Elektrolokomotivfabrik Nowotscherkassk

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ООО NEVZ

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Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Russland)
Gründung 1946[1]
Sitz Nowotscherkassk, Oblast Rostow, Russland
Leitung Sergei Fjodorowitsch Podust
Mitarbeiterzahl 10.666
(16. August, 2013) [2]
Umsatz 13,58 Milliarden Rubel

(2010, RAS)[3]

Branche Maschinenbau
Website www.nevz.com

Die Elektrolokomotivenfabrik Nowotscherkassk (Russisch: ООО „Производственная компания ‚Новочеркасский электровозостроительный завод‘“, Russisch abgekürzt: НЭВЗ oder ПК НЭВЗ, wörtliche Bedeutung: GmbH Produktionsfirma Nowotscherkassker Elektrolokomotivbau Werk, abgekürzt NEVZ oder PK NEVZ) ist ein 1946 aus der Dampflokomotivfabrik Nowotscherkassk (Russisch: Новочеркасский паровозостроительный завод) hervorgegangenes Unternehmen zum Bau von Elektrolokomotiven für den Güterzug- und Schnellzugverkehr auf Haupt- und Industriebahnen in Russland. Der Unternehmenssitz ist in Nowotscherkassk in der Oblast Rostow. NEVZ gehört seit 2004 zu Transmashholding und ging 2010 eine strategische Partnerschaft mit Alstom ein.

Die Elektrolokomotivenfabrik Nowotscherkassk war eine der größten Lokomotivfabriken im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Sie hat bis 2011 mehr als 16.000 Lokomotiven in 65 verschiedenen Bauarten hergestellt. Der Güterverkehr auf den elektrifizierten Strecken der Russischen Eisenbahnen und der Bahnen der übrigen GUS-Staaten wird zu 80 % mit Lokomotiven aus der Elektrolokomotivenfabrik Nowotscherkassk abgewickelt.[1]

Geschichte

Die erste kleine Serien elektrischer Lokomotiven für die Sowjetunion wurde durch die Moskauer Elektromaschinenfabrik Dynamo (Russisch: московским электромашиностроительным заводом «Динамо») in Zusammenarbeit mit der Lokomotivfabrik Kolomna gebaut. Erst 1946 wurde der Bau von Elektrolokomotiven in Nowotscherkassk konzentriert, indem die Dampflokomotivenfabrik Nowotscherkassk in die Elektrolokomotivenfabrik Nowotscherkassk umgewandelt wurde. Der sowjeteigene Bau von Elektrolokomotiven erhielt dadurch einen starken Schub und ließ das Werk bald zu einer der bedeutendsten Lokomotivfabriken der Welt werden.

Dampflokomotivfabrik Nowotscherkassk NPZ (1932 bis 1938)

Tenderlokomotive 9П

Das Werk in Nowotscherkassk wurde als Dampflokomotivenfabrik gebaut. Im Februar 1932 bewilligte die Regierung den Bau des Werks zehn Kilometer außerhalb der Stadt Nowotscherkassk in der Nähe des Weilers Janovo. Der Bau des Werkes gestaltete sich schwierig, weil keine Unterkünfte und keine Transportmöglichkeit für die Arbeiter bestand, obwohl es sich um eines der größten Bauprojekte in der noch jungen Sowjetunion handelte. 1934 wurden die ersten beiden fünfstöckigen Häuser der Werkssiedlung Dampflokbau (Russisch: Паровозостроителей), später Sotsgorod errichtet. Die Fabrik war 1936 fertiggestellt und umfasste Produktionshalle, Gussmodellbau-Werkstatt, Gießerei-Halle, Schmiederei, Verwaltungsgebäude und Nebengebäude.

Am 1. Mai 1936 verließen die ersten in Nowotscherkassk gebauten Lokomotiven das Werk. Es war eine Serie von drei schmalspurigen Industriedampfloks der Baureihe 159 mit der Achsfolge D. Bis 1937 hatte das Werk bereits 70 dieser Lokomotiven hergestellt. Es begann die Entwicklung der Dreikuppler-Tenderlok der für den Einsatz auf dem Breitspurnetz und der Bau von Kranen für den Torfabbau.

