Jacob van Utrecht

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Mögliches Selbstbildnis von Jacob van Utrecht im Kreuzigungsretabel in der Sakristei der Lübecker Jakobikirche (ca. 1525)

Jacob van Utrecht, nach seiner Signatur Jacobus Traiectensis (* um 1479 wohl in Utrecht; † nach 1525), war ein niederländischer Maler der Frührenaissance, der nachgewiesen in Antwerpen und Lübeck wirkte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Porträt Mitglied der Familie Alardes, Nationalmuseum Stockholm
Verkündigungsaltar
Kreuzigungsaltar
zugeschriebenes Kreuzigungsretabel aus der Jakobikirche
Kerckring-Altar (1520): Maria lactans im Mittelteil, außen die Bilder der Stifter

Die weitgehend im Dunkeln liegenden Lebensumstände dieses bedeutenden flämischen Künstlers wurden erst seit Ende des 19. Jahrhunderts erforscht und gedeutet. Seine Herkunft aus Utrecht ist bislang nicht völlig abgesichert. Er wird wohl um 1500 das Bürgerrecht von Antwerpen erlangt haben und wurde 1506 bis 1512 als Freimeister der Lukasgilde von Antwerpen geführt.

Ab 1519 bis 1525 ist er als Mitglied der Leonardsbruderschaft in der Hansestadt Lübeck nachgewiesen. Danach verliert sich seine Spur im Dunkeln.

Signatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben Jacobus Traicetensis signierte er auch mit dem Namen Claez.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geschichte des Kerckringaltars[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das im Jahr 1520 wohl als Hausaltar für den Lübecker Ratsherrn und Kaufmann Hinrich Kerckring geschaffene Kunstwerk zeigt als Triptychon auf den äußeren Flügeln den Stifter und seine Ehefrau. Auf der Mitteltafel die nährende Mutter Gottes mit dem Jesuskind. Die Familie Kerckring war eine in Lübeck ansässige, aus westphälischem Adel stammende Ratsfamilie, die im Rat der Stadt Lübeck vom Ende des 14. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts nachweisbar ist[8] und seit dem Spätmittelalter der einflussreichen Zirkelgesellschaft angehörte. Im Testament des Hinrich Kerkring wird dieser Altar nicht mehr erwähnt, dafür aber zum Beispiel der gesamte dort dargestellte Schmuck seiner Ehefrau. Damit beginnt das bislang nicht aufgeklärte Mysterium der Provenienz dieses Altars, der heute zu den bedeutsamsten Sammlungsstücken des St.-Annen-Museums in Lübeck gehört.

Die erste heute bekannte Erwähnung fand er 1893 in der alten Hansestadt Riga im Baltikum. Der deutsch-baltische Kaufmann Friedrich Wilhelm Brederlo (1779–1862) hatte als Kunstsammler in Riga eine große Kunstsammlung von über zweihundert Gemälden zusammengetragen. Sein Testament aus dem Jahr 1852 bestimmte, dass die Sammlung von seinen Töchtern in Verwaltung durch seinen Schwiegersohn Wilhelm von Sengbusch „in ihrem Bestande ungeteilt“ und Riga verbunden bliebe, ansonsten sie der Stadt Riga anzudienen sei. Ein 1893 erstellter Katalog der Brederloschen Sammlung erwähnt erstmals den Kerckring-Altar von 1520. Zur Herkunft dieses für die übrige Sammlung atypischen Stücks findet sich in den nachgelassenen Papieren kein Wort. Bei Eröffnung des Kunstmuseums in Riga 1905 übernahm dieses die gesamte Sammlung als Dauerleihgabe der Familie von Sengbusch, die einen zentralen Teil seiner Gemäldesammlungen bildete (heute im Rigaer Museum für Ausländische Kunst).

