„Kurt Lipstein“ – Versionsunterschied

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'''Kurt Lipstein''' [[Kronanwalt|QC]] (* [[19. März]] [[1909]] in [[Frankfurt am Main]]; † [[2. Dezember]] [[2006]] in [[Cambridge]], [[Vereinigtes Königreich|UK]]) war ein aus [[Deutschland]] stammender Rechtswissenschaftler und Professor der [[University of Cambridge|Universität Cambridge]].
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'''Kurt Lipstein''' [[Kronanwalt|QC]] (* [[19. März]] [[1909]] in [[Frankfurt am Main]]; † [[2. Dezember]] [[2006]] in [[Cambridge]], [[Vereinigtes Königreich|UK]]) war ein aus [[Deutschland]] stammender Rechtswissenschaftler und Professor der [[Universität Cambridge]].


== Leben ==
== Leben ==
Kurt Lipstein studierte nach seinem Abitur am [[Goethe-Gymnasium (Frankfurt am Main)|Frankfurter Goethe-Gymnasium]] ab 1927 Rechtswissenschaften zunächst an der [[Universität Joseph Fourier|Universität Grenoble]] (heute: Universität Joseph Fourier) und von 1927 bis 1931 an der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Friedrich-Wilhelm Universität-Berlin]] (heute: Humboldt-Universität zu Berlin) bei [[Martin Wolff (Rechtswissenschaftler)|Wolff]] und [[Ernst Rabel|Rabel]] sowie [[Ernst von Caemmerer|von Caemmerer]] und Mezger. Seine klassische Schulausbildung in [[Griechische Sprache|Griechisch]] und [[Lateinische Sprache|Latein]] ermöglichten ihm später einen tieferen Einblick in das [[Römisches Recht|Römische Recht]]. Nach seinem Studium absolvierte er ein Referendariat in [[Königstein im Taunus]] sowie am [[Landgericht Frankfurt am Main|Landgericht in Frankfurt am Main]].
Lipstein war der Sohn des Arztes Alfred Lipstein und dessen Frau Hilda (geborene Sulzbach). Sein Vater stammte aus Königsberg in Ostpreußen, seine Mutter aus Frankfurt. Beide Eltern kamen in der [[Zeit des Nationalsozialismus]] im [[KZ Theresienstadt]] ums Leben.<ref>{{Literatur |Autor=Bob Hepple |Titel=Obituary: Kurt Lipstein |Sammelwerk=[[The Guardian]] |Datum=2007-01-27 |Sprache=en |Kommentar=Nachruf |Online=[http://www.theguardian.com/news/2007/jan/29/guardianobituaries.obituaries1 theguardian.com]}}</ref> Seine Großmutter war in [[England]] aufgewachsen. Er studierte nach seinem Abitur am [[Goethe-Gymnasium (Frankfurt am Main)|Frankfurter Goethe-Gymnasium]] ab 1927 Rechtswissenschaften zunächst an der [[Universität Joseph Fourier Grenoble I|Universität Grenoble]] und von 1927 bis 1931 an der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Friedrich-Wilhelm Universität-Berlin]] bei [[Martin Wolff (Rechtswissenschaftler)|Martin Wolff]] und [[Ernst Rabel]] sowie [[Ernst von Caemmerer]]. Seine klassische Schulausbildung in [[Griechische Sprache|Griechisch]] und [[Latein]] ermöglichten ihm später einen tieferen Einblick in das [[Römisches Recht|Römische Recht]]. Nach seinem Studium absolvierte er ab 1931 ein Referendariat in [[Königstein im Taunus]] sowie anschließend am [[Landgericht Frankfurt am Main|Landgericht in Frankfurt am Main]].


