„Chemisches Potential“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
→‎Weblinks: wikibooks Tabelle eingefügt
Einleitung überarbeitet
Zeile 1: Zeile 1:
{{QS-Chemie}}
{{QS-Chemie}}


Das '''chemische Potential''' oder '''chemische Potenzial''' <math>\mu</math> ist eine [[Thermodynamische_Zustandsgröße| thermodynamische Zustandsgröße]], die zur Analyse von thermodynamischen Systemen mit veränderlicher Teilchenzahl von [[Josiah Willard Gibbs]] eingeführt wurde<ref name="Gibbs_1"/>. Für jede homogene Phase eines thermodynamischen Systems wird jeder Stoffkomponente, deren Teilchenzahl sich ändern kann, ein chemisches Potential zugeordnet; so gibt das chemische Potential <math>\mu_{A}^{g}</math> die Änderung der [[Gibbs-Energie|freien Enthalpie]] des Systems an, wenn die Stoffmenge der Komponente <math>A</math> in der homogenen Phase <math>g</math> sich um 1 Mol erhöht und die anderen unabhängigen Zustandsgrößen wie Temperatur, Druck, sowie die anderen Stoffkomponenten gleich bleiben. Die [[Maßeinheit]] des chemischen Potentials ist [[Joule|J]]/[[mol]].
Das '''chemische Potential''' oder '''chemische Potenzial''' <math>\mu</math> ist eine [[thermodynamisch]]e [[Zustandsgröße]]. Das chemische Potential ist ein Maß für die Energieänderung eines Systems wenn man dem System eine gewisse Menge eines Stoffes hinzufügt oder entfernt.


Wie ein Temperaturunterschied bei spontanen Ausgleichsvorgängen zwischen zwei Teilsystemen die Richtung des Wärmetransfers angibt, so beschreibt Differenz der chemischen Potentiale die Richtung von spontanen Stoffströmen hin zum [[Thermodynamisches_Gleichgewicht|Gleichgewichtszustand]]. Im Gleichgewicht gilt ein Satz von Bedingungsgleichungen zwischen den verschiedenen chemischen Potentialen der einzelnen Stoffkomponenten. Diese Gleichungen ermöglichen die Analyse der [[Phasengleichgewicht|Koexistenz verschiedener Phasen]], der Bestimmung der verschiedenen Stoffanteile in den einzelnen Phasen (etwa bei der [[Destillation|Destillation]]), die Berechnung der Druckdifferenz bei [[Osmose]], die Bestimmung der [[Gefrierpunktserniedrigung]] und die Berechnung der Konzentrationsverhältnisse bei [[Chemische Reaktion|chemischen Reaktionen]].<ref name="GWedlerPhysChemie_2_3"/><ref name="Lucas_7"/>
Das chemische Potential wurde von [[Josiah Willard Gibbs]] (1839–1903) eingeführt. Die [[Maßeinheit]] des chemischen Potentials ist das „Gibbs“ (= 1&nbsp;[[Joule|J]]/[[mol]]), die Einheit einer [[Molare Größe|molaren]] Energie.


== Anschauliche Interpretation ==
== Anschauliche Interpretation ==
Zeile 204: Zeile 204:


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references>
<ref name="GWedlerPhysChemie_2_3">
{{Literatur
|Autor=[[Gerd_Wedler|Gerd Wedler]], [[Hans-Joachim_Freund_(Chemiker)|Hans-Joachim Freund]]
|Titel=Lehrbuch der Physikalischen Chemie
|Auflage=6
|Kapitel=2.3 Die Grundgleichungen der Thermodynamik
|Verlag= Wiley-VCH
|Ort=Weinheim
|Datum=2012
|ISBN=978-3-527-32909-0
|Seiten=313-440}}
</ref>
<ref name="Lucas_7">
{{Literatur
|Autor=[[Klaus_Lucas|Klaus Lucas]]
|Titel=Thermodynamik; Die Grundgesetze der Energie- und Stoffumwandlungen
|Auflage=7
|Kapitel=7 Modellprozesse für Stoffumwandlungen
|Verlag= Springer Verlag
|Ort=Berlin, Heidelberg
|Datum=2008
|ISBN=978-3-540-68645-3
|Seiten=431-540}}
</ref>
<ref name="Gibbs_1">
{{Literatur
|Autor=[[Josiah_Willard_Gibbs|Josiah Willard Gibbs]]
|Titel=On the Equilibrium of Heterogeneous Substances
|Sammelwerk=Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences
|Band=3
|Nummer=V
|Datum=1978
|Seiten=108-248
|Sprache=en
|Online=http://www.biodiversitylibrary.org/item/32295#page/128/mode/1up
|Abruf=2017-04-27}}
</ref>
</references>


