Fließgewässer

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Klassifikation der Gewässer.
Die Angaben zur Breite der Fließgewässer sollen nur der Orientierung dienen und sind nicht als Definition zu verstehen.
Der Mississippi River in Minneapolis, USA

Fließgewässer ist in der Hydrologie ein Sammelbegriff für alle oberirdisch fließenden Gewässer, also Wasserläufe des Binnenlandes mit ständig oder zeitweilig fließendem Wasser. Es handelt sich um offene Gewässer. Die Einstufung von fließendem Grundwasser als „unterirdisches Fließgewässer“ ist umstritten.

Auch der Begriff Wassergraben kann ein Fließgewässer bezeichnen. Ein Wassergraben kann aber auch stehendes Wasser enthalten.

Fließgewässer fließen in der Regel gemäß der Schwerkraft bis zu ihrer Mündung in einen See, ein übergeordnetes Fließgewässer oder ein Meer. Fließgewässer können durch direkten, oberflächlichen oder oberflächennahen Abfluss von Niederschlagswasser, dem Gefälle folgend, entstehen. Zumindest in humiden und semihumiden Gebieten versickert das Niederschlagswasser aber regelmäßig überwiegend vorher im Boden und bildet Grundwasser-Horizonte, deren Abfluss als Quellen zutage tritt. Der Abfluss wird dadurch verstetigt. Natürliche Fließgewässer sind, von Ausnahmefällen abgesehen, dann auf ganzer Länge natürlicher Grundwasser-Vorfluter; das bedeutet, dass auch abseits definierter Quellen auf ganzer Länge seitlich Grundwasser dem Gewässer zuströmen kann. Seltener entstehen Fließgewässer durch den abfließenden Wasserüberschuss von Seen und Mooren oder das Schmelzwasser von Gletschern. Dadurch gebildete Fließgewässer weisen einen eigenen Charakter mit Besonderheiten von Gewässerchemie, Abflussdynamik und Lebensgemeinschaft auf.[1] Der Bereich, aus dem der Zufluss ein bestimmtes Fließgewässer speist, ist sein Einzugsgebiet.

Einteilung nach Größe

Allgemeinsprachlich

Allgemeinsprachlich werden bei Fließgewässern vier Größenordnungen unterschieden: Rinnsal, Bach, Fluss und Strom. Dialektal gibt es zusätzlich den Begriff Ache, der eine Größenordnung zwischen Bach und Fluss bezeichnet. In der Fachsprache wird der Begriff Rinnsal nur selten verwendet. Bei der Betrachtung der verschiedenen Abschnitte von Flüssen von der Quelle bis zur Mündung werden in der Regel nur die Bezeichnungen Bach, Fluss und gegebenenfalls Strom angewendet. So wird etwa der Mittel- und Unterlauf der Weser als Strom eingestuft, ihre Quellflüsse Werra und Fulda jeweils als Fluss und die Quellverläufe von beiden als Bäche. Die Einteilung von Fließgewässern in diese Kategorien richtet sich vage nach den Größen Breite, Länge, Einzugsgebiet und Abfluss, die jedoch nicht eindeutig festgelegt sind. Kriterien wie zum Beispiel die Schiffbarkeit (Tiefe) und historische Aspekte spielen ebenfalls eine Rolle.

Zur Definition von Strom wird oft, der DIN-Norm 4049 folgend, das Mündungsgewässer herangezogen. Dieser Begriffsbestimmung gemäß wäre ein Strom ein Fließgewässer, das ins Meer mündet. Danach wäre die in die Nordsee mündende Ems ein Strom, die deutlich mehr Wasser führenden Donau-Nebenflüsse Inn und Theiß jedoch nicht.

Fließgewässerordnungen

Ein weit verbreitetes fachsprachliches System zur Klassifizierung von Fließgewässern nach Größe ist die Flussordnungszahl.[2] In diesem System bilden die kleinsten Fließgewässer (in der Regel Quellabflüsse) die erste Ordnung. Vereinigen sich zwei Gewässer erster Ordnung, entsteht ein Fließgewässer zweiter Ordnung. Mit der Einmündung eines weiteren Gewässers zweiter Ordnung wird ein Gewässer dritter Ordnung erreicht usw. Zu beachten ist dabei, dass die Einmündung kleinerer Fließgewässer in ein Gewässer höherer Ordnung deren Ordnung nicht erhöht.

