„Endokrine Disruptoren“ – Versionsunterschied

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Im März 2013 veröffentlichte die [[Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit]] (EFSA) auf Anfrage der EU-Kommission eine wissenschaftliche Einschätzung zur Risikobewertung von Endokrinen Disruptoren.<ref>{{Literatur | Autor=EFSA Scientific Committee | Titel=Scientific Opinion on the hazard assessment of endocrine disruptors: scientific criteria for identification of endocrine disruptors and appropriateness of existing test methods for assessing effects mediated by these substances on human health and the environment | Sammelwerk=EFSA Journal | Band=11 | Nummer=3 | Jahr=2013 | Seiten=84 | DOI=10.2903/j.efsa.2013.3132}}</ref> Die Sachverständigen der EFSA kamen zu dem Schluss, dass mit den derzeit bzw. in Kürze verfügbaren international vereinbarten Prüfverfahren der Einfluss von chemischen Stoffen auf die wichtigsten endokrinen Pfade bei Säugern und Fischen identifiziert werden kann. Die hormonellen Pfade, für die die Prüfmethoden am besten geeignet sind, betreffen Östrogene, Androgene und Schilddrüsenhormone sowie die [[Steroidogenese]]. Die EFSA gelangte ferner zu dem Schluss, dass ein Risikobewertungsansatz, der sowohl potenzielle Beeinträchtigungen durch endokrin aktive Substanzen als auch die jeweilige Expositionswahrscheinlichkeit berücksichtigt, die bestmögliche Nutzung der vorliegenden Informationen zur Regulierung des Einsatzes der betreffenden Stoffe darstellt. Ob eine endokrin wirksame Substanz eine Gefahr darstellt (d.h. ob sie als potenzieller endokriner Disruptor betrachtet werden kann) hängt mit ihrer inhärenten Fähigkeit zusammen, das endokrine System zu stören und infolgedessen eine Beeinträchtigung hervorzurufen. Eine Gefahr ist eine mögliche Bedrohung in Zusammenhang mit den intrinsischen Eigenschaften eines Stoffs (wenn etwa seine Toxizität nachweislich Krebs verursacht). Das Risiko, dass der endokrine Disruptor eine schädliche Wirkung auf Mensch und Tier haben könnte, hängt von dem Grad (der Dosis), der Dauer und dem Zeitpunkt der Exposition von Menschen bzw. Tieren gegenüber dieser Gefahr ab. Gefahren können unbedenklich sein, wenn man ihnen gar nicht ausgesetzt oder die Exposition zu gering ist, um Schaden zu verursachen. Das Ziel der Risikobewertung besteht darin zu bewerten, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Substanz – in diesem Fall eine endokrin wirksame Substanz – bei einer gegebenen oder zu erwartenden Exposition Schaden verursacht, und was eine unbedenkliche Exposition darstellen würde.<ref name=EFSA_EAS>EFSA: [http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/eas.htm?wtrl=01 Endokrin aktive Substanzen]. 20. März 2013.</ref>