Mit der Machtübernahme der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] 1933 verlor er als jüdischer Assessor seine Anstellung. 1934 emigrierte er nach [[England]]. Am [[Trinity College (Cambridge)|Trinity College]] in Cambridge wurde er 1936 mit der Arbeit „Roman Law: the beneficium cedendarum actionum“ [[Promotion (Doktor)|promoviert]]. Aus finanziellen Gründen konnte Lipstein keine wissenschaftliche Lehrstelle angeboten werden, erst Harold Gutteridge, Professor für Vergleichendes Recht an der Universität Cambridge, stellte ihn als Lehrbeauftragten an und bezahlte ihn aus eigener Tasche.
Mit der Machtübernahme der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] 1933 verlor er im April seine Anstellung als jüdischer Assessor. 1934 emigrierte er nach England. Am [[Trinity College (Cambridge)|Trinity College]] in Cambridge wurde er 1936 mit der Arbeit ''Roman Law: the beneficium cedendarum actionum'' [[Promotion (Doktor)|promoviert]]. Aus finanziellen Gründen konnte Lipstein keine wissenschaftliche Lehrstelle angeboten werden, erst Harold Cooke Gutteridge (1876–1953),<ref>{{Literatur |Autor=Kurt Lipstein |Titel=Harold Cooke Gutteridge: 1876–1953 |Sammelwerk=Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law |Band=28 |Nummer=2 |Verlag=Mohr Siebeck GmbH & Co. KG |Datum=1964 |ISSN=0033-7250 |Seiten=201–207 |JSTOR=27874529}}</ref> Professor für Vergleichendes Recht an der Universität Cambridge, stellte ihn als Lehrbeauftragten an und bezahlte ihn aus eigener Tasche.


Mit Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde er 1940 in einem britischen Flüchtlingslager in Bury St. Edmunds und später [[Liverpool]] interniert. In den Lagern lernte er zahlreiche weitere nicht-britische Gelehrte kennen, so den Enkel des deutschen Kaisers Wilhelm II. In dem Lager selbst wurden wissenschaftlich fundierte Vorlesungen abgehalten. Auf Anforderung der Universität Cambridge kam er frei und lehrte an der Rechtsfakultät. 1956 wurde er offizielles Mitglied des [[Clare College]] (sog. fellow). 1973 wurde er zum Professor für [[Vergleichende Rechtswissenschaft|Vergleichendes Recht]] berufen. 1977 wurde er zu seiner [[Emeritierung]] mit einem [[Doktor|LL.D]] („Legum Doctor“) ausgezeichnet.
1938 wurde er als Student der [[Middle Temple|Honourable Society of the Middle Temple]] zugelassen. Mit Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde er 1940 inhaftiert. Er hatte sich freiwillig zur Armee gemeldet und wurde als sogenannter {{enS|enemy alien|de=feindlicher Ausländer}} unter der „Defence Regulation 18B“ in dem britischen Lager in Bury St. Edmunds und später [[Liverpool]] gefangen gehalten. In den Lagern lernte er zahlreiche weitere nicht-britische Gelehrte kennen, so den Enkel des deutschen Kaisers Wilhelm II. oder den späterenNobelpreisträger [[Max Ferdinand Perutz|Max Perutz]]. In dem Lager selbst wurden wissenschaftlich fundierte Vorlesungen abgehalten. Auf Anforderung der Universität Cambridge kam er frei und war dort seit 1946 Dozent für Rechtswissenschaften an der juristischen Fakultät der Universität. Am 26. Januar 1950 wurde er in die Anwaltskammer berufen. Seinen bekanntesten Auftritt als Richter hatte er im Jahr 1955 im „Fall Nottebohm“ vor dem [[Internationaler Gerichtshof|Internationalen Gerichtshof]]. Er war seit 1956 offizielles Mitglied des [[Clare College]] (sog. fellow). 1973 wurde er zum Professor für [[Vergleichende Rechtswissenschaft|Vergleichendes Recht]] berufen. 1977 wurde er zu seiner [[Emeritierung]] mit einem [[Doktor|LL.D]] („Legum Doctor“) ausgezeichnet.