Die Vertreibungen aufgrund des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrages betrafen auch die deutschstämmige Familie von Sengbusch, die bei ihrer Zwangsaussiedlung 1940 sieben der Gemälde mitnehmen durfte. Die restlichen Sammlungsstücke wurden anschließend von der Regierung unter Kārlis Ulmanis enteignet und in lettisches Staatseigentum überführt. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Baltikum wurde Lettland dem Generalkommissar für Lettland im Reichskommissariat Ostland Otto-Heinrich Drechsler unterstellt, der gleichzeitig noch Bürgermeister von Lübeck war. Der eingesetzte deutsche Bürgermeister von Riga, Hugo Wittrock, suchte nun dessen Gunst für seine eigenen politischen Absichten 1942 dadurch zu gewinnen, dass er ihm nach den Kriegszerstörungen des großen Bombenangriffs auf Lübeck vom März 1942 und den damit verbundenen immensen Kulturgutverlusten den Kerckring-Altar als Geschenk anbot. Dieser Altar hatte in den 1920ern dadurch Bekanntheit erlangt, dass sich die kunstgeschichtliche Literatur verstärkt mit ihm befasst hatte. Die Übergabe der Beutekunst erfolgte feierlich im Juni 1943 in Riga. So gelangte der Altar im Zweiten Weltkrieg wieder zurück nach Lübeck in die Sammlung des St.-Annen-Museums. Dort wurde er nach dem Krieg 1965 von der Familie von Sengbusch zufällig als Exponat entdeckt. Die juristischen Auseinandersetzungen währten bis 1992.[9] Die Hansestadt Lübeck erkannte nach fast dreißig Jahren trotz aller juristischen Vorbehalte die Eigentumsrechte der Familie von Sengbusch an, die ihrerseits das Eigentum an dem Kerckring-Altar sogleich auf die Hansestadt Lübeck zurück übertrug, mit der Verpflichtung diesen Altar zu erhalten, ihn auszustellen und künftig auf den bekannten Teil seines Schicksals angemessen hinzuweisen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Uwe Albrecht: Kostbarer Flügelaltar des 16. Jahrhunderts kehrt zurück – Lübeck erwirbt das Gavnø-Retabel in London. In: Lübeckische Blätter 2012, S. 44–45.
  • Joanna Barck: Das Kerkring-Triptychon von Jacob van Utrecht oder Die bürgerliche Säkularisierung mittelalterlicher Bildräume, Frankfurt u. a.: Lang 2001 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 28, Kunstgeschichte; Bd. 364) ISBN 3-631-36829-1.
  • Anna Lena Frank: sog. Kerckring-Retabel in: Jan Friedrich Richter (Hrsg.): Lübeck 1500 – Kunstmetropole im Ostseeraum, Katalog, Imhoff, Petersberg 2015, S. 328–331 (Nr. 57).
  • Max J. Friedländer: Neues über Jacob van Utrecht. In: Oud Holland 58 (1941), S. 6–17 (Digitalisat, JSTOR).
  • Rainald Grosshans: Jacob van Utrecht: der Altar von 1513. Berlin-Dahlem: Gemäldegalerie, Staatl. Museen Preuss. Kulturbesitz 1982, ISBN 978-3-88609-095-2.
  • Friederike Schütt: sog. Gavnø-Retabel in: Jan Friedrich Richter (Hrsg.): Lübeck 1500 – Kunstmetropole im Ostseeraum, Katalog, Imhoff, Petersberg 2015, S. 332–333 (Nr. 58).
  • Hildegard Vogler: Madonnen in Lübeck, Lübeck 1993.
  • Hildegard Vogler: Das Triptychon des Hinrich und der Katharina Kerckring von Jacob van Utrecht, Lübeck 1999.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Jacob van Utrecht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Abb. im Bildindex der Kunst und Architektur
  2. Uwe Albrecht (Hrsg.): Corpus der mittelalterlichen Holzskulptur und Tafelmalerei in Schleswig-Holstein. Band 2: Hansestadt Lübeck, Die Werke im Stadtgebiet. Ludwig, Kiel 2012, ISBN 978-3-933598-76-9, Nr. 42 S. 170
  3. Bedeutender mittelalterlicher Altar wieder in Lübeck@1@2Vorlage:Toter Link/www.shz.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (sh:z vom 10. Februar 2012)
  4. Eintrag in der lost art-Datenbank, abgerufen am 8. März 2019
  5. Renaissance und Barock: im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster. Münster: Landesmuseum 2000, ISBN 9783887891374, S. 94
  6. Kreuzigungsaltar in Nødebo@1@2Vorlage:Toter Link/www.noedebosogn.dk (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  7. Uwe Albrecht, Ulrike Nürnberger, Jan Friedrich Richter, Jörg Rosenfeld, Christiane Saumweber: Corpus der Mittelalterlichen Holzskulptur und Tafelmalerei in Schleswig-Holstein. Band II: Hansestadt Lübeck, Die Werke im Stadtgebiet. Ludwig, Kiel 2012, ISBN 978-3-933598-76-9, S. 303–311, Nr. 98
  8. Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie. Lübeck 1925.
  9. Holger Walter: Wo ein Wille, da ist auch ein Weg. Restitutionserfahrungen in einer kommunalen Verwaltung. als PDF