Im März 2013 veröffentlichte die [[Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit]] (EFSA) auf Anfrage der EU-Kommission eine wissenschaftliche Einschätzung zur Risikobewertung von Endokrinen Disruptoren.<ref>{{Literatur | Autor=EFSA Scientific Committee | Titel=Scientific Opinion on the hazard assessment of endocrine disruptors: scientific criteria for identification of endocrine disruptors and appropriateness of existing test methods for assessing effects mediated by these substances on human health and the environment | Sammelwerk=EFSA Journal | Band=11 | Nummer=3 | Jahr=2013 | Seiten=84 | DOI=10.2903/j.efsa.2013.3132}}</ref> Die Sachverständigen der EFSA kamen zu dem Schluss, dass mit den derzeit bzw. in Kürze verfügbaren international vereinbarten Prüfverfahren der Einfluss von chemischen Stoffen auf die wichtigsten endokrinen Pfade bei Säugern und Fischen identifiziert werden kann. Die hormonellen Pfade, für die die Prüfmethoden am besten geeignet sind, betreffen Östrogene, Androgene und Schilddrüsenhormone sowie die [[Steroidogenese]]. Die EFSA gelangte ferner zu dem Schluss, dass ein Risikobewertungsansatz, der sowohl potenzielle Beeinträchtigungen durch endokrin aktive Substanzen als auch die jeweilige Expositionswahrscheinlichkeit berücksichtigt, die bestmögliche Nutzung der vorliegenden Informationen zur Regulierung des Einsatzes der betreffenden Stoffe darstellt. Ob eine endokrin wirksame Substanz eine Gefahr darstellt (d.h. ob sie als potenzieller endokriner Disruptor betrachtet werden kann) hängt mit ihrer inhärenten Fähigkeit zusammen, das endokrine System zu stören und infolgedessen eine Beeinträchtigung hervorzurufen. Eine Gefahr ist eine mögliche Bedrohung in Zusammenhang mit den intrinsischen Eigenschaften eines Stoffs (wenn etwa seine Toxizität nachweislich Krebs verursacht). Das Risiko, dass der endokrine Disruptor eine schädliche Wirkung auf Mensch und Tier haben könnte, hängt von dem Grad (der Dosis), der Dauer und dem Zeitpunkt der Exposition von Menschen bzw. Tieren gegenüber dieser Gefahr ab. Gefahren können unbedenklich sein, wenn man ihnen gar nicht ausgesetzt oder die Exposition zu gering ist, um Schaden zu verursachen. Das Ziel der Risikobewertung besteht darin zu bewerten, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Substanz – in diesem Fall eine endokrin wirksame Substanz – bei einer gegebenen oder zu erwartenden Exposition Schaden verursacht, und was eine unbedenkliche Exposition darstellen würde.<ref name=EFSA_EAS>EFSA: [http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/eas.htm?wtrl=01 Endokrin aktive Substanzen]. 20. März 2013.</ref>


