Nach der Wirkungsweise unterscheidet man nicht selbsttätige und selbsttätige Bremsen. Beide Bauarten entsprechen in ihrem Aufbau der direkt wirkenden bzw. der indirekt wirkenden Druckluftbremse.

Nicht selbsttätig wirkende Saugluftbremse

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Bei der nicht selbsttätig wirkenden Saugluftbremse muss zum Bremsen ein Unterdruck im Bremszylinder und in der Saugluftleitung hergestellt werden. Um die Bremse zu lösen, öffnet man ein Ventil, das die Leitung mit dem atmosphärischen Luftdruck verbindet. Bei vollem Druckausgleich sind die Bremsklötze von den Radreifen wieder gelöst.

Die nicht selbsttätig wirkende Saugluftbremse war 1889 mitverantwortlich für den Eisenbahnunfall von Armagh, der 80 Menschenleben kostete.[1] Die nicht selbsttätige Saugluftbremse ist nicht als Betriebsbremse bei Eisenbahnen zugelassen.

Selbsttätig wirkende Saugluftbremse

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Prinzip der selbständig wirkenden Saugluft- oder Vakuumbremse

Die selbsttätig wirkende Saugluft- oder Vakuumbremse, auch automatische Vakuumbremse (aV) genannt, arbeitet ähnlich wie eine Zweikammer-Druckluftbremse wie z. B. die Knorr-Zweikammerbremse Kzbr oder der Zweikammerbremszylinder der Kunze-Knorr-Bremse. Der mechanische Teil der Saugluftbremsanlage mit Bremsgestänge, Bremsklötzen etc. entspricht weitestgehend den bei Druckluftbremsen angewandten Konstruktionen. Da die geringeren Druckunterschiede bei Saugluftbremsen größere Bremszylinderdurchmesser erfordern, werden diese in der Regel vertikal eingebaut. Bei Fahrzeugen, die grenzüberschreitend in Netzen mit Saug- und Druckluftbremse eingesetzt werden, wie das in der Vergangenheit im Verkehr mit der iberischen Halbinsel und Großbritannien der Fall war, wirken Saug- und Druckluftbremszylinder unabhängig voneinander auf dasselbe Bremsgestänge.

Evakuieren bzw. Lösen

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Die Vakuumpumpe auf dem Triebfahrzeug saugt (evakuiert) über ein Rückschlagventil aus dem ganzen System die Luft ab, wodurch ein Unterdruck aufgebaut wird. Bei Dampflokomotiven wird dieser mit einem Ejektor erzeugt, der mit dem Führerbremsventil vereinigt ist. Über die Hauptluftleitung werden die Unterkammern der Bremszylinder und über Rückschlagventile die Oberkammern und die Sonderbehälter evakuiert. Bei waagerecht liegenden Bremszylindern hält eine Rückholfeder, bei senkrecht eingebauten das Eigengewicht des Kolbens diesen in der Lösestellung. Die Bremse ist betriebsbereit bzw. gelöst, wenn zwischen dem atmosphärischen Druck und dem System eine Druckdifferenz von 52 cm Hg (690 hPa) erzeugt ist und zwischen der Unter- und Oberkammer der angeschlossenen Bremszylinder Druckausgleich herrscht. Auf dem Triebfahrzeug begrenzt ein Regulierventil die Druckdifferenz zwischen dem atmosphärischen Luftdruck und der Hauptluftleitung auf 52 cm Hg. Das Rückschlagventil verhindert bei Stillstand der Vakuumpumpe das unkontrollierte Eindringen von Außenluft.

Mit dem Führerbremsventil wird das Vakuum in der Hauptluftleitung und den Unterkammern der Bremszylinder durch dosiertes Einlassen von Außenluft vermindert. Der Unterdruck von 52 cm Hg in den Oberkammern und den Sonderbehältern bleibt dank der automatisch wirkenden Abdichtung durch die eingebauten Rückschlagventile erhalten. Infolge des Druckunterschieds in den beiden Kammern wird die Kraft der Rückholfeder bzw. das Eigengewicht des Kolbens überwunden und dieser bewegt sich in die Bremsstellung.

