Peter Suhrkamp

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Porträt von Peter Suhrkamp

Peter Suhrkamp (* 28. März 1891 in Hatten; † 31. März 1959 in Frankfurt am Main; eigentlich Johann Heinrich Suhrkamp) war ein deutscher Verleger und Gründer des Suhrkamp Verlags.

Leben und Schaffen

Bis zum Ersten Weltkrieg

Das Geburtshaus

Suhrkamp war ein Bauernsohn aus der Ortschaft Kirchhatten in der Gemeinde Hatten bei Oldenburg. In Kirchhatten steht heute noch sein Geburtshaus, wo auch seine Geschwister geboren und aufgewachsen sind.

Suhrkamp war Seminarist am Evangelischen Lehrerseminar Oldenburg. 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und wurde unter anderem als Infanterist und Bataillons-Patrouilleführer eingesetzt. Für seine Verdienste als Stoßtruppführer erhielt er das Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern für „besondere Tapferkeit“. Nach den Erlebnissen an der Front erlitt er einen Nervenzusammenbruch.

Von 1913 bis 1918 war er mit der Lehrerin Ida Plöger verheiratet.

Studium und verschiedene Tätigkeiten

Nach dem Krieg studierte Suhrkamp Germanistik in Heidelberg, Frankfurt am Main und München. Nebenbei arbeitete er als Lehrer an der Odenwaldschule und der Freien Schulgemeinde Wickersdorf. Von 1921 bis 1925 war er als Dramaturg und Regisseur am Landestheater Darmstadt angestellt.

Von 1919 bis 1923 war er mit Irmgard Caroline Lehmann verheiratet und 1923/1924 mit der Opernsängerin Fanny Cleve.

Von 1925 bis 1929 unterrichtete Suhrkamp erneut als Lehrer an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf, deren pädagogischer Leiter er von 1926 an war. 1929 gab er den Lehrerberuf endgültig auf und übersiedelte nach Berlin, wo er als freier Mitarbeiter des Berliner Tageblatts und des bei Ullstein erscheinenden Monatsmagazins Uhu tätig war.

Suhrkamp beim S. Fischer Verlag

1932 wurde Suhrkamp Mitarbeiter des S. Fischer Verlags, zunächst als Herausgeber der Zeitschrift Die Neue Rundschau. Von 1933 an gehörte er dem Vorstand an. 1935 heiratete er Annemarie Seidel.

1936 kaufte er den Teil des S. Fischer Verlags, der nicht von Gottfried Bermann Fischer ins Exil nach Wien transferiert werden konnte,[1] und leitete diesen Verlag bis April 1944. 1942 wurde das Unternehmen auf Druck der Nationalsozialisten in Suhrkamp Verlag vorm. S. Fischer umbenannt und wenig später in Suhrkamp Verlag, womit der Name des jüdischen Gründers S. Fischer verschwunden war.[2]

Im Frühjahr 1944 wurde Suhrkamp wegen dringenden Verdachts der Vorbereitung zum Hoch- und Landesverrats von der Gestapo verhaftet. Ein Spitzel der Gestapo hatte belastendes Material gesammelt. Er meldete, dass Suhrkamp nicht nur weiterhin Autoren wie Hesse, Flake und Loerke verlege, sondern auch verdächtige Auslandsreisen mache und Kontakt zu subversiven Widerstandskreisen habe. Man brachte Suhrkamp in das Gestapo-Gefängnis in der Lehrter Straße und später ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Zwei Wochen darauf wurde er im Februar 1945 auf dem Höhepunkt einer schweren Lungenkrankheit in ein Krankenhaus gebracht. Verschiedene Persönlichkeiten hatten sich für seine Freilassung eingesetzt, darunter Arno Breker bei Albert Speer, wie Suhrkamp in einer eidesstattlichen Erklärung vom 21. August 1946 im Entnazifizierungsprozess gegen Breker bestätigte.[3] Ferner setzten sich Gerhart Hauptmann bei Baldur von Schirach und Hans Carossa bei Ernst Kaltenbrunner für den Verleger ein.[4]

Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht erhielt er am 8. Oktober 1945 die erste Verlagslizenz von der britischen Militärregierung in Berlin und begann mit dem Neuaufbau des Unternehmens. Er kooperierte mit Bermann Fischer, dessen Bücher er zum Teil in deutschen Lizenzausgaben herausbrachte.