Die Herausgeber einer Reihe hochrangiger pharmakologischer und toxikologischer Fachzeitschriften warfen der EU-Kommission, die derzeit den Rechtsrahmen für endokrin wirksame Substanzen überarbeitet, im Juli 2013 eine wissenschaftlich fragwürdige Herangehensweise vor (Dietrich et al., 2013). Unter anderem kritisierten die Herausgeber am Entwurf der Kommission, dass er eine Regulierung auch dann vorsehe, wenn endokrine Effekte in experimentiellen Systemen, die für Menschen keine direkte Relevanz haben, identifiziert wurden. Außerdem lehne der Vorschlag die Berücksichtigung von Schwellenwerten ab, was wissenschaftlich nicht gerechtfertigt sei und auch die Einschätzung der EFSA ignoriere. Ähnliche Bedenken äußerten Dutzende von Wissenschaftlern in einem offenen Brief an [[Anne Glover]] im Juni 2013.<ref>Dietrich et al.: [http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0278691513004572 Editorial]. [[Food and Chemical Toxicology]], 5. Juli 2013. Abgerufen am 15. November 2013.</ref> Im Gegensatz dazu forderten im Mai 89 Wissenschaftler eine strengere Regulierung von EAS durch die EU. Sie wenden sich gegen die derzeit noch gültigen Regelung, die Schwellenwerte definiert, da endokrine Disruptoren in jedweder Konzentration schädliche Wirkungen hätten.<ref>[http://www.euractiv.com/health/top-scientists-call-eu-action-ho-news-519969 89 scientists join call for EU action on hormone-disrupting chemicals]. 24. Mai 2013, abgerufen am 15. November 2013.</ref> Ähnlich äußerten sich im September 2013 die Herausgeber einiger endokrinologischer Fachzeitschriften, und warfen Dietrich et al. (2013) vor, wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht zu lassen.<ref>{{Literatur | Autor=Andrea C. Gore | Titel=Editorial: An International Riposte to Naysayers of Endocrine-Disrupting Chemicals | Sammelwerk=Endocrinology1 | Band=154 | Nummer=11 | Jahr=2013 | Seiten=3955-6 | DOI=10.1210/en.2013-1853}}</ref>
Die Herausgeber einer Reihe hochrangiger pharmakologischer und toxikologischer Fachzeitschriften warfen der EU-Kommission, die derzeit den Rechtsrahmen für endokrin wirksame Substanzen überarbeitet, im Juli 2013 eine wissenschaftlich fragwürdige Herangehensweise vor (Dietrich et al., 2013). Unter anderem kritisierten die Herausgeber am Entwurf der Kommission, dass er eine Regulierung auch dann vorsehe, wenn endokrine Effekte in experimentiellen Systemen, die für Menschen keine direkte Relevanz haben, identifiziert wurden. Außerdem lehne der Vorschlag die Berücksichtigung von Schwellenwerten ab, was wissenschaftlich nicht gerechtfertigt sei und auch die Einschätzung der EFSA ignoriere. Ähnliche Bedenken äußerten Dutzende von Wissenschaftlern in einem offenen Brief an [[Anne Glover]] im Juni 2013.<ref>Dietrich et al.: [http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0278691513004572 Editorial]. [[Food and Chemical Toxicology]], 5. Juli 2013. Abgerufen am 15. November 2013.</ref> Im Gegensatz dazu forderten im Mai 89 Wissenschaftler eine strengere Regulierung von EAS durch die EU. Sie wenden sich gegen die derzeit noch gültigen Regelung, die Schwellenwerte definiert, da endokrine Disruptoren in jedweder Konzentration schädliche Wirkungen hätten.<ref>[http://www.euractiv.com/health/top-scientists-call-eu-action-ho-news-519969 89 scientists join call for EU action on hormone-disrupting chemicals]. 24. Mai 2013, abgerufen am 15. November 2013.</ref> Ähnlich äußerten sich im August und September 2013 die Herausgeber einiger endokrinologischer und umweltwissenschaftlicher Fachzeitschriften, und warfen Dietrich et al. (2013) vor, wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht zu lassen.<ref>{{Literatur | Autor=Andrea C. Gore | Titel=Editorial: An International Riposte to Naysayers of Endocrine-Disrupting Chemicals | Sammelwerk=Endocrinology1 | Band=154 | Nummer=11 | Jahr=2013 | Seiten=3955-6 | DOI=10.1210/en.2013-1853}}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Bergman et al. | Titel=Science and policy on endocrine disrupters must not be mixed: a reply to a “common sense” intervention by toxicology journal editors | Sammelwerk=Environmental Health | Band=12 | Jahr=2013 | Seiten=69-72 | DOI=10.1186/1476-069X-12-69}}</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 18. November 2013, 13:18 Uhr

