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Hemerochorie

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Als Hemerochorie wird die Ausbreitung von Pflanzen durch den Menschen bezeichnet. Hemerochore Pflanzen oder deren Samen wurden bewusst oder unbewusst vom Menschen in ein Gebiet transportiert, das sie nicht durch ihre natürlichen Ausbreitungsmechanismen besiedeln könnten. In ihrem neuen Lebensraum sind sie in der Lage, sich ohne menschlichen Eingriff zu vermehren und auszubreiten. Hemerochore Pflanzen werden gelegentlich auch Menschenwanderer genannt. Sie können die biologische Vielfalt eines Lebensraums sowohl erweitern als auch gefährden.

Klatschmohn ist eine der hemerochoren Pflanzen. Man zählt sie zu den Archäophyten
Die Tomate ist ebenfalls eine hemerochore Pflanze, die allerdings den Neophyten zugeordnet wird

Viele der mitteleuropäischen Kultur- und Zierpflanzen sind hermochore Pflanzen, die entweder über

  • Ethelochorie - die bewusste Einführung über Saatgut -,
  • Speirochorie - die ungewollte Einführung durch verunreinigtes Saatgut - oder
  • Agochorie - die Einführung über ungewollten Transport -

eingeführt wurden. Hermechore Pflanzen werden unterteilt in

Hemerochore sind von den Kulturfolgern zu unterscheiden, deren Verbreitungsgebiet sich durch die Kulturtätigkeit des Menschen vergrößert.

Ausbreitungswege

Die Ausbreitung von Pflanzen durch den Menschen geschah sehr wahrscheinlich schon in der Steinzeit, aber nachweislich spätestens in der Antike entlang alter Handelsrouten. Früchte wie Äpfel und Birnen gelangten über die Seidenstraße aus dem Gebiet rund um das Altaigebirge allmählich nach Griechenland und von dort in die Gärten der Römer, die diese Kulturpflanzen wiederum nach Mitteleuropa brachten. Nutzpflanzen wie Tomate, Kartoffel, Kürbis und Feuerbohne gelangten erst ab dem 16. Jahrhundert nach Mitteleuropa, nachdem der amerikanische Kontinent entdeckt worden war, und werden mittlerweile weltweit angebaut.

In den letzten 400 bis 500 Jahren erweiterte sich die Ausbreitung durch Forschungsreisende und Missionare. Sie brachten sowohl aus Interesse an exotischen Pflanzen, die in die Pflanzensammlungen fürstlicher Höfe aufgenommen wurden, aber auch zu rein wissenschaftlichen Zwecken, zahllose Pflanzen von ihren Reisen mit. Im Rahmen botanischer Studien galt das Interesse den möglichen Heilwirkungen dieser Pflanzen und der Erweiterung der Herbarien.

Einige Zierpflanzen wurden auch nach Europa eingeführt, weil sich die Einführer ein lukratives Geschäft erhofften. Dies gilt beispielsweise für die Kamelien, von denen eine Art in Japan und China auch als Teepflanze angebaut wurde. Während sich diese Art in Mitteleuropa allerdings als nicht kultivierbar herausstellte, entdeckte man sehr schnell den ästhetischen Reiz der anderen Kamelienarten als Zierpflanze. Bei der Akklimatisierung solcher aus entfernten Lebensräumen stammenden Pflanzen spielten Botanische Gärten eine große Rolle. Der wichtigste unter ihnen war Kew Gardens.

Archäophyten, Neophyten, Adventivpflanzen

Hemerochor eingeführte Pflanzen werden, sofern sie in der Lage sind, sich in ihrem neuen Lebensraum auf natürlichem Wege fortzupflanzen und auszubreiten, in Archäophyten, Neophyten und Adventivpflanzen unterteilt.