Gründung des Suhrkamp Verlags

Die Büste von Peter Suhrkamp im Rathaus seines Heimatortes Kirchhatten

1950 kam es statt zur zunächst ins Auge gefassten Fusion zum Bruch zwischen Bermann Fischer und Suhrkamp und zur Gründung des Suhrkamp Verlags sowie zur Neugründung des S. Fischer Verlags in Frankfurt am Main. Die Gründung des „neuen“ Suhrkamp-Verlags geht maßgeblich auf Initiative von Hermann Hesse zurück, der Suhrkamp in dieser Hinsicht moralisch unterstützte und auch die Kontakte zu den Geldgebern des Verlages, der Schweizer Familie Reinhart, herstellte. Die Autoren des bisherigen Unternehmens konnten dabei wählen, ob sie weiterhin von Peter Suhrkamp oder von Bermann Fischer verlegt werden wollten. Die Mehrheit der 48 Autoren entschied sich dabei für Peter Suhrkamp.

Zur sprichwörtlich gewordenen „Suhrkamp-Kultur“ trug wesentlich sein 1951 eingestellter Lektor Siegfried Unseld bei. Als Lektorin und Übersetzerin arbeitete auch Suhrkamps Frau Annemarie im Verlag mit.

Suhrkamp hielt sich gerne in Kampen auf Sylt auf, wo Annemarie Seidel aus ihrer früheren Ehe mit Anthony van Hoboken ein Anwesen (erbaut 1929) direkt am Wattenmeer im Hobokenweg besaß. In diesem Haus war nach Ende des Zweiten Weltkriegs unter anderem Max Frisch zu Gast. Der Besitz wurde 1953 für 45.000 DM an Axel und Rosemarie Springer verkauft. Vom Verkaufserlös finanzierte Suhrkamp den Erwerb der deutschen Rechte am Werk Marcel Prousts.

Suhrkamp war Verleger von Autoren wie Theodor W. Adorno, Samuel Beckett, Bertolt Brecht, T. S. Eliot, Max Frisch, Ernst Penzoldt, Rudolf Alexander Schröder, Martin Walser und Carl Zuckmayer. Einen kleinen Einblick in sein persönliches Verhältnis zu „seinen“ Autoren gibt der Band Briefe an die Autoren. Suhrkamp hat sich selber auch als Autor und als Übersetzer versucht. Er lancierte mit der Bibliothek Suhrkamp eine erste Buchreihe mit literarischen, aber auch (geistes)wissenschaftlichen Texten des 20. Jahrhunderts.

Grabstein in Keitum

Tod

Peter Suhrkamp starb am 31. März 1959 im Frankfurter Universitätsklinikum, wenige Tage nach seinem 68. Geburtstag und zwei Tage vor dem Gerichtstermin für die Scheidung von seiner Frau Annemarie.[5] Nach der Einäscherung wurde die Asche auf dem Friedhof der Inselkirche St. Severin in Keitum auf Sylt beigesetzt. Laut seinem handgeschriebenen Testament sollte die Asche vor Sylt in die Nordsee gestreut werden, diese Art der Bestattung war jedoch rechtlich unzulässig. Die Urnenbeisetzung in Keitum an der Wattmauer des Friedhofs geht auf die Initiative Siegfried Unselds zurück, der dafür die Zustimmung von Suhrkamps Witwe einholte.

Suhrkamps Mutter, zu der er eine ambivalente „Nicht-Beziehung“ hatte, starb 14 Tage nach ihm im Alter von 91 Jahren.

Nach Suhrkamps Tod wurde Siegfried Unseld sein Nachfolger als Verlagsleiter und alleinverantwortlicher Gesellschafter.

Ehrungen

Im Rathaus in Suhrkamps Geburtsort Kirchhatten sind ein Porträt und eine Büste des Verlegers zu sehen (siehe Bilder oben). Außerdem befinden sich in der Bibliothek einige Exponate seines Schaffens. Am 3. April 2016 wurde in Kirchhatten eine Wanderausstellung eröffnet, die Peter Suhrkamps Leben und seine Herkunft aus Kirchhatten würdigt.[6]

