Sauerteig
Sauerteig ist ein Teig zur Herstellung von Backwaren (aus Wasser und Mehl), der zeitweilig oder dauerhaft mittels homo- („nur milchsäureproduzierender“) und heterofermentativer („milch- wie auch essigsäureproduzierender“) Milchsäurebakterien und Hefen in Gärung gehalten wird. Die entstehende Kohlensäure lockert den Teig auf.
Sauerteig wird als Triebmittel zur Lockerung von Backwerk zugefügt und macht schwere Roggenteige backfähig. Sauerteige verbessern Verdaulichkeit, Aroma, Geschmack, Haltbarkeit und Schnitt der Backwaren. Ebenso werden ernährungsphysiologische Eigenschaften verbessert.
Allgemeines
Sauerteige enthalten eine Lebensgemeinschaft von Milchsäurebakterien und Hefepilzen, die der Mensch seit mehreren tausend Jahren für die Herstellung von Getreidefladen, Brot und brotähnlichen Nahrungsmitteln benutzt. Die Stoffwechselprodukte dieser Mikroorganismen lockern den Teig und verbessern die Verdaulichkeit, das Aroma, den Geschmack und die Haltbarkeit der Backwaren. Eine besondere Bedeutung hat Sauerteig bei der Verwendung von Roggenmehl. Während für Weizenmehl auch reine Hefe als Triebmittel verwendet werden kann, ist bei der Verwendung von Roggenmehl die Zuführung von Säure erforderlich, damit das Brot nicht flach bleibt. Die Milchsäurebakterien des Sauerteigs produzieren diese in Form von Milchsäure und Essigsäure.
Während in der Vergangenheit Verfahren und Methoden zur preiswerten und effizienten Brotbereitung gesucht wurden, stehen heute die geschmacklichen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften von sauerteiggeführten Backwaren im Vordergrund. Gerade Vollkornprodukte erhalten durch Sauerteig ein verbessertes "Mundgefühl" und einen besseren Geschmack, wobei nährwertbestimmende Substanzen erhalten bleiben.
Arten des Sauerteiges
Weizensauer
Weizensauer ist ein Teig aus Weizenmehl, Wasser, Hefen (Saccharomyces cerevisiae, Saccharomyces minor) und oft einem geringen Anteil von Milchsäurebakterien (Lactobacillus plantarum). Einige traditionelle Gebäcke mit Weizensauerteig sind Ciabatta oder Panettone.
Roggensauer
Roggensauer ist ein Gemisch aus Roggenmehl, Wasser und Milchsäurebakterien (Lactobacillus plantarum und Lactobacillus brevis) und meistens Hefen (Saccharomyces cerevisiae, Saccharomyces minor). Nicht alle Roggensauerteige enthalten ausreichend Hefen für die Lockerung. Deswegen wird oft mit Bäckerhefe nachgesteuert. Abhängig von den verschiedenen Mikroorganismen entstehen unterschiedliche Produkte aus der Verstoffwechslung.
Krümelsauer
Mit viel Mehl zu trockenen Krümeln verarbeiteter Sauerteig wird als Krümelsauer bezeichnet und dient der Aufbewahrung.[1]
Sonstige Sauerteigformen
Mittels spezieller Sauerteige lassen sich nahezu alle stärkehaltigen Getreide (Weizen, Roggen, Gerste, Reis, Mais, Hirse, Sorghum, Teff, Hafer, Triticale, Wildreis, Kamut) und Pseudogetreidearten wie Amarant, Quinoa, bzw. andere stärkehaltige Lebensmittel (Buchweizen, Kartoffel, Bohnen, Erbsen etc.) zu brotartigen Backwaren verbacken. Sonderformen des Sauerteigs sind daher nicht – wie Zuchthefe – allein bei Weizen und glutenhaltigen Getreidearten verwendbar. Anstelle der Bildung von Gluten tragen bei diesen Backwaren meist Schleimstoffe zur Krumenbildung bei. Diese Sauerteigformen sind in Mitteleuropa eher unbekannt, in Südamerika, Afrika und Asien aber recht gebräuchlich. Der Geschmack ist mit unserem Brotverständnis meist nicht vereinbar, gemäß Definition sind es aber zweifelsohne Sauerteig-Backwaren. Sehr weit verbreitet ist das Gären- und Gehenlassen der Brotteige in Ecuador (Gerstenküchlein und Mais-Fladen) und Mittelafrika (Hirsefladen, Teff-Brot). Weitere Teigführungsarten, die per Definition den Sauerteigen zugerechnet werden müssen, sind Backferment und das Honig-Salz-Verfahren.