Bei einer Schnell- oder Notbremsung wird die Saugluftleitung unmittelbar mit der Außenluft verbunden. So wird der Unterdruck in kürzester Zeit zerstört und die maximale Bremswirkung erzielt. Erfolgt eine Zugtrennung, baut sich der Unterdruck an der Trennstelle ebenfalls sofort ab.

Vakuumgesteuerte Druckluftbremse

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Die vakuumgesteuerte Druckluftbremse hat gegenüber der reinen Vakuumbremse den Vorteil, dass sie mit einem Gleitschutzregler ausgerüstet werden kann. Bei Triebfahrzeugen ist die Kombination mit einer Rangier- und einer Schleuderbremse möglich. Das Fahrzeug benötigt jedoch Druckluft, die entweder von einem Luftpresser oder von der Speiseleitung geliefert wird.

Die vakuumgesteuerte Druckluftbremse ist zusätzlich zur reinen Vakuumbremse mit einem Vakuumsteuerventil ausgerüstet. Dieses hat die gleiche Funktion wie das Steuerventil der Druckluftbremse.

Siehe auch Abschnitt Vakuumsteuerventil im Artikel Steuerventil (Eisenbahn)

Vergleich zur Druckluftbremse

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Bremskupplungsschläuche einer Ge 4/4 II der Rhätischen Bahn. Die Kupplungs­schläuche der Vakuum-Hauptluftleitung (V) sind an den Verstärkungen mit ringförmigem Stahlgerippe zu erkennen. Mit der Druckluft-Speiseleitung (D) können Wagen mit vakuumgesteuerter Druckluftbremse versorgt werden.

Im Vergleich zur Druckluftbremse weist die Saugluftbremse folgende Vorteile auf:

  • Die Saugluftbremse lässt sich gut regulieren und insbesondere stufenweise lösen. Sie ist unerschöpfbar. Beides machte sie für Gebirgsbahnen besonders geeignet. Bei den relativ kurzen Zügen spielte auch der gegenüber Einkammerbremsen höhere Luftverbrauch keine entscheidende Rolle. Diese Vorteile fielen nicht mehr ins Gewicht, als die mehrlösige Druckluftbremse eingeführt wurde.
  • Wegen ihres einfachen Aufbaus ist die Saugluftbremse unempfindlich und leicht zu warten. Es können keine Funktionsstörungen durch in der Luftleitung gefrierendes Kondenswasser auftreten.

Im Vergleich zur Druckluftbremse weist die Saugluftbremse folgende Nachteile auf:

  • Während die Druckluftbremse Bremszylinderdrücke von mehreren Bar ermöglicht – üblich sind bis zu 3,8 bar – ist die Druckdifferenz bei der Saugluftbremse von vornherein durch den atmosphärischen Luftdruck (etwa 1 bar) begrenzt; tatsächlich werden nur etwa 0,7 bar erzielt.[2] Um eine vergleichbare Bremskraft (Druckdifferenz × Kolbenfläche) zu erreichen, müssen die Bremszylinder ungefähr den zweieinhalbfachen Durchmesser aufweisen. Daraus resultiert der in der Regel senkrechte Einbau der Bremszylinder. Neben den größeren Bremszylindern sind auch deutlich größere Hilfsbehälter notwendig.[2]
  • Wegen der Größe der Bremsausrüstung sind Saugluftbremsen wesentlich schwerer als Druckluftbremsausrüstungen.[2][3]
  • Durch die größeren Abmessungen und Massen sind Saugluftbremsen teurer in der Anschaffung.[2][3]
  • Die Saugluftbremse reagiert träger: Die Durchschlagsgeschwindigkeit der Vakuumbremse beträgt in der Regel 15, bei einer Schnellbremsung ca. 200 m/s. Sie ist somit geringer als bei der Druckluftbremse. Das Lösen der Saugluftbremse beansprucht relativ viel Zeit.[2]
  • Ein mechanischer Gleitschutz lässt sich bei der Saugluftbremse nicht realisieren.
  • Bei Dampflokomotiven ist der hohe Dampfverbrauch des Ejektors von Nachteil.[2] Dafür ist der Ejektor viel einfacher und weniger störungsanfällig als die bei der Druckluftbremse benötigte Luftpumpe, da er keine bewegliche Teile besitzt.
  • Durch den Unterdruck im System wird bei Leckagen an Schlauchkupplungen und Bremszylindern und bei Betriebsbremsungen Schmutz angesaugt, der im Bremssystem für erhöhten Verschleiß sorgt.[2]
  • Bei der Erzeugung des Unterdrucks kann sich in der Luft enthaltene Feuchtigkeit niederschlagen, was in Verbindung mit der bei der Erzeugung des Unterdrucks entstehenden Abkühlung und niedrigen Umgebungstemperaturen zu Reifbildung und Vereisung führen kann. Dies kann zur Unbrauchbarkeit oder Beschädigung der Bremseinrichtung führen.[2]
Manometer der Vakuumbremse im Führerstand der RhB Ge 2/4 222 aus dem Jahr 1913 von der Gebrüder Hardy AG aus Wien

