Hofzeremoniell

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Das Hofzeremoniell, auch Hofetikette genannt, regelte die diversen am Hof eines Herrschers oder Fürsten stattfindenden Zeremonien und überhaupt alle am Hofe vor sich gehenden Handlungen, so etwa die Vorgänge bei Vermählungen, Begräbnissen, Huldigungen, Audienzen und dergleichen. Das Zeremoniell bestimmte Tracht, Rang, Titel und vorgeschriebene Handlungen der einzelnen Mitglieder des Hofstaates und war nicht selten sehr umfangreich und kompliziert. Die Leitung des Hofzeremoniells hatte ein Oberhofmarschall oder Zeremonienmeister inne, der etwa vergleichbare Aufgaben wie die eines modernen Protokollchefs besaß. Das Hofzeremoniell hat seinen Ursprung im Orient. Wesentliche Komponenten sind die sakrale Überhöhung des Herrschers und die Hierarchisierung des Hofstaates.

Spätantike[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem Augustus Caesar als Pontifex Maximus das höchste priesterliche Amt des römischen Staates erlangte, wurden ihm und seinen Nachfolgern weitere sakrale Ehrungen zuteil bis hin zur Vergöttlichung (Kaiserkult, Apotheose). Nach der Reichskrise des 3. Jahrhunderts nach Christus formalisierte Kaiser Diokletian diese Ehrungen und führte ein orientalisches Hofzeremoniell ein: Der Kaiser trug fortan nicht mehr die Toga eines Senators oder Triumphators, sondern einen purpurnen Feldherrnumhang (Chlamys) und einen goldenen Lorbeerkranz, der von seinem Nachfolger Konstantin der Große durch ein goldenes Diadem mit einem doppelreihigen Perlenkranz ersetzt wurde. Dem Kaiser durfte man sich nur mit der adoratio purpurae (Proskynese) nähern. Fortentwickelt wurde das Zeremoniell auch nach dem Ende der Spätantike in Byzanz. Im Westen wurde es von den römischen Bischöfen übernommen und auf den Papst übertragen, der bis heute den Titel eines pontifex maximus führt.

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Lehns- und Ritterwesen des Mittelalters begünstigte das Aufkommen eigener Formen des Hofzeremoniells.

In Deutschland erhielt es neue Pflege infolge der Vermählung Kaiser Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophano. Geregelt war das Zeremoniell seit dem Spätmittelalter durch die Goldene Bulle Kaiser Karls IV.

Spanisches Hofzeremoniell[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das spanische Hofzeremoniell wurde im 15. Jahrhundert am Hof der Herzöge von Burgund, einem Seitenzweig der französischen Könige und Herrscher über die Niederlande, entwickelt. Herzog Philipp der Gute schuf ein detailliertes Hofzeremoniell, zu dem auch die Schaffung eines Ritterordens, des Ordens vom Goldenen Vlies, gehörte, um die Eliten seines heterogenen Länderkonglomerats von den Alpen bis zur Nordsee in ein hierarchisches Herrschaftssystem einzubinden. Äußerliches Kennzeichen dieses Zeremoniells war das Tragen der spanischen Tracht. Durch Erbgang gelangten die Niederlande an die Habsburger, die dieses Zeremoniell am spanischen Hof unter Karl V. und in Wien unter seinem Bruder Ferdinand von Österreich einführten. Da Spanien Vormacht in Europa bis 1650 war, wurde das burgundische Hofzeremoniell den anderen europäischen Höfen als Spanisches Hofzeremoniell bekannt. In Österreich wurde es bis Joseph II. praktiziert. In Spanien wurde das Zeremoniell mit Ausnahme der Unterbrechung 1808–1814 in wesentlichen Bereichen bis zum Thronverzicht von König Amadeus I. im Jahre 1873 beibehalten. Am päpstlichen Hof wurde es in Abwandlung bis in die 1960er Jahre zelebriert.

Französisches Hofzeremoniell[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das einfachere französische Zeremoniell wurde unter Ludwig XIV. vorherrschend, beginnend mit dem allmorgendlichen feierlichen Lever. Die deutungsmächtige, von Norbert Elias insbesondere in Die höfische Gesellschaft entwickelte Meistererzählung, dass das Zeremoniell am Hof von Versailles als Instrument zur Beherrschung des Adels gedient habe, der am königlichen Hof in einem „goldenen Käfig“ gezähmt worden sei, gilt inzwischen als differenzierungsbedürftig.[1] Die französische Revolution 1789 schien das Hofzeremoniell beseitigt zu haben, doch Napoléon Bonaparte erneuerte es, die Restauration und die Julimonarchie adaptierten es, und Napoléon III. bildete es weiter aus. In Skandinavien sind einige Höfe zu einfacheren Formen des Zeremoniells übergegangen.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mark Hengerer: Hofzeremoniell. In: Werner Paravicini (Hrsg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Band 3: Hof und Schrift (= Residenzenforschung. Bd. 15, 3). Thorbecke, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7995-4522-8, S. 433–455. (online)
  • Christina Hofmann-Randall: Das spanische Hofzeremoniell 1500–1700 (= Kulturen – Kommunikation – Kontakte. Bd. 15), Frank & Timme, Berlin 2012, ISBN 978-3-86596-431-1.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Siehe dazu Giora Sternberg: Status Interaction during the Reign of Louis XIV. Oxford University Press, Oxford 2014.