Kriminalfall Höxter

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Als Kriminalfall Höxter wird ein Kriminalfall bezeichnet, bei dem ein Paar aus Höxter-Bosseborn Frauen per Kontaktanzeigen zu sich auf ein Bauerngehöft gelockt und misshandelt haben soll, was in mindestens zwei Fällen zum Tod der Opfer geführt hat. Der Fall wurde publik, als die Polizei am 27. April 2016 mit der Spurensicherung am Tatort begann, nachdem eine 41-jährige Frau aus Niedersachsen an ihren schweren, durch Misshandlung zugefügten Verletzungen verstorben war. Die genaue Anzahl weiterer Opfer ist noch nicht bekannt (Stand: 11. Mai 2016)

Ermittlungen der Mordkommission „Bosseborn“

Die Polizei Nordrhein-Westfalen mit der Mordkommission Bielefeld übernahm die Ermittlungen. Sie richtete eine 40-köpfige Mordkommission „Bosseborn“ unter der Leitung von Kriminalhauptkommissar Ralf Östermann ein. Zuständig ist die Staatsanwaltschaft Paderborn mit Oberstaatsanwalt Ralf Meyer.[1] Ab dem 11. Mai 2016 übernahm Kriminalhauptkommissar Thorsten Stiffel die Leitung der Mordkommission „Bosseborn“.

Nach den Ermittlungen haben die mutmaßlichen Täter Wilfried Max W. und seine langjährige Lebensgefährtin und ehemalige Ehefrau Angelika B. die 41-jährige Susanne F. in ihrem Mietshaus in Höxter-Bosseborn körperlich misshandelt. Am 21. April 2016 wollten die Beschuldigten die körperlich schwer angeschlagene Frau mit dem Auto zurück nach Bad Gandersheim bringen, wo sie seit Ende 2015 wohnte.[2][3] Aufgrund eines Motorschadens blieb das Fahrzeug in Südniedersachsen liegen. Die Beschuldigten riefen wegen des schlechten Gesundheitszustands des Opfers einen Rettungswagen, doch die 41-Jährige verstarb etwa zwei Stunden später im Helios-Krankenhaus in Northeim. Die Obduktion stellte stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Kopf des Opfers fest.[4][5]

Im Zuge der Ermittlungen der Polizei wurden die beiden mutmaßlichen Täter am 27. April 2016 in Bosseborn vorläufig festgenommen und am darauffolgenden Tag erging gegen beide durch das Amtsgericht Höxter Haftbefehl wegen Totschlags.

Nach derzeitiger Ermittlungslage soll ein weiteres Tötungsdelikt vorliegen. Danach zählt die 33-jährige Annika W. (geborene E.) aus Uslar-Dinkelhausen (* in Berlin) ebenfalls zu den Opfern. Sie zog im Sommer 2013 in das Haus und heiratete Wilfried Max W. im Herbst 2013. Annika W. kam am 1. August 2014 nach Angaben der Beschuldigten durch einen Sturz ums Leben. Das Paar soll ihre Leiche zunächst eingefroren, dann zerlegt, im Kamin verbrannt und die Asche im Ort verstreut haben.[6]

Mit dem Leben davon kam eine 51-jährige Frau aus dem Großraum Berlin, die nach eigener Aussage von August 2011 bis März 2012 in dem Haus festgehalten und misshandelt wurde. Ein Ermittlerteam aus Bielefeld reiste zur Vernehmung der Zeugin am 3. Mai 2016 nach Berlin.[7][8] Vor der Freilassung des Opfers 2012 fuhr das Paar mit der Frau zur Polizeiwache in Uslar, weil die Frau dort schriftlich vor Zeugen bestätigen sollte, dass sie freiwillig bei dem Paar in Höxter gelebt habe. Der dortige Polizist lehnte die Bitte ab und schickte das Paar fort, ohne sich den Fall näher anzuschauen.[9]

Am 4. Mai 2016 wurde das Wohnhaus in Bosseborn von Beamten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen zusammen mit den Ermittlern der Mordkommission im Rahmen der Spurensicherung ausgeräumt.[10]

Am 8. Mai 2016 berichtete Der Spiegel, dass die Ermittler erzwungene Abschiedsbriefe von Todesopfern gefunden hätten. Zudem soll die derzeit in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede in Untersuchungshaft einsitzende Beschuldigte Angelika B. eine Liste mit den Namen von sieben Opfern mit den ihnen zugefügten verschiedenen Formen von Misshandlungen angefertigt haben.[11][12]

Am 9. Mai 2016 berichtete das Polizeipräsidium Bielefeld, dass die Ermittler der Mordkommission bislang vier misshandelte Frauen identifiziert haben. Insgesamt sind rund 50 Hinweise bei der Polizei eingegangen.[13]

Am 11. Mai 2016 gaben die Staatsanwaltschaft Paderborn und die Polizei Bielefeld bekannt, dass die Ermittlungen auf den Zeitraum von Ende 1998 bis April 2016 ausgeweitet werden. Die Zahl der eingegangenen Hinweise habe sich auf 61 erhöht. Die Beschuldigten sollen nicht alle Opfer körperlich misshandelt haben. Einige Frauen zahlten während ihrer Beziehung zu Wilfried W. auch höhere Geldbeträge an ihn und Angelika W.[14]