Archäophyten

Die Kornblume ist eine speirochore Pflanze und zählt zu den Archäophyten

In Mitteleuropa gelten als Archäophyten die Pflanzen, die bis 1492 in Mitteleuropa eingeführt wurden und die in der Lage sind, sich selbständig ohne fremde Hilfe fortzupflanzen. Zu den Archäophyten zählen viele weit verbreitete Pflanzen wie beispielsweise der Kulturapfel, die Birne, Pflaume, Getreidearten wie Weizen und Gerste sowie Blumen und Heilpflanzen wie Klatschmohn, Kornblume, Echte Kamille und Kornrade. Mitteleuropäische Ärchäophyten stammen fast alle aus dem mediterranen Raum und den angrenzenden Gebieten Westasiens. Sie werden als Teil des Ökosystems betrachtet, da auch die meisten Pflanzen Mitteleuropas nach den Eiszeiten aus dem Mittelmeerraum eingewandert sind.

Neophyten

Die Definition von Neophyten

Als Neophyten werden Pflanzenarten bezeichnet, die seit 1492 eingeführt wurden und sich selbständig langfristig ausbreiten können. Botaniker betrachten Pflanzen dann als etabliert, wenn sie in ihrem neuen Lebensraum mindestens zwei bis drei spontane Generationen über einen Zeitraum von 25 Jahren durchlaufen haben. Mitteleuropäische Neophyten stammen in ihrer überwiegenden Zahl aus Ostasien und Nordamerika. Wesentlich geringer ist dagegen die Zahl der Pflanzen, die nach 1492 aus dem Mittelmeerraum und Zentralasien eingeführt wurden und die sich in Mitteleuropa als Neophyten etabliert haben.

Etwa 420 Pflanzen werden in Deutschland als Neophyten eingeordnet, was etwa 16% der in Deutschland wachsenden Arten entspricht. Dazu zählt beispielsweise der Pyrenäen-Storchschnabel, eine Art aus der umfangreichen Gattung der Storchschnäbel. Er wurde aus südeuropäischen Gebirgen als Zierpflanze nach Mitteleuropa verbracht und eine Zeitlang als Gartenzierpflanze kultiviert, um danach durch großblütigere Arten aus der Gattung der Storchschnäbel als Gartenzierpflanze verdrängt zu werden. Heute wächst der Pyrenäen-Storchschnabel weniger in Gärten als auf Ruderalflächen und in Wiesen, wo er eine Nische unter den so genannten Indigenen Pflanzen, also Arten, die hier ursprünglich heimisch sind, gefunden hat.

Problematische und unproblematische Neophyten

Das Drüsige Springkraut zählt zu den in Mitteleuropa problematischen Neophyten

Der Pyrenäen-Storchschnabel oder das Schneeglöckchen sind Neophyten, die in Mitteleuropa ein eher unproblematisches Nischendasein fristen. Sie beeinflussen die ursprüngliche Vegetation nur geringfügig und erhöhen eher die biologische Vielfalt des mitteleuropäischen Raumes. Andere in Mitteleuropa hemerochor eingeführte Pflanzen haben sich im Vergleich dazu wesentlich aggressiver Lebensraum erobert und dabei andere Pflanzen in erheblichen Ausmaß verdrängt. Das Artengefüge kann sich derart stark ändern, dass manche Biotope von diesen Einwanderern frei gehalten werden müssen, wenn die Biozönose erhalten bleiben soll.

Zu den agressiven Neophyten, die man auch Invasionspflanzen nennt, zählen in Mitteleuropa beispielsweise die Kanadische Goldrute, das Drüsige Springkraut, die Robinie, oder der aus dem Kaukasus stammende Riesen-Bärenklau, die alle vier wie der Pyrenäen-Storchschnabel als Zierpflanze eingeführt wurden und heute an einzelnen Standorttypen die Vegetation dominieren. So ist die Kanadische Goldrute vielerorts die häufigste Pflanze auf Brachflächen und das Drüsige Springkraut verdrängt an vielen feuchtschattigen Standorten die einheimische Vegetation.