Wirkungen des Sauerteigs
Geschmack und Aroma
Sauerteigbrote enthalten viele Geruchs- und Geschmacksstoffe. Es sind über 300 Aromastoffe bekannt, wobei aber nur wenige aroma- und geschmacksbestimmend sind. Viele der beteiligten Substanzen sind bereits im Mehl vorhanden, ergeben aber einen schwachen Aromaeindruck. Durch Gärung und Bildung von Estern (aus Ethanol und Säuren) im Sauerteig werden diese Aromastoffe kräftig ausgebildet. Tragende Aromaverbindungen wie Methylbutanol und Diacetyl nehmen in der Konzentration zu, aber es werden auch unerwünschte Aromen reduziert; so wird z. B. der grasige Aromastoff Hexanal im Sauerteig abgebaut.
Volumen, Textur und Porung
Durch Sauerteig wird das spezifische Volumen erhöht. Die Porung der Krume ist feiner. Daneben zeichnet eine höhere Feuchte und Elastizität eine Sauerteigführung aus, wodurch das Gebäck schnittfester wird. Beim Verzehr ist das Mundgefühl angenehmer, da alle Fraktionen des Mehles besser aufgeschlossen werden: ein Effekt, der besonders bei Vollkornprodukten wirkt. Roggenbrote können durch die Absenkung des pH-Wertes besser gekaut werden. Beim Kauen haftet die ungesäuerte Krume an den Zähnen, bewirkt ein unangenehmes Mundgefühl; mit fallendem pH-Wert nimmt die Elastizität der Krume zu.
Verarbeitungseigenschaften
- Weizenteige aus Sauerteig – besonders Vollkornweizenteige – binden Feuchtigkeit und gewährleisten durch gute Quellung eine bessere und leichtere Verarbeitung. Dies wohl auch, weil die Löslichkeit der Pentosane zunimmt. Die Kleberentwicklung wird verbessert, wobei der Teig dehnfähiger wird.
- Im Gegensatz zu Weizenteigen bedürfen Roggenteige der Säure, um backfähig zu sein. Ursachen sind die Beschaffenheit der Kleberproteine, das Verkleisterungsverhalten der Stärke und die Charakteristik ihrer Enzyme (α-Amylasen). Diese α-Amylasen sind hochaktiv, da Roggengetreide keine Keimruhe besitzt. Roggenstärke verkleistert bei einer Temperatur von 49–56 °C, wodurch es zu einer Überschneidung mit dem Temperaturoptimum der Roggenamylasen, welches bei 45–50 °C liegt, kommt. Roggenteige bilden kein Klebergerüst, dessen Aufgabe (Krumebildung) während des Backprozesses hauptsächlich von wasserbindenden Pentosanen übernommen wird. In ihnen lagert sich die Roggenstärke ein und bildet nach dem Verkleistern die stabile Krume. Ohne Säure würde die Krume von den mehleigenen Enzymen abgebaut, das Brot bliebe flach und wäre ungenießbar. Die Säuren des Sauerteigs bewirken bei einem pH-Wert von 4,1 die vollständige Einstellung der Amylaseaktivitäten.
Frischhaltung
Das Altbackenwerden ist komplex und noch nicht vollständig erforscht. Das Brot verliert Aroma und Mundgefühl, es wird härter und spröder; die Stärke gibt Feuchtigkeit ab und geht in einen kristallinen Zustand über. Die Feuchtigkeit wandert von der Krume zur Kruste, wo sie austritt. Bisher ist nur sicher, dass die Bildung von Exopolysacchariden, die bei der Sauerteigfermentation durch Milchsäurebakterien entstehen, darauf wesentlichen Einfluss hat.