Strafregister der mutmaßlichen Täter

Der mutmaßliche Täter Wilfried Max W. wurde 1970 in Bochum geboren, besuchte wegen einer Lese- und Rechtschreibstörung eine Sonderschule und zog später mit seiner Mutter zu deren neuem Lebensgefährten, einem Landwirt, nach Bad Lippspringe. Bei der britischen Rheinarmee begann er eine Ausbildung zum Hundeführer, die er aber abbrach, um auf dem Hof zu helfen. 1991 lebte er von Sozialhilfe und hatte eine Beziehung zu einer Frau mit Namen Michaela K. Er soll zudem eine Lehre als Kfz-Mechaniker gemacht haben. Als er 1994 eine Paderbornerin kennenlernte, behielt er die Beziehung zu Michaela K. aufrecht und diese zog mit in die gemeinsame Ehewohnung. Die Paderbornerin wurde mit Boxhandschuhen verprügelt und mit einem Föhn misshandelt, dennoch heiratete sie ihn im Sommer 1994. 1995 verurteilte das Amtsgericht Paderborn Wilfried Max W. wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Seine ehemalige, zur Tatzeit 22-jährige Lebensgefährtin Michaela K. erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Beide hatten ab Frühjahr 1994 nachweislich die damalige Ehefrau von Wilfried W. in der früheren Wohnung in Paderborn-Benhausen misshandelt. Verwandte der Ehefrau konnten das Opfer am 21. September 1994 befreien. Die Ehe wurde geschieden. 1994 kam sein erstes Kind zur Welt, zu dem kein Kontakt mehr bestehen soll.[15][16]

1999 heiratete Wilfried Max W. die Mitbeschuldigte im Höxteraner Kriminalfall, die gelernte Gärtnerin Angelika B., die von einem Bauernhof aus Bad Salzuflen stammte und zuvor in Herford lebte. Im selben Jahr wurde ein gemeinsames Kind geboren, zu dem auch kein Kontakt mehr bestehen soll. Angelika B. soll ihre Ersparnisse von mehr als 160.000 Deutsche Mark mit in die Ehe gebracht haben. Beide lebten später von 2003 bis 2010/11 in der Gemeinde Schlangen im Kreis Lippe und zogen anschließend nach Höxter-Bosseborn. 2013 ließ sich Wilfried K. von Angelika B. aus finanziellen Gründen scheiden. Das Paar lebte aber weiterhin zusammen und gab sich den Besucherinnen gegenüber als Geschwisterpaar aus.[17] 2014 heiratete Wilfried W. in dritter Ehe Anika W. Diese starb nach Misshandlungen im August 2014 in der gemeinsamen Wohnung in Bosseborn unter Mithilfe seiner Ex-Frau Angelika B. Danach betrieb Wilfried W. auch einen kleinen Kiosk am Bahnhof in Brakel, den er zum Teil mit dem Geld finanzierte, das er von der Mutter des zweiten Opfers Anika W. erschlichen hatte.

Einzelnachweise

  1. Einladung zur Pressekonferenz im Fall des Tötungsdeliktes in Höxter-Bosseborn. Presseportal.de, 2. Mai 2016, abgerufen am 7. Mai 2016.
  2. In Wiehagen aufgewachsene Frau stirbt nach Martyrium in Höxter. Soester Anzeiger, 6. Mai 2016, abgerufen am 7. Mai 2016.
  3. stern, 29. April 2016
  4. Gemeinsame Presseerklärung der Mordkommission Bielefeld, der Staatsanwaltschaft Paderborn und der Polizei Höxter: Bielefelder Mordkommission ermittelt wegen eines Tötungsdeliktes in Höxter. Presseportal.de, 30. April 2016, abgerufen am 7. Mai 2016.
  5. stern, 29. April 2016
  6. Das ist die Berlinerin, die den Sadisten von Höxter heiratete. Berliner Zeitung, 7. Mai 2016, abgerufen am 7. Mai 2016.
  7. Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Paderborn und der Polizei Bielefeld zum Tötungsdelikt in Höxter- Erste Ergebnisse der Befragung eines Opfers im Raum Berlin. Presseportal.de, 4. Mai 2016, abgerufen am 7. Mai 2016.
  8. ZEIT online, 4. Mai 2016
  9. Spiegel, 25. Juni 2016
  10. Fall Bosseborn: Erste Ergebnisse der Befragung eines weiteren Opfers im Raum Berlin. meine-onlinezeitung.de Weser-Ith News, 4. Mai 2016, abgerufen am 7. Mai 2016.
  11. Höxter: Abschiedsbriefe von Todesopfern gefunden. Norddeutscher Rundfunk, 8. Mai 2016, abgerufen am 8. Mai 2016.
  12. Kriminalfall Höxter: Polizei findet Abschiedsbriefe zweier Todesopfer. Spiegel Online, 8. Mai 2016, abgerufen am 8. Mai 2016.
  13. Presseerklärung des Polizeipräsidiums Bielefeld: Fall Höxter - Bosseborn - Jetzt insgesamt 50 Hinweise. Presseportal.de, 9. Mai 2016, abgerufen am 9. Mai 2016.
  14. Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Paderborn und Polizei Bielefeld: Personalwechsel im Fall Höxter-Bosseborn - Ermittler bearbeiten neue Hinweise unter Hochdruck. Presseportal.de, 11. Mai 2016, abgerufen am 13. Mai 2016.
  15. Tatverdächtiger Wilfried W. stand 1995 schonmal wegen Körperverletzung vor Gericht. Neue Westfälische, 4. Mai 2016, abgerufen am 8. Mai 2016.
  16. »Horror-Haus«: Frau schildert Kripo Misshandlungen in den 90ern »Wilfried hat mich zu einem Wrack gemacht«. Westfalen-Blatt, 5. August 2016, abgerufen am 7. August 2016.
  17. Höxteraner Folterpaar soll mehrere Jahre in Schlangen gelebt haben. Lippische Landes-Zeitung, 2. Mai 2016, abgerufen am 7. Mai 2016.

Koordinaten: 51° 45′ 9,8″ N, 9° 18′ 20,4″ O