Ballsh

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Ballsh
Ballshi
Ballsh (Albanien)
Ballsh (Albanien)

Koordinaten: 40° 36′ N, 19° 44′ O

Basisdaten
Qark: Fier
Gemeinde: Mallakastra
Höhe: 200 m ü. A.
Einwohner: 7657 (2011[1])
Telefonvorwahl: (+355) 0313
Postleitzahl: 9308
Blick über die Stadt und die Hügel der Mallakastra von Süden

Blick über die Stadt und die Hügel der Mallakastra von Süden

Ballsh (albanisch auch Ballshi) ist eine Kleinstadt im südlichen Mittelalbanien mit 7657 Einwohnern (2011).[1] Sie ist Sitz der Gemeinde Mallakastra, am Übergang von der Myzeqe-Ebene ins südalbanische Hügelland gelegen, 20 Kilometer südöstlich von Fier. Ballsh ist Zentrum der Ölförderung Albaniens und Standort der größten Raffinerie des Landes. Zudem ist das Städtchen das lokale Zentrum der Region.

Die wichtigste Fernverkehrsstraße nach Südalbanien, die SH 4, führte lange durch den Ort. Heute verläuft die Route aber weiter westlich im Tal der Vjosa. Der Passagierservice auf der Stichbahn von Fier nach Ballsh wurde im Jahr 2000 eingestellt, es verkehren Güterzüge zur nahegelegenen Raffinerie.[2]

Der lokale Fußballklub KS Bylis Ballsh spielt in der höchsten Liga.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. gründeten Illyrer auf einer Bergkuppe eine Stadt, das spätere Byllis, die mit einer Befestigungsmauer umgeben zum Hauptort des Illyrerstammes der Byllionen wurde. Ab Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. gehörte sie mit dem damaligen Namen Colonia Byllidensium zur römischen Provinz Makedonien. In Ballsh wurden zwar römische Säulenreste vorgefunden, die Siedlung Ballsh fünf Kilometer nördlich von Byllis und abseits der Verkehrswege ist in römischer Zeit aber nicht gesichert. Die letzte Blütezeit von Byllis war im 6. Jahrhundert n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser Justinian I. Es muss ein wichtiges christliches Zentrum gewesen sein, denn in einem Dutzend kleinerer Gemeinden im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern um Byllis wurden Reste von frühchristlichen Basiliken entdeckt.

Ausgrabungsgelände der Basilika

In Ballsh (damals Baletium) wurden an der Durchgangsstraße im Ort die Fundamente einer dreischiffigen Basilika aus dem Anfang des 6. Jahrhunderts freigelegt.[3] Man fand Bodenplatten aus Marmor von der griechischen Insel Euböa und Säulen aus ägyptischem Granit. Auf dem Gelände ist ein kleiner Kirchenneubau.[4][5]

Byllis wurde nach dem verheerenden Slaweneinfall 586 n. Chr. nicht wieder aufgebaut. Es blieb danach verlassen, die Bewohner und auch der Bischof zogen nach Ballsh. Byllis wurde geplündert, steinerne Reste finden sich als Baumaterial in Ballsh wieder. Im 11. oder 12. Jahrhundert wurden in der Basilika die Zwischenräume der Säulenreihen zugemauert. Nach Grabungsergebnissen muss es im Mittelalter auch ein Kloster in Ballsh gegeben haben. Eine 1919 in den Ruinen des Klosters gefundene Säule mit einer altbulgarische Inschrift, erwähnt das Jahr 6374 (865/866) nach dem altbulgarischen Kalender, als das wichtiges Ereignis während der Regierungszeit des Herrschers Boris I. Man nimmt an, das in diesem Jahr die Christsanierung des Bulgarenreiches erfolgte.[6] Tatsächlich wird 1219 im jetzt als Glavinitza bezeichneten Ort ein Kloster des Heiligen Demetrius erwähnt.[7] Im 14. Jahrhundert wird der Ort als Bischofssitz aufgeführt, ein deutscher Bischof war von 1351 bis 1357 zu Besuch.

Unter den Gebietsherrschern dieser Jahre und bis zur Zeit Skanderbegs im 15. Jahrhundert gewann auch der Familienclan der Ballshas an Bedeutung. Ihr Einflussbereich reichte weit über die Mallakastra-Region hinaus.

