Große Pest von 1708 bis 1714

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Samuel Donnet: Abbildung der Großen Pest in Danzig 1709
Gemälde von der Pest in Vilnius

Die Große Pest von 1708 bis 1714 verbreitete sich während des Großen Nordischen Kriegs in Nord- und Osteuropa mit Schwerpunkt im Ostseeraum. Die Pestepidemie hatte von 1708 bis 1712 ihren Höhepunkt und wütete bis 1714. Die Pest trat in Siebenbürgen, Polen-Litauen, Herzogtum Preußen, Kurland, Schwedisch-Livland, Schwedisch-Estland, Pskow und Nowgorod im Zarentum Russland, Finnland, Schweden, Hinterpommern und Schwedisch-Pommern, Dänemark, Schleswig und Holstein, Hamburg und Bremen-Verden, Ungarn, Böhmen und Mähren, Österreich und der Oberpfalz auf. In diesen sieben Jahren kamen insgesamt mehr als eine Million Europäer ums Leben.

Verlauf

Die Epidemie war wahrscheinlich Teil einer ausgebreiteten Pandemie, die sich von Zentralasien ausgehend über Konstantinopel bis zur Mittelmeerküste verbreitete. Zuerst wurde die Pest in Pińczów in Südpolen 1702 in einem schwedischen Militärkrankenhaus diagnostiziert. Die Pest breitete sich dann entlang der Handelsrouten und entlang der Vormarschrouten der Heere Schwedens, Sachsens und Russlands aus. So wurden alle Ostseegebiete nach und nach von der Pestwelle erfasst. Kriegsverlauf und Pestausbreitung beeinflussten sich dabei. Während Soldaten und Kriegsflüchtlinge oft unwissentlich von der Pest befallen waren, steckten sie die Menschen auf ihren Marschrouten an. Die Todesrate im Militär als auch die Entvölkerung der Städte und ländlichen Gebiete in den Kampfzonen beeinflusste die Kampfhandlungen erheblich und führte teilweise zu Unterbrechungen im Kriegsablauf. Von Ostpreußen gelangte die Pest 1711 ans Mare Balticum, überschritt die Ostsee im Sommer und von dort mit Prag und Wien auch nach Mitteleuropa.[1]

Die Pest von 1708 bis 1714 war die letzte Pandemie im Ostseeraum. Dort waren Pestausbrüche bereits zuvor aufgetreten, insbesondere im 14. Jahrhundert. Allerdings war das Ausmaß der Pest im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts deutlich höher als vorherige Ausbrüche. Besonders Ostpreußen und Estland waren betroffen. Die Todesrate in vielen der Gebiete lag bei 66 bis 75 Prozent der Bevölkerung. Viele Höfe und Dörfer waren völlig entvölkert. Mit der Pest traten Hunger und andere Krankheiten auf, die die Pestauswirkungen noch verstärkten. Pestbeulen gehörten zu den diagnostizierten Symptomen der Opfer. Viele Tote wurden aber nicht ausreichend diagnostiziert oder wurden verallgemeinert als Opfer der Pest erfasst.

In einigen Städten trat die Pest nur in einem Jahr auf, während in anderen Regionen die Pest jährlich aufs neue auftrat. Erhöhte Todesraten traten insbesondere bei Kindern und Frauen auf, was aber auch an den Folgen von Hunger und den Einzug der Männer in die Armee beeinflusst sein kann. Die Ursache der Pest war den Menschen der Zeit unbekannt. Schlechte Luft oder Strafe Gottes waren die üblichen Erklärungsversuche. Als Bekämpfung der Pest gab es nur das Mittel der Eindämmung und der Trennung der Gesunden von den Kranken. Betroffene Städte wie Königsberg oder Stralsund wurden von Gesundheitszonen umgeben und isoliert. Es gab jedoch regen Schwarzhandel mit gefälschten Gesundheitspässen.[1] Das Herzogtum Preußen wurde ebenso abgeriegelt, dies verhinderte aber nicht das große Teile der Bevölkerung starben (vgl. Große Pest (Preußen)). Eine andere Zone wurde zwischen Schonen und den dänischen Inseln entlang des Sundes errichtet, mit Saltholm als zentraler Quarantänestation. Pesthäuser wurden errichtet. Die Charité in Berlin entstand aufgrund des Pestausbruchs.

Folgen

In Danzig starben von Juli bis Dezember 1708 von 50.000 Einwohnern mehr als 23.000.[1] In Königsberg starben von 1708 bis 1710 zwischen 9.000 und 10.000 der 40.000 Einwohner.[1] Im gesamten Ostpreußen, wo gewöhnlich etwa 15.000 Menschen jährlich starben, verloren zwischen 1708 und 1710 von 600.000 Menschen etwa 230.000 ihr Leben.[1] Von den 10.500 Einwohnern Rigas starben 1710 bis 1711 bis zu 7.350. Stockholms 55.000 Einwohner hatten bis zu 23.000 Pesttote von 1710 bis 1711 zu verzeichnen. Auch das 70.000 Einwohner große Hamburg hatte 1711 bis zu 10.000 Pesttote erlitten. In Kopenhagen starben 1711 innerhalb von sechs Monaten 23.000 Menschen. Der damals übliche Wert für Geburten und Todesfälle der 60.000 Einwohner umfassenden Stadt lag bei je rund 2.000.[1]

Literatur

  • Stefan Kroll, Kersten Krüger (Hrsg): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Urbane Lebensräume und historische Informationssysteme. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 15. und 16. November 2004. LIT, Berlin 2006. ISBN 3-8258-8778-2 (mit mehreren Beiträgen zur Pestepidemie von 1708 bis 1714, darunter von Stefan Kroll: Pest in Stralsund während des Großen Nordischen Krieges 1710 und 1711, Karsten Labahn: Zur Erarbeitung und zur Nutzung des Historischen Informationssystems „PestStralsund1710“)[2][3]
  • Georg Sticker: Die Pest in Indien und an der Levante von 1683 bis 1724; ihre Aussaaten nach Europa. In: Die Geschichte der Pest (= Abhandlungen aus der Seuchengeschichte und Seuchenlehre. Band 1, Teil 1.) Töpelmann, Gießen 1908, S. 209–236: Digitalisat
  • Manfred Vasold: Die Pest. Ende eines Mythos. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1779-3, S. 142ff.
  • Jörg Zapnik: Pest und Krieg im Ostseeraum: Der „Schwarze Tod“ in Stralsund während des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) (= Greifswalder Historische Studien. Band 7). Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8300-3118-5 [4]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Manfred Vasold: Die Pest. Ende eines Mythos. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2003. ISBN 3-8062-1779-3. S. 142ff.
  2. Forschungsprojekt Der letzte Ausbruch der Pest im Ostseeraum zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Universität Rostock
  3. Tagungsprogramm Rostock 2004
  4. Rezension von Jean-Luc Le Cam