„Eulersche Zahl“ – Versionsunterschied
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Version vom 10. September 2013, 23:08 Uhr
Die eulersche Zahl (benannt nach dem Schweizer Mathematiker Leonhard Euler) ist eine irrationale und sogar transzendente reelle Zahl.
Sie ist die Basis des natürlichen Logarithmus und der (natürlichen) Exponentialfunktion. Die Exponentialfunktion wird aufgrund dieser Beziehung zur Zahl häufig kurz -Funktion genannt.
Die eulersche Zahl spielt in der gesamten Analysis und allen damit verbundenen Teilgebieten der Mathematik und insbesondere in der Differential- und Integralrechnung eine zentrale Rolle. Sie gehört zu den wichtigsten Konstanten der Mathematik. [1]
Definition
Die Zahl kann unter anderem durch Grenzwertbildung definiert werden. Die beiden bekanntesten Darstellungen lauten:
als Reihe, mit per Definition.
Mit wird dabei die Fakultät von , also das Produkt der natürlichen Zahlen bis hin zu , bezeichnet. Beide Darstellungen entsprechen dem Funktionswert der Exponentialfunktion (oder „-Funktion“) an der Stelle 1; die Reihenschreibweise entspricht zudem der Taylorentwicklung der Exponentialfunktion um den Punkt null an der Stelle 1 ausgewertet.
Eigenschaften
Die eulersche Zahl ist eine transzendente (Beweis nach Charles Hermite, 1873) und damit irrationale Zahl (Beweis). Sie lässt sich also (wie auch die Kreiszahl nach Ferdinand von Lindemann 1882) weder als Bruch zweier natürlicher Zahlen noch als Lösung einer algebraischen Gleichung endlichen Grades darstellen und besitzt folglich eine unendliche nichtperiodische Dezimalbruchentwicklung. Das Irrationalitätsmaß von ist 2 und somit so klein wie möglich für eine irrationale Zahl, insbesondere ist nicht liouvillesch. Es ist nicht bekannt, ob zu irgendeiner Basis normal ist.[2]
In der eulerschen Identität
werden fundamentale mathematische Konstanten in Zusammenhang gesetzt: Die ganze Zahl 1, die eulersche Zahl , die imaginäre Einheit der komplexen Zahlen und die Kreiszahl .
Die eulersche Zahl ist die einzige positive reelle Zahl, für welche gilt:
Sie tritt auch in der asymptotischen Abschätzung der Fakultät auf (siehe Stirlingformel):[3]
Herkunft des Symbols
Der Buchstabe für diese Zahl wurde zuerst von Euler 1736 in seinem Werk Mechanica benutzt. Es gibt keine Hinweise, dass dies in Anlehnung an seinen Namen geschah, ebenfalls ist unklar, ob er dies in Anlehnung an die Exponentialfunktion oder aus praktischen Erwägungen der Abgrenzung zu den viel benutzten Buchstaben a, b, c oder d machte. Obwohl auch andere Bezeichnungen in Gebrauch waren, etwa c in d'Alemberts Histoire de l'Académie, hat sich durchgesetzt.
Weitere Darstellungen für die eulersche Zahl
Die eulersche Zahl lässt sich auch durch
oder durch den Grenzwert des Quotienten aus Fakultät und Subfakultät beschreiben:
Eine Verbindung zur Verteilung der Primzahlen wird über die Formeln
deutlich, wobei die Primzahlfunktion und das Symbol das Primorial der Zahl bedeutet.
Auch eher von exotischem Reiz als von praktischer Bedeutung ist die catalansche Darstellung
Die Kettenbruchentwicklung von weist folgendes Muster auf, das sich bis ins Unendliche fortsetzt:
Anschauliche Interpretationen der eulerschen Zahl
Zinseszinsrechnung
Das folgende Beispiel macht die Berechnung der eulerschen Zahl nicht nur anschaulicher, sondern es beschreibt auch die Geschichte der Entdeckung der eulerschen Zahl: Ihre ersten Stellen wurden von Jakob Bernoulli bei der Untersuchung der Zinseszinsrechnung gefunden.
Den Grenzwert der ersten Formel kann man folgendermaßen deuten: Jemand zahlt am 1. Januar einen Euro auf der Bank ein. Die Bank garantiert ihm eine momentane Verzinsung zu einem Zinssatz pro Jahr. Wie groß ist sein Guthaben am 1. Januar des nächsten Jahres, wenn er die Zinsen zu gleichen Bedingungen anlegt?
Nach der Zinseszinsformel wird aus dem Startkapital nach Verzinsungen mit Zinssatz das Kapital
In diesem Beispiel sind und , wenn der Zinszuschlag jährlich erfolgt, oder , wenn der Zinszuschlag -mal im Jahr erfolgt.