Lagerfähigkeit
Sauerteiggeführte Brote schimmeln langsamer als nicht gesäuerte oder chemisch gesäuerte Brote. Ursachen und Wirkung sind vielfältig. Gesäuerte Brote sind weniger anfällig gegen:
- Schimmel. Bewirkt wird die verminderte Anfälligkeit gegenüber Verderb durch die Absenkung des pH-Wertes und die Bildung von Capronsäure oder Phenyl-Milchsäuren. Während der Säuerung entstehen außerdem antimikrobielle Stoffwechselprodukte, die gemeinsam mit dem Absenken des pH-Wertes wirken. Undissoziierte Säuren durchdringen den Zellkern und zerstören die lebensnotwendige Transmembran. Es werden auch Diacetyl, Acetaldehyd oder Wasserstoffperoxid gebildet, die ebenfalls antimikrobiell wirken, aber Geruch und Geschmack des Produktes beeinflussen.
- „Fadenziehen“. In den letzten Jahren ist die alte, fast vergessene, Brotkrankheit des Fadenziehens wieder häufiger anzutreffen. Sie tritt nur bei Weizenbroten auf und wird durch die Zugabe von Sauerteig verhindert.
Gewinnung
Sauerteig durch spontane Säuerung
Dieses Verfahren ist recht alt, wird auch heute noch angewendet, um die Grundlage (Anstellgut) für Sauerteig zu ziehen. Untersuchungen haben zum Ergebnis geführt, dass sich in der sauren Umgebung schädliche Organismen (Salmonellen, Escherichia coli, Staphylokokken) nicht vermehren.
Milchsäurebakterien kommen überall vor. Sie sind im Mehl, in der Luft und im Wasser zu finden. Daher kann ein Sauerteig dadurch hergestellt werden, dass man je die gleiche Menge (Roggen-)Mehl und Wasser miteinander vermengt und zugedeckt bei Zimmertemperatur ca. zwei Tage stehen lässt. Riecht der Teig dann angenehm säuerlich, kann man davon ausgehen, dass sich die Milchsäurebakterien durchgesetzt haben. Das heißt, die Milchsäurebakterien haben sich ein saures Milieu geschaffen, in dem es für die meisten anderen Mikroorganismen (z.B. Fäulnisbakterien) unmöglich ist, zu existieren.
Das Ergebnis ist jedoch stark vom Zustand der Rohstoffe abhängig. Wesentlich beeinflussen die Lagerung der Rohstoffe (Temperatur, Feuchtigkeit) sowie der Befall von Schädlingen die Anzahl und Arten der Mikroorganismen. Damit sich eine bestimmte Art von Bakterien oder Hefen sicher entwickeln kann, müssen genügend Keime dieser Art vorhanden sein. Erfolg und Qualität hängen stark vom Zufall ab. Es ist ein Verdrängungswettbewerb, der darüber entscheidet, welche Kulturen sich entwickeln.
Starterkulturen
Starterkulturen sind die Grundlage für einen standardisierten Sauerteig. In der Produktion wird ein Mehl-Wasser-Gemisch gezielt mit bestimmten Kulturen geimpft, woraus sich ein Sauerteig entwickelt. Auch hier wird ein Rest Anstellgut für den nächsten Sauerteig aufgehoben. In bestimmten Zeitabständen wird der Sauer oft vollkommen neu mit Reinzuchtsauer angesetzt, wobei andere Produzenten wiederum auf eigene, bewährte, jahrelang stabile Kulturen setzen.
Ab 1909 wurde Reinzuchtsauer für eine industrielle Fertigung entwickelt und anschließend hergestellt und vertrieben. Anders als bei der spontanen Säuerung werden sie im sterilen Umfeld gezogen.
