Schlacht von Lemberg

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Schlacht von Lemberg (1914)
Teil von: Erster Weltkrieg

Ostfront Herbst 1914
Datum 26. August bis 11. September 1914
Ort Lemberg, heute Ukraine
Ausgang Niederlage Österreich-Ungarns
Konfliktparteien
Befehlshaber

Armee-Oberkommandant Erzherzog Friedrich von Österreich, Generalstabschef Conrad von Hötzendorf, Armeegruppenführer Hermann von Kövess
2. Armee – Eduard von Böhm-Ermolli
3. Armee – Rudolf von Brudermann

Befehlshaber der Südwestfront Nikolai Iwanow
Generalstabschef Michail Alexejew
3. Armee – Nikolai Russki
8. Armee Alexei Brussilow

Truppenstärke

k.u.k. 2. und 3. Armee mit 150 Bataillonen und 828 Geschützen

3. und 8. Armee mit 292 Bataillonen und 1304 Geschützen

Die Schlacht von Lemberg war eine Entscheidungsschlacht zwischen dem Russischen Reich und Österreich-Ungarn während der Frühphase des Ersten Weltkrieges 1914, in welcher die k.u.k. 3. Armee von der russischen 3. Armee unter General Nikolai Russki in mehreren Kämpfen empfindlich geschlagen wurde. Die Schlacht von Lemberg – ein Abschnitt der Schlachten in Galizien, bezeichnet mehrere Phasen von Operationen im östlichen und später westlichen Vorfeld der Stadt, die für die k.u.k. 3. Armee alle unglücklich endeten. Die erste Phase der Schlacht vom 26. bis 30. August beinhaltete die Kämpfe bei Zloczow – Przemyslany und an der Gnila Lipa; ihr Ausgang erzwang am 2. September die Räumung von Lemberg. In der zweiten Phase vom 6. bis 11. September versuchten österreichische Truppen erfolglos, das verlorene Lemberg zurückzuerobern. Nach der folgenschweren Niederlage in der Schlacht von Rawa wurde auch der Gegenangriff der k.u.k. 2. und 3. Armee an der Wereszyca sinnlos; ein großer Teil Galiziens musste geräumt werden.

Ausgangslage

Lemberg, eine (heute in der Westukraine liegende) große Garnisonsstadt und Hauptstadt Galiziens, bildete damals gemeinsam mit der Festungsstadt Przemyśl den Eckpfeiler der k.u.k. Verteidigungslinie gegen einen russischen Angriff. Beide Städte waren den von Nordwest nach Südost verlaufenden Karpaten vorgelagert, welche als natürliches Grenzgebirge die ungarische Tiefebene nach Nordosten hin absicherten. Der Chef des k.u.k. Generalstabes Franz Conrad von Hötzendorf glaubte nach Anfangserfolgen am Nordflügel stark genug zu sein, um auch im Raum östlich Lemberg angreifen zu können. Im östlichen Vorfeld des Aufmarschgebietes der bei Lemberg eingesetzten k.u.k. 3. Armee unter General der Kavallerie Rudolf Ritter von Brudermann schwärmten ab 20. August mehrere Kavalleriedivisionen zu Aufklärung der Feindkräfte an der Grenzlinie Kamionka – Zloczow – Tarnopol bis Czortkow aus. Das deutsche Luftschiff S.L.II[1] stand für Aufklärungsfahrten zur Verfügung.