Bei jährlichem Zuschlag wäre
Bei halbjährlichem Zuschlag hat man ,
also schon etwas mehr. Bei täglicher Verzinsung () erhält man
Wenn man momentan verzinst, wird unendlich groß, und man bekommt die oben angegebene erste Formel für .
Wahrscheinlichkeitsrechnung
ist auch häufig in der Wahrscheinlichkeitstheorie anzutreffen: Beispielsweise sei angenommen, dass ein Bäcker für jedes Brötchen eine Rosine in den Teig gibt und diesen gut durchknetet. Danach enthält statistisch gesehen jedes -te Brötchen keine Rosine. Die Wahrscheinlichkeit , dass bei Brötchen keine der Rosinen in einem fest gewählten ist, ergibt im Grenzwert für (37%-Regel):
Charakterisierung der eulerschen Zahl nach Steiner
Im vierzigsten Band von Crelles Journal aus dem Jahre 1850 gibt der Schweizer Mathematiker Jacob Steiner eine Charakterisierung der eulerschen Zahl , wonach als Lösung einer Extremwertaufgabe verstanden werden kann. Steiner zeigte nämlich, dass die Zahl charakterisierbar ist als diejenige eindeutig bestimmte positive reelle Zahl, welche beim Wurzelziehen mit sich selbst die größte Wurzel liefert. Wörtlich schreibt Steiner: Wird jede Zahl durch sich selbst radicirt, so gewährt die Zahl e die allergrößte Wurzel.[4]
Steiner behandelt hier die Frage, ob für die Funktion
das globale Maximum existiert und wie es zu bestimmen ist. Seine Aussage ist, dass es existiert und dass es angenommen wird in und nur in .
In seinem Buch Triumph der Mathematik gibt Heinrich Dörrie eine elementare Lösung dieser Extremwertaufgabe. Sein Ansatz geht aus von der folgenden für die reelle Exponentialfunktion stets gültigen Ungleichung :
Damit gilt für alle positiven reellen Zahlen stets
- .
Mittels einfacher Umformungen folgt unmittelbar
und schließlich
Bruchnäherungen
Für die Zahl und daraus abgeleitete Größen gibt es verschiedene näherungsweise Darstellungen mittels Brüchen. So fand Charles Hermite die folgenden Bruchnäherungen:
Hier weicht der erstgenannte Bruch um weniger als 0,0003 Prozent von ab.[7]
Die optimale Bruchnäherung im dreistelligen Zahlenbereich, also die optimale Bruchnäherung mit , ist
- .[8]
Diese Näherung ist jedoch nicht die beste Bruchnäherung im Sinne der Forderung, dass der Nenner höchstens dreistellig sein soll. Die in diesem Sinne beste Bruchnäherung ergibt sich als 9-ter Näherungsbruch der Kettenbruchentwicklung der eulerschen Zahl:
- .
Aus den Näherungsbrüchen von Kettenbruckentwicklungen ergeben sich Bruchnäherungen beliebiger Genauigkeit für und daraus abgeleiteten Größen. Eine der klassischen Identitäten in diesem Zusammenhang ist die folgende, welche auf Leonhard Euler selbst zurückgeht:
Insbesondere ergibt sich hier für
Euler hat ebenfalls die folgende Kettenbruchentwicklung gefunden:
Mit diesen Kettenbruchentwicklungen findet man sehr effektiv beste Bruchnäherungen der eulerschen Zahl in beliebigen Zahlenbereichen. So erhält etwa im fünfstelligen Zahlenbereich die beste Bruchnäherung
- ,
welche zeigt, dass die von Charles Hermite für die eulersche Zahl im fünfstelligen Zahlenbereich gefundene Bruchnäherung noch nicht optimal war.