Werk S. M. Budjonny (1938 bis 1946)

122-mm-Kanone M1931/37 (A-19)

1938 oder 1939 wurde das Werk dem Volkskommissariat für Bewaffnung unterstellt und fortan nach dem Marschall Semjon Michailowitsch Budjonny als Werk S. M. Budjonny (Russisch Завод им. С. М. Будённого) bezeichnet. Bis 1940 war die Fabrik in der Lage, die 122-mm-Kanone M1931/37 (A-19) und die 107-mm-Divisionskanone M1940 (M-60) herzustellen. Die Kanonenproduktion dauerte bis 1941, danach wurde die Fertigungsmittel und die Mitarbeiter in den Ural nach Votkinks evakuiert, wo sie fortan Flugzeuge und Haubitzen herstellten, sowie Panzer reparierten. Während der deutschen Besetzung wurde die Fabrik in Nowotscherkassk vollständig zerstört.

Elektrolokomotivenfabrik Nowotscherkassk NEVZ (ab 1946)

1946 bis 1960

ВЛ60ПК
Güterzuglok ВЛ80Т

Nachdem die Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges in Nowotscherkassk 1943 zu Ende waren, begann der Wiederaufbau des Werks, das nach der Entscheidung der sowjetischen Regierung vom 6. November 1946 dem Ministerium der Elektroindustrie unterstellt wurde und fortan als Elektrolokomotivenfabrik Nowotscherkassk firmierte. Seine Aufgabe war die Fertigung von Elektrolokomotiven für die Sowjetunion.

Das Werk begann mit Unterstützung des Kolomna-Werkes und der Moskauer Elektromaschinenfabrik Dynamo sechsachsige Gleichstromlokomotiven der Baureihe ВЛ22м zu produzieren. Die erste Lokomotive verließ am 7. März 1947 das Werk, die Serienfertigung folgte ab dem Jahre 1948. Diese Lokomotive genügte bald nicht mehr den Ansprüchen des stetig ansteigenden Güterverkehrs, weshalb die neue stärkere Baureihe ВЛ8 entwickelt wurde: eine achtachsige Gleichstrom-Doppellokomotive, deren Prototyp 1953 fertiggestellt wurde. Nach einer Vorserie von sieben Stück im Jahre 1955, folgte die Serienfertigung ab 1956. Im selben Jahr verließ die Lokomotive ВЛ8-009 als tausendste Lokomotive das Werk. Die Produktion dieser Baureihe endete 1963.

Neben der weiterlaufenden Fertigung von Gleichstromlokomotiven begann das Werk in den 1950er-Jahren mit der Entwicklung von Wechselstromlokomotiven. 1954 verließ die erste sechsachsige Lokomotive der Baureihe HO (Abkürzung für Новочеркасский Однофазный, in Deutsch: Nowotscherkassker Einphasen (Wechselstromlokomotive) ), welche später in ВЛ61 umbenannt wurde. Die mit dieser Baureihe gesammelte Erfahrung floss in die 1957 entwickelte Baureihe Н60 ein, welche später zur ВЛ60 wurde.

Neben den Elektrolokomotiven für die Hauptbahnen wurden auch mehrere hundert Industrielokomotiven gefertigt, die auch nach Indien, Bulgarien, Korea und anderen Ländern exportiert wurden.

1958 folgte die Gründung des Gesamt-russischen wissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsinstitutes für Elektrolokomotiven (Russisch Всероссийский научно-исследовательский и проектно-конструкторский институт электровозостроения, abgekürzt ВЭлНИИ, abgekürzt in Deutsch VELNII) mit Sitz in Nowotscherkassk. Das Institut entwickelte fortan die neuen Elektrolokomotiven und erstellte die Fertigungsunterlagen für deren Produktion durch NEVZ.

1960 bis 1980

Tagebaulok ОПЭ1
Elektrolokomotive Sr1
Elektrolokomotive ET42
Elektrolokomotive ВЛ85

Zwischen 1961 und 1975 baute NEVZ die folgenden von VELNII entwickelten Lokomotiven:

  • ВЛ60К: verbesserte Variante der Baureihe ВЛ60 mit Siliziumgleichrichter
  • ВЛ60ПК: Variante der Baureihe ВЛ60к für Reisezüge
  • ВЛ80К: achtachsige Doppellokomotive für Güterzüge
  • ВЛ80Т: verbesserte ВЛ80кmit elektrischer Bremse
  • ВЛ80Р: Variante der ВЛ80 mit Gleichstromsteller statt Gleichrichter
  • ВЛ82: Zwei-System-Variante der ВЛ80 für 3 kV Gleichstrom und 25 kV Wechselstrom
  • ВЛ82M: verbesserte Version der ВЛ82

Neben den oben genannten Baureihen, die in Serie gefertigt wurden, arbeitete VELNII an folgenden Baureihen, welche die Serienreife nicht erreichten:

Vom 1. bis 2. Juni 1962 streikten die Arbeiter des Werkes wegen Erhöhung der Lebensmittelpreise und Lohnkürzungen. Der Arbeiteraufstand wurde durch Panzer und Scharfschützen niedergeschlagen. Nach angezweifelten offiziellen Angaben kamen 26 Personen ums Leben. Das Ereignis ging als Aufstand in Nowotscherkassk in die Geschichte ein und gilt als einer der größten Arbeiteraufstände während der Zeit der Sowjetunion.[4]

1969 wurden die Fertigung der Tagebaulok der Baureihe ОПЭ1 aufgenommen, 1971 folgte die Fertigung von elektrischen Gruben- und Werkbahnlokomotiven КН-10.

Ab 1973 lieferte NEVZ 110 Lokomotiven der Sr1 an die finnische Staatsbahn VR. Ab 1978 wurden für die polnische Staatsbahn PKP Lokomotiven der Baureihe ET42 gebaut, die aus der SŽD-Baureihe ВЛ10 abgeleitet waren.

Nach 1978 wurde die Produktion merklich gesteigert. Das Ziel war bis 1985 den Ausstoß auf 470 Doppellokomotiven pro Jahr zu erhöhen. In einer zweiten Phase war geplant, eine 30 km lange Teststrecke für Lokomotiven zu bauen, welche die alte bestehende acht Kilometer lange Strecke ersetzt hätte, was aber nie geschah. Weiter sollte die Fertigung von Elektrogeräten und Radsätzen aufgenommen werden.

1980 bis 1995

1983 baute NEVZ die ersten beiden Prototypen der aus zwölfachsigen Doppellokomotive der Baureihe ВЛ85, die später in Serie gebaut wurde. Als Beispiel für die Produktion der 1980er-Jahre sind hier die Zahlen aus dem Jahr 1983 angeführt. Es verließen in diesem Jahr insgesamt 677 vierachsige Lokomotivsektionen oder Lokomotiven sowie die mechanischen Teile für 280 weitere Sektionen die Lokomotivenfabrik Nowotscherkassk. Sie gehörten zu den folgenden Baureihen:

  • 272 Elektrolokomotiven ВЛ80P
  • 36 Elektrolokomotiven ВЛ80C - einer verbesserten Version der ВЛ80, welche die Vielfachsteuerung von mehreren Einheiten zulässt
  • 5 Elektrolokomotiven Sr1 für die finnische Staatsbahn
  • 2 Elektrolokomotiven ВЛ85
  • 26 Tagebaulokomotiven ОПЭ-1
  • Wagenkasten und Drehgestelle für die Fertigung von 140 Lokomotiven ВЛ10 im Elektrolokomotivenfabrik Tiflis

Als Beispiel für die Umfangreichen Sozialeinrichtungen des Werkes in den 1980er-Jahren sei der Zustand im Jahre 1984 genannt. Das Werk betrieb ein eigenes Spital. Im Werksgelände gab es mehreren Sanitätsstationen, zwölf Kinderkrippen, neun Betriebskantinen, fünf Cafés und 27 Schnellimbisse. Weiter betrieb NEVZ den Kulturpalast, das Lichtspieltheater, je eine Bibliothek für technische Literatur und Belletristik, drei Sporthallen und ein Sportstadion.

Von 1987 bis 1990 fertigte das Werk 100 Lokomotiven der Baureihe 8G für die Chinesische Eisenbahn. Das Werk erhielt den Leninorden verliehen.

Anfang der 1990er-Jahre wurden Lokomotiven der Baureihen ВЛ10У, ВЛ80, ВЛ85 und ВЛ65 gefertigt.

1995 bis 2004

1995 wurde das Werk privatisiert und firmierte unter OAO „Научно-производственное объединение ‚Новочеркасский электровозостроительный завод‘“ mit der wörtliche Bedeutung Offene Aktiengesellschaft „Forschungs- und Produktionsfirma ‚Nowotscherkassker Elektrolokomotivbau Werk‘“. Das Werk erhielt keine Aufträge mehr und war praktisch insolvent. Es wurden die Lokomotiven der Baureihen ВЛ65 und später ЭП1 in kleinen Serien weitergebaut. Die Neuentwicklung ЭП200 kam nicht über das Versuchsstadium hinaus und die zusammen mit ABB Daimler Benz Transportation (Schweiz) entwickelte sechsachsige Zwei-System-Reisezuglokomotive ЭП10 wurde vorerst nicht in Serie gebaut. Der Einstieg in die Fertigung von elektrischen Ausrüstungen für Triebzüge der Maschinenfabrik Demichowo war erfolglos. Die Zusammenarbeit mit der Elektromotorenfabrik Sibstanko aus Nowosibirsk (russisch: Сибстанкоэлектропривод) war nicht erfolgreich und die Züge der Baureihe ЭД4М1 waren unzuverlässig, so dass der Bau der elektrischen Ausrüstung wieder an den Elektromaschinenbau Riga in Lettland vergeben wurde, welcher die Ausrüstungen bereits zu den Zeiten der Sowjetunion geliefert hatte. 1998 lieferte NEVZ lediglich die Führertische für vom Waggonbau Torschok gefertigten Züge der ЭТ2М.