General Russki

Während die Österreicher im Bewusstsein eines Angriffserfolges im Raum Lublin jetzt auch bei Lemberg nach Osten vorrückten, hatte General Nikolai Iwanow, der Oberbefehlshaber der russischen Südwest-Front, seine 3. Armee unter Nikolai Russki und die 8. Armee unter dem General der Kavallerie Alexei Brussilow angewiesen, gegen die k.u.k 3. Armee (General Brudermann) offensiv vorzugehen und Lemberg zu erobern. General Brudermann verfügte anfangs zwar noch über das Tiroler k.u.k. XIV. Korps (Innsbruck) darunter die berühmten Kaiserjäger und Kaiserschützen und das zuverlässige III. Korps (Graz) mit Steirern und Slowenen. Aber der Großteil seiner Truppen war eher als unzuverlässig anzusehen, darunter das XII. Korps (Hermannstadt) mit rumänischen Einheiten und das XI. Korps (Lemberg) mit den am wenigsten loyalen Ukrainern. Wegen der schnellen Frontausdehnung der nordwestlicher stehenden k.u.k. 1. und 4. Armee nach Norden und dem schnellen Auftauchen der russischen Hauptverbände musste General Brudermann sein schlagkräftigstes Korps, das XIV., zum Schutz der eigenen Nordflanke an die 4. Armee in den Raum Rawa Ruska abgeben.

Schlacht von Zloczow 26. bis 28. August

Hermann Kövess von Kövesshaza

In dieser Situation stand die k.u.k. 3. Armee (General Brudermann) allein mit seinen etwa 115 Bataillonen und 376 Geschützen frontal fast 200 russischen Bataillonen mit 685 Geschützen der russischen 3 Armee (Russki) gegenüber. Während das XI. Korps (General Desiderius Kolossváry de Kolosvár) im Raum Lemberg verblieb, ging das steirische III. Korps (General der Infanterie Colerus von Geldern) im Raum Zloczow und das XII. Korps (General Hermann von Kövess) auf Pomorzany nach Osten vor. Beide Korps wurden am 26. und 27. August von der Übermacht der russischen 3. Armee auf die Gnila Lipa zurückgeworfen. 30 Kilometer südwestlich des an die russische 8. Armee verlorenen gegangenen Tarnopol wurde auch die südlich unterstützenden Verbände der Armeegruppe des Generals Kövess bei Brzezany an der Zlota-Lipa schwer geschlagen und konnten sich nur mit Mühe der Umfassung durch Brussilow entziehen.

Das k.u.k. Kriegspressebüro verlautbarte am 28. August dazu: „Die entscheidende Riesenschlacht in Galizien ist im Gange. Die allgemeine große russische Offensive richtet sich seit 26. August gegen Nord- und Ostgalizien im Gebiete zwischen Rawaruska, Zolkiew, Zloczow, Tarnopol und Stanislau, wo sie überall zu heftigen Kämpfen führte, die am 27. und 28. eine geschlossene Schlachtfront von 200 Kilometer umfassen. (…) Bei der Ausdehnung der Kampffront auf 400 Kilometer muß die Entscheidung länger ausstehen.“[2] „Über tausend Russen, darunter viele Offiziere, fielen unverwundet in unsere Hände, auch wurde eine Anzahl Fahnen, Maschinengewehre und Geschütze erbeutet.“[3]

Schlacht an der Gnila Lipa, 29. bis 30. August

Conrad wollte seine Initiative unter keinen Umständen aufgeben und ließ das k.u.k III. Korps am 29. und 30. August erneut bei Przemyślany angreifen – mit katastrophalen Folgen, denn die jetzt vollständig versammelten Kräfte der russischen 3. und 8. Armee waren nun schon auf 292 Bataillone mit 1.304 Geschützen angewachsen. Das k.u.k. XII. Korps (Kövess) konnte wiederum am Südflügel der russischen Übermacht zwischen Meryszczow–Podkamien–Rohatyn nicht standhalten. 20.000 Mann gerieten in Gefangenschaft; daneben gab es zahlreiche Gefallene und Verwundete. Diese auf etwa 40 Kilometer Front an verschiedenen Schauplätzen ausgetragene Schlacht wurde als Schlacht an der Gnila Lipa zusammengefasst. General Russki unterschätzte seinen eigenen Erfolg; er ließ seine Einheiten wegen der schlechten Straßenverhältnisse zwei Tage anhalten und gruppierte seine Verbände neu, anstatt den rechten Flügel der österreichisch-ungarischen Front zu verfolgen und völlig zu zerschlagen. Nach der völligen Niederlage der k.u.k. 3. Armee an der Gnila Lipa brach die russische 3. Armee am 30. August mit über 100.000 Mann (XI.,IX. und X. Korps) aus dem Raum Zloczow her über Gliniawa nach Westen Richtung Lemberg durch. Am 2. September musste die k.u.k. 3. Armee Lemberg räumen und auf eine neue Linie an der WereszycaJaworow–Grodeker Teiche westlich der verlorenen Stadt zurückgehen. General Brudermann wurde am 3. September ersetzt durch General Svetozar Boroević von Bojna, den bisherigen Kommandeur des k.u.k. VI. Korps.