Lipstein war der letzte lebende Jurist, der nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland nach England emigrieren und sich dort eine neue Existenz in Forschung und Lehre aufbauen musste.<ref>[[Max-Planck-Gesellschaft]]: {{Webarchiv|url=http://www.mpipriv-hh.mpg.de/deutsch/main/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen2007.html |wayback=20070610234718 |text=''Professor Kurt Lipstein verstorben''}} (Pressemitteilungen 2007).</ref>
Lipstein war der letzte lebende Jurist, der nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland nach England emigrieren und sich dort eine neue Existenz in Forschung und Lehre aufbauen musste.<ref>[[Max-Planck-Gesellschaft]]: {{Webarchiv |url=http://www.mpipriv-hh.mpg.de/deutsch/main/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen2007.html |text=''Professor Kurt Lipstein verstorben'' |wayback=20070610234718}} (Pressemitteilungen 2007).</ref>


Kurt Lipstein war einer der renommiertesten Experten im Internationalen Privatrecht und hat dort wichtige Spuren im übernationalen Bereich und auch speziell im englischen Kollisionsrecht hinterlassen. Er war auch Mitherausgeber des Monumentalwerkes ''Encyclopaedia of Comparative Law''. Ihm verdankt die deutsche Rechtswissenschaft insbesondere durch sein Wirken nach 1945 viel<ref>[[Universität zu Köln]]: {{Webarchiv|url=http://www.ipr.uni-koeln.de/iprax/iprax_ni_0207.html |wayback=20070623084120 |text=''Kurt Lipstein ist verstorben''}} ([[Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts|IPRax]] 2/2007)</ref>.
Lipstein war einer der renommiertesten Experten im Internationalen Privatrecht und hat dort wichtige Spuren im übernationalen Bereich und auch speziell im englischen Kollisionsrecht hinterlassen. Er war auch Mitherausgeber des Monumentalwerkes ''Encyclopaedia of Comparative Law''. Ihm verdankt die deutsche Rechtswissenschaft insbesondere durch sein Wirken nach 1945 viel.<ref>[[Universität zu Köln]]: {{Webarchiv |url=http://www.ipr.uni-koeln.de/iprax/iprax_ni_0207.html |text=''Kurt Lipstein ist verstorben'' |wayback=20070623084120}} ([[Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts|IPRax]] 2/2007)</ref>

Im Jahr 1998 wurde er zum Honorary Queen’s Counsel ([[Kronanwalt]]) ernannt. Zudem war er „Bencher of the Middle Temple“.

== Familie ==
Lipstein war seit Juni 1944 mit der [[Insektenkunde|Entomologin]] Gwyneth Mary (geborene Herford, 2. September 1910; † 1998) verheiratet. Sie war die Tochter von Henry John Robberds Herford und dessen Frau Mary Hilda (geborene Baily) und die Schwester von Geoffrey Vernon Brooke Herford (* 18. Februar 1905) und Philip Henry Herford (* 30. März 1912).<ref>{{Literatur |Autor=Lionel Graham Horton Horton-Smith |Titel=The Baily family of Thatcham and later of Speen and of Newbury, all in the county of Berkshire |Verlag=W. Thornley |Ort=Leicester |Datum=1951 |Seiten=213 |Online={{archive.org |bailyfamilyoftha00hort |Blatt=213}}}}</ref> Ihre erste Tochter Vivian starb 1946 kurz nach der Geburt. Das Paar hatte zwei weitere Töchter die in Cambridge geboren und getauft wurden:<ref>{{Literatur |Autor=Lionel Graham Horton Horton-Smith |Titel=Issue of Gwyneth Mary nee Herford (of Generation VIII above) and Kurt Lipstein her husband |Sammelwerk=The Baily family of Thatcham and later of Speen and of Newbury, all in the county of Berkshire |Verlag=W. Thornley |Ort=Leicester |Datum=1951 |Seiten=243 und 245 |Online={{archive.org |bailyfamilyoftha00hort |Blatt=243}}}}</ref>
* Diana Mary, geboren am 15. Juni 1947
* Eve Beatrix, geboren am 7. Mai 1949

Sie heirateten zunächst im Standesamt und gaben sich anschließend am 23. Juni 1944 in der Kapelle des Manchester Colleges in Oxford das Jawort. Seine Frau war zu dieser Zeit dort im Rang eines Captains stationiert.<ref>{{Literatur |Autor=Lionel Graham Horton Horton-Smith |Titel=The Baily family of Thatcham and later of Speen and of Newbury, all in the county of Berkshire |Verlag=W. Thornley |Ort=Leicester |Datum=1951 |Seiten=297 |Kommentar=Anmerkungen zu S. 213 |Online={{archive.org |bailyfamilyoftha00hort |Blatt=297}}}}</ref>

