Liste von Eisenbahnunfällen als literarisches Thema

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Die Liste Eisenbahnunfall als literarisches Thema enthält eine chronologische Auflistung von Eisenbahnunfällen, die literarisch bearbeitet wurden oder einen entsprechenden Anstoß gaben.

Eisenbahnunfall von Staplehurst (1865), den Charles Dickens miterlebte.

Reale Unfälle

Der Eisenbahnunfall von Straffan, Irland, am 5. Oktober 1853 wurde von William Allingham in einem Gedicht, The magic car of modern skill, das im Jahr nach dem Unfall in seiner Gedichtsammlung Day and Night Songs veröffentlicht wurde, beschrieben.[1]

Bei dem Eisenbahnunfall im Clayton-Tunnel, England, kollidierte am 25. August 1861 im Clayton Tunnel – 7 km nördlich von Brighton – ein Reisezug mit einem zurücksetzenden Sonderzug. 23 Menschen starben, circa 176 wurden darüber hinaus meist schwer verletzt. Der Tunnel wurde mit einem Blocksignal vor jedem Portal gesichert, das vom Zugpersonal oder einem Wärter bedient wurde. Der Unfall wurde von Charles Dickens in der Kurzgeschichte The Signal-Man[2] bearbeitet, einer Geistergeschichte um einen Eisenbahnunfall.

Bei dem Eisenbahnunfall von Staplehurst, England, entgleiste am 9. Juni 1865 ein aus Folkstone kommender Zug nach London auf der Brücke über den Beult, ein Nebenfluss des Medway, weil wegen Bauarbeiten auf der South Eastern Main Line hier Gleise entfernt worden waren und die Sicherung der Baustelle versagte. Bei dem Unfall starben 10 Reisende, 40 wurden verletzt. Ein Mitreisender im Zug war der Schriftsteller Charles Dickens. Er verfasste in der Folge die Kurzgeschichte The Signal-Man, die inhaltlich allerdings auf den Eisenbahnunfall im Clayton-Tunnel Bezug nimmt. Weiter wurde der Eisenbahnunfall von Staplehurst in der Handlung von Ronald Frederick DelderfieldsGod is an Englishman“ (Swann Saga)[3] verarbeitet und der Unfall ist Ausgangspunkt des Romans Drood aus dem Jahr 2009 von Dan Simmons.

Der Eisenbahnunfall auf der Firth-of-Tay-Brücke am 28. Dezember 1879 ging mit dem Einsturz der drei Kilometer langen Firth-of-Tay-Brücke bei einem Orkan einher, als sie gerade von einem Zug befahren wurde. Dessen 72 Reisende und Eisenbahnbedienstete kamen ums Leben. Theodor Fontane thematisierte das Ereignis in seiner Ballade Die Brück’ am Tay[4]; William Topaz McGonagall verfasste ebenfalls 1880 ein Gedicht The Tay Bridge Disaster[5] und Max Eyth verarbeitete den Unfall in seiner 1899 erschienenen Erzählung Die Brücke über die Ennobucht.

Der Eisenbahnunfall vom Honey Creek am 6. Juli 1881 wurde durch die damals 17-jährige Kate Shelley (1865–1912) weitestgehend verhindert: Nachdem die Überfahrt einer Lokomotive die Brücke über den Des Moines River hatte einstürzen lassen – zwei Tote waren die Folge – warnte sie unter dramatischen Umständen und dem Einsatz ihres Lebens einen mit 200 Reisenden besetzten Schnellzug rechtzeitig, der auf die zerstörte Brücke zu fuhr. Mit dieser Tat gingen Kate Shelley und die (verhinderte) Eisenbahnkatastrophe in die US-amerikanische Folklore ein.[6]

Der Eisenbahnunfall des Old 97 in Danville ereignete sich am 27. September 1903 als der Zug 97 der Southern Railway, genannt „Old 97“, aufgrund überhöhter Geschwindigkeit bei der Auffahrt auf eine Brücke entgleiste. Nach unterschiedlichen Angaben starben neun oder elf Menschen, darunter das Lokpersonal und Postangestellte in einem Postwagen hinter der Lok. Der Unfall inspirierte zum Countrylied „Wreck of the Old 97“.

