Homosexualität in Österreich

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Geografische Lage von Österreich

Homosexualität in Österreich war lange Zeit, besonders während der Zeit des Nationalsozialismus und in den ersten beiden Jahrzehnten nach Gründung der Republik Österreich von diskriminierender Gesetzgebung und Verfolgung betroffen. Heute ist Homosexualität jedoch weitgehend akzeptiert, besonders in größeren Städten. Es existieren keine Gesetze mehr, welche homosexuellen Geschlechtsverkehr bestrafen. Seit 2009 ist es für gleichgeschlechtliche Paare möglich, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, die in den meisten Rechtsbereichen anerkannt wird. Die Ehe steht weiterhin nur heterosexuellen Paaren offen. Zuletzt hat sich die Situation im Bereich LGBT-Rechte und der öffentliche Umgang damit verbessert. 2017 wurde das Eheverbot vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig befunden, die Ehe muss spätestens 2019 geöffnet werden.

Legalität

Regenbogen- und Österreichfahnen bei einem Auftritt von Conchita Wurst (2014)

Homosexualität zwischen Erwachsenen wurde 1971 legalisiert.[1] Im Jahr 2002 wurde nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs das Schutzalter für männliche Homosexuelle von 18 auf 14 Jahre gesenkt.[2] Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich wegen der ursprünglichen Rechtslage, die als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention qualifiziert wurde, verurteilt.[3]

Antidiskriminierungsgesetze

Seit 2004 ist die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung gesetzlich infolge der Umsetzung von EU-Antidiskriminierungsvorschriften verboten. Homosexuelle Menschen werden nicht vom Militärdienst ausgeschlossen.

Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

Innerhalb der deutschsprachigen Länder und der meisten angrenzenden Länder war Österreich im Bereich der gesetzlichen Anerkennung der Partnerschaften bis 2009 zurückgeblieben. Eine registrierte, staatliche Anerkennung wie in vielen anderen nord- und westeuropäischen Ländern im Rahmen einer Eingetragenen Partnerschaft war bisher gesetzlich nicht erfolgt. Ebenso wurde auch nicht die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet.

In der politischen Diskussion wurde 2008 noch vom Gesetzesentwurf Lebenspartnerschaftsgesetz des Justizministeriums unter Bundesministerin Maria Berger (SPÖ) gesprochen. Die Regierungskoalition zwischen SPÖ und ÖVP hat dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der neben Vertretern der Ministerien auch alle österreichischen Homosexuellenorganisationen (u. a. Rechtskomitee Lambda, RosaLila PantherInnen sowie HOSI Linz, Salzburg, Tirol und Wien) eingeladen waren.

Im November 2009 einigte sich die Regierungskoalition im Ministerrat darauf, eingetragene Partnerschaften zu erlauben; lesbische und schwule Paare können sich aber erst seit April 2017 auf dem Standesamt trauen lassen. [4] Im Zivil-, Arbeits-, Ausländer- und Rentenrecht sowie im Steuerrecht werden homosexuelle, verpartnerte Paare heterosexuellen, verheirateten Paaren gleichgestellt, auch besteht die Möglichkeit, einen gemeinsamen Namen zu tragen.[5] Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) wurde am 10. Dezember 2009 im Nationalrat mit den Stimmen der Abgeordneten von SPÖ und von ÖVP verabschiedet, und am 18. Dezember 2009 vom Bundesrat bestätigt.[6][7][8] Es wurde am 30. Dezember 2009 im BGBl. I Nr. 135/2009 veröffentlicht und trat am 1. Jänner 2010 in Kraft.

Die Personenstandsverordnung des Innenministeriums wurde laut Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt am 1. Jänner 2010 veröffentlicht. Am 4. Jänner 2010 ließen sich die ersten vier homosexuellen Paare in Wien als Partnerschaften eintragen.[9] Seit 1. August 2013 ist in Österreich die gemeinschaftliche Adoption leiblicher Kinder gesetzlich erlaubt.[10][11] Am 14. Jänner 2015 gab der Präsident des Verfassungsgerichtshofes bekannt, dass das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Partner aufgehoben würde, da „es keine sachliche Rechtfertigung für eine ausschließlich nach der sexuellen Orientierung ausgerichtete differenzierende Regelung gibt“.[12] Am 1. Januar 2016 trat das Gesetz zur gemeinschaftlichen Adoption nichtleiblicher Kinder durch verpartnerte Paare in Österreich in Kraft.[13]

Gleichgeschlechtliche Ehe

Die gleichgeschlechtliche Ehe ist gegenwärtig in Österreich nicht möglich. Seit Oktober 2017 prüft der Verfassungsgerichtshof, das höchste Gericht des Landes, auf dem Amtsweg das Eheverbot für homosexuelle Paare auf seine Verfassungskonformität.[14] Am 5. Dezember 2017 entschied der Verfassungsgerichtshof, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe zum 1. Jänner 2019 offensteht.[15][16] Im Januar 2018 erklärte der ÖVP-Regierungschef Sebastian Kurz im Fernsehen, dass die neue Regierung das Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes respektieren werde, und dieses Urteil in Österreich parlamentarisch umgesetzt wird.[17]

