Angelica Catalani

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Angelica Catalani, Lithographie von Josef Lanzedelli d. Ä., ca. 1820

Angelica Catalani (* 10. Mai 1780 in Senigallia bei Ancona; † 12. Juni 1849 in Paris, Frankreich) war eine italienische Opernsängerin (Sopran).

Leben

Angelica Catalani, Tochter des Edelsteinhändlers Antonio Catalani, kam zur Erziehung in das Kloster Santa Lucia in Gubbio bei Rom, wo sie bereits als Kind, wenn sie etwa mit den Nonnen in der Kirche sang, durch ihr Gesangstalent Aufsehen erregte. Über ihre musikalische Ausbildung, die sie zuerst im Kloster erhielt, liegen jedoch nur wenige gesicherte Angaben vor. In ihrem 14. Lebensjahr verließ sie das Kloster und wurde vielleicht von der in Venedig lebenden Sängerin Boselli (Pseudonym für Anna Morichelli) unterrichtet. Ferner bildete sie der Kastratensopran Girolamo Crescentini aus. Auch ihr Vater und der Pädagoge P. Morandi suchten sie zu unterweisen. Sie debütierte 1797 in Venedig am Teatro La Fenice in der Oper Lodoïska von Johann Simon Mayr. 1798 trat sie in Livorno auf, im nächsten Jahr am Teatro della Pergola in Florenz und 1800 an der Mailänder Scala. Dort wirkte sie u.a. am 26. Dezember 1800 bei der Uraufführung der Oper Clitemnestra des italienischen Komponisten Niccolò Antonio Zingarelli und am 21. Januar 1801 in I Baccanali di Roma von Giuseppe Nicolini mit. 1801 gab sie ferner in Rom und Neapel Vorstellungen. In all diesen großen Städten Italiens feierte sie neben Crescentini und Luigi Marchesi beispiellose Erfolge. Sie erhielt wohl 1804 durch den Prinzregenten von Portugal ein Engagement in Lissabon, wo sie ebenfalls das Publikum entzückte und bereits beträchtliche Gagen einstreifte.

Während ihres Aufenthaltes in Portugal machte Catalani die Bekanntschaft von Paul Valabrègue, dem Attaché an der französischen Gesandtschaft in Lissabon und ehemaligem französischen Kapitän, und nahm ihn 1804 zum Gatten. In der Folge fungierte Valabrègue, der in der Literatur häufig als habsüchtig charakterisiert wird, als ihr Manager. Sie reiste mit ihm 1806 über Madrid und Paris nach London. In Paris war sie nur in Konzerten aufgetreten und hatte Napoleons lukrative Offerte für ein Engagement an der Grand Opéra abgelehnt. Während ihres siebenjährigen Englandaufenthalts stand sie als eine der bedeutendsten Primadonnen ihrer Zeit am Höhepunkt ihres Ruhms und erwarb sich ungeheure, die damals üblichen Gagen weit übersteigende Summen Geldes. In London trat sie erstmals im Dezember 1806 am King’s Theatre in der Titelrolle der Oper La morte di Semiramide des portugiesischen Komponisten Marcos António Portugal auf. Am selben Haus wirkte sie auch in vielen weiteren Opern, u.a. in La morte di Cleopatra von Sebastiano Nasolini. Im Jahr 1808 verdiente sie in einer Saison bei zwei Auftritten pro Woche 60.000 Gulden[1]. In dieser Zeit war ihre größte Konkurrentin die Sängerin Elisabeth Billington (1770–1818):

„Der Wettkampf der größten Sängerinnen unserer Zeit, Billington und Catalani, wird hier immer ernsthafter, [...] Billington galt bisher für die erste Sängerin Englands, und Niemand machte ihr diesen Vorzug streitig. Nun erschien Catalani, und trat mit dem ganzen Zauber ihrer Silberstimme, und ihrer reizenden, in der Jugendblühte stralenden Figur auf. Miß Billington, freylich etwas wohl beleibt, und schon stark in den Dreißigern, raffte alle ihre Kunst zusammen, um einer gefährlichen Nebenbuhlerin den Vorzug streitig zu machen. Vergeblich; Catalani zeigt sich mehr und mehr nicht allein als die vollendetste Sängerin, sondern auch als die gewandteste Schauspielerin. Miß Billington fühlt nun selbst diese Ueberlegenheit, und will sich wenigstens auf so lange, bis die gefährliche Catalani England wieder verläßt, in die ländliche Verborgenheit zurück ziehen.“[2]

