Edward Said

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Edward Said und Daniel Barenboim, 2002
Poster mit Bild von Edward Said

Edward (William) Said, eigentlich Edward Wadie Said (* 1. November 1935 in Jerusalem, Völkerbundsmandatsgebiet Palästina; † 25. September 2003 in New York City), war ein US-amerikanischer Literaturtheoretiker und -kritiker palästinensischer Herkunft. Die britische Tageszeitung Guardian zählt Saids Buch „Orientalismus“ zu den hundert bedeutendsten Sachbüchern.[1] Er galt als Fürsprecher der Palästinenser in den USA.

Said wurde als Sohn palästinensischer Christen in Jerusalem geboren, besuchte dort die St. George's School, verbrachte aber den Großteil seiner Kindheit und Jugend in Kairo. Er erhielt seinen Bachelor of Arts 1957 an der Princeton University und seinen Master of Arts (1960) sowie den Ph.D. (1964) an der Harvard University. Er unterrichtete als Professor für Englisch und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University sowie in Harvard und Yale.

Edward Said gründete 1999 zusammen mit Daniel Barenboim und begleitet durch den Generalbeauftragten der damaligen europäischen Kulturhauptstadt Weimar, Bernd Kauffmann, das West-Eastern Divan Orchestra.

„Orientalismus“

Edward Saids bekanntestes Werk ist das 1978 erschienene Buch Orientalismus. Für Said ist „Orientalismus als eine Art bewußte menschliche Arbeit“ zu verstehen, die Politik und Wissen auf eine Weise zueinander in Beziehung setzt, die dem Westen die koloniale Dominanz ermögliche.[2] Orientalismus sei „ein Wissenssystem über den Orient“, das sich als ein Instrument von Imperialismus und Kolonialismus bewährt habe.[3] Das Werk stellt nicht zuletzt eine kritische Analyse der britischen und französischen Wissenschaft der Orientalistik dar. Deren Vertreter würden wie selbstverständlich von der Überlegenheit der europäischen Kultur ausgehen und die politische Unterwerfung der studierten Völker als eine unhinterfragte Notwendigkeit ansehen. Bereits die Vorstellung einer grundsätzlichen Dichotomie von Abendland und Morgenland führe in die Irre. Seine Ideen entwickelte Said mit Foucaults Konzept der Diskursanalyse. Auf positive Resonanz stieß das Buch unter anderem bei Homi K. Bhabha, John Esposito, Mahmood Mamdani, Gayatri Chakravorty Spivak und Robert Fisk.

Das Werk galt als Gründungsdokument für die Etablierung der Postkolonialen Studien als Forschungsrichtung.

Kritik

Kritiker werfen Said historische Ungenauigkeiten und eine einseitige Quelleninterpretation vor.[4] Der britische Historiker Clive Dewey schreibt über Orientalismus: „[Saids Buch] war auf technischer Ebene in jeder Hinsicht schlecht, sowohl in der Verwendungsweise von Quellen und in seinen Schlussfolgerungen wie auch in seinem Mangel an Stringenz und Ausgewogenheit. Das Ergebnis war eine Karikatur westlichen Wissens über den Orient, die durch eine offen politische Zielsetzung angetrieben wurde.“[5] Ibn Warraq kritisiert, dass Said selbst grundlegende historische Entwicklungen falsch wiedergebe. So behaupte Said in Orientalismus etwa, muslimische Armeen hätten die Türkei noch vor Nordafrika erobert. Tatsächlich sei die Islamisierung Anatoliens durch türkische Seldschuken im 11. Jahrhundert, also vier Jahrhunderte nach der Eroberung Nordafrikas erfolgt.[6] Die Kritik an einzelnen historischen Aussagen trifft nach Meinung Saids seine Kernthese nicht, da er die Gesetzmäßigkeiten europäisch-kolonialer Wissensproduktion und deren Beziehung zu kolonialer Herrschaft untersuche, nicht aber die Abfolge historischer Ereignisse.