In gleicher Weise hat etwa C. D. Olds gezeigt, dass durch die Näherung
für die eulersche Zahl eine weitere Verbesserung, nämlich
- ,
zu erzielen ist.[11]
Sonstiges
Entwicklung der Anzahl der bekannten Nachkommastellen von
Datum | Anzahl | Mathematiker |
---|---|---|
1748 | 23 | Leonhard Euler[12] |
1853 | 137 | William Shanks |
1871 | 205 | William Shanks |
1884 | 346 | J. Marcus Boorman |
1946 | 808 | ? |
1949 | 2.010 | John von Neumann (berechnet auf dem ENIAC) |
1961 | 100.265 | Daniel Shanks & John Wrench |
1981 | 116.000 | Steve Wozniak (berechnet mithilfe eines Apple II) |
1994 | 10.000.000 | Robert Nemiroff & Jerry Bonnell |
Mai 1997 | 18.199.978 | Patrick Demichel |
August 1997 | 20.000.000 | Birger Seifert |
September 1997 | 50.000.817 | Patrick Demichel |
Februar 1999 | 200.000.579 | Sebastian Wedeniwski |
Oktober 1999 | 869.894.101 | Sebastian Wedeniwski |
21. November 1999 | 1.250.000.000 | Xavier Gourdon |
10. Juli 2000 | 2.147.483.648 | Shigeru Kondo & Xavier Gourdon |
16. Juli 2000 | 3.221.225.472 | Colin Martin & Xavier Gourdon |
2. August 2000 | 6.442.450.944 | Shigeru Kondo & Xavier Gourdon |
16. August 2000 | 12.884.901.000 | Shigeru Kondo & Xavier Gourdon |
21. August 2003 | 25.100.000.000 | Shigeru Kondo & Xavier Gourdon |
18. September 2003 | 50.100.000.000 | Shigeru Kondo & Xavier Gourdon |
27. April 2007 | 100.000.000.000 | Shigeru Kondo & Steve Pagliarulo |
6. Mai 2009 | 200.000.000.000 | Shigeru Kondo & Steve Pagliarulo |
20. Februar 2010 | 500.000.000.000 | Alexander Yee[13] |
5. Juli 2010 | 1.000.000.000.000 | Shigeru Kondo[13] |
Die ersten 200 Nachkommastellen von
Die Dezimalbruchentwicklung von mit Nennung der ersten 200 Nachkommastellen lautet:[14]
Literatur
- Brian J. McCartin e – the master of all, Mathematical Intelligencer, Band 28, 2006, Nr.2, S. 10–21 (der Artikel erhielt den Chauvenet-Preis, Online)
- Heinrich Dörrie: Triumph der Mathematik. Hundert berühmte Probleme aus zwei Jahrtausenden mathematischer Kultur. 5. Auflage. Physica-Verlag, Würzburg 1958.
- Eli Maor: e - the story of a number, Princeton University Press 1994
- Eli Maor: Die Zahl e - Geschichte und Geschichten. Birkhäuser Verlag, Basel [u.a.] 1996, ISBN 3-7643-5093-8.
- C. D. Olds: The simple continued fraction expansion of e. In: American_Mathematical_Monthly. Band 77, 1971, S. 968–974.
- Oskar Perron: Irrationalzahlen. Nachdruck der 2., durchgesehenen Auflage [Berlin, 1939]. 4. durchgesehene und ergänzte Auflage. Walter de Gruyter Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-11-083604-2, doi:10.1515/9783110836042.fm.
- Oskar Perron: Die Lehre von den Kettenbrüchen - Band II: Analytisch-funktionentheoretische Kettenbrüche. Reprografischer Nachdruck der dritten, verbesserten und durchgesehenen Auflage, Stuttgart 1957. 4. durchgesehene und ergänzte Auflage. Teubner Verlag, Stuttgart 1977, ISBN 3-519-02022-X.
- J. Steiner: Über das größte Product der Theile oder Summanden jeder Zahl. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. Band 40, 1850, S. 208.
- David Wells: Das Lexikon der Zahlen. Aus dem Englischen von Dr. Klaus Volkert (Originaltitel: "The Penguin Dictionary of Curious and Interesting Numbers"). Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt / Main 1990, ISBN 3-596-10135-2.
Weblinks
- Eric W. Weisstein: e. In: MathWorld (englisch).
- Intuitiv verständliche Verbildlichung von e in einem interaktiven Java-Applet
- Verständliche Erklärung und Herleitung der eulerschen Zahl
- e auf eine Million Stellen bei Project Gutenberg (englisch)
- Ausführliche Informationen und Angaben zu relevanter Literatur (englisch)
- Folge A001113 in OEIS (Dezimalentwicklung von e)
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Man beachte: Die eulersche Zahl ist nicht identisch mit der Euler-Mascheroni-Konstante , welche in manchen Quellen den ähnlich klingenden Namen eulersche Konstante hat.
- ↑ Richard George Stoneham: A general arithmetic construction of transcendental non-Liouville normal numbers from rational fractions (PDF-Datei, 692 kB), Acta Arithmetica 16, 1970, S. 239–253
- ↑ Die Stirling-Formel (PDF-Datei; 78 kB), James Stirling: Methodus Differentialis, 1730, S.1
- ↑ In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. Band 40, S. 208.
- ↑ Dörrie: S. 358.
- ↑ Man kann diese Aufgabe auch mit den bei der Kurvendiskussion in der Differentialrechnung angewandten Methoden lösen.
- ↑ Maor: S. 185.
- ↑ Wells: S. 46.
- ↑ Perron: S. 115.
- ↑ Euler: S. 317.
- ↑ Olds: In: Amer. Math. Monthly]]. S. 973.
- ↑ Leonhardo Eulero: Introductio in analysin infinitorum Band 1, Marcus-Michaelis Bousquet & socii, Lausannæ 1748, (lateinisch; „2,71828182845904523536028“ auf S. 90)
- ↑ a b http://numberworld.org/digits/E/
- ↑ Euler's number to 10,000 digits. Peter Alfeld, Department of Mathematics, University of Utah; genauer siehe bei den Weblinks: Project Gutenberg
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