Erhard Hübener

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Erhard Hübener (* 4. August 1881 in Tacken; † 3. Juni 1958 in Bad Salzuflen) war ein deutscher Politiker (DDP, LDPD). Von Dezember 1946 bis Oktober 1949 war er der erste Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt und einziger nichtkommunistischer Regierungschef in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands.

Leben

Hübener wurde als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren. Ab 1894 besuchte er das Gymnasium in Seehausen in der Altmark, später die Landesschule Pforta. 1901 machte er dort das Abitur. Anschließend studierte er Geschichte und Nationalökonomie und promovierte.

Im Ersten Weltkrieg war er Offizier. Nach Kriegsende trat er der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei. 1919 wurde er auf Betreiben von Minister Otto Fischbeck Mitarbeiter im preußischen Handelsministerium. 1922 wechselte er als stellvertretender Landeshauptmann in die preußische Provinz Sachsen.

Ab 1922 wurde Hübener amtierender Landeshauptmann der preußischen Provinz Sachsen. 1924 wurde er in das Amt gewählt.[1] Er profilierte sich als Wirtschafts- und Verwaltungsexperte, der über Parteigrenzen hinaus den Konsens suchte. Er beschäftigte sich mit einer föderalen Neugliederung Deutschlands und schlug bereits in den 1920er Jahren die Gründung eines Landes Sachsen-Anhalt vor. 1930 wurde er mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Demokraten und Deutschnationalen im Amt bestätigt.

1933 wurde Hübener aus dem Amt entfernt. Bis zum Ende des „Dritten Reiches“ widmete er sich künstlerischen und wissenschaftlichen Fragen, verfasste kleine Schriften unter dem Pseudonym J.S. Erhard.

1945 beriefen ihn die Amerikaner erneut in das Amt des Landeshauptmanns. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) ernannte ihn bald darauf zum Präsidenten der Provinzialverwaltung der Provinz Sachsen. Hübener wurde Mitbegründer der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) in Halle an der Saale. Am 3. Dezember 1946 wählte ihn eine Mehrheit von LDPD und CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt zum einzigen nichtkommunistischen Ministerpräsidenten in der Sowjetischen Besatzungszone. Für die sowjetische Besatzungsmacht war er ein unbequemer Regierungschef. Er wandte sich gegen die Bodenreform, deren Verordnung er selbst am 3. September 1945 unterzeichnet hatte, und eine schematische Entnazifizierung. Zeitweilig nahm Erhard Hübener auch das Amt des Justizministers von Sachsen-Anhalt wahr und ermöglichte es in dieser Funktion dem Richter Dietrich Wilde 1947 Syndikus der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg zu werden.[2] Am 5. Juni 1947 kam es unter seiner maßgeblichen Mitwirkung zur ersten und letzten gesamtdeutschen Ministerpräsidentenkonferenz in München, die sich mit der drohenden Spaltung Deutschlands beschäftigte. Hübener hatte mit seinem Rücktritt gedroht, wenn die SMAD die ostdeutschen Ministerpräsidenten nicht reisen ließe. Entgegen seinen Erwartungen lehnten es die westdeutschen Ministerpräsidenten, darunter auch sein langjähriger liberaler Parteifreund Reinhold Maier, in stundenlangen Diskussionen ab, Maßnahmen zum Erhalt der deutschen Einheit zu ergreifen.

Hübener sah sich fortan auf aussichtslosem Posten. Auf dem Dritten Deutschen Volkskongress im Mai 1949, der auf Weisung der SMAD die Verfassung der DDR beschloss, appellierte er als Hauptredner der LDPD an die Delegierten: „Unsere künftige Regierung soll, wird und muss lernen, mit freiem Volk auf freiem Grund zu stehen.“ Im August 1949 kündigte er seinen Rücktritt als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt zum 1. Oktober 1949 an.[3] Am 10. Oktober 1949 wurde er in einer außerordentlichen Sitzung des Landtages feierlich verabschiedet und Werner Bruschke zu seinem Nachfolger gewählt.[4]

Während viele politische Freunde in den Westen Deutschlands flohen, blieb Hübener in der DDR. Er war bereits 1946 zum Professor für Verwaltungskunde (Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft) in Halle (Saale)[5] berufen worden, konnte jedoch wegen seiner Dienststellung als Ministerpräsident keine Vorlesungen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bis zu seinem Ruhestand halten.[6] Nach seinem Rücktritt aus Altersgründen wurde er als Professor für Verwaltungsrecht an der Hallenser Universität noch tätig.[7] Er zog sich auch nicht völlig aus der Politik zurück, pflegte künstlerische und historische Studien, schrieb seine Autobiographie, die später in der Bundesrepublik veröffentlicht wurde. Bei einem Kuraufenthalt in Bad Salzuflen verstarb Hübener am 3. Juni 1958. Er wurde in Wernigerode begraben, wo er in den letzten Jahren gelebt hatte.

Hübener war seit 1909 mit Otti Bornemann verheiratet.

Nach ihm ist die FDP-nahe Erhard-Hübener-Stiftung benannt. Die Landeshauptstadt Magdeburg benannte ihm zu Ehren auf Initiative der FDP-Ratsfraktion im Jahr 2006 einen Platz neben dem Hundertwasserhaus als Erhard-Hübener-Platz.

Schriften

  • Mitteldeutschland auf dem Weg zur Einheit. 1927.
  • Lebenskreise. Lehr- und Wanderjahre eines Ministerpräsidenten. (= Mitteldeutsche Forschungen. Band 90). Böhlau, Köln / Wien 1984, ISBN 3-412-05483-6.
  • Liberales als soziale Verantwortung. In: LDP-Informationen. 3. 1949.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mathias Tullner: Erhard Hübener und die Provinz Sachsen. Mitteldeutschlandpläne und Reichsreform. In: Michael Richter, Thomas Schaarschmidt, Mike Schmeitzner, Landeszentrale für politische Bildung Sachsen (Hrsg.): Länder, Gaue und Bezirke. Mitteldeutschland im 20. Jahrhundert. Erste Auflage. Mitteldeutscher Verlag, Dresden 2007, ISBN 978-3-89812-530-7, S. 73–84 (hier S. 73).
  2. Bernd Sternal (Hrsg.): In jenen Jahren. Aufzeichnungen eines befreiten Deutschen. Band 2, 2011, ISBN 978-3-8423-8119-3, S. 95.
  3. Interview mit Ministerpräsident Hübener. In: Neues Deutschland, 16. August 1949, S. 4.
  4. Wechsel des Ministerpräsidenten. In: Berliner Zeitung, 11. Oktober 1949, S. 2.
  5. Zeitraum ab 1945 ff.
  6. Amtsniederlegung Prof. Dr. Hübeners. In: Neue Zeit. 16. August 1949, S. 2.
  7. Hübener, Erhard. In: Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon. 2006, ISBN 3-8289-0552-8, S. 379, Spalte 2.