Neophyten, die sich aggressiv ausbreiten und dabei Biotope nachhaltig verändern, stellen weltweit ein Problem dar. So verdrängen als Gartenzierpflanze eingeführte Rhododendron-Arten im nordwalisischen Nationalpark Snowdonia die einheimische Vegetation. Ähnliches ist auf vielen entwässerten Hochmoorstandorten des atlantischen und subatlantischen Klimas zu beobachten. Die Robinie R. pseudoacacia wurde als raschwüchsiger Forstbaum aus Amerika nach Mitteleuropa importiert und bedroht nun seltene Magerwiesen und natürliche Waldgesellschaften trockener Standorte. In Nordamerika haben sich dagegen Tamarisken, die in Südeuropa und in den gemäßigten Zonen Asiens beheimatet sind, als problematische Pflanzen erwiesen. In den nährstoffarmen, jedoch an Stauden und Sträuchern reichen Heidelandschaften der Kapregion Südafrikas breiten sich aus Australien stammende Eukalyptusarten stark aus. Da die Eukalyptusarten in einem hohen Maß an nährstoffarmen Boden angepasst sind und ihnen in der Kapregion Südafrikas die Nahrungskonkurrenten und Schädlinge als Bestandsregulator fehlen, sind sie in der Lage, dort das gesamte biologische Gefüge zu zerstören.

Insbesondere instabile, bereits durch Eingriffe geschädigte oder durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnete Ökosysteme können durch Neophyten massiv beeinträchtigt werden, da die konkurrenzstarke Klimaxvegetation bereits geschwächt ist. In den australischen Regenwäldern besiedeln Neophyten beispielsweise zuerst die Flächen entlang von Straßen und Wegen und dringen von dort aus in die angrenzenden Areale ein.

Adventivpflanzen

Adventivpflanzen sind solche Pflanzen, die sich vorübergehend etablieren können. Sie sind jedoch nicht in der Lage, mit allen am Standort vorkommenden Bedingungen zurechtzukommen. Ein strenger Winter oder eine ungewöhnliche Trockenperiode könnte zum Absterbem solcher Pflanzen führen. Als Adventivpflanze würde man beispielsweise die Dattelpalme bezeichnen, die in Berlin-Kreuzberg entdeckt wurde und die zumindest einige milde Berliner Winter überlebte. Auch die Feigen, die an klimatisch begünstigten Stellen Mitteleuropas wachsen, würde man derzeit eher dieser Gruppe zuordnen.

Ethelochorie, Speirochorie und Agochorie als Unterform der Hemerochorie

Ethelochorie

Feld mit Weichweizen - Weizen ist einer der Archäophyten, die über Ethelochorie nach Mitteleuropa eingeführt wurden

Die Ausbreitung von Pflanzen als Saatgut ist eine Form der Hemerochorie. Sie wird als Ethelochorie bezeichnet. Zahlreiche Kulturpflanzen, die heute eine wesentliche Rolle bei der menschlichen Ernährung spielen, sind durch den Menschen gewollt verbreitet worden. Weizen, Gerste, Linsen, Dinkel, Ackerbohnen, Lein, Mohn sind beispielsweise keine für den mitteleuropäischen Raum typische Pflanzen, obwohl sie alle zu den Archäotypen zählen. Menschen brachten sie nach dem Beginn der Jungsteinzeit (vor etwa 6.500 Jahren) allmählich vom östlichen Mittelmeerraum nach Mitteleuropa. Damals begannen die ersten Ackerbauern in mitteleuropäischen Gebieten sesshaft zu werden.

Vor allem durch Auswanderer aus Europa haben viele der alten Kulturpflanzen weltweit Verbreitung gefunden. Der seit mindestens 4.000 Jahren angebaute Weizen wurde im 16. Jahrhundert in Amerika und im 19. Jahrhundert in Australien eingeführt. Orangen, Zitronen, Aprikosen und Pfirsiche waren ursprünglich in China beheimatet. Sie gelangten vermutlich über die Seidenstraße bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. zuerst in den kleinasiatischen Raum und von dort durch die Römer in den Mittelmeerraum. Europäische Siedler wiederum betrieben mit diesen Arten den Obstanbau in den dafür geeigneten Regionen Amerikas.