== Publikationen (Auswahl) ==
* {{Literatur
|Autor=Kurt Lipstein
|Titel=The General Principles of Private International Law
|Sammelwerk=Collected Courses of the Hague Academy of International Law
|Band=135
|Verlag=Sijthoff
|Ort=Leyde
|Datum=1973
|Seiten=97–230
|DOI=10.1163/1875-8096_pplrdc_a9789028602533_02
|Typ=wl}}
* {{Literatur
|Autor=Kurt Lipstein
|Titel=Principles of the conflict of laws national and international
|Verlag=Springer
|Ort=Dordrecht
|Datum=1981
|ISBN=94-011-9390-8
|DOI=10.1007/978-94-011-9390-0
|Typ=wl}}
Als Herausgeber
* {{Literatur
|Autor=René David, Arthur Taylor Von Mehren
|Titel=International encyclopedia of comparative law
|Band=Band 3, Teil 1: ''Private international law''
|Verlag=Mohr Siebeck
|Ort=Tübingen
|Datum=2011
|ISBN=978-3-16-150345-0}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{Literatur
* ''Multum, non Multa''. Festschrift für Kurt Lipstein aus Anlass seines 70. Geburtstages, Herausgegeben von Peter Feuerstein und Clive Parry. Verlag C.F. Mueller, Heidelberg 1980.
|Autor=Kurt Lipstein
* [[Heinz-Peter Mansel]], ''Kurt Lipstein (1909–2006)'', in RabelsZ, Bd. 73 (2009) S. 441–454.
|Titel=Collection of essays
|Verlag=Mohr Siebeck
|Ort=Tübingen
|Datum=2014
|ISBN=978-3-16-152062-4
|Seiten=}}
* Peter Feuerstein, Clive Parry (Hrsg.): ''Multum, non Multa.'' Festschrift für Kurt Lipstein aus Anlass seines 70. Geburtstages. Verlag C. F. Mueller, Heidelberg 1980.
* {{Literatur
|Autor=Christoph Forsyth
|Titel=Kurt Lipstein (1909–)
|Sammelwerk=Jurists uprooted – German-speaking émigré lawyers in twentieth-century Britain
|Verlag=Oxford University Press
|Ort=Oxford
|Datum=2004
|ISBN=0-19-927058-9
|Seiten=463–481}}
* {{Literatur
|Autor=Bob Hepple
|Titel=Obituary: Kurt Lipstein
|Sammelwerk=[[The Guardian]]
|Datum=2007-01-27
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|Kommentar=Nachruf
|Online=[http://www.theguardian.com/news/2007/jan/29/guardianobituaries.obituaries1 theguardian.com]}}
* {{Literatur
|Autor=[[Heinz-Peter Mansel]]
|Titel=Kurt Lipstein (1909–2006)
|Sammelwerk=Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law
|Band=73
|Nummer=3
|Datum=2009
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|Seiten=441–454
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|Titel=Tribute to Professor Kurt Lipstein (1909–2006)
|Sammelwerk=European Business Law Review
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|Datum=2011
|Seiten=423
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|118573438}}
* [http://www.squire.law.cam.ac.uk/eminent_scholars/professor_kurt_lipstein_bibliography.php K. Lipstein Bibliography]
* {{Worldcat id|lccn-n81068093}}
* Lesley Dingle, Daniel Bates: [https://www.squire.law.cam.ac.uk/eminent-scholars-archive/professor-kurt-lipstein ''Professor Kurt Lipstein''] (Biografie, englisch)
* [https://www.cam.ac.uk/news/professor-kurt-lipstein-1909-2006 ''Professor Kurt Lipstein (1909–2006)''] (Universität Cambridge, englisch)
* [http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2004/pressemitteilung200412161/genPDF.pdf ''Jurists Uprooted – Entwurzelte Juristen''] (Max-Planck-Gesellschaft 16. Dezember 2004, PDF; 49 kB)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