Als Endokrine Disruptoren (vom griech. endo: innen, krinein: ausscheiden, und lat. dis -rumpere: zum Erliegen bringen, stören), auch Xenohormone oder Umwelthormone,[1] werden Stoffe bezeichnet, die durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können, wenn sie in einer wirksamen Dosis in den Körper gelangen.[2]

Endokrine Disruptoren sind endokrin aktive Substanzen (EAS, auch endokrin wirksame Substanzen) mit schädlichen Wirkungen. Sie können natürlich vorkommen (z.B. Phytoestrogene) oder synthetisch hergestellt werden (z.B. PCB). Da EAS Gesundheitsgefahren für Tiere und Menschen darstellen können, und ihre tatsächliche Bedeutung für den tierischen und humanen Stoffwechsel noch weitgehend unerforscht ist, werden sie seit einigen Jahren in der Öffentlichkeit sowie von Wissenschaft und Politik kontrovers diskutiert. Einige EAS werden aufgrund ihrer endokrin aktiven Eigenschaften gezielt in der Medizin eingesetzt (z.B. Antibabypille).[3]

Endokrin aktive Substanzen

Nach Angaben von WHO/UNEP sind bis zu 800 Stoffe bekannt, für die eine endokrine Wirkung entweder nachgewiesen oder vermutet wurde. Jedoch wurde bisher nur ein geringer Anteil dieser Stoffe Tests unterzogen, die endokrine Effekte in intakten Organismen nachweisen können.[4]

Erhöhte Konzentrationen dieser Stoffe konnten in Europa bereits in Abwässern aus Wohngebieten und Industrieanlagen nachgewiesen werden.[5] Zwei dieser Stoffe wurden 2001 im „dirty dozen“ mit aufgelistet und sind seit 2004 UN-weit verboten.

Estradiol

Untersuchungen zum endokrinen Potential der verschiedenen Substanzen schreiben dem pharmakologischen Wirkstoff Ethinylestradiol, einem synthetisch hergestellten Xenoestrogen, das in der Antibabypille enthalten ist, die höchste endokrine Wirksamkeit zu. Der Wirkstoff ist gut wasserlöslich und chemisch sehr stabil und gelangt über den Urin von Frauen, die die Pille nehmen, in das Abwasser. Obwohl Ethinylestradiol hier nur in geringen Mengen nachgewiesen werden konnte, entwickelte es eine nachweisbare Wirkung auf den Fischbestand der Flüsse[6]; so verschlechterte sich die Spermienqualität von Regenbogenforellen und es kam bei den Fischen zur Verkümmerung der männlichen Geschlechtsorgane.

Weitere Endokrine Disruptoren

Weitere Stoffe mit endokriner Wirksamkeit sind unter anderem:

  • DDT, das als Insektizid eingesetzt wurde und wird, kann sich im Fettgewebe anreichern und führt vermutlich zu einer Beeinflussung des Geschlechtshormons Progesteron.[7]
  • Bisphenol A, das als Ausgangsstoff für die Herstellung von Epoxidharzen sowie Polycarbonaten dient. Wegen seiner strukturellen Ähnlichkeit mit den Estrogenen kann es an Estrogenrezeptoren binden, allerdings nur relativ schwach. Eine aktuelle wissenschaftliche Auswertung von 45 Studien stellte fest, dass BPA wahrscheinlich nicht erbgutschädigend ist.[10]
  • 1,2-Dibrom-3-chlorpropan, Bestandteil eines Nematizids, führt zu Unfruchtbarkeit bei Männern. Ein Wirkmechanismus als endokriner Disruptor wird diskutiert, ist allerdings mechanistisch nicht bewiesen.
  • Nitro-Moschusverbindungen und polycyclische Moschusverbindungen aus künstlichen Duftstoffen. Diese weisen eine hohe Fettlöslichkeit auf und können sich daher gut im Fettgewebe und einfachen organischen Strukturen anreichern. Sie können daher über die (aquatische) Nahrungskette in den menschlichen Organismus gelangen.[11] Es gibt Hinweise, dass Vertreter aus dieser Gruppe das Erbgut verändern können und/oder die Geschlechtshormone Estrogene hemmen können.
  • Bei einer in vitro-Studie zeigte Glyphosat auch bei sehr niedriger Dosierung eine Wirkung auf die durch Estrogen-Rezeptoren vermittelte transkriptionelle Aktivität. Dadurch wurden Zellkulturen mit hormonabhängigen Brustkrebszellen in ihrem Wachstum angeregt. Zudem gab es Hinweise auf Wechselwirkungen zwischen Glyphosat und dem in Sojabohnen vorkommenden Phytoöstrogen Genistein.[14]

Mögliche Effekte der Endokrinen Disruptoren

Das Vorkommen von endokrinen Disruptoren in der Umwelt erregt Besorgnis, da einige schädliche Effekte nachgewiesen wurden, bzw. vermutlich mit ihnen in Verbindung stehen:

  • es werden schädliche Wirkungen auf die Fortpflanzung, das Wachstum und die Entwicklung gewisser Tierarten beobachtet. Teilweise kam es zu einem Rückgang oder sogar Verschwinden der männlichen Tiere bei verschiedenen Fischarten (z. B. Rotaugen in englischen Flüssen) und Reptilien (z. B. Alligatoren in den Everglades).
  • Die Qualität von Spermien hat – auch beim Menschen – in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen, dies führt zu einer Verringerung der Zeugungsfähigkeit.
  • Gewisse Krebsarten haben zugenommen, was mit einer Störung des endokrinen Systems zusammenhängen könnte, und
  • negative Auswirkungen auf Versuchstiere von gewissen auf das endokrine System wirkenden Umweltchemikalien wurden beobachtet.

Im Jahr 2013 wurde durch die WHO und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen die bisher umfangreichste Studie über Endokrine Disruptoren publiziert. Darin wird zu mehr Forschung aufgerufen, um die Zusammenhänge zwischen Endokrinen Disruptoren und dem Gesundheitsrisiko von Menschen und Tieren besser zu verstehen. Die konkreten Empfehlungen zur Verbesserung des Wissens umfassen:[4]

  • Tests: Bekannte EDCs sind nur die 'Spitze des Eisbergs' und umfangreichere Testmethoden sind erforderlich um weitere potentielle EDCs zu identifizieren sowie deren Quellen und Expositionswege.
  • Forschung: Mehr wissenschaftliche Nachweise sind erforderlich um die Effekte von Gemischen von EDCs auf Menschen und Tiere (insbesondere von Nebenprodukten), denen diese zunehmend ausgesetzt sind, zu ermitteln.
  • Berichterstattung: Viele Quellen von EDCs sind nicht bekannt, da unzureichende Informationen bezüglich Substanzen in Produkten, Materialien und Gütern bekanntgegeben werden.
  • Zusammenarbeit: Das vermehrte Austauschen von Daten zwischen Wissenschaftlern und Staaten kann Datenlücken schließen, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Regulierung

Europäische Union

Die Verordnung EG 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) legt fest, dass Substanzen mit endokrin disruptiven Eigenschaften als besonders besorgniserregende Stoffe identifiziert und als zulassungspflichtig erklärt werden können.[15]

Die Verordnung EG 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln legt fest, dass Pflanzenschutzmittelwirkstoffen mit endokrinschädlichen Eigenschaften in der EU keine Zulassung erteilt werden darf bzw. die Zulassung entzogen werden muss.[16]

Gemäß Verordnung EG 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten werden diese Substanzen nicht zugelassen, wenn sie endokrin disruptive Eigenschaften haben. Die Zulassung wird jedoch nicht verweigert, wenn das Risiko für Mensch und Umwelt vernachlässigbar ist, wenn die Substanz wesentlich für die Bekämpfung ernster Gesundheitsrisiken ist oder wenn die Nichtzulassung, gemessen an den Risiken für Mensch und Umwelt, zu unverhältnismäßigen negativen Auswirkungen für die Gesellschaft führen würde.[15]

Nach der Verordnung EG 1223/2009 über kosmetische Mittel unterliegen endokrin disruptive Substanzen derzeit keiner Beschränkung; dies wird allerdings überprüft werden, sobald international vereinbarte bzw. EU-Kriterien für die Identifizierung von Substanzen mit endokrin disruptiven Eigenschaften vorliegen, spätestens jedoch am 11. Januar 2015.[15]

Die Richtlinie zum Ordnungsrahmen für die Wasserpolitik (2000/60/EG) beinhaltet eine Strategie gegen die Verschmutzung von Oberflächenwasser durch chemische Schadstoffe und besonders bedenkliche Substanzen in der EU, einschließlich einiger potenzieller endokrin disruptiver Substanzen. 2012 schlug die Kommission vor, die Liste prioritärer Stoffe zu ergänzen. Obwohl kein direkter Bezug genommen wird, könnten endokrin disruptive Eigenschaften ein wichtiges Kriterium für die Einordnung von Stoffen bzw. Stoffgruppen in diese Kategorie darstellen.[15]