Ab dem 16. Jahrhundert wurden verstärkt Zierpflanzen eingeführt. Ähnlich wie der Pyrenäen-Storchschnabel wurden zunächst in Europa beheimatete Arten als Gartenpflanzen eingeführt. Dazu zählen beispielsweise die Gladiolen, die Zierlaucharten wie der Goldlauch, europäische Glockenblumen-Arten, das in Südosteuropa beheimatete Schneeglöckchen oder die Gemeine Waldrebe. Später kamen auch Zierpflanzen aus weiter entfernteren Regionen hinzu. Insbesondere aus Ostasien wurde eine Reihe von Pflanzen als Exotikum oder aus wirtschaftlichem Interesse nach Europa eingeführt. Noch heute weisen viele Parkanlagen Chinesische Zierkirschen und andere Bäume auf. Die mitunter unerwünschten Folgewirkungen einer solchen Einführung von Zierpflanzen ist im Abschnitt Neophyten erläutert und im Abschnitt Australien beispielhaft dargestellt.

Speirochorie

Datei:EchteKamille.jpg
Die Echte Kamille gehört zu den Pflanzen, die ungewollt als Saatgutbegleiter verbreitet wurden

Einige Pflanzen wurden in diesem Prozess auch unbeabsichtigt nach Mitteleuropa verbracht; diese ungewollte Hemerochorie als Saatgutbegleiter nennt man Speirochorie. Da jedes Saatgut auch Samen der Kräuter des Ackers enthält, wurden durch den Handel mit dem Saatgut der Nutzpflanze auch ihre Konkurrenten, die "Unkräuter", mit verkauft.

Speirochore Pflanzen werden auf einem vom Menschen vorbereiteten Boden ausgesät und sind Konkurrenten der Nutzpflanzen. Pflanzen aus, die heute als Archäophyten gelten, wie z.B. der im im Mittelmeerraum beheimatete Klatschmohn, die Echte Kamille, Kornblume, Kornrade und Acker-Hahnenfuß, breiteten sich über das Saatgut mit dem Getreide in Mitteleuropa aus. Der Autor Crosby schätzte, dass allein im Jahr 1912 durch Klee- und Grassamenimporte 2 bis 6 Milliarden Unkrautsamen nach Großbritannien gebracht wurde.

Inzwischen wird das Saatgut durch moderne Verfahren gründlicher gereinigt und auch der Anbau weist durch Pflanzenschutzmittel und andere Bekämpfungstechniken kaum noch Verunreinigungen auf. Die Ausbreitung über Speirochorie in der mitteleuropäischen Kulturlandschaft nimmt daher nur noch eine sehr untergeordnete Rolle ein; die Verarmung der Äcker ist auch darauf zurückzuführen.

Trotzdem wurde das in Australien als problematischer Bioinvasor eingeordnete Cuscuta campestris jeweils in den Jahren 1981, 1988 und 1990 gemeinsam mit Basilikumsamen versehentlich nach Australien eingeführt.

Agochorie

Agochore Pflanzen sind solche, die durch unbeabsichtigten Transport verbreitet werden. Anders als speirochore Pflanzen werden sie nicht auf durch den Menschen vorbereiteten Böden ausgesät.

An Land traten agochore Pflanzen früher häufig in Häfen, an Bahnhöfen oder entlang von Bahnstrecken auf. Untersuchungen an Autos, mit denen Touristen in den australischen Kakadu-Nationalpark einreisen wollten, zeigen jedoch, dass auch Automobile wesentlich an der agochoren Ausbreitung beteiligt sind: 70% der untersuchten Wagen führten in den Reifenrillen oder in Schlammablagerungen am Chassis Pflanzensamen mit sich, darunter Samen einer Reihe solcher Pflanzen, die in Australien als problematische Invasoren eingeordnet werden und die man möglichst aus dem Park, der zum Weltkulturerbe gehört, fern halten möchte. Durch Agochorie werden jedoch vor allem Wasserpflanzen verbreitet.

Ballastwasser als Medium der Agochorie

Ballastwasser - das unspezifische Transportmedium

Bei der agochoren Verbreitung von Wasserpflanzen spielt Ballastwasser eine große Rolle. Seit etwa 1880 wird Ballastwasser zur Stabilisierung von nicht voll beladenen Schiffen eingesetzt. Weltweit werden so etwa 10 Milliarden Tonnen Meerwasser mitsamt den darin enthaltenen Organismen verschifft.

