Militärbezirk (Russland)

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Ein Militärbezirk (russisch Военный округ; Wojenny okrug) ist ein territorialer Verantwortungsbereich in den russischen Streitkräften.

Militärbezirke wurden erstmals 1862 bei der Kaiserlich Russischen Armee eingeführt und existierten auch bei den Sowjetischen Streitkräften. Die Aufteilung des Landes in Militärbezirke änderte sich im Verlaufe der russischen und sowjetischen Geschichte oftmals. Während des Deutsch-Sowjetischen Krieges 1941–1945 und anderen militärischen Auseinandersetzungen wurden die Aufgaben der vorrangig für Friedenszeiten geschaffenen Militärbezirke von Fronten übernommen.

Heutige Situation

Militärbezirke der Russischen Föderation bis 2010

Die Zahl der Militärbezirke wurde nach der Auflösung der Sowjetunion 1992 bis heute schrittweise auf sechs reduziert (Moskau, Leningrad, Nordkaukasus, Wolga-Ural, Sibirien und Fernost).

Am 6. Juli 2010 unterzeichnete Präsident Dmitri Medwedew einen Ukas zur Neuorganisation der Streitkräfte.[1] Zum 1. Dezember 2010 wurde die Anzahl der Militärbezirke auf vier verringert. Geführt werden diese Bezirke von gleichnamigen Vereinigten Strategischen Kommandos (russ. ; Objedinjonnoje strategitscheskoje komandowanije, OSK), denen auch die auf den jeweiligen Territorien dislozierten Marine- und Luftstreitkräfte unterstehen, während bisher, von einem Versuch in den 1970er-Jahren abgesehen, nur die Landstreitkräfte unter dem Kommando der Militärbezirke standen:

Am 2. April 2014 wurde die Halbinsel Krim in den Militärbezirk Süd eingegliedert.[2] Ab dem 1. Dezember 2014 nahm das Vereinigte Strategische Kommando Nord seine Arbeit auf. Es koordiniert verschiedene Einheiten aus Teilen der Nordflotte sowie Verbände der Kommandos Zentrum und Ost. Sein Verantwortungsgebiet nördlich des Polarkreises erstreckt sich von Murmansk über verschiedene arktische Inseln, darunter Nowaja Semlja, die Neusibirischen Inseln, die Wrangelinsel sowie das Schmidt-Kap, das damit einen quasi fünften Militärbezirk bildet.[3]

Geschichte

Russisches Reich

Im Mai 1862 wurden auf Vorschlag des Kriegsministers Dmitri Miljutin im Rahmen seiner radikalen Armeereform versuchsweise die vier Militärbezirke Kiew, Odessa, Warschau und Wilna gebildet. Nach zufriedenstellenden Ergebnissen der folgenden zwei Jahre wurden mit Ukas des Zaren Alexander II. vom 6. August 1864 per 1. September 1864 weiter sechs Militärbezirke gebildet (Charkow, Finnland, Kasan, Moskau, Riga, Sankt Petersburg). Zwischen 1865 und 1867 entstanden Militärbezirke auch an der Peripherie des Reiches (Kaukasus, Orenburg, Turkestan, Westsibirien und Ostsibirien). Damit war das gesamte Reichsterritorium in 15 Militärbezirke unterteilt. Von 1870 sank ihre Zahl durch Zusammenlegungen und Reorganisationen bis 1906 allmählich wieder auf 12. Insgesamt gab es in der Periode des Russischen Reiches 21 verschiedene Militärbezirke.

Militärbezirke des Russischen Reiches 1913
Militärbezirke des Russischen Reiches
Name von bis Anmerkung
Amur 1884 1917 hervorgegangen aus Ostsibirien
Charkow 1864 1888 aufgeteilt zwischen Kiew und Moskau
Dwinsk 1914 1917 hervorgegangen aus einem Teil von Wilna
Finnland 1864 1905 Anschluss an Petersburg
Irkutsk 1884 1917 hervorgegangen aus Ostsibirien; außer 1899–1906: Zusammenschluss mit Omsk zu Sibirien
Kasan 1864 1917
Kaukasus 1865 1917
Kiew 1862 1917
Minsk 1914 1917 hervorgegangen aus Warschau mit Anschluss eines Teils von Wilna
Moskau 1864 1917
Odessa 1862 1917
Omsk 1882 1917 umbenannt aus Westsibirien; außer 1899–1906: Zusammenschluss mit Irkutsk zu Sibirien
Orenburg 1865 1881 angeschlossen an Kasan
Ostsibirien 1865 1884 aufgeteilt in Irkutsk und Amur
Petersburg 1864 1917
Riga 1864 1870 aufgeteilt zwischen Wilna und Petersburg
Sibirien 1899 1906 Zusammenschluss von Omsk und Irkutsk
Turkestan 1867 1917
Westsibirien 1865 1882 umbenannt in Omsk
Warschau 1862 1914 Verlegung und Umbenennung nach Minsk
Wilna 1862 1914 Verlegung und Umbenennung nach Dwinsk

Militärbezirken gleichgestellt waren außerdem folgende Territorien (mit eigener Militärverwaltung):

  • Oblast der Don-Truppen (Oblast Woiska Donskowo), zugleich zivile Verwaltungseinheit im traditionellen Siedlungsgebiet der Donkosaken (Verwaltungszentrum Nowotscherkassk; 1870 bis 1917)
  • Oblast Transkaspien (Sakaspijskaja oblast), zugleich zivile Verwaltungseinheit (Verwaltungszentrum Aßchabad; von der Ausgliederung aus dem Militärbezirk Kaukasus 1890 bis zur Angliederung an den Militärbezirk Turkestan 1899)
  • Bezirk Transamur (Saamurski okrug), auf dem exterritorialen Gebiet entlang der Chinesischen Osteisenbahn durch das Kaiserreich China (ab 1912 die Republik China), dem Selbständigen Grenzwachtkorps (Grenztruppen des Russischen Reiches) unterstellt (1901 bis 1917)

Anmerkung: das Jahr 1917 für das Ende des Bestehens von Militärbezirken und ihnen gleichgestellten Gebieten steht für das Ende des Bestehens der Kaiserlich Russischen Armee bzw. der Streitkräfte der Provisorischen Regierung. Die Kommandostrukturen dieser Bezirke bestanden in unterschiedlicher Form und Ausprägung je nach Gebiet bis zur Oktoberrevolution 1917 oder bis in die Zeit des beginnenden Russischen Bürgerkrieges 1918/1919, als sie sich schrittweise auflösten; offizielle Daten gibt es zumeist nicht.

Sowjetunion

Im Jahr 1991 bestanden 15 Militärbezirke:

  • westlicher Kriegsschauplatz
    • TVD West
      • Baltischer Militärbezirk
      • Belarus
      • Karpaten
    • TVD Südwest
      • Odessa
      • Kiew
    • TVD Nordwest
      • Leningrad
  • fernöstlicher Kriegsschauplatz
    • Sibirien
    • Transbaikalien
    • Fernost
  • südlicher Kriegsschauplatz
    • Transkaukasus
    • Nordkaukasus
    • Turkestan
  • zentrale Reserve
    • Moskau
    • Wolga
    • Ural

Einzelnachweise

  1. Medwedew verpasst Armee neue Kommandostruktur
  2. Schwarzmeer-Halbinsel Krim in Südlichen Wehrbezirk Russlands eingegliedert
  3. Russland zentralisiert Kommando für Arktis-Truppen. Sputnik, 2. Dezember 2014, abgerufen am 16. Mai 2016.