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== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|118573438}}
* [http://squire.law.cam.ac.uk/eminent_scholars/kurt_lipstein.php Biografie von Kurt Lipstein] (engl.)
* [http://www.admin.cam.ac.uk/news/dp/2006121302 „Professor Kurt Lipstein (1909 - 2006)“ (Universität Cambridge)] (engl.)
* [http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2004/pressemitteilung200412161/genPDF.pdf „Jurists Uprooted - Entwurzelte Juristen“ (Max-Planck-Gesellschaft 16. Dezember 2004)] (PDF-Datei; 49 kB)

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Version vom 26. August 2021, 10:21 Uhr

Kurt Lipstein QC (* 19. März 1909 in Frankfurt am Main; † 2. Dezember 2006 in Cambridge, UK) war ein aus Deutschland stammender Rechtswissenschaftler und Professor der Universität Cambridge.

Leben

Lipstein war der Sohn des Arztes Alfred Lipstein und dessen Frau Hilda (geborene Sulzbach). Sein Vater stammte aus Königsberg in Ostpreußen, seine Mutter aus Frankfurt. Beide Eltern kamen in der Zeit des Nationalsozialismus im KZ Theresienstadt ums Leben.[1] Seine Großmutter war in England aufgewachsen. Er studierte nach seinem Abitur am Frankfurter Goethe-Gymnasium ab 1927 Rechtswissenschaften zunächst an der Universität Grenoble und von 1927 bis 1931 an der Friedrich-Wilhelm Universität-Berlin bei Martin Wolff und Ernst Rabel sowie Ernst von Caemmerer. Seine klassische Schulausbildung in Griechisch und Latein ermöglichten ihm später einen tieferen Einblick in das Römische Recht. Nach seinem Studium absolvierte er ab 1931 ein Referendariat in Königstein im Taunus sowie anschließend am Landgericht in Frankfurt am Main.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verlor er im April seine Anstellung als jüdischer Assessor. 1934 emigrierte er nach England. Am Trinity College in Cambridge wurde er 1936 mit der Arbeit Roman Law: the beneficium cedendarum actionum promoviert. Aus finanziellen Gründen konnte Lipstein keine wissenschaftliche Lehrstelle angeboten werden, erst Harold Cooke Gutteridge (1876–1953),[2] Professor für Vergleichendes Recht an der Universität Cambridge, stellte ihn als Lehrbeauftragten an und bezahlte ihn aus eigener Tasche.

1938 wurde er als Student der Honourable Society of the Middle Temple zugelassen. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er 1940 inhaftiert. Er hatte sich freiwillig zur Armee gemeldet und wurde als sogenannter englisch enemy alien ‚feindlicher Ausländer‘ unter der „Defence Regulation 18B“ in dem britischen Lager in Bury St. Edmunds und später Liverpool gefangen gehalten. In den Lagern lernte er zahlreiche weitere nicht-britische Gelehrte kennen, so den Enkel des deutschen Kaisers Wilhelm II. oder den späterenNobelpreisträger Max Perutz. In dem Lager selbst wurden wissenschaftlich fundierte Vorlesungen abgehalten. Auf Anforderung der Universität Cambridge kam er frei und war dort seit 1946 Dozent für Rechtswissenschaften an der juristischen Fakultät der Universität. Am 26. Januar 1950 wurde er in die Anwaltskammer berufen. Seinen bekanntesten Auftritt als Richter hatte er im Jahr 1955 im „Fall Nottebohm“ vor dem Internationalen Gerichtshof. Er war seit 1956 offizielles Mitglied des Clare College (sog. fellow). 1973 wurde er zum Professor für Vergleichendes Recht berufen. 1977 wurde er zu seiner Emeritierung mit einem LL.D („Legum Doctor“) ausgezeichnet.

Lipstein war der letzte lebende Jurist, der nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland nach England emigrieren und sich dort eine neue Existenz in Forschung und Lehre aufbauen musste.[3]

Lipstein war einer der renommiertesten Experten im Internationalen Privatrecht und hat dort wichtige Spuren im übernationalen Bereich und auch speziell im englischen Kollisionsrecht hinterlassen. Er war auch Mitherausgeber des Monumentalwerkes Encyclopaedia of Comparative Law. Ihm verdankt die deutsche Rechtswissenschaft insbesondere durch sein Wirken nach 1945 viel.[4]

Im Jahr 1998 wurde er zum Honorary Queen’s Counsel (Kronanwalt) ernannt. Zudem war er „Bencher of the Middle Temple“.