Werke

Als Autor

  • Brief an einen jungen Freund, Suhrkamp, Berlin und Frankfurt am Main 1951 (erstmals 1946 als Brief an einen Heimkehrer veröffentlicht), ISBN 978-3-518-04395-0.
  • Ausgewählte Schriften zur Zeit- und Geistesgeschichte von Peter Suhrkamp I. Zum 28. März 1951. Privatdruck in 350 nummerierten Exemplaren, Frankfurt am Main 1951.
  • Ausgewählte Schriften zur Zeit- und Geistesgeschichte von Peter Suhrkamp II. Zum 28. März 1956. Privatdruck in 350 nummerierten Exemplaren, Frankfurt am Main 1956.
  • Munderloh. Fünf Erzählungen, Suhrkamp (BS 37), Berlin und Frankfurt am Main 1957, ISBN 978-3-518-01037-2. (Der Titel verweist auf die kleine Ortschaft Munderloh in der Nähe von Suhrkamps Geburtsort.)
  • Der Leser. Reden und Aufsätze (hg. v. Hermann Kasack), Suhrkamp (BS 55), Frankfurt am Main 1960, ISBN 978-3-518-01055-6.
  • Briefe an die Autoren (hg. v. Siegfried Unseld), Suhrkamp (BS 100), Frankfurt am Main 1963 (erschien bereits 1961 als Privatdruck), ISBN 978-3-518-01100-3.
  • »Nun leb wohl! Und habs gut« - Briefe 1935-1959, herausgegeben von Wolfgang Schopf, Suhrkamp, 2016, ISBN 978-3-518-42071-3.[7]

Als Herausgeber

  • Deutscher Geist. Ein Lesebuch aus zwei Jahrhunderten. Einführung von Peter Suhrkamp (hg. v. Oskar Loerke u. Peter Suhrkamp), 2 Bände S. Fischer, Berlin 1940; revidierte, erweiterte Auflage: Suhrkamp, Berlin und Frankfurt am Main 1953.
  • Bertolt Brechts Gedichte und Lieder. Auswahl von Peter Suhrkamp, Suhrkamp (BS 33), Berlin und Frankfurt am Main 1956, ISBN 978-3-518-01033-4.

Als Übersetzer

  • T. S. Eliot: Old Possums Katzenbuch. üb. v. Erich Kästner, Carl Zuckmayer u. a., Suhrkamp (BS 10), Berlin und Frankfurt am Main 1952, ISBN 978-3-518-01010-5.
  • T. S. Eliot: Der Privatsekretär. Komödie. Aus dem Englischen von Nora Wydenbruck und Peter Suhrkamp, Suhrkamp (BS 21), Berlin und Frankfurt am Main 1954.

Literatur

  • Gottfried Bermann Fischer: "Bedroht – Bewahrt. Weg eines Verlegers", S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1967. Neuauflage 1994. ISBN 3-596-21169-7.
  • Siegfried Unseld (Hrsg.): In memoriam Peter Suhrkamp. Privatdruck für die Freunde des Verlages, Suhrkamp, Frankfurt am Main o. J. (1959); darin enthalten (S. 157–163: Vorläufige Bibliographie v. Helene Ritzerfeld).
  • Siegfried Unseld: Peter Suhrkamp. Zur Biographie eines Verlegers in Daten, Dokumenten und Bildern, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-45597-4.
  • Siegfried Unseld (Hrsg.): Hermann Hesse – Peter Suhrkamp. Briefwechsel 1945–1959, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969.
  • Friedrich Voit: Der Verleger Peter Suhrkamp und seine Autoren, Scriptor Verlag, Kronberg 1975.
  • Wolfgang Schopf (Hrsg.): „So müßte ich ein Engel und kein Autor sein“. Adorno und seine Frankfurter Verleger. Der Briefwechsel mit Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3-518-58375-3.
  • Etta Bengen (Bearb.): Peter Suhrkamp 1891–1959, Lebenswege & Lebenswirklichkeit, Broschüre zur Wanderausstellung zum 125. Geburtstag; Hrsg.: Oldenburgische Gesellschaft für Familienkunde e.V. In: Quellen und Forschungen, Band 6, 2016, Isensee, Oldenburg, 48 Seiten, ISBN 978-3-7308-1253-2.

Weblinks

Commons: Peter Suhrkamp – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wie Peter Suhrkamp sich seinen Verlag ergaunerte in: Cicero, 29. Mai 2013
  2. Jürgen König: Streit im Verlagshaus Suhrkamp, Deutschlandfunk – Hintergrund, 12. Februar 2013
  3. Spruchkammer Akte-Kopie im Breker-Archiv Museum Europäische Kunst.
  4. Herbert Heckmann, Bernhard Zeller (Hrsg.): Hermann Kasack zu Ehren, Wallstein Verlag 1996, S. 52 f.
  5. Hessische Biografie: Suhrkamp, Peter
  6. Vom Bauernsohn zum Verleger: Würdigung von Peter Suhrkamp zum 125. Geburtstag nwzonline.de, 4. April 2006
  7. Die Jahre mit »Mirl«. Der Verleger Peter Suhrkamp in den Briefen an seine Frau Annemarie Seidel, Rezension, neues deutschland, 26. März 2016