Robert Irwin zufolge sei Saids Vorstellung eines von der Antike bis zur Gegenwart nachvollziehbaren homogenen europäischen Orientdiskurses historisch nicht belegbar.[7]

James Clifford kritisiert Orientalismus aufgrund inhaltlicher Widersprüche sowie methodisch- theoretischer Schwachstellen. So werde etwa der Orient zu Beginn der Arbeit als Konstruktion ohne Realitätsgehalt beschrieben,[8] später jedoch als unterworfener, im Diskurs verzerrt wiedergegebener Raum dargestellt.[9] Weitere Kritik richtet sich gegen Saids angebliche Ausblendung von Gegendiskursen[10] sowie seine Fokussierung auf einzelne Personen, die nicht als Repräsentanten für die Orientalistik gelten können.[7] So wirft etwa der islamische Philosophie-Professor Sadik al-Azm Said vor, den Einfluss, den der Orientalismus auf den Islam selbst genommen hat, außer Acht zu lassen.[11]

Politik und politische Veröffentlichungen

Viele von Saids Essays sind in Le Monde diplomatique erschienen. Said befürwortete in seinen Schriften historisch das Recht der Juden auf einen eigenen Staat und sprach sich für ein Recht auf Selbstbestimmung der Palästinenser aus.

Said setzte sich sehr für die Rechte der Palästinenser in Israel und den besetzten Gebieten ein und war mehrere Jahre lang Mitglied im Exil-Parlament Palästinas. Allerdings überwarf er sich 1993 mit Jassir Arafat wegen des Abkommens von Oslo, das Said ablehnte. Seiner Ansicht nach verstießen die Vereinbarungen gegen die vorherigen Ergebnisse aus der Madrider Konferenz und er befürchtete in israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten eine Gefahr für den Frieden.[12] Said sprach sich als Voraussetzung für den Friedensprozess unter anderem für die Aufgabe der Siedlungen und das Recht der Palästinenser auf einen unabhängigen Staat aus.[13]

Am 3. Juli 2000 wurde Said dabei fotografiert, wie er an der Grenze zwischen Libanon und Israel einen Stein wirft. Daraufhin wurde er in mehreren Medien kritisiert und unter anderem Abraham Foxman von der Anti-Defamation League forderte eine Reaktion der Universität gegen Said. Said betonte, auf Niemanden gezielt zu haben, auch nicht auf israelische Soldaten: „Ein in den leeren Raum geworfener Stein bedarf kaum des Nachdenkens“. Der Wurf sei eine „symbolische Geste der Freude“ gewesen aufgrund des Abzugs der bewaffneten Gruppen an der Grenze.[14]

Said war gegen den Irakkrieg von 2003[15]. Das FBI beobachtete Said seit 1971 und legte ein umfangreiches Dossier über ihn an.[16]

Ehrungen

1991 wurde Said in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Für seine Verdienste um die israelisch-palästinensische Aussöhnung wurde Edward Said 2002 gemeinsam mit Daniel Barenboim mit dem Prinz-von-Asturien-Preis[17] ausgezeichnet. Im November 2004 benannte die Birzeit Universität ihre Musikschule in „Edward Said National Conservatory of Music“.[18]