Vor allem Exportländer sind von der Ausbreitung von Organismen durch Ballastwasser betroffen. Die Schiffe erreichen diese Häfen mit leerem Frachtraum, aber vollgepumpten Ballasttanks. In diesen Häfen werden dann beim Beladen mit tausenden Kubikmetern Meerwasser fremde Lebewesen in eine neue Umgebung gelenzt. Die in deutschen Häfen abgelassenen Ballastwassermengen werden auf jährlich 10 Millionen Tonnen geschätzt, wobei etwa 2 Millionen Tonnen aus Küstengewässern stammen, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören und die damit überwiegend Organismen nicht-europäischer Küsten enthalten dürften.

Ballastwasser ist ein unspezifisches Transportmedium, das Lebewesen aller nahrungsökologischen Gruppen und verschiedenster Lebenszyklen erfasst. Von kräftigen Pumpen ins Schiffsinnere verfrachtet, enthält es alles, was der Ansaugströmung nicht entkommen kann: Vertreter fast aller Tierstämme, [..] aber auch viele Einzeller und Pflanzen. Es ist eine Art Unterwasserarche. Für das Phänomen des Ballastwassers gibt es an Land keine Entsprechung. Hier werden nicht einzelne versteckte Tiere oder anhaftende Pflanzensamen von einem Kontinent in den anderen verschleppt, sondern eine komplette Organismengemeinschaft. Es ist, als würde man einen Hektar Europa mit allem, was darauf kreucht und fleucht, nach Übersee transportieren und dort sich selbst überlassen. (Kegel, S. 110)
Dinoflagellaten werden häufig durch Ballastwasser verschleppt - hier die Art Ceratium hirundinella

Über Ballastwasser erreichte beispielsweise die an der japanischen Küste beheimatete Kelpart Undaria pinnatifida die tasmanische Küste und bildet dort seit 1988 entlang der Küste dichte Kelpwälder, die die einheimische Flora und Fauna verdrängen. Dinoflagellaten wie Alexandrium catanella, A. minutum, A. tamarense sowie Gymnodinium catenatum sind ebenfalls über Ballastwasser an die australische, neuseeländische und us-amerikanische Küsten verschleppt worden. Diese Dinoflagellaten bilden gelegentlich toxische Algenblüten aus, die über die Nahrungskette Muscheln, Garnelen und Fische vergiften.

Neben dem großen ökologischen Schaden, den viele durch Ballastwasser eingeschleppte Organismen vor Ort anrichten, richten sie auch hohe wirtschaftliche Schäden an. Die beispielhaft erwähnten Dinoflagellaten gefährden vielerorts die Fisch-, Muschel- und Austernzucht. An nordamerikanischen Küsten mussten vereinzelt Zuchtanlagen vollständig geschlossen werden, der Fischfang wurde eingeschränkt und an Küsten, vor denen sie sich zur Algenblüte vermehren, bleiben die Touristen aus.

Maßnahmen, um die Agorochie durch Ballastwasser zu verhindern

Australien war das erste Land, das bereits 1990 eine Richtlinie für den Umgang mit Ballastwasser einführte und heute diesem Problem am entschlossensten entgegentritt. Schiffe wurden aufgefordert, kein Ballastwasser in seichten und verschmutzten Buchten aufzunehmen und Ballastwasser nicht während der Nacht zu tanken, da dann viele Meeresorganismen, die sich sonst am Meeresboden aufhalten, zur Wasseroberfläche aufsteigen. Schiffe sollten außerdem 200 Kilometer von den Küstengewässern entfernt ihr Ballastwasser austauschen, damit einerseits die Hochseearten nicht in die empfindlicheren Küstengewässer eingeschleppt werden, und zum anderen keine Bewohner der Küstenzone in andere Kontinente verschleppt werden. Die International Maritime Organisation hat diese Empfehlungen aufgegriffen; verbindliche Regelungen existieren jedoch bislang nicht.