Conrad entschloss sich noch am 1. September angesichts seiner auf Lemberg zurückflutenden Truppen die 3. Armee in einer Auffangstellung an der Wereszyca zurückzunehmen um die nötige Zeit für eine Umgruppierung und Gegenoffensive zu gewinnen. Er war in der falschen Annahme, dass die Russen nach dem taktischen Sieg bei Komarow an der Nordfront ausreichend geschwächt seien, um das Gros seiner 4. Armee (General der Infanterie Auffenberg) von der nördlichen Front bei Tomaszow herausziehen zu können. Mit diesen umgruppierten Kräften wollte er den westlich Lemberg nachrückenden Gegner erneut in der Flanke fassen und die verlorene Initiative zurückgewinnen.

Schlacht an der Werescyca, 8. – 10. September

Eduard von Böhm-Ermolli (um 1897)
Feldmarschall Svetozar Boroević von Bojna

Der bröckelnden Front der k.u.k. 1., 4. und 3. Armee drohte nun von Nordwesten und Südosten her, eine gefährliche Zangenoperation. Da dringende Appelle an den deutschen Bündnispartner um weitere Verstärkungen nichts brachten, entschloss sich Conrad, seine erschöpfte 3. Armee aus der Werescyca-Stellung heraus erneut angreifen zu lassen. Mit eigenen Verstärkungen durch die aus Serbien mit der Bahn herangeführten 2. Armee Eduard von Böhm-Ermolli brachte Conrad von Hötzendorf die Abwehrfront östlich Lemberg erneut auf eine Stärke von 150 Bataillone mit 828 Geschützen. Die Truppen der südlich anschließenden Armeegruppe des Generals Hermann von Kövess wurde der 2. Armee unterstellt. Da die russische 3. Armee nicht nachdrängte, gelang diese Heranführung ohne große Schwierigkeiten.

Am 5. September ließ Conrad die hinter der Front herum gruppierte 4. Armee (Gen. der Kavallerie Moritz von Auffenberg) mit dem XVII., VI. und IX. Korps zwischen Rawa Ruska und der Moszczana gegen die russische 3. Armee antreten. An der Biala versagte das k.u.k. XVII. Korps (Karl Křitek) und musste vor dem russischen 11. Korps (General Wladimir Sacharow) auf die Linie Hujcze und Uhnow zurückgehen. Das im Zentrum eingesetzte VI. Korps (General Arz von Straußenburg) lief vor Magierow fest. Das k.u.k. IX. Korps (General der Infanterie Lothar von Hortstein) wurde überhaupt in seinen Ausgangsstellungen bei Niemirow gestoppt. Das russische 10. und 12. Korps unter Leitung des Generals Lesch warfen die k.u.k. 3. Armee (jetzt unter Oberbefehl des General der Infanterie Svetozar Boroević von Bojna) zwischen Janow und Grodek auf die dahinterliegende Werescyca zurück. 50 Kilometer nördlich von Lemberg kam es bei Rawa Ruska zum Kampf mit überlegenen russischen Verbänden, die jeden weiteren Angriff vereitelten. Damit vergrößerte sich aber auch eine Frontlücke, die sich zwischen 1. und 4. Armee gebildet hatte, welche die Armeegruppe des Erzherzog Joseph Ferdinand mit dem II. und XIV. Korps nicht mehr ausreichend sichern konnte. Die Werescyca-Stellung wurde nach Süden durch zwei Korps der k.u.k. 2. Armee (General Böhm-Ermolli) mit dem XII. und VII. Korps verlängert, diese hielten den Angriffen der russischen 8. Armee zwischen Grodek und Komarno bis zum allgemeinen Rückzug noch stand.