[[Kategorie:Chemische Größe]]
[[Kategorie:Chemische Größe]]

Version vom 28. September 2017, 18:11 Uhr

Dieser Artikel wurde auf der Qualitätssicherungsseite der Redaktion Chemie eingetragen. Dies geschieht, um die Qualität der Artikel aus dem Themengebiet Chemie formal und inhaltlich auf ein in der Wikipedia gewünschtes Niveau zu bringen. Wir sind dankbar für deine Mithilfe, bitte beteilige dich an der Diskussion (neuer Eintrag) oder überarbeite den Artikel entsprechend.

Das chemische Potential oder chemische Potenzial ist eine thermodynamische Zustandsgröße, die zur Analyse von thermodynamischen Systemen mit veränderlicher Teilchenzahl von Josiah Willard Gibbs eingeführt wurde[1]. Für jede homogene Phase eines thermodynamischen Systems wird jeder Stoffkomponente, deren Teilchenzahl sich ändern kann, ein chemisches Potential zugeordnet; so gibt das chemische Potential die Änderung der freien Enthalpie des Systems an, wenn die Stoffmenge der Komponente in der homogenen Phase sich um 1 Mol erhöht und die anderen unabhängigen Zustandsgrößen wie Temperatur, Druck, sowie die anderen Stoffkomponenten gleich bleiben. Die Maßeinheit des chemischen Potentials ist J/mol.

Wie ein Temperaturunterschied bei spontanen Ausgleichsvorgängen zwischen zwei Teilsystemen die Richtung des Wärmetransfers angibt, so beschreibt Differenz der chemischen Potentiale die Richtung von spontanen Stoffströmen hin zum Gleichgewichtszustand. Im Gleichgewicht gilt ein Satz von Bedingungsgleichungen zwischen den verschiedenen chemischen Potentialen der einzelnen Stoffkomponenten. Diese Gleichungen ermöglichen die Analyse der Koexistenz verschiedener Phasen, der Bestimmung der verschiedenen Stoffanteile in den einzelnen Phasen (etwa bei der Destillation), die Berechnung der Druckdifferenz bei Osmose, die Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung und die Berechnung der Konzentrationsverhältnisse bei chemischen Reaktionen.[2][3]

Anschauliche Interpretation

In diesem Abschnitt soll eine anschauliche Interpretation des abstrakten chemischen Potentials gegeben werden um die späteren formalen Definitionen zu motivieren. Beispiele für Zustandsgrößen in der Thermodynamik sind das Volumen, die Teilchenanzahl in einem System sowie der Druck und die Temperatur. Der Druck und die Temperatur hängen nicht von der Größe des betrachteten Systems ab und werden als intensive Zustandsgrößen bezeichnet. Das chemische Potential ist ebenfalls eine intensive Zustandsgröße. Das Volumen und die Teilchenanzahl hingegen hängen von der Größe des Systems ab und werden als extensive Zustandsgrößen bezeichnet. Um den Begriff des chemischen Potentials zu veranschaulichen sei ein Vergleich mit dem Druck angestellt. Komprimiert man ein eingeschlossenes Gas (zum Beispiel in einem Luftballon) so steigt der Druck. Man hat dem System also Energie durch mechanische Arbeit hinzugefügt. Der Druck erhöht sich dabei während das Volumen sinkt. Umgekehrt sinkt der Druck und steigt das Volumen wenn sich das System ausdehnt und an Energie verliert. Die Volumenänderung verursacht somit die Energieänderung eines Systems. Ein System kann neben der erwähnten mechanischen Arbeit auch chemische Arbeit verrichten. An die Stelle des Drucks tritt hier das chemische Potential während statt des Volumens die Teilchenanzahl verwendet wird. Das chemische Potential beschreibt also die Änderung der Energie in einem System wenn man chemische Komponenten hinzufügt. Man kann dies nun anschaulich interpretieren. Wenn man einem System eine Chemikalie hinzufügt die in einer Reaktion umgesetzt werden kann, so steigt die im System gespeicherte Energie. Das chemische Potential gibt dabei an um wie viel sich die gespeicherte Energie pro zugesetzter Teilchenanzahl verändert.

