Deutsche Einwanderung in Brasilien

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Die deutsche Einwanderung in Brasilien fand ihren Höhepunkt im 19. und 20. Jahrhundert. Für viele Deutsche waren die sozialen Probleme in Europa sowie die Aussicht auf Reichtum Gründe für die Einwanderung nach Brasilien. In heutiger Zeit haben etwa 10 Prozent der Brasilianer deutsche Vorfahren.

Gründe für die Einwanderung

Verschiedene Motive trugen dazu bei, dass viele Deutsche ihre Heimat verließen und nach Brasilien auswanderten. Da es sich um eine regelrechte Einwanderungswelle handelte, kann man davon ausgehen, dass es Gründe gab, die allen Auswanderern gemeinsam waren. Vorrangig ist dies der Wunsch, den wirtschaftlichen und politischen Problemen zu entfliehen und in der neuen Heimat neue Möglichkeiten zu finden, sich bessere Lebensbedingungen zu schaffen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden wichtige wirtschaftliche Entwicklungen statt. In den Städten schritt die Industrialisierung in verstärktem Maße voran und verlangte spezialisierte Arbeitskräfte. Dies trieb viele Handwerker und Arbeiter aus kleinen Betrieben in den Ruin. Aufgrund der persönlichen Lage mussten sich die freigewordenen Arbeiter mit jeder verfügbaren Stelle zufriedengeben und standen deshalb für die aufkommende Industrie als billige Arbeitskräfte zur Verfügung.

Auch im landwirtschaftlichen Bereich veränderte sich die Situation der Arbeiter. Der Einsatz neuer Maschinen erhöhte die Produktivität, verringerte aber gleichzeitig das Bedürfnis nach Arbeitskräften, was für zahlreiche Bauern die Arbeitslosigkeit bedeutete. Auf der Suche nach Arbeit zogen sie ebenfalls in die Städte und erhöhten die Zahl der Proletarier. Das anhaltende Bevölkerungswachstum verschärfte die Lage zudem.

Jedoch sollte man sich bewusst sein, dass neben den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren für viele Auswanderer letztlich persönliche Motive ausschlaggebend waren.

Geschichte

Deutsche Einwanderer 1920 in Rio de Janeiro aus Nendingen (Württemberg)

Der erste Deutsche in Brasilien war der Astronom Johannes Varnhagen genannt Meister Johann, Navigator der Flotte von Pedro Álvares Cabral.[1]

Hans Staden (1525–1576) aus Homberg, war als Soldat für die portugiesische Krone in Brasilien und verfasste das erste Buch in deutscher Sprache über Brasilien.

Ulrich Schmidel erkundete die Gebiete zwischen Buenos Aires und São Vicente im heutigen brasilianischen Bundesstaat São Paulo im Jahr 1534 unter der Führung des spanischen Conquistador Pedro de Mendoza.

Als 1817 die österreichische Erzherzogin Leopoldina den brasilianischen Thronfolger heiratete, zogen mit ihr deutsche Künstler, Handwerker und Wissenschaftler in das Land. Im folgenden Jahr kamen zahlreiche Landarbeiter in den Agrarkolonien Leopoldina und São Jorge dos Ilhéus (Bahia) an.

Im Jahr 1818 organisierte Georg Anton Schäffer für eine Gruppe von 20 Deutschen, die ihre Heimat verlassen wollten, eine Reise über den Atlantik, nach Brasilien. Dieser Schäffer-Gruppe wurden Ländereien in Bahia gewährt. Dort wurde die Siedlung Frankenthal gegründet, die erste deutsche Siedlung in Brasilien.[2]

1820 wurde im Bundesstaat Rio de Janeiro die Stadt Nova Friburgo gegründet. Dom João VI versuchte gezielt, neue deutsche Einwanderer anzuziehen. Im September 1822 entsandte die brasilianische Regierung Georg Anton Schäffer nach Deutschland, um Kolonisten und Söldner anzuwerben. Er kam 1823 als Bevollmächtigter des Kaisers Dom Pedro I von Brasilien und besuchte die Hansestädte sowie Frankfurt am Main und zahlreiche deutsche Höfe.[3] Diese Mission startete die erste große deutsche Auswanderungswelle nach Brasilien. Vor allem Menschen aus dem Hunsrück, den nördlichen und westlichen Teilen des heutigen Saarlandes und der Westpfalz ließen sich von den Agenten Schäffers anwerben.[4]

Deutsche Siedlungen

Deutsche Kolonien in Südbrasilien 1905

Die deutschen Einwanderer gründeten Kolonien und ließen sich dort gemeinsam nieder. Die Kolonien waren in verschiedene Grundstücke unterteilt, die die Einwanderer oftmals von der Regierung geschenkt bekamen, um die Kolonisierung zu fördern. In anderen Fällen wurden die jeweiligen Ländereien von einzelnen Personen oder den Kolonialgesellschaften verkauft.