Das so genannte "Reballasting", wie der Austausch des Ballastwassers auf hoher See genannt wird, ist jedoch keine vollkommen sichere Methode. In den Tanks verbleiben beim Reballasting Restwasser mit Organismen, und vor allem Ablagerungen von Meeresböden. Einen größeren Schutz vor der Einschleppung fremder Organismen durch Ballastwasser bieten das Filtern von Wasser, das Erhitzen des Ballastwassers durch Ausnutzen der Restwärme der Schiffsmaschinen, Behandlung des Ballastwassers durch ultraviolettes Licht, Ozon, Gift, Veränderung des Salzgehaltes, Sauerstoffentzug oder Entsorgung in den Häfen in spezifischen Abwasseranlagen. Die Kosten dieser Methoden sind jedoch so hoch, dass sie die Gewinnmargen der Schiffsreedereien insbesondere bei Massengütern wie Erz und Kohle deutlich übersteigen. Sie ließen sich nur durchsetzen, wenn alle Küstenstaaten sie weltweit verbindlich vorschrieben.

Zu den Ländern, die die Einschleppung fremder Organismen als so problematisch ansehen, dass sie versuchen, auf internationaler Ebene verbindliche Regelungen für den Umgang mit Ballastwasser umzusetzen, gehören neben Australien die USA, Neuseeland, Kanada, Israel und Chile.

Beispiele agochor verbreiteter Pflanzen

Neben der bereits oben erwähnten Kelpart und den Dinoflagellaten zählt beispielsweise auch die Alge Caulerpa taxifolia zu den agochor verbreiteten Wasserpflanzen. C. taxifolia ist eine aus der Karibik und dem Indischen Ozean stammende Pflanze, die dort harmlos und unauffällig ist. Eine Mutation dieser Pflanze, deren Blattform größer ist und die mit den jahreszeitlichen Temperaturschwankungen gut zurecht kommt, ist wahrscheinlich mit Aquarienwasser vor Monaco ins Mittelmeer gelangt, wo sie zuerst größere Bestände ausbildete. Zwischen ihrem ersten Nachweis vor der Küste Monacos 1984 und 1995 drang sie bis an die Küste Kroatiens vor. Die wuchskräftige Alge ist in der Lage, täglich bis zu zwei Zentimeter zu wachsen und damit die indigene Unterwasservegetation zu überwuchern und zu ersticken. Sie gilt als eine der größten Bedrohungen des Ökosystems Mittelmeer.

C. taxifolia gehört zu den Pflanzen, die häufig durch Ballastwasser verbreitet werden. Sie wird außerdem dadurch verbreitet, dass Schiffe mit ihren Ankern Teile der Algen losreißen. Die losen Teile verdriften mit der Strömung und bilden aus diesen Ablegern neue Kolonien. Da an den Ankern haftende Algenbestandteile in den Ankerkästen von Schiffen ohne Licht und Wasser bis zu 10 Tagen überleben können, dringen die Algen in völlig neue Gebiete vor. Auf diese Weise werden Entfernungen zurückgelegt, die alle anderen Chorien übertrifft.

Zu den ebenfalls agochor ausgebreiteten Pflanzen zählt auch die Kanadische Wasserpest, die vermutlich im Jahre 1836 mit Holztransporten aus Nordamerika nach Irland eingeschleppt wurde und sich in Mitteleuropa ebenfalls als Neophyt etablierte, der eine Zeitlang mit seiner Masssenentwicklung Wasserwege verstopfte und den Fischfang behinderte, bis die aggressive Vermehrung dieser Pflanze in Mitteleuropa nachließ, ohne dass man bis heute dafür eine wissenschaftliche Erklärung gefunden hat.

Erfahrungen mit hemerochoren Pflanzen am Beispiel Australiens und Neuseelands

Die Ausgangssituation

Anders als Mitteleuropa, dessen relativ artenarme Pflanzenwelt durch die Einschnitte der Eiszeiten vorwiegend aus Einwanderern aus dem asiatischen Kontinent besteht, haben sich Pflanzen- und Tierarten Australiens und Neuseelands über Jahrtausende nahezu vollständig geographisch isoliert entwickeln können. Dadurch reagieren die dortigen Ökosysteme mit ihren fast ausschließlich endemischen Arten wesentlich empfindlicher auf invasive Arten. In Australien und Neuseeland gab es im 19. Jahrhundert eine Welle der Akklimatisierung. Die europäischen Siedler versuchten mit Nachdruck, sowohl Tiere als auch Pflanzen ihrer europäischen Heimat an ihrem neuen Lebensort zu etablieren.