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts versuchten viele Erfinder, Eisenbahnbremsen zu verbessern und zentral zu bedienen. Herausragend war die 1869 von George Westinghouse erfundene Druckluftbremse. Sie wurde von Westinghouse mehrfach verbessert, zum Beispiel durch das 1872 erfundene automatische Bremsventil. Trotzdem setzte sich die Druckluftbremse nicht überall durch, ein Grund dafür lag in Westinghouse´ Preispolitik: Er gab weder Rabatt noch erlaubte er eine Lizenzfertigung, um die Kontrolle über seine patentierte Erfindung nicht zu verlieren.

Eine preisgünstige Alternative wurde daher die um 1870 von John Y. Smith erfundene Vakuumbremse.[4] Sie ist ebenfalls eine durchgehende Bremse, aber einfacher aufgebaut und damit billiger als die Westinghouse-Bremse. In den USA entledigte sich Westinghouse dieser Konkurrenz erfolgreich, indem er 1875 Smiths Patentrechte aufkaufte. Der Konkurrenzkampf setzte sich jedoch in England fort, wo George Westinghouse keinen Patentschutz genoss, sodass die englischen Bahnen überwiegend die billigere, aber nicht selbsttätige Smith-Vakuumbremse beschafften.

Die englische Aufsichtsbehörde forderte ab 1875 die widerstrebenden Bahngesellschaften auf, automatische durchgehende Bremsen einzuführen, die bei Zugtrennungen selbsttätig den Zug anhalten. Um nicht die Westinghouse-Druckluftbremse beschaffen zu müssen, entwickelte T. G. Clayton, Chef der Wagenwerkstätten der Midland Railway, eine selbsttätig wirkende Vakuumbremse. In Verbindung mit dem verbesserten Ejektor von James Gresham war die selbsttätige Vakuumbremse nun praxistauglich und wurde zum Standard in Großbritannien und dem damaligen Empire.

Um 1875 verbesserte John Hardy die Smith-Vakuumbremse mit einem neuen Bremszylinder zur sogenannten Hardy-Bremse. Diese Bremse kam u. a. bei den der Rothschild-Bankengruppe nahestehenden Bahngesellschaften zum Einsatz, unter anderem in Frankreich, Österreich-Ungarn und bei der Schweizer Gotthardbahn. Ab 1900 setzte sie sich als Standard-Bremsausrüstung bei den Zügen der k.k. österreichischen Staatsbahnen durch.

Die 1877 von John Hardy gegründete Vacuum Brake Company Ltd. in London vermarktete die Patente von Smith, Clayton, Gresham und Hardy.[5] John Hardys Sohn William Edward hatte in Wien die Geschäftsleitung der dortigen Tochterfirma Gebrüder Hardy A.G. übernommen und entwickelte in Folge einen Bremsschieber, mit dem der Lokomotivführer die Bremse perfekt regulieren kann. 1885 war die selbsttätige (Clayton-)Hardy-Vakuumbremse ausgereift und blieb fast 50 Jahre unverändert in Produktion.