Definition

In der Einleitung wurde gesagt, dass das chemische Potential die Änderung der in einem System gespeicherten Energie beschreibt wenn man die Teilchenanzahl einer chemischen Spezies im System verändert. Um dies zu präzisieren muss erst die in einem System gespeicherte Energie definiert werden. Dies geschieht durch die Änderung der inneren Energie eines Systems.

Das bedeutet, dass sich die innere Energie ändert, wenn man Wärme hinzufügt oder abführt () oder das System Arbeit verrichtet oder Arbeit an ihm verrichtet wird (). Die Art der Arbeit kann dabei mechanischer, elektrischer oder chemischer Natur sein. Im Folgenden werden nur mechanische und chemische Arbeit betrachtet. Die mechanische Arbeit kann als geschrieben werden. Komprimiert man ein System (), so verrichtet man Arbeit am System und die gespeicherte Energie wird erhöht. Per Definition ist eine Erhöhung der gespeicherten Energie als positive Änderung der inneren Energie definiert. Die Änderung der gespeicherten Wärmeenergie ist über die Änderung der Entropie im System definiert wobei die Temperatur repräsentiert. Es folgt somit:

Die chemischen Potential müssen sich nun im Term wiederfinden, da sie ja die Änderung der inneren Energie bei Verrichtung von chemischer Arbeit charakterisieren sollen. Da chemische Arbeit mit dem Ablaufen von chemischen Reaktionen verbunden ist, sei nun eine chemische Reaktion formuliert.

Der Stoff A und B werden dabei zu den Stoffen C und D umgesetzt. Dabei wird chemische Arbeit verrichtet. Wenn die Reaktion freiwillig abläuft so erniedrigt sich die innere Energie des Systems, während man die innere Energie des Systems erhöhen muss wenn die Reaktion erzwungen werden muss. Im ersten Fall verrichtet das System chemische Arbeit, im zweiten Fall wird chemische Arbeit an ihm verrichtet. Jedenfalls ändert sich die Teilchenanzahl jedes Stoffes im System beim Fortschreiten der Reaktion. Meist ist es gebräuchlich anstatt der Änderung der Teilchenanzahl , die Änderung der Stoffmenge zu zu verwenden, wobei der Subskript den betrachteten Stoff bezeichnet. Da nun das chemische Potential die Änderung der inneren Energie pro umgesetzter Stoffmenge charakterisieren soll ergibt sich für die chemische Arbeit:

Wenn nun verschiedene Reaktionspartner beteiligt sind, so ergibt sich für die Änderung der inneren Energie:

Die innere Energie ist somit eine Funktion der Entropie, des Volumens sowie der Stoffmengen der Kompententen des Systems . Das chemische Potential einer Komponenten kann nun als partielle Ableitung der inneren Energie nach seiner Stoffmenge definiert werden. Die anderen extensiven Zustandsgrößen wie die Entropie, das Volumen und die Stoffmengen der anderen Komponenten werden dabei konstant gehalten.

Somit ist gezeigt, dass das chemische Potential als Änderung der inneren Energie pro Änderung der Stoffmenge bzw. Teilchenanzahl definiert.

Diese Definition zeigt auch die Unterschiede zu anderen Potentialen, wie zum Beispiel dem elektrischen Potential auf. Bei elektrischen Potential handelt es sich um die Stammfunktion des elektrischen Feldes. Das chemische Potential ist jedoch die Ableitung eines thermodynamischen Potentials. Es ist in diesem Vergleich also analog zu einer Komponente des elektrischen Feldes.