Verwirrenderweise ist von den so definierten Fließgewässerordnungen eine weitere Einteilung von Fließgewässern erster, zweiter, manchmal auch dritter Ordnung zu unterscheiden, die sich aus der deutschen Gesetzgebung ergibt; diese hat mit den Flussordnungszahlen nichts zu tun. Dabei geht es im Wesentlichen darum, wer die Verpflichtung zur Gewässerunterhaltung hat. Vergleiche dazu Ordnung (Gewässer).

Längszonierung nach Fischregionen

Zusätzlich, und ergänzend zur hydrologischen Klassifizierung werden Gewässer nach ihrer Lebensgemeinschaft (Fachausdruck: Biozönose) in Zonen eingeteilt. Das älteste gebräuchliche System teilt diese nach sogenannten Leitfischen in Fischregionen ein. Dabei unterscheidet man von der Quelle an eine Forellen-, Äschen-, Barben-, Brachse- (oder Blei-) und Flunder-Region.

Limnologische Längszonierung

In der Limnologie werden Fließgewässer im Flusslängsprofil in das Krenal (Quellregion), das Rhithral (Bachregion) und das Potamal (Flussregion) aufgeteilt.[1] Dabei entspricht das Rhithral grob in etwa der Forellenregion, das Potamal den anderen Fischregionen (im Krenal leben keine Fische). Diese Zonierung geht auf den Limnologen Joachim Illies zurück,[3] sie wird bis heute angewandt und verfeinert.

Heute werden auf Basis dieser Zonierung bei den Fließgewässern in Deutschland insgesamt fünfundzwanzig Fließgewässertypen unterschieden. Wichtige Parameter hierbei sind neben der Längszonierung und damit Größe der Gewässer auch die Ökoregion (z. B. Alpen, Mittelgebirge, Norddeutsches Tiefland), die Höhenlage und die Geologie des Einzugsgebiets (karbonatisch oder silikatisch).[4]

Fließgewässersysteme

Fließgewässer werden zu Fließgewässersystemen geordnet, die jeweils nach dem größten Fluss bzw. Strom benannt werden, in den die anderen einmünden. Diese werden durch Fließgewässerkennziffern, die jeweils alle Informationen über die Mündungsgewässer in sich tragen, hierarchisch geordnet. Die Benennung folgt nicht ausschließlich hydrologischen, sondern auch z. T. historischen Einteilungen. Hiernach wird z. B. die Eder als Nebenfluss der Fulda geführt und der Inn als Nebenfluss der Donau, obwohl es sich je um einen gleichberechtigten Zusammenfluss handelt. Die Regnitz wird gar als Nebenfluss des Mains eingeordnet, obwohl sie bei ihrer Mündung deutlich mehr Wasser führt als der Main selbst. Dieses ist der historischen Namensgebung geschuldet.

Temporäre Kenngrößen

Die Kenngrößen Einzugsgebiet und Länge stehen weitgehend fest; bei den Größen Breite, Tiefe, Abfluss und Fließgeschwindigkeit können relativ konstante Mittelwerte angegeben werden. Daneben gibt es noch einige weitere Parameter von Fließgewässern, die deutlichen Schwankungen unterliegen. Ihre Beobachtung gehört ebenfalls zu den Aufgaben von Hydrologie und Limnologie.

Biologische Qualität: Die biologische Qualität von Fließgewässern wird anhand des Saprobiensystems in Gewässergüteklassen eingeteilt. Eine aktuell weitgehend akzeptierte ökologische Klassifikation bietet das River Continuum Concept.

Wasserstand: In Abhängigkeit vom Wasserangebot (z. B. Niederschlag) kann der Wasserpegel erheblich schwanken, es kann zu Hochwasserereignissen oder Niedrigwasserständen kommen. Aus Wasserstands-Aufzeichnungen kann ein mittlerer Wasserstand bestimmt werden.