Einteilung der Starterkulturen für Standardsauerteige
- Starter für Reinzuchtsauerteig
- Starter für Silosauerteig
- Starter zur Vorratshaltung, tiefgefriertauglich
- Starter für die Brotfermentation
- Starter für Anfrischsauer
Kulturen
- Durchgesetzt hat sich der Stamm Lactobacillus sanfranciscensis, der heterofermentativ ist. Neben Essigsäure werden Milchsäure, Ethanol und Kohlendioxid gebildet. Dabei entstehen auch Peptide, Aminosäuren und Zucker, welche Grundstoffe für die spätere Aromabildung im Brot sind.
- Seit vielen Jahren wird Candida humilis als Sauerteighefe eingesetzt.
Starterkulturen werden für folgende Getreidearten angeboten:
- Roggensauerteig
- Weizensauerteig
- Roggen- und Weizensauerteig
- Dinkelsauerteig
- Reisstarter
- Backfermente für Roggen, Weizen und andere Getreidearten
Ohne Bedeutung ist die Art des Getreides für die Entwicklung der gewünschten Mikroorganismen. Wichtiger ist die Versorgung mit den notwendigen Nährstoffen, wobei dunkle Mehle deutlich besser abschneiden.
Starter für den Bio-Bereich
Mittlerweile werden auch Starter mit Biozertifikat angeboten, wobei die Grundstoffe Roggen, Weizen oder Dinkel biologisch angebaut werden (EU-Verordnung 2092/91). Nach dieser EU-Verordnung dürfen konventionelle Starterkulturen verwendet werden. Einige Verbände bestehen aber auf Starterkulturen aus Spontansauer. Diese werden aus Spontansauer gezogen und steril weiter gezüchtet, um ein Standardprodukt zu erhalten.
Biologische Prozesse
Im (Roggen)sauerteig arbeiten im wesentlichen „homo-“ und „heterofermentative“ Milchsäurebakterien und bewirken dabei den Pasteur-Effekt:
- Homofermentative Gärung: Glukose → Milchsäure + 218 kJ Energie
- Heterofermentative Gärung: Glukose → Milchsäure + Ethanol + Kohlendioxid
- und gleichzeitig: Glukose → Milchsäure + Essigsäure
Die Milchsäurebakterien zersetzen also einen Teil der Kohlenhydrate im Mehl zu Milchsäure, zu Essigsäure und einen geringen Anteil Kohlendioxid. Die Hefen tragen ebenfalls Kohlendioxid sowie kleine Mengen Alkohol (Ethanol) zum Gärungsprozess bei. Der Alkohol wird von den Essigsäurebakterien in Essigsäure umgewandelt. Durch verschiedene Bedingungen (Gärungszeit, Mischungsverhältnis, Temperatur) kann Einfluss auf die Anteile der einzelnen Gärungsprodukte und somit auf Eigenschaften und Geschmack (Wirkung) des Sauerteigs genommen werden.
Das Verhältnis von Milchsäure und Essigsäure sollte etwa „80 zu 20“ betragen. Das Verhältnis der beiden Säuren bestimmt den Charakter eines Brotes (Brotsorte); je höher der Essigsäureanteil ist, desto saurer schmeckt das Brot. Ein rustikales Roggenbrot kann durchaus einen höheren Anteil Essigsäure enthalten, um seinen typischen Charakter auszubilden.
Durch die Säuerung wird der pH-Wert im Teig schrittweise auf 4,0 bis 4,3 abgesenkt. Dabei laufen enzymatische Prozesse ab, in denen Geruchs- und Geschmackstoffe entstehen, die den Charakter eines Brotes bestimmen. Außerdem werden bei der Reifung Vorprodukte für die Geschmacksbildung während des Backprozesses gebildet (Maillard-Reaktion). Die unterschiedlichen Mikroorganismen benötigen unterschiedliche Lebensbedingungen hinsichtlich Feuchtigkeit und Temperatur. Milchsäurebakterien entwickeln sich optimal bei 30–35 °C, dagegen Essigsäurebakterien optimal bei 20–25 °C und Hefen bei 24-26 °C.