Zu Beginn der Migrationsbewegungen entstanden neue Auswanderersiedlungen in der Umgebung der ersten deutschen Kolonie São Leopoldo. Nach einiger Zeit wurden neue Siedlungen auch weiter im Landesinneren gegründet. Weil die Gebiete abseits der Küste nur schlecht in die bestehende Infrastruktur eingegliedert waren, suchten die Auswanderer strategisch günstige Orte, um neue Kolonien zu errichten, etwa in der Nähe größerer Flüsse. Das Wasser wurde für die Bewirtschaftung der Felder verwendet, und die produzierten Güter konnten anschließend kostengünstig verschifft werden.

Lothar Wieser hat in seiner Dissertation gezeigt, dass der Erste Weltkrieg für die Deutschen in Südbrasilien einen tiefen Einschnitt darstellte. Sprachen sie bis dahin in den deutschen (Turn-)Vereinen und Kirchen Deutsch, so wurde nun Deutschland differenziert betrachtet und in Kirche und Verein immer mehr Portugiesisch gesprochen.[5]

Land Gründung Herkunft der Kolonisten
Nova Friburgo (RJ) 1823[6] Rheinland, Sachsen, Böhmen, Schweiz
São Leopoldo (RS) 1824[7] Hunsrück, Sachsen, Württemberg, Sachsen-Coburg
Petrópolis (RJ) 1843[8] Kastellaun, Mosel, Bingen, Nassau, Ingelheim, Wörrstadt, Darmstadt, Rheinland
Santa Cruz (RS) 1849 Rheinland, Hundheim (Hunsrück), Großherzogtum Baden, Pommern, Schlesien
Santo Ângelo (RS) 1857 Rheinland, Sachsen, Pommern
Nova Petrópolis (RS) 1859 Pommern, Sachsen, Böhmen
Pomerode (RS) 1861 Pommern
Teutônia (RS) 1868 Westfalen
São Lourenço do Sul (RS) 1857 Pommern, Rheinland
Blumenau (SC) 1850 Pommern, Holstein, Hannover, Braunschweig, Sachsen
Brusque (SC) 1860 Baden, Oldenburg, Rheinland, Pommern, Schleswig-Holstein, Braunschweig
Joinville (SC) 1851 Pommern, Preußen, Oldenburg, Schleswig-Holstein, Hannover, Schweiz
Curitiba (PR) 1851 Deutsche aus Osteuropa, insb. Wolgadeutsche
Santa Isabel (ES) 1847 Hunsrück, Pommern, Rheinland, Preußen, Sachsen
Santa Leopoldina (ES) 1857 Pommern, Rheinland, Preußen, Sachsen
São Bento do Sul (SC) 1873 Böhmen, Bayern, Österreich, Preußen, Sachsen[9]
São Vendelino (RS) Saarländer
Treze Tílias (ES) 1933 Österreich

Siehe auch

Literatur

  • Nelson di Francesco: Imigração Alemã no Brasil. Série Resumos No. 3, Governo do Estado de São Paulo.
  • Adair Marli Lando, Eliane Cruxên Barros: A Colonização Alemã no Rio Grande do Sul - Uma Interpretação Sociológica.
  • Karl Rathgen: Englische Auswanderung und Auswanderungspolitik im neunzehnten Jahrhundert. mit: Rudolph A. Hehl: Einwanderung und Einwanderungsgesetzgebung in Nordamerika und Brasilien. Reprint der Ausgabe: Duncker & Humblot, Leipzig 1896, Topos, Vaduz 1989, ISBN 3-289-00440-6.

Weblinks

Commons: Immigration to Brazil#Alemã (Allemande/German/Tedesca) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.brasilien.de/geschichte/allgemein/dt.geschichte/tafel.asp Zeittafel der deutschen Geschichte Brasiliens
  2. auswanderung-rlp.de
  3. http://www.kriegsreisende.de/imperialismus/dompedro.htm Für Dom Pedro. Export aus Europas Armenhäusern und Gefängnissen
  4. auswanderung-rlp.de
  5. Lothar Wieser: Deutsches Turnen in Brasilien: Deutsche Auswanderung und die Entwicklung des deutsch-brasilianischen Turnwesens bis zum Jahre 1917. Arena Publishing, London 1990, ISBN 0-902175-49-1 (= Beiträge und Quellen zu Sport und Gesellschaft. Band 4, zugleich Dissertation an der Universität Göttingen 1990).
  6. pmnf.rj.gov.br
  7. http://www.auswanderung-rlp.de/auswanderung-nach-brasilien/19-jahrhundert/reise-und-ankunft-in-brasilien.html Reise und Ankunft in Brasilien
  8. auswanderung-rlp.de
  9. saobentodosul.sc.gov.br