Bauformen und Verbreitung

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Rollwagen der Preßnitztalbahn mit deutlich sichtbaren, senkrecht eingebauten Vakuumbremszylindern

Über die Namen der Hersteller der jeweiligen Bremsausrüstungen werden die Hardy- und Körting-Saugluftbremse unterschieden. Beide Bauarten sind kompatibel und können zusammen eingesetzt werden. In Deutschland sind beide Bauformen noch bei einigen sächsischen Schmalspur-Fahrzeugen sowie bei der Museumseisenbahn Bruchhausen-Vilsen im Einsatz zu erleben.

In Österreich wurden ab 1891 bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs bei den Vorgängerbahnen der heutigen Österreichischen Bundesbahnen Saugluftbremsen der beiden Bauformen eingesetzt. Reisezugwagen für den internationalen Verkehr waren zusätzlich zur Saugluftbremse mit der Druckluftbremse ausgerüstet. Bei Schmalspurbahnen ist die Saugluftbremse noch verbreitet, z. B. bei den Altfahrzeugen der Mariazellerbahn, Zillertalbahn, Pinzgauer Lokalbahn oder den Waldviertler Schmalspurbahnen. Bei Neufahrzeugen kommt jedoch nur mehr die Druckluftbremse zur Anwendung. Auch bei den ursprünglich von Österreich errichteten und ausgestatteten Schmalspurbahnen in Jugoslawien wurde die Saugluftbremse bis zur Einstellung der letzten Strecken (um 1975) beibehalten.

In der Schweiz waren um das Jahr 1900 Vakuum- und Druckluftbremse bei Schmalspurbahnen etwa gleich häufig verbreitet. Anlässlich von Modernisierungen des Rollmaterials wechselten seither die meisten Bahnen zur Druckluftbremse. Abgesehen von Museumsbahnen trifft man saugluftgebremste Züge heutzutage bei der Rhätischen Bahn, der Matterhorn-Gotthard-Bahn, der Montreux-Berner Oberland-Bahn und bei den Transports publics Fribourgeois an.

In Großbritannien (inklusive Irland), in den britischen Kolonien sowie in Spanien und Portugal war die selbsttätige Saugluftbremse Standard. Allmählich wurde sie durch die Druckluftbremse abgelöst, im Vereinigten Königreich ab den 1970er Jahren. Bei den Indian Railways und in Südafrika kommt die Saugluftbremse nach wie vor zum Einsatz,[6] in Argentinien teilweise.

Für die meisten dieser Fahrzeuge lieferte die mit der Vacuum Brake Company in London als „Generalrepräsentanz“ für Kontinentaleuropa eng verknüpfte Tochterfirma Gebrüder Hardy A.G. in Wien die Bremsausrüstung.

Commons: Saugluftbremse – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. J.R.L. Currie: The Runaway Train: Armagh 1889. David & Charles, Newton Abbot 1971, ISBN 0-7153-5198-2, S. 109, 129–130.
  2. a b c d e f g h A. Führ: Die wesentlichsten Mängel der selbsttätigen Saugluft-Schnellbremse. In: Annalen für das Gewerbe und Bauwesen. Band 84, Heft 10. Berlin 15. Mai 1919, S. 97–108 (archive.org).
  3. a b Walter von Andrian: „Flügeltriebzüge“ für die RhB. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 8–9. Minirex, 2016, ISSN 1022-7113, S. 400–402.
  4. Vacuum Brake Co – Graces Guide. Abgerufen am 31. August 2022.
  5. Österreichisches Biographisches Lexikon und biographische Dokumentation: Hardy, John. 2003, abgerufen am 31. August 2022.
  6. Twin Pipe Dual Brake System. In: indianrailways.gov.in.