Gesellschaftliche Situation

Regenbogenparade 2007

Eine Eurobarometer-Umfrage in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom Juni 2015 zeigte, dass Österreich zu den aufgeschlossenen Ländern der EU gegenüber den Rechten von Schwulen und Lesben gehört. 73 % der Österreicher befürworten die gleichgeschlechtliche Ehe[18]. Die Möglichkeit der Adoption befürworten 56 % der Bevölkerung.[19] Eine homosexuelle Gemeinschaft findet sich vorrangig in der Hauptstadt Wien sowie in den größeren Städten Linz, Innsbruck, Salzburg und Graz. Jährlich findet in Wien eine Regenbogenparade zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben statt.

Nach dem Tod von Jörg Haider verbietet eine einstweilige Verfügung des Grazer Landesgerichts der Bild (Zeitung), bis auf weiteres, über die sexuelle Orientierung von Jörg Haider zu spekulieren. Die einstweilige Verfügung gegen die Berichterstattung der Medien hatte Haiders Witwe Claudia in seinem Namen beantragt. In der einstweiligen Verfügung legte der Richter des Landesgerichts fest: „Die Behauptung und oder Verbreitung der Äußerung, Dr. Jörg Haider wäre homosexuell gewesen und/oder Dr. Jörg Haider wäre bisexuell gewesen und/oder Dr. Jörg Haider hätte vor seinem Tod einen Geliebten gehabt und/oder sinngleiche Äußerungen sind in Zukunft zu unterlassen.“[20][21][22] Laut der einstweiligen Verfügung stellt der „Vorwurf der Homosexualität“, egal ob bewiesen oder nicht, eine Ehrenbeleidigung dar, an der es kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gibt. Denn Homosexualität werde, trotz eines Wandels in der Gesellschaft, von einem maßgeblichen Teil der Mediennutzer „negativ“ verstanden.[23]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Homosexualität in Österreich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „Kleine Strafrechtsreform“ (BGBl. Nr. 273/1971, Strafrechtsänderungsgesetz 1971 (pdf S. 1)
  2. Erkenntnis G6/02 des Verfassungsgerichtshofs vom 21. Juni 2002, abrufbar im Rechtsinformationssystem der Republik Österreich (RIS).
  3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Urteil zu Az 45330/99 vom 9. Januar 2003 (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/archive.equal-jus.eu
  4. STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.: Homosexuelle dürfen sich nun am Standesamt verpartnern. In: derStandard.at. (derstandard.at [abgerufen am 6. April 2017]).
  5. Doch Einigung auf Homo-Ehe. In: derStandard.at, 17. November 2009
  6. Auch Österreicher dürfen sich verpartnern. In: Queer.de, 10. Dezember 2009
  7. RKL feiert „schlechtestes Partnerschaftsgesetz“ als eigenen Erfolg. In: GGG.at, 10. Dezember 2009
  8. Österreichs Parlament beschließt Lebenspartnerschaft. In: TIMM.de
  9. Eintragung am Standesamt – Die ersten homosexuellen Paare trauten sich. In: derStandard.at, 4. Jänner 2010
  10. Nach EGMR-Urteil, Österreich führt Stiefkindadoption ein. In: queer.de
  11. Österreichisches Parlament:Stiefkindadoption wird für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet
  12. VfGH kippt Adoptionsverbot für Homosexuelle. 14. Januar 2015, abgerufen am 14. Januar 2015.
  13. Österreich hebt Adoptionsverbot für Homo-Paare auf. In: Queer.de
  14. VfGH prüft Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich. In: Kurier, 17. Oktober 2017
  15. Verfassungsgericht erlaubt Ehe für alle in Österreich. In: Zeit.de, abgerufen am 5. Dezember 2017.
  16. Verfassungsgericht erlaubt in Österreich die "Ehe für alle". In: Sueddeutsche.de, abgerufen am 5. Dezember 2017.
  17. Das Erste: Kanzler Kurz: Wunderknabe oder politischer Scharfmacher
  18. Irene Brickner: Homo-Ehe: Im Grunde müsste auch in Österreich das Volk direkt entscheiden. In: Der Standard. 1. Juni 2015, abgerufen am 30. Juli 2015.
  19. https://derstandard.at/1381370702708/Mehrheit-will-Ehe-und-Adoption-fuer-Homosexuelle
  20. APA/Elke Galvin: Gericht schützt posthum Haiders Privatsphäre. In: kleinezeitung.at. 19. November 2009, abgerufen am 19. November 2009.
  21. APA: Jörg Haiders Privatleben beschäftigt Gerichte. In: diepresse.com. 19. November 2009, abgerufen am 19. November 2009.
  22. Toter Haider gewinnt Sex-Prozess. In: oe24.at. 19. November 2009, abgerufen am 19. November 2009.
  23. Norbert Blech: Grazer Gericht verbietet Haider-Outing. In: Queer.de. Archiviert vom Original am 24. November 2009; abgerufen am 21. November 2009.