Im März 2013 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf Anfrage der EU-Kommission eine wissenschaftliche Einschätzung zur Risikobewertung von Endokrinen Disruptoren.[17] Die Sachverständigen der EFSA kamen zu dem Schluss, dass mit den derzeit bzw. in Kürze verfügbaren international vereinbarten Prüfverfahren der Einfluss von chemischen Stoffen auf die wichtigsten endokrinen Pfade bei Säugern und Fischen identifiziert werden kann. Die hormonellen Pfade, für die die Prüfmethoden am besten geeignet sind, betreffen Östrogene, Androgene und Schilddrüsenhormone sowie die Steroidogenese. Die EFSA gelangte ferner zu dem Schluss, dass ein Risikobewertungsansatz, der sowohl potenzielle Beeinträchtigungen durch endokrin aktive Substanzen als auch die jeweilige Expositionswahrscheinlichkeit berücksichtigt, die bestmögliche Nutzung der vorliegenden Informationen zur Regulierung des Einsatzes der betreffenden Stoffe darstellt. Ob eine endokrin wirksame Substanz eine Gefahr darstellt (d.h. ob sie als potenzieller endokriner Disruptor betrachtet werden kann) hängt mit ihrer inhärenten Fähigkeit zusammen, das endokrine System zu stören und infolgedessen eine Beeinträchtigung hervorzurufen. Eine Gefahr ist eine mögliche Bedrohung in Zusammenhang mit den intrinsischen Eigenschaften eines Stoffs (wenn etwa seine Toxizität nachweislich Krebs verursacht). Das Risiko, dass der endokrine Disruptor eine schädliche Wirkung auf Mensch und Tier haben könnte, hängt von dem Grad (der Dosis), der Dauer und dem Zeitpunkt der Exposition von Menschen bzw. Tieren gegenüber dieser Gefahr ab. Gefahren können unbedenklich sein, wenn man ihnen gar nicht ausgesetzt oder die Exposition zu gering ist, um Schaden zu verursachen. Das Ziel der Risikobewertung besteht darin zu bewerten, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Substanz – in diesem Fall eine endokrin wirksame Substanz – bei einer gegebenen oder zu erwartenden Exposition Schaden verursacht, und was eine unbedenkliche Exposition darstellen würde.[15]