Alternative Formulierungen

Alternativ zur inneren Energie lassen sich auch andere thermodynamische Potentiale definieren, die Auskunft darüber geben ob eine chemische Reaktion freiwillig abläuft oder nicht. Im Falle der inneren Energie läuft eine chemische Reaktion freiwillig ab (das System gibt Energie an die Umgebung ab) wenn . Dasselbe gilt für die Enthalpie, die freie Energie sowie die freie Enthalpie. Diese thermodynamischen Potentiale werden durch sukzessive Legendre Transformation der inneren Energie gewonnen. Während dieser Variablentransformationen bleibt jedoch die Stoffmenge unberührt. Somit kann das chemische Potential einer Komponenten auch als partielle Ableitung der vorher genannten thermodynamischen Potentiale nach der Stoffmenge der Komponente definiert werden. Neben den Definitionen des chemischen Potentials der Komponente ist auch die Transformationsgleichung für das dementsprechende thermodynamische Potential gegeben. Beispielsweise wird, die Enthalpie direkt aus der inneren Energie gewonnen. Wie man sieht geht in keine Transformationsgleichung die Stoffmenge ein, wie vorhin bereits erwähnt wurde. Somit kann das chemische Potential wie folgt geschrieben werden:

aus der Enthalpie 
aus der freien Energie 
aus der freien Enthalpie 

Chemisches Gleichgewicht

Die chemischen Potentiale der Komponenten die an einer chemischen Reaktion beteiligt sind eignen sich auch zur Beschreibung des chemischen Gleichgewichtes. Zuerst sei die Bedingung für chemisches Gleichgewicht mit Hilfe der freien Enthalpie bei konstantem Druck und konstanter Temperatur formuliert:

Eine chemische Reaktion im Gleichgewicht kann wie folgt formuliert werden:

Die oben genannte Gleichgewichtsbedingung kann für diese Reaktion wie folgt formuliert werden:

Jede Änderung der Stoffmenge einer Komponente kann durch die Stoffmengenänderung einer anderen Komponente beschrieben werden. So kann die Änderung der Stoffmenge der Komponente A durch ausgedrückt werden. Das negative Vorzeichen stammt daher, dass die Stoffmenge der Komponente A abnimmt wenn die Stoffmenge der Komponente D zunimmt.

Führt man dies nun für alle Terme durch so gelangt man zu:

Da die Änderung der Stoffmenge der Komponente D nicht null sein kann und man durch dividieren kann gelangt zu folgender Gleichgewichtsbedingung:

Dies stellt eine wichtige Erkenntnis dar. Das chemische Gleichgewicht kann somit vollständig durch die chemischen Potentiale der Komponenten sowie durch deren Reaktionskoeffizienten beschrieben werden. Allgemein gilt bei chemischem Gleichgewicht:

Die Einsicht, dass sich das chemische Gleichgewicht mit Hilfe der chemischen Potentiale der Komponenten ausdrücken lässt ermöglicht die Formulierung der Gleichgewichtskonstanten für eine chemische Reaktion. Zuallererst muss dafür die Konzentrationsabhängigkeit des chemischen Potentials erarbeitet werden. Man erinnere sich erst dass für die Änderung der freien Enthalpie im Gleichgewicht folgende Beziehung gilt:

Integriert man diese Gleichung bildet das totale Differential so gelangt man zu folgendem Ausdruck:

Durch Vergleich der letzten beiden Gleichungen erhält man:

Da chemisches Gleichgewicht behandelt werden soll, muss wie eingangs erwähnt gelten, dass die Druckänderung gleich Null ist. Somit kann man nun wie folgt fortfahren:

Der Term auf der rechten Seite folgt aus dem totalen Differential der freien Enthalpie. Der Einfachheit halber sei angenommen, bei dem betrachteten System handle es sich um ein ideales Gas, dessen Gesamtdruck sich aus den Partialdrücken der einzelnen Komponenten ergibt. Somit kann die letzte Gleichung nur für eine Komponente geschrieben werden:

Integriert man nun diese Gleichung auf beiden Seiten von Standardbedingungen bis zu einem frei wählbaren Zustand,

so ergibt sich die Abhängigkeit des chemischen Potentials einer Komponente

Der Quotient im Logarithmus-Term kann als Molenbruch des idealen Gases identifiziert werden. Sollen nun auch nicht ideale Wechselwirkungen wie bei realen Gasen oder Elektrolytlösungen mitberücksichtigt werden, so ist der Molenbruch durch die Aktivität zu ersetzen. Alternativ könnte man weiter oben auch mit einer Gasgleichung ansetzen die nicht ideales Verhalten berücksichtigt. Jedoch wird das schon im Falle der Van-der-Waals-Gleichung für reale Gase sehr kompliziert und man wählt daher die vorgestellte Herangehensweise. Somit kann man nun das chemische Potential einer Komponente in Abhängigkeit von der Aktivität anschreiben:

Chemisches Potential eines Lösemittels in Abhängigkeit von der Konzentration. Unter idealen Bedingungen entspricht die Aktivität eines Stoffes seiner Konzentration

Eingangs wurde bereits die Erkenntnis gewonnen, dass das chemische Gleichgewicht durch die chemischen Potentiale und durch die Koeffizienten in der Reaktionsgleichung der Gleichgewichtsreaktion definiert ist. Setzt man den gewonnen Ausdruck der die Aktivität einer Komponenten berücksichtigt, so erhält man nach Umformen (die stöchiometrischen Koeffizienten sind hier als Kleinbuchstaben geschrieben):

Der Term auf der linken Seite ist die freie Reaktionsenthalpie bei Standardbedingungen und beinhaltet alle Terme, die die chemischen Potentiale der Komponenten bei Standardbedingungen beschreiben. Die freie Reaktionsenthalpie bei Standardbedingungen ist konstant. Das heißt nun, dass auch der Quotient im Logarithmusterm konstant sein muss. Es handelt sich dabei um die Gleichgewichtskonstante im chemischen Massenwirkungsgesetz:

Dies ist die abschließende Erkenntnis dieses Absatzes. Chemisches Gleichgewicht ist durch die chemischen Potentiale der Komponenten der Gleichgewichtsreaktion gegeben. Daraus kann das chemische Massenwirkungsgesetz abgeleitet werden.

Neben dem Massenwirkungsgetz lassen sich aus der Konzentrationsabhängigkeit des chemischen Potentials auch die Diffusionsgesetze für gelöste Teilchen sowie der Diffusionskoeffizient ableiten. Eine detaillierte Herleitung ist im Artikel Diffusion zu finden.

Chemisches Potential in der statistischen Thermodynamik

Bisher wurde das chemische Potential im Zusammenhang mit chemischen Reaktionen diskutiert. Das chemische Potential tritt aber auch in Verteilungsfunktionen auf, die die Energieverteilung von Teilchen beschreiben. Dabei handelt es sich um die Fermi-Dirac-Statistik sowie die Bose-Einstein-Statistik. Die Fermi-Dirac Statistik beschreibt die Verteilung von Elektronen auf eine Zustandsdichte in einem Festkörper. Formelmäßig ist die Fermi-Dirac Statistik wie folgt definiert:

Wobei die Besetzungswahrscheinlichkeit eines Zustandes in Abhängigkeit der Energie ist, während die Boltzmann-Konstante, die absolute Temperatur und das chemische Potential des Elektrons ist (im folgenden Text wird abgekürzt nur mehr vom chemischen Potential gesprochen). In diesem Fall ist das chemische Potential die partielle Ableitung der freien Energie nach der Teilchenanzahl .

Das chemische Potential charakterisiert dabei den Wendepunkt der Fermi-Verteilung. Die Fermi-Energie ist der Grenzwert des chemischen Potentials für 0 Kelvin. Häufig wird auch für höhere Temperaturen der Begriff Fermi-Energie an Stelle des chemischen Potentials verwendet, da die Temperaturabhängigkeit bei Raumtemperatur nicht sehr stark ausgeprägt ist. Eine physikalische Interpretation des chemischen Potentials ist hierbei analog zu der oben gegebenen. Es charakterisiert die Energie die notwendig ist um ein Elektron aus dem Festkörper zu entfernen. An diesem Beispiel ist auch ersichtlich, dass für diesen Fall das chemische Potential nicht die Einheit Joule/Mol trägt, sondern schlicht Joule. Beides ist zulässig, da die Einheit Mol nur eine definierte Teilchenanzahl darstellt.

In der Bose-Einstein Statistik tritt ebenfalls das chemische Potential auf. Sie dient zur Beschreibung der Besetzungswahrscheinlichkeit von Bosonen, die im Gegensatz zu Elektronen keine Teilchenbeschränkung pro Energiezustand haben.

Zu diesen Teilchen können auch Teilchen wie Phonen oder Photonen gehören, für die keine Teilchenerhaltung notwendig ist wie zum Beispiel für Elektronen in einem Festkörper. Eine Konsequenz davon ist, dass das chemische Potential für diese Teilchen Null ist.

