Chalid Maschal

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Chalid Maschal (2009)

Chalid Maschal oder Chaled Meschaal (arabisch خالد مشعل Chālid Maschʿal, DMG Ḫālid Mašʿal; * 28. Mai 1956 in Silwad bei Ramallah) ist ein palästinensischer Politiker und war von 1996 bis 2017 Vorsitzender des Politbüros der Terrororganisation Hamas.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chalid Maschal wurde 1956 im damals jordanischen Silwad nördlich von Ramallah im Westjordanland geboren. Sein Vater, Abd al-Qadir Maschal, zog 1957 als Arbeitsmigrant nach Kuwait, wo er als Fellache in der Landwirtschaft und als Imam arbeitete. Maschal wuchs in einem religiös-konservativen Umfeld auf.[1]

Maschal erlebte als Elfjähriger den Sechstagekrieg mit, in dessen Verlauf das Westjordanland von Israel besetzt wurde. Laut eigener Aussage prägten dieser Krieg, die arabische Niederlage und die damit verbundene Auswanderung seiner Familie seine Persönlichkeit immens. Im Sommer 1967 zog die Familie nach Kuwait zu seinem Vater.

In Kuwait besuchte Maschal zunächst eine von der PLO betriebene Abendschule für Flüchtlinge, die stark nationalistisch geprägt war.[1] Angeworben durch Freunde mit ähnlichem religiösen Hintergrund, trat er 1971 – im Alter von fünfzehn Jahren – der Muslimbruderschaft bei.[2]

Maschal engagierte sich an der Universität Kuwait als Gründer und Führer des Haqq-Blocks, einer islamistischen palästinensischen Gruppierung, welche die Dominanz von Jassir Arafats Palästinensischer Befreiungsorganisation (PLO) auf dem Campus bekämpfte. Er erlangte an seiner Universität einen Bachelor of Science in Physik.

Er heiratete 1981 und hat sieben Kinder. Maschal behauptet, ab 1983 führend am Umbau der palästinensischen Muslimbruderschaft in die Hamas mitgearbeitet zu haben. Als Exilpalästinenser sei er in Kontakt mit verschiedensten palästinensischen Muslimbrüdern gestanden, habe jedoch das öffentlichkeitswirksamste Gesicht der Hamas, Ahmad Yasin, nie persönlich getroffen.[1]

Nach dem gescheiterten, von den Palästinensern begrüßten Einmarsch von Saddam Husseins Truppen in Kuwait 1990 zog Maschal nach Jordanien.

Seit der Gründung ist er Mitglied des Politischen Büros der Hamas, 1996 wurde er der Vorsitzende und damit zum politischen Sprecher der Hamas. Maschal war strikter Gegner des Oslo-Prozesses und wollte die einige Jahre zuvor etablierten Selbstmordanschläge unbedingt fortsetzen. Er intensivierte zu diesem Zweck die Kooperation der Hamas mit der Islamische Revolutionsgarde des Iran, um Qassambrigadisten im Iran zu Sprengstoffexperten auszubilden und sie dann in die von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Gebiete einzuschleusen. Maschal wurde für seine Entscheidungen mehrmals von in Palästina lebenden Hamasmitgliedern wie Mahmud al-Zahar kritisiert, da er die Not der Palästinenser in den besetzten Gebieten nicht kennen würde. Unter Maschals Führung intensivierten sich auch die gegen die PLO gerichteten Anschläge und Kämpfe der Hamas.[3]

Ende der 1990er kam es in der jordanischen Muslimbruderschaft zu Meinungsverschiedenheiten über die Beziehung zur Hamas. Die jordanischen Behörden nutzten diese wachsende Kluft, um gegen die Hamas vorzugehen. Am 30. August 1999 schloss die Polizei das Hamas-Büro in Amman, während sich Maschal mit zwei weiteren Politbüromitgliedern im Iran aufhielt. Trotz Aufforderungen der Muslimbruderschaft, dort zu bleiben, reiste er im September wieder in das Königreich ein, wurde verhaftet und nach Androhung einer langjährigen Haftstrafe im November abgeschoben.[4]

Maschal lebte zwischenzeitlich in Damaskus und war an den Verhandlungen um die Befreiung des entführten Gilad Schalit beteiligt.