Familie

Lipstein war seit Juni 1944 mit der Entomologin Gwyneth Mary (geborene Herford, 2. September 1910; † 1998) verheiratet. Sie war die Tochter von Henry John Robberds Herford und dessen Frau Mary Hilda (geborene Baily) und die Schwester von Geoffrey Vernon Brooke Herford (* 18. Februar 1905) und Philip Henry Herford (* 30. März 1912).[5] Ihre erste Tochter Vivian starb 1946 kurz nach der Geburt. Das Paar hatte zwei weitere Töchter die in Cambridge geboren und getauft wurden:[6]

  • Diana Mary, geboren am 15. Juni 1947
  • Eve Beatrix, geboren am 7. Mai 1949

Sie heirateten zunächst im Standesamt und gaben sich anschließend am 23. Juni 1944 in der Kapelle des Manchester Colleges in Oxford das Jawort. Seine Frau war zu dieser Zeit dort im Rang eines Captains stationiert.[7]

Publikationen (Auswahl)

Als Herausgeber

  • René David, Arthur Taylor Von Mehren: International encyclopedia of comparative law. Band 3, Teil 1: Private international law. Mohr Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 978-3-16-150345-0.

Literatur

  • Kurt Lipstein: Collection of essays. Mohr Siebeck, Tübingen 2014, ISBN 978-3-16-152062-4.
  • Peter Feuerstein, Clive Parry (Hrsg.): Multum, non Multa. Festschrift für Kurt Lipstein aus Anlass seines 70. Geburtstages. Verlag C. F. Mueller, Heidelberg 1980.
  • Christoph Forsyth: Kurt Lipstein (1909–). In: Jurists uprooted – German-speaking émigré lawyers in twentieth-century Britain. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-927058-9, S. 463–481.
  • Bob Hepple: Obituary: Kurt Lipstein. In: The Guardian. 27. Januar 2007 (englisch, theguardian.com – Nachruf).
  • Heinz-Peter Mansel: Kurt Lipstein (1909–2006). In: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law. Band 73, Nr. 3, 2009, ISSN 0033-7250, S. 441–454, JSTOR:27878821.
  • Neil Andrews: Tribute to Professor Kurt Lipstein (1909–2006). In: European Business Law Review. Band 22, 2011, S. 423 (heinonline.org).

Einzelnachweise

  1. Bob Hepple: Obituary: Kurt Lipstein. In: The Guardian. 27. Januar 2007 (englisch, theguardian.com – Nachruf).
  2. Kurt Lipstein: Harold Cooke Gutteridge: 1876–1953. In: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law. Band 28, Nr. 2. Mohr Siebeck GmbH & Co. KG, 1964, ISSN 0033-7250, S. 201–207, JSTOR:27874529.
  3. Max-Planck-Gesellschaft: Professor Kurt Lipstein verstorben (Memento vom 10. Juni 2007 im Internet Archive) (Pressemitteilungen 2007).
  4. Universität zu Köln: Kurt Lipstein ist verstorben (Memento vom 23. Juni 2007 im Internet Archive) (IPRax 2/2007)
  5. Lionel Graham Horton Horton-Smith: The Baily family of Thatcham and later of Speen and of Newbury, all in the county of Berkshire. W. Thornley, Leicester 1951, S. 213 (Textarchiv – Internet Archive).
  6. Lionel Graham Horton Horton-Smith: Issue of Gwyneth Mary nee Herford (of Generation VIII above) and Kurt Lipstein her husband. In: The Baily family of Thatcham and later of Speen and of Newbury, all in the county of Berkshire. W. Thornley, Leicester 1951, S. 243 und 245 (Textarchiv – Internet Archive).
  7. Lionel Graham Horton Horton-Smith: The Baily family of Thatcham and later of Speen and of Newbury, all in the county of Berkshire. W. Thornley, Leicester 1951, S. 297 (Textarchiv – Internet Archive – Anmerkungen zu S. 213).