Werke

  • Orientalism. Pantheon Books, New York NY 1978, ISBN 0-394-42814-5, zuletzt neu aufgelegt und mit einem Vorwort des Verfassers (2003) versehen sowie mit dem Nachwort von 1995 bei Penguin Books, London 2003, ISBN 0-14-118742-5
    • deutsch: Orientalismus, Ullstein, Frankfurt am Main u. a. 1981, ISBN 3-548-35097-6, zuletzt neu aufgelegt und mit dem Vorwort des Verf. von 2003 sowie dem Nachwort von 1994 versehen bei S. Fischer, Frankfurt am Main 2009 (Übersetzung von Hans Günter Holl), ISBN 978-3-10-071008-6
  • The World, the Text, and the Critic, Harvard University Press, Cambridge, 1983
    • deutsch: Die Welt, der Text und der Kritiker. Aus dem Englischen von Brigitte Flickinger. Fischer, Frankfurt am Main 1993.
  • Culture and Imperialism. Knopf, New York NY 1993, ISBN 0-394-58738-3
    • deutsch: Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht. Fischer, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-10-071005-3
  • Den Holocaust als Tatsache anerkennen. In: Le monde diplomatique, dt. Ausg. Berlin, 14. August 1998; gekürzt in: Rainer Zimmer-Winkel (Hrsg.), Götz Nordbruch (Red.): Die Araber und die Shoa. Über die Schwierigkeiten dieser Konjunktion. Kulturverein AphorismA, Trier 2000, ISBN 3-932528-37-9, S. 34f., Literaturverz. S. 80–86 (Kulturverein AphorismA. Kleine Schriftenreihe 23).
  • Representations of the intellectual. Vintage, New York NY 1994, ISBN 0-09-942451-7 (Reith Lectures 1993), (deutsch: Götter, die keine sind. Der Ort des Intellektuellen. Aus dem Englischen von Peter Geble. Berlin Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-8270-0238-9).
  • Covering Islam. How the media and the experts determine how we see the rest of the world. Pantheon Books, New York NY 1981, ISBN 0-394-74808-5.
  • Out of Place. A Memoir. Knopf, New York NY 1999, ISBN 0-394-58739-1 (deutsch: Am falschen Ort. Autobiografie. Berlin Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-8270-0343-1).
  • The end of the peace process. Oslo and after. Pantheon Books, New York NY 2000, ISBN 0-375-40930-0 (deutsch: Das Ende des Friedensprozesses. Oslo und danach. Berlin Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8270-0419-5).
  • (mit Daniel Barenboim): Parallels and Paradoxes. Explorations in Music and Society. Pantheon Books, New York NY 2002, ISBN 0-375-42106-8 (deutsch: Parallelen und Paradoxien. Über Musik und Gesellschaft. Berlin Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-8270-0514-0).
  • Freud and the non-European. Verso, London 2003, ISBN 1-85984-500-2 (deutsch: Freud und das Nichteuropäische. Mit einer Einführung von Christopher Bollas und einer Replik von Jacqueline Rose. Deutsch von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2004, ISBN 3-908777-07-0).
  • mit Jean Mohr: After the Last Sky – Palestinian Lives, Columbia University Press 1986/1998, ISBN 978-0-231-11449-3.

Literatur

Weblinks

Commons: Edward Said – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. The 100 greatest non-fiction books 14. Juni 2011
  2. Edward Said, Orientalismus, Frankfurt 1981, S. 24.
  3. Edward Said, Orientalismus, Frankfurt 1981, S. 14.
  4. Vgl. Robert Irwin (s.o.); Clifford James (s.o.); Sadik Jalal al-Azm, Orientalism and Orientalism in Reverse, in: Macfie (Hrsg.), Orientalism, S. 217–238; Daniel Varisco, Reading Orientalism. Said and the Unsaid, Seattle 2007.
  5. Clive Dewey, „How the Raj Played Kim's Game“, Times Literary Supplement, April 17, 1998, S. 10.
  6. Ibn Warraq: Debunking Edward Said
  7. a b Vgl. Irwin, Robert: Dangerous Knowledge. Orientalism and its Discontents, Woodstock, 2006.
  8. Said, Edward: Orientalism, Pantheon Books, New York, 1978
  9. Vgl. Clifford, James: Orientalism, in: History and Theory 19, 1980, S. 204–223.
  10. Vgl. Abdulla Al-Dabbagh: Orientalism, Literary Orientalism and Romanticism, in: ders.: Literary Orientalism, Postcolonialism, and Universalism, New York u.a. 2009.
  11. Vgl. al-Azm, Sadik Jalal.: Orientalism and Orientalism in Reverse. In.: Alexander L. Macfie: Orientalism – A Reader, Edinburgh, 2000, S. 217–238.
  12. Edward Said: The Morning After. London Review of Books Vol. 15 No. 20., 21. Oktober 1993
  13. Haidar Eid: Said, Edward. 2000. The End of the "Peace Process": Oslo and After., Rezension, in: Cultural Logic, ISSN 1097-3087, Volume 3, Number 2, Spring, 2000
  14. Sunnie Kim: Edward Said Accused of Stoning in South Lebanon, in: Columbia Daily Spectator 2000
  15. Syrian Expert Patrick Seale and Columbia University Professor Edward Said Discuss the State of the Middle East After the Invasion of Iraq, in: Democracy Now!|, 15. April 2003
  16. David Price: How the FBI Spied on Edward Said, in: Counterpunch, Januar 2006.
  17. Daniel Barenboim and Edward Said upon receiving the „Principe de Asturias“ Prize Oviedo, Spain. October 2002 (engl.)
  18. ESNCM, website