Beispiele von Maßnahmen gegen speirochore und agochore Ausbreitung

Australien und Neuseeland haben weitreichende Maßnahmen getroffen, um eine Ausbreitung durch Speirochorie oder Agochorie weitgehend zu verhindern. Landwirtschaftliche Geräte, die nach Australien eingeführt werden, müssen gründlich gereinigt werden. Fluggäste, die aus anderen Kontinenten einreisen, werden aufgefordert, ihre Schuhsohlen sorgfältig zu säubern. In einigen australischen Nationalparks werden Besucherströme nur punktuell in den Park gelassen und auf Holzstiegen durch diese Gebiete geführt, um einer Sameneinschleppung von außerhalb möglichst weitgehend vorzubeugen.

Erfahrungen mit etholochor ausgebreiteten Pflanzen

Auch viele ursprünglich etholochor (und damit bewusst) eingeführte Pflanzen haben sich in den sensiblen Ökosystemen Australiens und Neuseelands als letztlich problematisch erwiesen. Die im Vergleich zu den australischen Grasarten nährstoffreicheren afrikanischen Grasarten wie das Büffelgras Cenchrus ciliaris oder die Grasart Andropogon gayanus wurden beispielsweise in Australien eingeführt, um einen höheren Viehbesatz mit Hausrindern und -schafen zu ermöglichen. Dabei wurde übersehen, dass diese Pflanzen sich in noch ganz anderen, sekundären Eigenschaften von den indigenen Pflanzen Australiens unterscheiden.

Brände sind ein Charakteristikum des australischen Ökosystems; die Samen vieler australischer Pflanzen keimen erst nach der Hitzeeinwirkung eines solchen Brandes. Die indigenen australischen Pflanzen wie beispielsweise der Eukalyptus sind an die raschen, niedrig-temperaturigen Flächenbrände der australischen Grassteppe angepasst. Die nach Australien eingeführten Futtergräser brennen bei einem Flächenbrand länger und mit wesentlich höheren Temperaturen. Dadurch werden diese Brände verstärkt, so dass auch Eukalyptusbäume in Brand geraten und die Samen verbrennen, statt, wie nach einem normalen australischen Buschbrand, zu keimen. Die eingeführten Grasarten haben auch zu einem Rückgang der australischen Finken- und Papageienarten geführt, da die Grasarten zwar zahlreich Samen produzieren, diese von den einheimischen Vögeln nicht gefressen werden. In der Summe können die Effekte mehrerer verschiedener eingeschleppter Arten andere an den Rand des Aussterbens bringen und Ökosysteme vernichten.

Gartenzierpflanzen – Australiens schwierigste Bioinvasoren

Ursprünglich als Gartenzierpflanzen eingeführte Arten gehören mittlerweile zu Australiens problematischsten Bioinvasoren. Unter den achtzehn Pflanzenarten, die zu den Bioinvasoren mit den größten negativen Auswirkungen zählen, sind neben sechs Grasarten auch sieben so genannte Gartenflüchtlinge. Unter den neu als problematisch eingeordneten Neophyten machen sie sogar zwei Drittel aus. Dieser große Anteil ist auf die hohe Anzahl der eingeführten Zierpflanzen zurückzuführen. So wird geschätzt, dass allein im australischen Bundesstaat Queensland mehr als 4.000 Arten in Gärten kultiviert werden – ihre Zahl ist damit größer als sämtliche in Australien als Nahrungs-, Forst- oder Weidepflanzen eingeordneten Pflanzenarten. Die bereits 1870 aus dem südlichen Madagaskar eingeführte Kletterpflanze Cryptostegia grandiflora hatte bis zum Jahr 2000 nach Angaben des australischen Biologen Tim Low in Australien bereits 350.000 tropischen Regenwalds überwuchert und unter sich erstickt. Eine robuste, immergrüne Thunbergien-Art, die in Indien beheimatet ist, invasiert die tropischen Regenwälder rund um die australische Küstenstadt Cairns und überwuchert selbst vierzig Meter hohe Bäume. In Zentralaustralien wächst die eurasische Tamarisken-art „Aphylla“ entlang der Flussböschungen, verdrängt dort zunehmend die einheimischen Baumarten sowie die dazugehörigen Fauna, senkt den Grundwasserspiegel und leistet der Versalzung der Böden Vorschub. Tamarisken galten lange Zeit als in Australien unproblematische Pflanzen. Das änderte sich, als Überschwemmungen die Samen der vor allem in den Gärten rund um Alice Springs gepflegten Tamarisken über hunderte von Kilometer entlang von Flussufern verbreiteten. Ähnlich wie in den USA, wo Tamarisken sich ebenfalls als äußerst problematische Bioinvasoren herausgestellt haben, ist auch in Australien die Bekämpfung der mittlerweile weit verbreiteten Baumart nahezu aussichtslos. Ähnlich aussichtslos ist der Kampf gegen die Wasserhyazinthen, die sich ungehemmt in den Flussläufen und Seen im nördlichen und östlichen Australien verbreiten, den Schiffsverkehr schwerwiegend behindern und die Wasserfauna und –flora stark verändern. Der Jerusalemsdorn bildet im Northern Territory undurchdringliche Dorngestrüppe, deren Länge und Breite mehrere Kilometer betragen können. Zwei weitere als Gartenzierpflanzen eingeführte Pflanzen, Asparagus asparagoides und Chrysanthemoides monilifera, dominieren in vielen Eukalyptuswäldern nun die Krautschicht und verdrängen einheimische Stauden, Gräser, Orchideen und Lilien.