Die Randschichten der Roggen- und Weizenkörner enthalten Phytinsäure, welche die Entwicklung des jungen Getreidekorns fördert und vor Fressfeinden schützt. Dunkle Mehle enthalten viel Phytinsäure, während der Anteil zu hellen Mehlen abnimmt und bei Auszugsmehl unbedeutend ist. Phytinsäure gilt als antinutritiv: Sie bindet Mineralstoffe (Ca, Mn, Mg, Fe) durch Eiweißkomplexe (Phytate), wodurch die Resorption im Darm erschwert oder vermindert wird. Grundsätzlich ist Phytin im Brot für den menschlichen Organismus unbedeutend, da es thermisch nicht stabil ist; jedoch bleiben darin Mineralien gebunden. Im Sauerteig - durch den niedrigen pH-Wert - bauen getreideeigene Enzyme Phytat ab.
Sauerteigführungen
Hauptartikel: Sauerteigführung
Als Führung bezeichnet man die Herstellung eines Sauerteiges über ein oder mehrere Stufen unterschiedlicher Temperatur, wobei versucht wird, ein dem gewünschten Produkt entsprechendes Verhältnis der Mikroorganismen (Hefen und Milchsäurebakterien) zu erreichen.
Allgemeine Verkehrsauffassung von Sauerteig
Mit der Bezeichnung Sauerteig verbindet der Verbraucher ein Produkt mit hoher Qualität und natürlichem Ursprung. Verschiedene Länder haben daher Richtlinien und Produktbeschreibungen zum Schutz des Verbrauchers erlassen:
Deutschland
Im Deutschen Lebensmittelbuch werden Leitsätze (§ 15 LFGB) über die geltende Verkehrsauffassung für viele Lebensmittel beschrieben. Diese Leitsätze [2] wurden von Verbrauchern, Wissenschaftlern, Wirtschaft, Lebensmittelüberwachung und Behörden erarbeitet und fortgeführt. Leitsätze sind aber keine Rechtssätze. Man könnte sie als vorweggenommenes Sachverständigengutachten bezeichnen. Produkte können von diesen Leitsätzen abweichen und bei entsprechender Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden.
Definition von 2006 (Auszug):
- „1.11 Sauerteig ist ein Teig, dessen Mikroorganismen (z.B. Milchsäurebakterien, Hefen) aus Sauerteig oder Sauerteigstartern sich in aktivem Zustand befinden oder reaktivierbar sind. Sie sind nach Zugabe von Getreideerzeugnissen und Wasser zur fortlaufenden Säurebildung befähigt. Teile eines Sauerteiges werden als Anstellgut für neue Sauerteige verwendet. Die Lebenstätigkeit der Mikroorganismen wird erst durch Backen oder Heißextrudieren beendet. Die Säurezunahme des Sauerteigs beruht ausschließlich auf dessen Gärungen.“
In den Leitsätzen wird auch Sauerteigbrot definiert:
- „3.1 Sauerteigbrot wird so hergestellt, dass die gesamte zugesetzte Säuremenge aus Sauerteig stammt. Auf Nummer 1.11 wird verwiesen. Hinweise auf die Mitverwendung von Sauerteig sind nur üblich, wenn die zugesetzte Säuremenge zu mehr als zwei Dritteln aus Sauerteig stammt. Bei Bauern-/Landbrot mit einem Roggenanteil über 20 % stammt die zugesetzte Säuremenge zu mindestens zwei Dritteln aus Sauerteig.“
Österreich
Den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches, entspricht in Österreich der „Codex Alimentarius Austriacus“. Auszüge:
B9: Backhefe, Sauerteig, Backpulver, Triebmittel für besondere Zwecke:
- Abs. 5: Sauerteig ist aus Mehl oder Schrot mit Wasser bereiteter in saurer Gärung befindlicher Teig. Die Gärung und Säuerung kann entweder spontan erfolgen oder durch Zusatz einer über eine Reinzucht herbeigeführte Mischkultur von Sauerteighefen und Säurebildner hervorgerufen. Nach der Art der Entstehung unterscheidet man daher Natursauer und Reinzuchtsauer.