Der Eisenbahnunfall von Regenstauf war ein verhältnismäßig leichter Auffahrunfall des Nachtzugs München–Berlin (D 21) am 1. Mai 1906 bei Regenstauf[7]: Durch eine falsch gestellte Weiche fuhr er auf einen Güterzug auf, den er eigentlich überholen sollte. Prominenter Fahrgast des Zuges war Thomas Mann, der das Geschehen in der Erzählung Das Eisenbahnunglück – veröffentlicht 1909 – verarbeitete.[8]

Der Eisenbahnunfall im Kaiser-Wilhelm-Tunnel am 22. November 1948 wurde durch eine Kohlenstaubexplosion ausgelöst, die den Führerstand einer Dampflokomotive in Brand setzte. Der Unfall wurde durch die überlegte Handlungsweise des Lokomotivführers, August Vochtel, sehr bekannt, der eine Katastrophe abwendete. Sowohl der französische Militärgouverneur Marie-Pierre Kœnig als auch Bundespräsident Theodor Heuss zeichneten ihn für die Heldentat aus. Sie wurde mehrfach in Kurzgeschichten und Schulbüchern verarbeitet.[9]

Rudolf Hagelstange berichtet in der Kurzgeschichte Das Eisenbahnunglück[10] von den indirekten Folgen eines Eisenbahnunfalls, der daraus entstandenen Verspätung, ihren Folgen, darunter seiner Begegnung mit Max Bense.[Anm. 1]

Fiktive Unfälle

Der Suizid der Anna Karenina, dargestellt in dem gleichnamigen Film von 1914
1877

Leo Tolstoi lässt in seinem Roman Anna Karenina (1877) die Titelheldin in einem Suizid vor einem Zug enden.

1890

Emile Zola schildert in seinem 1890 erschienenen Roman Die Bestie im Menschen (franz. La Bête Humaine), auch unter dem Titel Das Tier im Menschen einen aus Eifersucht vorsätzlich herbeigeführten Eisenbahnunfall. Dabei fährt ein Zug mit hoher Geschwindigkeit in eine quer über einem Bahnübergang abgestellte Kutsche. Der Unfall fordert zahlreiche Tote und Verletzte.

1952

Friedrich Dürrenmatt nimmt in seiner Kurzgeschichte Der Tunnel[Anm. 2] einen (surrealistischen) Eisenbahnunfall als Metapher, um die Ausweglosigkeit einer Situation darzustellen, in der unabwendbar die Katastrophe auf die Reisenden zukommt, die das aber überwiegend nicht wahrnehmen wollen.

1963

In Alexander Issajewitsch Solschenizyns metaphernreicher Erzählung Matrjonas Hof findet das Leben der mütterlichen Bäuerin Matrjona bei der Überquerung eines unbeschrankten Bahnübergangs unter den Rädern eines heranrasenden Zuges ein jähes tragisches Ende.

vor 1980

Inge von Wangenheim lässt in ihrem Roman Die Entgleisung[11] in einem kleinen thüringischen Städtchen den letzten Wagen eines Güterzugs entgleisen, der dabei beschädigt wird und seine Ladung verliert. Diese Ladung sind in der DDR gedruckte Pornos, für den Export nach Schweden bestimmt, die sich nun unter der Hand und im Städtchen verteilen, was zu einigem Aufsehen führt.

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Der Autor befand sich in einem Zug, der hinter dem Unfall-Zug fuhr und deshalb umgeleitet wurde. So bleiben seine Angaben zum Unfallgeschehen vage: „Mitte der fünfziger Jahre“, „im Württembergischen“ und er saß in einem Eilzug, der auf Stuttgart Hauptbahnhof zu fuhr.
  2. Erstmals 1952 im Sammelband Die Stadt. Prosa I–IV erschienen, später in weiteren, geänderten Fassungen.

Einzelnachweise

  1. William Allingham: Day and Night Songs. G. Routledge & Co. London 1854; der Text wird im Parallelartikel in der englischsprachigen Wikipedia wiedergegeben.
  2. Erstveröffentlichung in der Sammlung Mugby Junction der Weihnachtsausgabe der Zeitschrift All the Year Round 1866.
  3. 1970; deutsch: Gott ist Engländer (1972).
  4. Ders.: Gedichte I. 2. Aufl. 1995 (Grosse Brandenburger Ausgabe), S. 153-155.
  5. William Topaz McGonagall: The Tay Bridge Disaster.
  6. Vgl.: John Brayshaw Kaye: Our Kate. In: Songs of Lake Geneva and other poems. New York 1882.
  7. Markus Meinold: Die Lokomotivführer der Preußischen Staatseisenbahn 1880–1914. Hövelhof 2008, ISBN 978-3-937189-40-6, S. 170.
  8. Thomas Mann: Das Eisenbahnunglück. In: Die Erzählungen. Deutscher Taschenbuchverlag. Frankfurt 1986, S. 462–473.
  9. So etwa: Alwin Mortzfeld, Kurt Siebrandt: Lokführer Vochtel kämpft gegen den Tod. In: Es geht um Minuten. Von selbstlosen Rettungstaten. Verlag Ensslin & Laiblin, Reutlingen 1952. (Kleine Ensslin-Bücher, Nr. 21).
  10. Rudolf Hagelstange: Das Eisenbahnunglück. In: Eisenbahngeschichten mit Pfiff. München 1985. ISBN 3-471-77865-9, S. 127–131.
  11. Inge von Wangenheim: Die Entgleisung. Mitteldeutscher Verlag. Halle/Leipzig 1980.