Nachdem im Mai 2007 mehrere Raketen aus Gaza in der israelischen Kleinstadt Sderot einschlugen, drohten mehrere israelische Minister der gesamten Hamas-Führung mit gezielten Tötungen. Der Minister für Innere Sicherheit, Avi Dichter, drohte namentlich, den im syrischen Exil lebenden politischen Chef der Hamas, Chalid Maschal, bei „erstbester Gelegenheit“ zu töten, da er ein „mehr als legitimes Ziel“ sei.[5]

Im April 2008 schlug Maschal bei einem Treffen mit dem früheren US-Präsident Jimmy Carter eine zehnjährige Waffenruhe vor, falls Israel die 1967 besetzten Gebiete vollständig räume. Dies wäre eine „taktische Phase im Widerstand, und nicht mehr“. Maschal bekräftigte im Mai 2008 und 2012 erneut, die Hamas würde den „Dschihad“ unter keinen Umständen beenden.[6]

2011 nahm Jordaniens neuer Premierminister Aun Schaukat al-Chasauneh den Beschluss von 1999 zurück und lud Hamasführer Maschal zu einem Staatsbesuch ein, um der jordanischen Muslimbruderschaft entgegenzukommen.[7] Im Januar 2012 empfing Jordaniens König Maschal und rehabilitierte ihn damit.[8]

Anfang 2012 verließ Maschal im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges, in dem sich die Hamas gegen Präsident Baschar al-Assad stellte, sein Exil in Damaskus und übersiedelte nach Katar.[9] Er rief weiter zum Terror gegen Israel auf.[10]

Am 7. Dezember 2012 reiste Maschal über Ägypten in den Gazastreifen, um an den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum der Hamas teilzunehmen. Es war laut Medienberichten das erste Mal seit 45 Jahren, dass er die palästinensischen Gebiete betrat.[9] Maschal selbst gab in einem Interview an, 1975 mit einem Touristenvisa Israel und die palästinensischen Gebiete besucht zu haben.[1]

2014 trat Maschal bei einer israelfeindlichen Kundgebung der türkischen Regierungspartei AKP auf.[11]

Im Mai 2017 wählte die Schura der Hamas Ismail Haniyya, bisher Stellvertreter von Maschal, zum neuen Vorsitzenden ihres politischen Büros. Unmittelbar vor der Machtübergabe präsentierte Maschal noch das neue Hamas-Grundsatzpapier, wohl in der Hoffnung, damit auch nach seinem Abtritt noch den Kurs der Hamas zu beeinflussen.[12]

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 rief Chalid Maschal in einer Videobotschaft zu Protesten „auf den Plätzen und in den Straßen der arabischen und islamischen Welt“ auf, um Unterstützung für die Hamas zu zeigen.[13]

Mordanschlag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 25. September 1997 wurde Maschal das Ziel eines Anschlags des israelischen Geheimdiensts Mossad. Nach Auftrag durch den damaligen israelischen Premier Benjamin Netanjahu begaben sich mehrere Agenten mittels kanadischer Pässe nach Jordanien, wo sich Maschal aufhielt. Der Anschlag selbst wurde morgens gegen 10 Uhr vor Maschals Büro durchgeführt. Ein Agent sollte Maschal ablenken, ein anderer ihm unauffällig ein spurloses und tödliches Gift ins Ohr sprühen. Es handelte sich um ein Derivat von Fentanyl, das viel stärker als das handelsübliche Narkosemittel wirkt, leicht durch die Haut eindringt und innerhalb weniger Tage tödlich wirkt, ohne nachweisbar zu sein.[14] Zwar gelang es den Attentätern, das Gift aufzusprühen, doch wurden sie nach kurzer Flucht von den Begleitern Maschals gestellt und jordanischen Sicherheitskräften übergeben.[15]