Maßnahmen

In Australien werden Pflanzen, die neu eingeführt werden sollen, mittlerweile einem „Weed Access Assessment“ unterworfen, also einer Untersuchung, inwieweit sie sich als problematisch innerhalb des australischen Ökosystems erweisen können als Zugangsberechtigung. Neophyten, die sich bereits als problematisch erwiesen haben, werden in einer Liste der „Weeds of National Significance“ (WONS) aufgenommen.

Die WONS-Liste führt aber nicht zwangsläufig zu einer Verbannung der Pflanzen. Selbst solche Arten, die zu den problematischsten Bioinvasoren gehören, sind gelegentlich noch in Baumschulen erhältlich – mitunter unter Phantasienamen. Versuche, Gartenzierpflanzen nicht mehr zu verkaufen, die sich bereits als problematische Invasoren erwiesen haben, haben sich als in der Öffentlichkeit schwierig durchsetzbar erwiesen. Auch australische Gartenbesitzer verzichten nur ungern auf Efeu, Stechpalme und Japanische Kirsche als Zierpflanze.

Tim Low, der sich sehr ausführlich mit biologischen Invasoren Australiens auseinandergesetzt hat, ist daher sehr pessimistisch, was die Stabilität der australischen Ökosysteme angeht. Aus Lows Sicht handeln eine Reihe von australischen Behörden auf die Herausforderungen, die diese Invasoren darstellen, nicht entschieden genug und beugen sich zu früh den wirtschaftlichen Interessen insbesondere von Landwirten. Zum anderen ist die Gelegenheit, noch wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, bei vielen Arten bereits verstrichen. Neuseeländische Behörden sind einen anderen Weg gegangen: Sie haben Listen mit Zierpflanzen veröffentlicht, die als unproblematisch angesehen werden, und dabei eine größere Resonanz gefunden.

Literatur

  • Alfred Crosby; Die Früchte des weißen Mannes, Campus Frankfurt am Main, 1991
  • Ursula Hoffmann und Michael Schwerdtfeger; ...und grün des Lebens goldner Baum. Lustfahrten und Bildungsreisen im Reich der Pflanzen, Ulrich Burgdorf Verlag, Göttingen 1998, ISBN 3-89762-000-6
  • Bernhard Kegel; Die Ameise als Tramp - Von biologischen Invasoren, Wilhelm Heyne Verlag, München 2002, ISBN 3-453-18439-4
  • Tim Low; Feral Future - The untold story of Australia’s exotic invaders, Pinguin Books Australia, Ringwood, 2001, ISBN 0-14-029825-8
  • Heinz-Dieter Krausch: Kaiserkron und Päonien rot... - Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen. Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-93-554923-7
  • Angelika Lüttig & Juliane Kasten: Hagebutte & Co - Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Fauna Verlag, Nottuln 2003, ISBN 3-93-598090-6

Weblinks