- Abs. 7 (Auszug): Sauerteig, der durch den Parallelvorgang der Spontangärung und Spontansäuerung von sich aus entstanden ist, wird Natursauer genannt. [...] Im Natursauer müssen die erwünschten Herführungsmaßnahmen, die ihre Entwicklung fördern, vermehrt werden, wodurch gleichzeitig die Zunahme der unerwünschten Mikroorganismen gehemmt wird.
In Österreich wird also Natursauer recht eng definiert. Seine Verwendung wird bei der Herstellung von Land- und Bauernbrot (Codexkapitel B18) gefordert.
Schweiz
Im Kap. 16 des Schweizerischen Lebensmittelbuches wird Sauerteig definiert (Auszug):
- Sauerteig ist ein durch spontane oder durch Starterkulturen (Laktobazillen) gezielt gelenkte Gärung über mehrere Stufen herangeführter Teig aus Roggen- oder Weizenmehl mit einer aktiven, triebfähigen Mikroflora. [...] Der pH-Wert eines ausgereiften Sauerteiges liegt je nach Art (Roggen / Weizen) und Ausmahlungsgrad im Bereich von 3,2 – 4,5, der Säuregrad zwischen 10 – 30. Der Saueranteil (ausgereifter Vollsauer) beträgt je nach Brottyp und gewünschter Geschmacksnote 15 – 50 %.
Frankreich
Am 13. September 1993 trat das Dekret No. 93 – 1074 zum Schutz der Brotsorten: Pain Maison, Pain de Tradition Française und Pain au levain in Kraft. Auszüge:
- Art. 3: Brot, das unter der Bezeichnung „Pain au Levain“ in Verkehr gebracht wird, muss mit einem Sauerteig entsprechend Art. 4 hergestellt worden sein und höchstens einen pH-Wert von 4,3 sowie mehr als 900 ppm Essigsäure aufweisen.
- Art 4: Sauerteig ist ein Teig, zusammengesetzt aus Weizen- oder Roggenmehl, Trinkwasser und eventuell Salz, der einer natürlichen säurebildenden Fermentation unterliegt und dessen Funktion es ist, den Teig aufgehen zu lassen. Sauerteig enthält hauptsächlich aus Milchsäurebakterien bestehende säuernde Mikroflora oder Hefen. Der Zusatz von Backhefe (Saccarmyces cerevisae), die zur Verwendung im Brotteig bestimmt ist, ist mit 0,2 % (bezogen auf die Gesamtmehlmenge) erlaubt. Der Sauerteig kann auch getrocknet sein, sofern er 1 Mrd. Bakterien pro Gramm und 10 Mio. Hefen pro Gramm enthält. Nach Zugabe von Wasser und eventuell Zusatz von Backhefe (Saccarmyces cerevisae) muss er gemäß obigen Bedingungen ausreichend Teigtrieb erbringen. Dem Sauerteig können auch genehmigte Mikroorganismenarten zugesetzt werden.
Geschichte
Die ersten unsicheren Hinweise auf Sauerteig stammen aus Ägypten aus der Zeit der 4. Dynastie (ca. 2800 v. Chr.). Es kann sich dabei jedoch auch um zufällig gärenden Getreidebrei gehandelt haben.
Gesicherte Hinweise auf Sauerteigbrot finden sich anlässlich des Auszugs der Israeliten aus Ägypten in der Zeit 1400-1200 v. Chr. in der Bibel (2. Mose 12, 8: „...das Fleisch aber sollen sie in der selben Nacht noch essen; am Feuer gebraten sollen sie es essen, und ungesäuertes Brot mit herben und bitteren Kräutern dazu.“). Das hier erwähnte „ungesäuerte“ Brot ist das traditionelle Fladenbrot (Matze, das heute noch im Judentum zu Pessach verzehrt wird), welches nicht aus Sauerteig hergestellt wird. Die Tatsache, dass auf „ungesäuertes Brot“ hingewiesen wurde, ist als Beweis zu werten, dass ansonsten auch gesäuertes und damit getriebenes Brot verwendet wurde.