Jordaniens König Hussein verlangte daraufhin von Netanjahu die Herausgabe des Gegengifts. Netanjahu lehnte zunächst ab und erst durch Intervention von US-Präsident Bill Clinton wurde das Gegengift übergeben.[16] Die jordanischen Ärzte hatten schon Informationen von den Agenten erhalten und auch Spritzen mit dem Gegenmittel, das bei den Agenten gefunden wurde. Sie gingen jedoch konservativ vor, da sie den Israelis misstrauten. Maschal, dessen Atmung gelähmt war, wurde in ein künstliches Koma versetzt und mit Naloxon, einem Antagonisten für Opioide, das sich am Ende als das gesuchte Gegenmittel erwies, und Flumazenil, einem Gegenmittel gegen Benzodiazepine, behandelt, was auch anschlug, auch wenn die Wirkung nur Minuten anhielt, so dass es ständig gegeben werden musste.[17] Maschal überlebte auch dank seiner guten körperlichen Konstitution.

Die Mossadagenten wurden anschließend gegen den Hamasführer Ahmed Jasin ausgetauscht, der in Israel im Gefängnis saß.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Khaled Mashal – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Mouin Rabbani: Khalid Mishal: The Making of a Palestinian Islamic Leader Interviewed by Mouin Rabbani. In: Institute for Palestine Studies (Hrsg.): Journal of Palestine Studies. Band 37, Nr. 1, 2008, S. 59–73 (palestine-studies.org [abgerufen am 29. April 2024]).
  2. Profile: Khaled Meshaal of Hamas. 8. Februar 2006 (bbc.co.uk [abgerufen am 29. April 2024]).
  3. Joseph Croitoru: Hamas. München 2010, S. 135–144.
  4. Bruce Maddy-Weitzman: Middle East Contemporary Survey: Vol. XXIII 1999. The Moshe Dayan Center, 2002, ISBN 978-965-224-049-1, S. 352–354 (google.at [abgerufen am 29. April 2024]).
  5. Clemens Verenkotte: Raketenbeschuss im Gaza-Grenzgebiet: Israel droht Hamas mit härterem Vorgehen (tagesschau.de-Archiv), Tagesschau, 20. Mai 2007.
  6. Avi Melamed: Inside the Middle East: Making Sense of the Most Dangerous and Complicated Region on Earth. Simon and Schuster, 2016, ISBN 978-1-63450-976-3 (google.com [abgerufen am 29. April 2024]).
  7. Jonathan Schanzer: Jordan Tries Rapprochement with Hamas. In: The Weekly Standard. 7. November 2011, archiviert vom Original am 10. November 2011; abgerufen am 29. April 2024.
  8. Hamas-Chef wieder hoffähig. In: derStandard.at. 30. Januar 2012, abgerufen am 29. April 2024.
  9. a b Susanne Knaul: Hamas-Chef Maschaal im Gazastreifen: Auftritt wie ein Sieger. In: die tageszeitung. 7. Dezember 2012, abgerufen am 8. Dezember 2012.
  10. Konrad Litschko: Bangen und Zeichen setzen: Mobilisierungsaufrufe der Hamas für Freitag beunruhigen die jüdische Community und Behörden. Hamas und Samidoun sollen in Deutschland verboten werden. In: die tageszeitung. 12. Oktober 2023, abgerufen am 12. Oktober 2023.
  11. Dirk Peddinghaus: Die Hamas und die Finanzierung des Terrorismus im Nahen Osten. Hamburg 2021, S. 85 f.
  12. Bjorn Brenner: Gaza Under Hamas: From Islamic Democracy to Islamist Governance. Bloomsbury Academic, 2021, ISBN 978-0-7556-3439-2, S. 205–209 (englisch, google.co.uk).
  13. Konrad Litschko: Sorge vor Eskalation in Deutschland: Bangen und Zeichen setzen. In: Die Tageszeitung: taz. 12. Oktober 2023, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 29. April 2024]).
  14. Paul McGeough: Kill Khalid. Allen and Unwin, 2009, S. 2. (McGeough spricht von Levofentanyl, manchmal ist auch von Lofentanil die Rede.)
  15. Le Monde diplomatique, deutsche Ausgabe September 2009, S. 12.
  16. Netanyahu in spotlight as assassination plot unravels (Memento vom 8. März 2008 im Internet Archive). CNN World News, 5. Oktober 1997.
  17. Paul McGeough: Kill Khalid. S. 158.