Freistaat Fiume

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Freistaat Fiume
Stato libero di Fiume (itl.)
Slobodna Država Rijeka (kro.)
1920–1924
Flagge des Freistaates Fiume Wappen des Freistaates Fiume 1920–1922
Flagge Wappen
Navigation Königreich Italien
Wahlspruch Indeficienter
Verfassung unbekannt
Amtssprache Italienisch
Kroatisch
Hauptstadt Fiume
Staatsform Republik
Regierungsform Parlamentarische Demokratie
Staatsoberhaupt und Regierungschef Präsident
Riccardo Zanella (1921–1922)
Giovanni Giuriati (1922–1923)
Italienischer Militärgouverneur
Gaetano Giardino (1923–1924)
Fläche 28 km² (1922)
Einwohner 52.000 (1922)
Bevölkerungsdichte 1857 EW/km²
Währung Österreichische Krone
Italienische Lira
Gründung 12. November 1920
(Grenzvertrag von Rapallo)
Auflösung 27. Januar 1924
(Vertrag von Rom)
Nationalhymne unbekannt
Zeitzone UTC+1 MEZ
Karte des Freistaates Fiume

Der Freistaat Fiume, auch Freistaat Rijeka (italienisch: Stato libero di Fiume, kroatisch: Slobodna Država Rijeka), war ein unabhängiger Freistaat um die heute als Rijeka zu Kroatien gehörende Stadt Fiume, der von 1920 bis 1924 bestand. Das Staatsgebiet umfasste die Stadt Fiume und das nördliche Umland sowie einen Korridor, der es mit Italien verband, insgesamt eine Fläche von 28 km².[1]

Geschichte

Fiume wurde 1719 durch ein Dekret des römisch-deutschen Kaisers Karl VI. zum ersten Mal als Freihafen selbstständig. 1779 erhielt die Stadt während der Herrschaft der Kaiserin Maria Theresia den Status corpus separatum unter der Bezeichnung Fiume város. Bis 1924 existierte Fiume mehr oder weniger als autonome Einheit mit Elementen von Eigenstaatlichkeit.

Die Stadt verlor ihre Selbstständigkeit im Jahr 1848, als sie von Ban Josip Jelačić eingenommen wurde, erhielt aber 1868 als Bestandteil des Königreichs Ungarn den Status als corpus separatum zurück. Der infolge des Ersten Weltkrieges 1920 gegründete Freistaat Fiume wurde nach einem Putsch der italienischen Faschisten bereits nach vier Jahren Italien zugeschlagen und ging damit endgültig unter.

Im 19. Jahrhundert lebten in der Stadt außer Kroaten und Italienern auch Deutsche, Slowenen, Ungarn und Einwohner anderer Nationalitäten, in von Zensus zu Zensus wechselnden Anteilen an der Gesamtbevölkerung. Dieser Status einer multinationalen Stadt galt als etwas Besonderes und schuf bei der Mehrheit der Bevölkerung eine eigene Identität. Die offiziellen Sprachen waren Ungarisch und Deutsch, die Geschäftskorrespondenz wurde auf Italienisch geführt, während die meisten Familien den kroatischen Dialekt Čakavisch oder einen Fiuman genannten italienischen Dialekt sprachen.[2]

Politik

Datei:Stamp Fiume 1920 25c Annunzio.jpg
Briefmarke des Freistaates von 1920 mit dem Porträt D’Annunzios.

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns wurde die Frage des Status von Fiume zu einem internationalen Problem. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und dem Königreich Italien sprachen sich die Siegermächte für die Schaffung eines unabhängigen Pufferstaates aus. Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson wurde zu einem Vermittler im jugoslawisch-italienischen Disput über die Zukunft der Stadt.[3] Er schlug vor, dass Fiume unabhängig und eventuell ein zukünftiger Sitz des Völkerbundes werden sollte.[4]

Der Streit zwischen dem südslawischen und dem italienischen Nationalkomitee führte zu gesetzlosen Zuständen und schließlich zur Landung britischer und französischer Truppen, die die Kontrolle in der Stadt übernahmen. Die nach wie vor ungeklärte politische Situation wurde von dem italienischen „präfaschistischen“ Nationalisten und Dichter Gabriele D’Annunzio genutzt, der Fiume mit seinen anarcho-faschistischen Truppen am 12. September 1919 besetzte. Nach einer 15-monatigen Zeit gesellschaftlichen Chaos und ein Jahr nach dem Scheitern von Verhandlungen mit der italienischen Regierung proklamierte D’Annunzio die Italienische Regentschaft am Quarnero.