Elektrochemisches Potential

Hauptartikel Elektrochemisches Potential

Eingangs wurde das chemische Potential mit Hilfe der inneren Energie definiert wobei keine elektrische Arbeit berücksichtigt wurde. Tut man dies so gelangt man zu folgendem Ausdruck für die Änderung der inneren Energie:

Der letzte Term entspricht der elektrischen Arbeit die nötig ist um eine infinitesimale Stoffmenge eines geladenen Teilchens an einen Ort zu bringen an dem das Elektrisches Potential vorherrscht. ist dabei die Faraday-Konstante und die Oxidationszahl des Teilchens . Diese abstrakte Definition kann man wie folgt beschreiben. Die elektrische Arbeit ist über die Gleichung definiert, wobei die Ladung und die elektrische Potentialdifferenz darstellen. Abhängig von der Richtung des elektrischen Feldes und der Ladung (positiv oder negativ) eines Teilchens muss man also Energie aufwenden um ein geladenes Teilchen gegen eine elektrische Potentialdifferenz zu bewegen oder sie wird frei wenn das Teilchen durch die Potentialdifferenz beschleunigt wird. Dieser elektrische Arbeitsterm ist in die obige Gleichung eingefügt worden. Die Ladung kann für die infinitesimale Stoffmenge eines Teilchen durch geschrieben werden. An Stelle einer Potentialdifferenz tritt das elektrische Potential , wobei als Referenz das elektrische Potential in unendlicher Entfernung tritt und willkürlich Null gesetzt wird. Die Interpretation des elektrischen Arbeitsterms für ein Teilchen kann nun folgendermaßen gegeben werden. Er entspricht der elektrischen Arbeit die notwendig ist um eine infinitesimale Stoffmenge eines elektrisch geladenen Teilchens von unendlicher Entfernung an einen Ort zu bringen an dem das elektrische Potential vorherrscht.

Mit dem zusätzlich eingefügten Term für die elektrische Arbeit wird die partielle Ableitung der inneren Energie nach der Stoffmenge einer Komponente zu:

Diese partielle Ableitung ist nun als das elektrochemische Potential definiert:

Das elektrochemische Potential tritt also an die Stelle des chemischen Potentials wenn geladene Teilchen behandelt werden.

Werte

Die Werte des chemischen Potentials sind für Standardbedingungen (; ) tabelliert, s. u. „Weblinks“.

Ist das chemische Potential für einen bestimmten Zustand (z. B. Standardbedingungen) bekannt, so lässt es sich für Drücke und Temperaturen in der Umgebung dieses Zustandes in linearer Näherung berechnen:

mit

  • dem Temperaturkoeffizienten
  • der Druckkoeffizienten

Aus den Maxwell-Beziehungen folgt, dass

  • der Temperaturkoeffizient gleich der negativen molaren Entropie ist:

und

Siehe auch

Literatur

  • J. Willard Gibbs: The Scientific Papers of J. Willard Gibbs: Vol. I Thermodynamics. Dover Publications, New York 1961.
  • G. Job, F. Herrmann: Chemical Potential – a quantity in search of recognition. In: Eur. J. Phys. 27, 2006, S. 353–371 (doi:10.1088/0143-0807/27/2/018, PDF).
  • Ulrich Nickel, Lehrbuch der Thermodynamik. Eine verständliche Einführung. 2. Auflage. PhysChem, 2011, ISBN 978-3-937744-06-3

Einzelnachweise

  1. Josiah Willard Gibbs: On the Equilibrium of Heterogeneous Substances. In: Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences. Band 3, Nr. V, 1978, S. 108–248 (englisch, biodiversitylibrary.org [abgerufen am 27. April 2017]).
  2. Gerd Wedler, Hans-Joachim Freund: Lehrbuch der Physikalischen Chemie. 6. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2012, ISBN 978-3-527-32909-0, 2.3 Die Grundgleichungen der Thermodynamik, S. 313–440.
  3. Klaus Lucas: Thermodynamik; Die Grundgesetze der Energie- und Stoffumwandlungen. 7. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-68645-3, 7 Modellprozesse für Stoffumwandlungen, S. 431–540.