Die Griechen übernahmen das Brotbacken mit Sauerteig um 800 v. Chr. von den Ägyptern und gaben das Wissen an die Römer weiter. Plinius der Ältere beschrieb um 79 n. Chr. die Gewinnung von Sauerteig durch die Vermischung von Weizenkleie mit drei Tage altem Traubenmost.[3] Auch Verfahren der Spontansäuerung und die Weiterführung von Sauerteigen waren ihm bekannt. Im Mittelalter geriet das vielfältige Wissen um Ackerbau und Brotbereitung allerdings wieder in Vergessenheit. Lediglich an den Höfen und in Klöstern wurde dieses Wissen noch gepflegt.
In Deutschland lieferten im 15. und 16. Jahrhundert die Brauer und Schnapsbrenner den Bäckern die erste Hefe. In Frankreich war diese Technik lange umstritten, da die Bevölkerung eine Gesundheitsgefährdung durch dieses neue Lebensmittel fürchtete. Erst 1670 wurde die Verwendung von Bierhefe erlaubt, wobei sie vorher mit Sauerteig vermischt werden musste. In Europa wurden die ersten Hefezüchtungen um 1700 bekannt. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die fabrikmäßige Produktion von Hefe etabliert. Auftrieb brachten der Entwicklung der Bäckerhefe die Kühlmaschinen des Carl von Linde. Die Brauer stiegen nach 1877 von obergärigem zu untergärigem Bier um. Dies war nur durch Kühlung möglich, wobei aber keine brauchbare Hefe für die Bäckereien mehr anfiel. Zwangsweise wurde damit die Entwicklung spezieller Backhefen gefördert. Die Hefen der Brauer und Brenner waren von schlechter Qualität. Der Stamm Saccharomyces cerevisiae wurde gezielt selektiert und produziert, da mit dieser Hefe hervorragende Backergebnisse erzielt wurden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde Weißbrot in den Städten fast nur noch mit Bäckerhefe produziert. Es gibt Berichte, dass allerdings auf dem Land Weißbrot ausschließlich mit Weizensauer gebacken wurde, da das schnelle Altbackenwerden ungesäuerter Brote gegenüber gesäuerten als nachteilig empfunden wurde.
Roggensauer wurde um 1900 erstmalig durch Zitronensäure ersetzt, die Backergebnisse waren allerdings nicht optimal. Um 1920 empfahl man beim Roggenteig zur Vereinfachung der Brotbereitung den Zusatz von Säuren, was nach heutigem Erkenntnisstand auch sinnvoll war, denn damalige Mehle verfügten über einen hohen Enzymgehalt. Parallel dazu entwickelte man Sauerteigstarterkulturen und bot sie als „Reinzuchtsauer“ an. 1930 gelangten die ersten Fertigsauer auf den Markt. Sie bestanden aus Quellmehl und Gärungsmilchsäure. Ebenfalls um 1930 wurde getrockneter Sauerteig angeboten, der allerdings verfahrensbedingt nur einen geringen Säureanteil hatte. 1970 wurde der Trockensauer als „Sauerteig-Extrakt-Roggen“ auf den Markt gebracht.
Danach blieb die Entwicklung nicht stehen. Unzählige Verfahren und Backmittel wurden entwickelt und laufend verbessert, um die bestehenden Sauerteigverfahren zu optimieren und zu vereinfachen.
Kulturelle Verbreitung
Judentum
Im Judentum ist das ohne Sauerteig (Chametz) bereitete Brot ein Symbol der Wanderschaft. Es erinnert an den eiligen Aufbruch in der Nacht des Auszugs aus Ägypten, der keine Zeit ließ, auf das Gären des Teigs zu warten.