Am 12. November 1920 unterzeichneten das Königreich Italien und das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen den Grenzvertrag von Rapallo, in dem beide Parteien die Anerkennung eines freien und unabhängigen Freistaates Fiume vereinbarten und sich verpflichteten, dessen Unabhängigkeit in Ewigkeit zu respektieren. Mit diesem Akt war der „Freistaat Fiume“ geschaffen, der als unabhängiger Staat „de facto“ etwa ein Jahr und „de jure“ vier Jahre existieren sollte. Der neue Staat wurde umgehend von den Vereinigten Staaten, Frankreich und Großbritannien anerkannt. D’Annunzio lehnte den Vertrag ab und wurde in der „Blutigen Weihnacht“ vom 24. bis 30. Dezember 1920 von regulären Truppen der italienischen Armee aus der Stadt vertrieben.[5].

Im April 1921 bestätigten die Wähler in Fiume den Plan des italienischen Ministerpräsidenten zur Gründung des Freistaates und eines italienisch-fiumanisch-jugoslawischen Konsortiums zur Verwaltung des Hafens von Fiume.[6] Die Autonomisten und der pro-italienische Nationale Block gewannen die ersten Parlamentswahlen. Die Autonomistische Partei, die von der Mehrheit der kroatischen Bevölkerung unterstützt wurde, erreichte 6558 Stimmen, während der Nationale Block, bestehend aus Faschisten, Liberalen und Demokraten, 3443 Stimmen erhielt. Der Führer der Autonomisten Riccardo Zanella wurde Präsident. Am 3. März 1922 übernahmen die Faschisten mit einem Staatsstreich die Macht, die legale Regierung floh nach Kraljevica.

Im Januar 1924 stimmte das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen in dem Vertrag von Rom der Annexion der Stadt durch Italien zu, die am 16. März vollzogen wurde. Die Exilregierung des Freistaats erklärte die Besetzung für unrechtmäßig und nach internationalem Recht für ungültig und setzte ihre Aktivitäten fort.

Nachspiel

Mit der Kapitulation Italiens im Zweiten Weltkrieg wurde die Rijeka-Frage wieder aktuell. 1944 veröffentlichte eine Gruppe von Bürgern das „Liburnia-Memorandum“, in dem die Bildung eines Bundesstaates aus den drei Bezirken Rijeka, Sušak und Bistrica vorgeschlagen wurde. Die Inseln Krk, Cres und Lošinj sollten dem gemeinsamen Kondominium beitreten. Auch Präsident Zanella von der Exilregierung befürwortete die Wiederherstellung des Freistaates.

Die Truppen der jugoslawischen Befreiungsarmee, die die Stadt am 3. Mai 1945 von der deutschen Besetzung befreiten, vereitelten diesen Plan. Mit dem Friedensvertrag von Paris wurden Rijeka und Istrien 1947 offiziell Teil der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien.

Virtueller Freistaat Rijeka

Der Virtuelle Freistaat Rijeka ist eine moderne Mikronation, die in Rijeka gegründet wurde, um die Traditionen des Freistaates Fiume wiederzubeleben und den Freistaat wiederherzustellen. Viele Bürger von Rijeka waren aus nationalistischen oder ideologischen Gründen ins Exil gegangen. Sie gründeten weltweit freie Stadtbezirke von Rijeka.[7]

Das Wappen von Rijeka, der zweihalsige doppelköpfige Adler, das sowohl während der faschistischen als auch während der kommunistischen Herrschaft verboten war, wurde 1998 wieder eingeführt.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Neil Smith: American empire: Roosevelt's geographer and the prelude to globalization. University of California Press, Berkeley und Los Angeles 2003, ISBN 0-520-23027-2, S. 167
  2. Iva Lukežiæ: Two Popular Languages of the city of Rijeka. Fluminensia Nr. 1 1993 ISSN: 0353-4642 S. 25–38, Pkt. 4
  3. Harold G. Nicolson: Peacemaking, 1919. Simon Publications LLC, Washington DC 2001, ISBN 1-931541-54-X, S. 167
  4. Ljubinka Toševa-Karpowicz: D’Annunzio u Rijeci : mitovi, politika i uloga masonerije, Izdavački centar Sušak, Biblioteka Dokumenti, Rijeka 2007, S. 23; Die Autorin nennt jedoch keine Quelle.
  5. H. Lauterpacht, C. J. Greenwood: International Law Reports Cambridge University Press. Cambridge 1945, ISBN 0-521-46353-X, S. 430
  6. Adrian Webb The Routledge Companion to Central and Eastern Europe Since 1919. Inc NetLibrary Routledge, New York 2008 ISBN 0-203-92817-2
  7. Website der Società di studi fiumani