Geschiebetransport

Je nach Fließgeschwindigkeit haben Fließgewässer die Fähigkeit, Geschiebe mitzutransportieren:[5]

  • Fließgeschwindigkeit bis 0,3 m/s: Bewegung von Grobsand bis 1,7 mm Durchmesser
  • Fließgeschwindigkeit bis 0,7 m/s: Bewegung von Grobkies bis 9,2 mm Durchmesser
  • Fließgeschwindigkeit bis 1,7 m/s: Bewegung von Geröll bis 1,5 kg Gewicht
  • Fließgeschwindigkeit bis 2,0 m/s: Bewegung von Blöcken bis 20 cm Durchmesser
  • Fließgeschwindigkeit ab 3,0 m/s (etwa 10 km/h): Bewegung auch größerer Objekte

Trockenfallende Fließgewässer

Kleine, aber auch größere Gewässer können entweder ganzjährig Wasser führen oder vorübergehend trockenfallen, sogar Flüsse (siehe Karstgewässer). Speziell bei Karstgewässern werden Bereiche, in denen der oberirdische Abfluss regelmäßig versiegt, Bachschwinde oder Ponor genannt.

Trockenfallende (temporäre) Fließgewässer können periodisch wasserführend sein (z. B. regelmäßig im Hochsommer austrocknen) oder episodisch, d. h. nur kurzzeitig überhaupt Wasser führen (z. B. nach starken Niederschlägen wie etwa Wadis oder zur Schneeschmelze).

Natürlicherweise periodisch trockenfallende Bäche weisen eine eigenständige Lebensgemeinschaft mit spezialisierten Arten auf.[6]

Flussseen

Die Abgrenzung zwischen Fließgewässern und stehenden Gewässern (oder Standgewässern) ist normalerweise trivial und unmittelbar einsichtig. Zahlreiche Seen und andere Standgewässer werden aber von Fließgewässern durchflossen. Zusätzlich hat der Mensch sehr viele Fließgewässer, darunter fast alle größeren Flüsse Mitteleuropas, durch Dämme zur Wasserkraftgewinnung, zur Verbesserung der Schiffbarkeit oder zum Hochwasserschutz aufgestaut und die Fließgewässer so in eine Kette von Stauhaltungen umgewandelt, oder sogar regelrechte Stauseen eingefügt. Dadurch ist es in vielen Fällen nicht einfach zu sagen, ob ein bestimmtes Gewässer als ein aufgestauter Fließgewässer-Abschnitt oder ein durchflossenes Standgewässer zu charakterisieren ist. Zur Abgrenzung wird die Verweilzeit des Wassers im Standgewässer herangezogen, also die Zeit, bei der Zu- und Abfluss theoretisch das gesamte Wasservolumen des Sees einmal ausgetauscht haben. Bei Verweilzeiten bis zu drei Tagen handelt es sich um ein Fließgewässer. Verweilzeiten über dreißig Tage charakterisieren einen See. Der Wertebereich dazwischen bildet einen Übergangsbereich und ist nicht eindeutig zuzuordnen. Solche Gewässer weisen einige Eigenschaften von Standgewässern, andere von Fließgewässern auf. Auch ihre Biozönose besitzt Übergangscharakter.[7]

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Fließgewässer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Wasserlauf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Wilfried Schönborn, Ute Risse-Buhl: Lehrbuch der Limnologie. Schweizerbarth Verlag, Stuttgart 2. Auflage 2013. ISBN 978-3-510-65275-4
  2. A. N. Strahler (1952): Dynamic basis of geomorphology. Geological Society of America Bulletin 63: 923–938.
  3. Joachim Illies (1961): Versuch einer allgemeinen biozönotischen Gliederung der Fließgewässer. Internationale Revue der gesamten Hydrobiologie 46: 205-213.
  4. Tanja Pottgiesser & Mario Sommerhäuser (2008): Beschreibung und Bewertung der deutschen Fließgewässertypen – Steckbriefe und Anhang. online
  5. Angaben nach Claus-Peter Hutter (Hrsg.): Quellen, Bäche, Flüsse und andere Fließgewässer, Stuttgart/Wien 1996, S. 40.
  6. Natur- und Umweltschutzakademie Nordrhein-Westfalen (Herausgeber) (2000): Gewässer ohne Wasser? Ökologie, Bewertung, Management temporärer Gewässer. (= NUA Seminarbericht Band 5) – Recklinghausen (Bitter Druck), 166 S.
  7. Jürgen Mathes, Gudrun Plambeck, Jochen Schaumburg: Das Typisierungssystem für stehende Gewässer in Deutschland mit Wasserflächen ab 0,5 km² zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. In: Rainer Denecke & Brigitte Nixdorf (Hrsg.): Implementierung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Deutschland: Ausgewählte Bewertungsmethoden und Defizite. Brandenburgische Technische Hochschule Cottbus, Aktuelle Reihe 5/2002. ISSN 1434-6834