Als Mozarts Figaros Hochzeit 1812 am His Majesty’ Theatre erstaufgeführt wurde, sang sie die Rolle der Susanna. Der in London und später in Paris mit ihr zusammenarbeitende italienische Komponist Vincenzo Pucitta profitierte sehr von dieser Kooperation und verfasste für sie einige Opernpartien, u.a. in La caccia di Enrico IV (1809) und La vestale (1810). Später zerstritt Pucitta sich aber mit Catalanis Gatten Valabrègue.

Als nach dem Sturz Napoleons der Bourbonenherrscher Ludwig XVIII. 1814 wieder nach Frankreich zurückgekehrt war, engagierte er Angelica Catalani, die er häufig in London bewundert hatte, als Direktorin des Théâtre-Italien in Paris. Bei Napoleons erneuter kurzzeitiger Machtübernahme während der Herrschaft der Hundert Tage (1815) ging sie mit dem König ins Exil, kehrte dann nach Paris zurück und übernahm zum zweiten Mal die Leitung des Théâtre-Italien. Ihr war jedoch in dieser Funktion wenig Glück beschieden. Ihre Direktionsführung, die auch wegen deren Ausrichtung auf die Inszenierung ihrer eigenen Person kritisiert wurde, war ein finanzieller Misserfolg; wohl vor allem wegen der ungeschickten Einmischung ihres Gemahls in die Verwaltung des Theaters und des Disputs mit ihrer neidischen Gesangskollegin Madame Fodor-Mainville. 1818 legte sie ihr Amt nieder.

Bereits 1815/16 hatte Catalani eine Kunstreise angetreten, Deutschland, Dänemark, Schweden, dann auch Holland und Belgien besucht und war überall mit Enthusiasmus aufgenommen worden. Doch litt sie offenbar seit etwa 1817 an Stimmproblemen und vermochte zahlreiche Partien nicht mehr so brillant wie früher darzubieten. Trotzdem machte sie seit 1818 wiederholte Tourneen durch Europa. 1818 war sie zum Aachener Kongress eingeladen und begegnete dort so bedeutenden europäischen Monarchen wie dem österreichischen Kaiser Franz I., dem russischen Zaren Alexander I. sowie dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. und gewann Baron Rothschild zu ihrem Vermögensberater. 1819 wurde sie in Warschau bejubelt, 1820 feierte sie auf einer Gastspielreise Erfolge in Riga, Lemberg, Wilna und Brünn. Im nächsten Jahr trat sie u.a. in Rumänien auf. Nach London kam sie wieder 1824 und sang hier in Johann Simon Mayrs Farsa Che originali!. Ende 1824 beendete sie ihre Bühnenlaufbahn, trat aber noch 1827 in Berlin und letztmals im Mai 1828 in Hannover bei Konzerten auf.

Catalani wohnte seit 1830 mit ihrem Gatten und ihren Kindern auf ihrem Gut bei Florenz, wo sie auch eine Gesangsschule stiftete. Zeitweise lebte sie auch zu Paris. Sie konnte als eine der Ersten auf eine in ganz Europa erfolgreiche Gesangskarriere zurückblicken, die ihr einen enormen finanziellen Gewinn eingebracht hatte. Während ihrem Gatten in der Literatur häufig Geiz nachgesagt wird, ließ sie selbst beträchtliche Teile der während ihrer Künstlerlaufbahn erworbenen Gagen den Bedürftigen zugutekommen. Wenn sie z.B. in einer einzigen viermonatigen Londoner Saison 240.000 Francs einnahm, so soll andererseits die von ihr den Armen gespendete Summe insgesamt etwa 2 Millionen Francs betragen haben. Dass sie aber, wie oft angegeben, nach ihrem Rückzug von der Bühne bedürftigen talentierten Mädchen unentgeltlichen Gesangsunterricht erteilt habe, ist nicht belegbar. Im Alter von 69 Jahren erlag sie 1849 in Paris der Cholera. Sie hatte auch mehrere Arien und Lieder komponiert, u.a. die Canzonetta Papa non dite für die Oper Il furbo contro il furbo von Giacomo Gotifredo Ferrari.