Zu Pessach ist alle Art von Sauerteig aus dem Haus zu verbannen. Die Einsetzung des Pessach findet sich in Schemot der Tora (vergleiche: Exodus / 2. Buch Mose):
- ...das Fleisch aber sollen sie in der selben Nacht noch essen; am Feuer gebraten sollen sie es essen und ungesäuertes Brot mit herben und bitteren Kräutern dazu... (Ex 12,8 EU)
- Sieben Tage lang sollt ihr ungesäuertes Brot essen. Gleich am ersten Tag schafft den Sauerteig aus euren Häusern! Denn jeder, der zwischen dem ersten und dem siebten Tag Gesäuertes isst, soll aus Israel ausgemerzt werden. [...] Begeht diesen Tag in allen kommenden Generationen; das sei für euch eine feste Regel. Im ersten Monat, vom Abend des vierzehnten Tags bis zum Abend des einundzwanzigsten Tags, esst ungesäuerte Brote! Sieben Tage lang darf sich in euren Häusern kein Sauerteig befinden; denn jeder, der Gesäuertes isst, sei er fremd oder einheimisch, soll aus der Gemeinde Israel ausgemerzt werden. Esst also nichts Gesäuertes! Überall, wo ihr wohnt, sollt ihr ungesäuerte Brote essen. (Ex 12,15-19 EU)
Das traditionell zu Pessach gebackene Brot, dessen Zubereitung besonderen Reinheitsvorschriften unterliegt, wird Matze genannt und ist eine der traditionell am Seder gereichten Speisen. Es unterscheidet sich praktisch nicht von dem seit vorgeschichtlicher Zeit aus einem Teig von Mehl und Wasser auf heißen Steinen gebackenem Fladenbrot. Um eine Verunreinigung mit Gesäuertem völlig auszuschließen, gibt es in manchen orthodoxen jüdischen Haushalten und Einrichtungen eine eigene, nur zu Pessach verwendete Pessachküche.
Christentum
Praxis
In der religiösen Praxis des Christentums spielt Sauerteig keine bedeutende Rolle. Die Hostien für das Abendmahl werden in der westlichen Kirche zwar seit dem 11. Jahrhundert aus ungesäuertem Weizenteig hergestellt, aber diese Tradition hat keine religiöse Verbindlichkeit. In den Ostkirchen wird stets gesäuertes Brot verwendet.
Symbolgehalt
Sauerteig hat in den Schriften des Neuen Testaments eine andere Bedeutung als im Judentum: Der Sauerteig ist Sinnbild einer Dynamik, deren Qualität jeweils von der des Impulses bestimmt wird.
Das bedeutendste positive Bild ist das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33 parr), in dem das Reich Gottes als ein Geschehen beschrieben wird, das wie ein Sauerteig stetig und unaufhaltsam Veränderung schafft, auch wenn der Anfang klein erscheint. Als negativ gewertetes Beispiel gilt die Dynamik, die von den Pharisäern, Sadduzäern (Mt 16,6 parr) und von Herodes (Mk 8,15) ausgeht.
In 1. Kor 5,6ff schreibt Paulus, dass die Gläubigen sich von den abgelegten Lehren und Lebensweisen reinigen sollen, wie man ein Haus für Pessach vom alten Sauerteig reinigt, damit sie als ungesäuerter Teig die neue Lebensweise annehmen können.
- Darum lasst uns das Fest feiern nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern im ungesäuerten Teig der Lauterkeit und Wahrheit.(1. Kor 5,8)
Einzelnachweise
- ↑ Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Bd 2. Leipzig 1796, S. 1804-1805. (Krümelsauer, der)
- ↑ Leitsätze Brot
- ↑ Plinius d. Ä. Naturgeschichte 18, 26
Siehe auch
Literatur
- Handbuch Sauerteig. Biologie, Biochemie, Technologie. Redaktion Gottfried Spicher, M. Brandt. 6. Auflage. Behr, Hamburg 2006. ISBN 3-89947-166-0
- Martin Pöt Stoldt: Der Sauerteig - das unbekannte Wesen. Monsenstein und Vannerdat, Münster 2009. ISBN 3-86582-964-3
- Horst Skrobanek: Bäckereitechnologie. 3. Auflage. Handwerk und Technik, Hamburg 2002. ISBN 3-582-40101-4
- Josef Loderbauer: Das Bäckerbuch. 3. Auflage. Handwerk und Technik, Hamburg 2006. ISBN 3-582-40205-3
Weblinks
- www.der-sauerteig.de Alles über Sauerteig
- (Sauerteig-FAQ) von Mirko Driller
- Backen mit Sauerteig von der Adler Mühle