Von 1972 bis 1987 gab es in Ballsh ein Gefangenenlager, welches unter der Diktatur Enver Hoxhas errichtet wurde. Die dortigen Zwangsarbeiter mussten in dem mit chinesischer Hilfe gebauten Werk der Erdölindustrie arbeiten. Zeitweise waren in dem Lager bis zu 2.000 Gefangene untergebracht, die dort unter menschenunwürdigsten Bedingungen lebten.[8] In dem Lager saßen auch sehr alte Menschen ein.[9]

Wirtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um Ballsh liegen fünf Öllagerstätten. Das größte Ölfeld Albaniens, Marinza bei Patos wenige Kilometer nördlich der Stadt, wurde 1957 entdeckt. Noch näher liegt das erst 1966 entdeckte Ölfeld Ballsh. Die Raffinerie in Ballsh hat eine theoretische Verarbeitungskapazität von 1 Mio. Tonnen Rohöl pro Jahr, die einzige weitere Raffinerie in Fier von 0,5 Mio. Tonnen. Diese Mengen wurden nur um 1980 erreicht: im Jahr 2000 waren es in Ballsh 300.000 Tonnen, damit weniger als ein Drittel der Kapazität.[10] 2005 betrug die Gesamtproduktion im Land auch nur 382.000 Tonnen.[11]

Ursachen für die geringen Produktionsmengen sind einerseits veraltete Fördermethoden[12] und zum anderen veraltete Anlagen zur Aufbereitung. Die Raffinerie von Ballsh wurde 1978 gebaut mit einer Technologie aus den 1960er Jahren.[13]

2006 beschloss die mittlerweile privatisierte Betreibergesellschaft ARMO, 2,6 Mio. € in ein neues Anlagenteil zu investieren. Eine weitere, für Bohrtechnik zuständige Gesellschaft, die 1999 aus der staatlichen Albanian Petroleum Corporation (APC) abgespalten wurde, ist die ebenfalls privatisierte Servcom. Dazu kommt die bisher noch staatseigene Albpetrol, die die Rohölförderung unternimmt.

Umweltprobleme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Raffinerie in Ballsh

Das in Ballsh produzierte Diesel und Benzin ist für den Endverbraucher billiger als importierter Kraftstoff. Grund ist die mindere Qualität durch zu hohen Schwefelanteil. Dieser beträgt bei dem in der Umgebung geförderten Rohöl 6 %. Der meiste Schwefel entweicht allerdings mit dem bei der Förderung freigesetzten Erdgas in die Luft.

Nachhaltiger ist die Verschmutzung der Böden in der gesamten Region. Je nach Studie werden 5–7 % technische Verluste angegeben. Diese Menge Rohöl verschwindet bei der Förderung, durch Lecks in Transportleitungen, bei der Raffinerie und der Lagerung.[14] Gefährdet ist die Trinkwasserversorgung um Ballsh, und durch unzureichende Klärung der Raffinerieabwässer auch der Fluss Gjanica. Dieser treibt Ölschmutz bis in die Adria.

Verschiedene Joint Ventures mit Unternehmen in Großbritannien, Kanada und Deutschland haben die Probleme noch nicht ursächlich angehen können.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ballsh – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ines Nurja: Censusi i popullsisë dhe banesave / Population and Housing Census – Fier 2011. Rezultatet Kryesore/Main Results. Hrsg.: INSTAT. Pjesa/Part 1. Adel Print, Tirana 2013 (instat.gov.al [PDF; abgerufen am 14. April 2019]).
  2. HSH Railway Network – Station and Route List
  3. Oliver Gilkes: Albania – an Archaeological Guide. I.B.Tauris, London 2013, ISBN 978-1-78076-069-8, Ballsh, S. 61 ff.
  4. James Pettifer: Albania & Kosovo – Blue Guide. A & C Black, London 2001, ISBN 0-7136-5016-8.
  5. Peter Bartl: Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1995, ISBN 3-7917-1451-1, S. 239.
  6. Daniel Ziemann: Vom Wandervolk zur Grossmacht. Die Entstehung Bulgariens im frühen Mittelalter (7.–9. Jahrhundert). Böhlau, Köln/Wien 2007, ISBN 978-3-412-09106-4, S. 29
  7. Robert Elsie: The Christian Saints of Albania, Balkanistica 13, 2000 Online (PDF; 222 kB)
  8. Kelmend Karuni: Dyert memece te ferrit – Silent gates of hell auf YouTube, 17. Juli 2013, abgerufen am 9. Januar 2022 (albanisch).
  9. Nikolaus Pichler: Mit Herz und Seele gefoltert. In: Erste Stiftung Magazine. 18. April 2019, abgerufen am 28. Januar 2022.
  10. United Nations Environment Programme UNEP (Memento des Originals vom 31. Januar 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/enrin.grida.no
  11. http://www.eva.ac.at/publ/enercee/al/supplybycarrier.htm (Link nicht abrufbar)
  12. In Patos wurden im Jahr 2000 nur ein Fünftel der Menge von 1990 gefördert, 400 Tonnen gegenüber 2000 Tonnen pro Tag
  13. Energy Profile of Albania. Energy Policy, Major Market Players, Energy Sources. In: South-east European Industrial Market. November 2009, abgerufen am 13. Dezember 2015 (englisch).
  14. vgl. UNEP. Die technisch veralteten Bohrtürme zwingen zu einer Aufstellung in Abständen von zum Teil weniger als 100 Meter.