Beurteilung von Catalanis Gesangsqualitäten

Angelica Catalani verband körperliche Schönheit mit einer herrlichen Klangkraft ihrer wohlklingenden Sopranstimme, die sie durch großen Fleiß zu einer virtuosen Kehlfertigkeit gebracht hatte. Zu ihrer Einschätzung als Künstlerin ist jedoch zu beachten, dass sie in der Literatur häufig als typische Operndiva betrachtet wurde und ihr dementsprechende idealtypische Züge zugeschrieben wurden. Informationen über ihre musikalischen Aktivitäten und ihre Persönlichkeit sind meist klischeehaft und nur sehr bedingt zum Entwurf eines sachlich fundierten Bildes der Sängerin verwendbar. So soll ihre Stimme laut einigen Autoren eine verblüffende Geläufigkeit, technische Perfektion in der Ausführung schneller Passagen und einen enormen Umfang von über drei Oktaven aufgewiesen haben, während sie im Widerspruch dazu nach anderen Quellen begrenzte Möglichkeiten sowie nur einen sehr beschränkten Stimmumfang besessen habe und daher keine Donna Elvira oder Königin der Nacht habe singen können.[3]

Über die Koloratursopranistin Henriette Sontag, die ebenfalls an der Cholera starb, hat Catalani gesagt:

Elle est grande dans son genre, mais son genre est petit.
Sie ist groß in ihrem Gebiete, aber ihr Gebiet ist klein.[4]

Auch die Stimme der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff wurde mit der Stimme der Catalani verglichen, die vor ihrer Karriere als Schriftstellerin und Poetin auch komponierte und begeistert im Familienkreise sang[5].

Literatur

  • Bernhard J. Docen: Madame Angelica Catalani in München. Eine Rhapsodie in sunderganischen Hexametern. München 1818.
  • Rebecca Grotjahn: Catalani, Angelica. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), 2. Auflage, Personenteil Bd. 4 (2000), Sp. 437-439.
  • Kurt Honolka: Die großen Primadonnen. Vom Barock bis zur Gegenwart. Verlag Heinrichshofen, Wilhelmshaven 1982, ISBN 3-7959-0279-7.
  • Raoul Meloncelli: Catalani, Angelica. In: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 22 (1979) (online).
  • Anastasio Minoja/Maximilian Hörberg (Bearb./Hrsg.): Anleitung zur vollständigen Ausbildung im Gesange (basierend auf einem Manuskript der Angelica Catalani). Überarbeitung der 2. Aufl. Leipzig 1857: Verlag Maximilian Hörberg, München 2009, ISBN 978-3-00-023408-8.
  • Heinrich Satter: Angelica Catalani. Primadonna der Kaiser und Könige. Verlag der Frankfurter Bücher, Frankfurt/M. 1958.
  • Eberhard von Wintzigerode: Angelica Catalani-Valabrègue. Eine biographische Skizze. Verlag Luckhardt, Kassel 1825.
  • Catalani, Angelica, in: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, 1885–1892, Bd. 3, S. 860 (online).

Weblinks

Commons: Angelica Catalani – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Augspurgische Ordinari Postzeitung, Nro. 31, Freytag, den 5. Febr. Anno 1808, S. 1, als Digitalisat.
  2. Augspurgische Ordinari Postzeitung, Nro. 180, Mittwoch, den 29. Jul. Anno 1808, S. 2f., als Digitalisat.
  3. Rebecca Grotjahn, MGG, 2. Auflage, Personenteil Bd. 4 (2000), Sp. 438.
  4. Holtei, Vierzig Jahre, IV, Berlin 1843/44, S. 33.
  5. Friedrich Beneke (1787–1865). Zitat in: Bodo Plachta (Hrsg.): Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848). „aber nach hundert Jahren möchte ich gelesen werden“. Ausstellungskat., Wiesbaden 1997, S. 153.