Ab 2004 und Zukunft

2004 wurde NEVZ in die Transmashholding eingegliedert. Im selben Jahr begann die Fertigung der Wechselstromlokomotive Э5К Ермак (deutsch: E5K Jermak), ein Nachfolgemodell der ВЛ60. Der Umsatz erreichte im Jahr 2005 4,9 Milliarden Rubel, der Gewinn 380,2 Millionen Rubel. Eine kleine Serie ЭП10 wurde gebaut. Die Э5К wurde fortan auch als Doppellokomotive 2Э5К gefertigt, die als Ablösung der ВЛ80 dient. 2006 wurden wieder 156 Lokomotiven abgeliefert und das Sortiment durch eine führerstandslose Mittelsektion aus der Э5К-Familie ergänzt, welche die 2Э5К zur dreiteilige 3Э5К erweitert. 2008 wurden für 14,8 Milliarden Rubel Lokomotiven verkauft, was einer anderthalbfachen Steigerung gegenüber dem Vorjahr entspricht. Im selben Jahr wurde die Produktion der Gleichstromlokomotive 2ЭС4К Дончак (deutsch: 2ES4K Dontschak) aufgenommen, welche die ВЛ10У ablöst.

In 2007 plante das Werk bis 2015 von zwölf verschiedener Reisezug- und Güterzugbaureihen 600 Sektionen zu fertigen, darunter die neuen Baureihen Э3, 2ЭС5 und 2ЭС4А mit Asynchronfahrmotoren. 2010 ging Transmasholding eine strategische Partnerschaft mit Alstom ein, welche fortan die elektrischen Komponenten für die Lokomotiven entwickelt. Die erste zusammen mit Alstom entwickelte Lokomotiven waren die 2011 vorgestellte 2ЭС5, die 2013 in Serienfertigung ging, sowie die sechsachsige Zwei-System-Lokomotive ЭП20 für den Reisezugverkehr, von welcher bis 2020[veraltet] 200 Stück ausgeliefert werden sollen. Im Juni 2013 wurde angekündigt, dass auf der Basis der ЭП20 eine Güterzugvariante als 2ЭС20 gefertigt werden soll. Der erste Prototyp soll im März 2014 vorgestellt werden.[5]

Fertigung 2012 und 2013

Lokomotive Baureihe 2012 2013
Wechselstromlokomotive für Reisezüge ЭП1M 49 13
Zweisystem-Lokomotive für Reisezüge ЭП20 7 4
Wechselstromlokomotive für Güterzüge 3ЭС5К 106 21
Gleichstromlokomotive für Güterzüge 2ЭС4К 44 23
Gleichstromlokomotive für Güterzüge 2ЭС5 1 [6]
Industrielokomotive НПМ2 [7]
Tagebaulokomotive mit Motorkippwagen НП1 1 [8]

Weitere Bilder

Einzelnachweise

  1. a b NEVZ. Transmashholding, 2011, abgerufen am 16. August 2013.
  2. Новочеркасский электровозостроительный завод. Transmashholding, abgerufen am 16. August 2013 (russisch).
  3. Рейтинг крупнейших компаний ЮФО по объёму реализации продукции. Expert, abgerufen am 16. August 2013 (russisch).
  4. Die Warnung von Nowotscherkassk. Der Standard, 24. Juli 2009, abgerufen am 28. August 2013.
  5. В России будет создан первый двухсистемный двухсекционный грузовой электровоз. Gudok, 10. Juni 2013, abgerufen am 31. August 2013 (russisch).
  6. Gleichstromgüterzuglokomotive 2ЭС5. NEVZ, abgerufen am 31. August 2013 (russisch, Bild).
  7. Промышленный электровоз НПМ2. Transmasholding, abgerufen am 31. August 2013 (russisch, Bild).
  8. Промышленный тяговый агрегат НП1. Transmasholding, abgerufen am 31. August 2013 (russisch, Bild).