Die Herausgeber einer Reihe hochrangiger pharmakologischer und toxikologischer Fachzeitschriften warfen der EU-Kommission, die derzeit den Rechtsrahmen für endokrin wirksame Substanzen überarbeitet, im Juli 2013 eine wissenschaftlich fragwürdige Herangehensweise vor (Dietrich et al., 2013). Unter anderem kritisierten die Herausgeber am Entwurf der Kommission, dass er eine Regulierung auch dann vorsehe, wenn endokrine Effekte in experimentiellen Systemen, die für Menschen keine direkte Relevanz haben, identifiziert wurden. Außerdem lehne der Vorschlag die Berücksichtigung von Schwellenwerten ab, was wissenschaftlich nicht gerechtfertigt sei und auch die Einschätzung der EFSA ignoriere. Ähnliche Bedenken äußerten Dutzende von Wissenschaftlern in einem offenen Brief an Anne Glover im Juni 2013.[18] Im Gegensatz dazu forderten im Mai 89 Wissenschaftler eine strengere Regulierung von EAS durch die EU. Sie wenden sich gegen die derzeit noch gültigen Regelung, die Schwellenwerte definiert, da endokrine Disruptoren in jedweder Konzentration schädliche Wirkungen hätten.[19] Ähnlich äußerten sich im August und September 2013 die Herausgeber einiger endokrinologischer und umweltwissenschaftlicher Fachzeitschriften, und warfen Dietrich et al. (2013) vor, wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht zu lassen.[20][21]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Robert Sattelberger: Hormonell wirksame Substanzen in der aquatischen Umwelt – Analytische Ergebnisse und Überblick Österreichisches Umweltbundesamt, Monographien Band 161, Wien, 2002.
  2. Fragen und Antworten zu endokrinen Disruptoren. FAQ des BfR vom 19. April 2010. Abgerufen am 15. November 2013.
  3. EFSA: Endokrin aktive Substanzen. 20. März 2013. Abgerufen am 15. November 2013.
  4. a b WHO & UNEP: State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, 2013, ISBN 978-92-4-150503-1.
  5. Belfroid AC, Van Den Horst A (1999): Analysis and occurrence of estrogenic hormones and their glucuronides in surface water and waste water in The Netherlands. In: Sci. Total. Environ. 225(1–2):101–108. PMID 10028707
  6. White R, Jobling S (1994): Environmentally persistent alkylphenolic compounds are estrogenic. In: Endocrinology. 135(1):175–182. PMID 8013351
  7. Kelce WR, Stone CR et al. (1995): Persistent DDT metabolite p,p’-DDE is a potent androgen receptor antagonist. In: Nature. 375:581–585. PMID 7791873
  8. R.R. Newbold, E. Padilla-Banks, W.N. Jefferson: Adverse effects of the model environmental estrogen diethylstilbestrol are transmitted to subsequent generations. Endocrinology, Juni 2006, 147 (6. Suppl), S11-7. Epub 2006 May 11.
  9. Van der Ven LTM et al. (2006): Endocrine Disrupting Effects of selected Brominated Flame Retardants in Rats. In: Organohalogen Compounds. 68:988–991. PDF
  10. Hintergrundpapier zur Gentoxizität von Bisphenol A für das FAO/WHO-Meeting im November 2010, vorgelegt von Dr. JR Bucher (US NTP) (PDF; 144 kB)
  11. Müller J, Böhmer W et al. (2003): Untersuchung des Stoffverhaltens von polyzyklischen Moschusverbindungen im Klärschlamm und Boden. Hrsg. Umweltbundesamt. Berlin: WaBoLu-Heft 69/03, Band I/II.
  12. Johnson MD, Kenney N, Stoica A et al. (2003): Cadmium mimics the in vivo effects of estrogen in the uterus and mammary gland. In Nature Medicine 9, 1081–1084
  13. Schlumpf M et al. (2004): Estrogenic activity and estrogen receptor beta binding of the UV filter 3-benzylidene camphor. Comparison with 4-methylbenzylidene camphor. In: Toxicology. 199:109–120.
  14. S. Thongprakaisang, A. Thiantanawat, N. Rangkadilok, T. Suriyo, J. Satayavivad: Glyphosate induces human breast cancer cells growth via estrogen receptors, In: Food and Chemical Toxicology. 59, September 2013, S. 129–136., doi:10.1016/j.fct.2013.05.057
  15. a b c d e EFSA: Endokrin aktive Substanzen. 20. März 2013.
  16. Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln
  17. EFSA Scientific Committee: Scientific Opinion on the hazard assessment of endocrine disruptors: scientific criteria for identification of endocrine disruptors and appropriateness of existing test methods for assessing effects mediated by these substances on human health and the environment. In: EFSA Journal. Band 11, Nr. 3, 2013, S. 84, doi:10.2903/j.efsa.2013.3132.
  18. Dietrich et al.: Editorial. Food and Chemical Toxicology, 5. Juli 2013. Abgerufen am 15. November 2013.
  19. 89 scientists join call for EU action on hormone-disrupting chemicals. 24. Mai 2013, abgerufen am 15. November 2013.
  20. Andrea C. Gore: Editorial: An International Riposte to Naysayers of Endocrine-Disrupting Chemicals. In: Endocrinology1. Band 154, Nr. 11, 2013, S. 3955-6, doi:10.1210/en.2013-1853.
  21. Bergman et al.: Science and policy on endocrine disrupters must not be mixed: a reply to a “common sense” intervention by toxicology journal editors. In: Environmental Health. Band 12, 2013, S. 69–72, doi:10.1186/1476-069X-12-69.

Siehe auch