Der seit 8. September geführte Angriff der k.u.k 3. Armee an der mittleren Werescyca brach jedoch bis 10. September blutig zusammen, im Gegenstoß überrannten stattdessen russische Kosakenregimenter die österreichisch-ungarischen Stellungen und operierten bereits im Rücken der zertrümmerten k.u.k. Verbände. Die gesamte österreichische Front in Galizien geriet dadurch in Auflösung. Trotz der Vernichtung großer Heeresteile der k.u.k. 3. und 4. Armee an der Rawa und an der Wereszyca gelang den Russen keine rasche Verfolgung, bedingt durch deren ebenfalls schweren Verluste sowie durch die verlängerten Nachschublinien und den auftretenden Munitionsmangel, – pro Geschütz standen noch etwa 25 Schuss zu Verfügung.

Ergebnisse und Folgen

Ab dem 11. September erfolgte nun der nötig gewordene k.u.k. Rückzug hinter den San und Dunajec, im Herbst sogar bis nach Krakau und in die Karpaten. Der Rückzug entwickelte sich zum Desaster: Ganze Verbände gaben sich gefangen, zahlreiche slawische Soldaten liefen freiwillig zu den Russen über. Hinzu kamen hohe Verluste unter den Truppenoffizieren, die mit ihrer Feder an der Mütze durch die Russen von den Mannschaften leicht zu unterscheiden waren. Das k.u.k. XIV. Korps erlitt einen schweren Blutzoll, die Verluste der Kaiserjäger, Kaiserschützen, Gebirgsartillerie waren ein unersetzlicher Verlust für die k.u.k. Streitkräfte. Bis zum 11. September waren an der Gesamtfront 130.000 k.u.k. Soldaten von den Russen gefangen genommen worden oder liefen freiwillig zum Sieger über, weitere 190.000 Mann wurden getötet oder verwundet, 450 Geschütze und gewaltige Materialmengen waren verloren. Auch die k.u.k. Festung Przemyśl wurde ab 16. September von der russischen 3. Armee eingeschlossen und über mehr als 100 Tage belagert. Damit hatte die österreichisch-ungarische Armee an der Nordostfront fast die Hälfte ihrer Truppen eingebüßt und die Initiative vollständig an die Russen verloren, die nun mehr als 150 km tief bis an die Karpaten vorstoßen konnten.

Siehe auch

Literatur

  • Jean-Pierre Cartier: Der Erste Weltkrieg. 1914–1918, Zeittafel, Bibliographie, Personen- und Sachregister („La première guerre mondiale“). Piper, München 1986, ISBN 3-492-02788-1.
  • John Keegan: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie („The First World War“). Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek 2004, ISBN 3-499-61194-5.
  • Hermann Müller-Brandenburg: Die Schlacht bei Grodek-Lemberg (Juni 1915). Verlag Stalling, Oldenburg 1918 (Der große Krieg in Einzeldarstellungen; 8).[4]
  • Janusz Piekałkiewicz: Der Erste Weltkrieg. Verlag Weltbild, Augsburg 2004, ISBN 3-8289-0560-9.
  • Barbara Tuchman: August 1914 („The Guns of August“). Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-596-15395-6.
  • Spencer C. Tucker: The Great War. 1914–1918. UCL Press, London 1998, ISBN 1-85728-390-2.
  • Christian Zentner: Der Erste Weltkrieg. Daten, Personen, Szenarien 1914–1918. Edition Francis, Poing 2004, ISBN 3-7723-8917-1 (3 CDs).
  • Hermann Stegemanns Geschichte des Weltkrieges Band I., Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1917, Seite 270–320.
  • Österreich-Ungarns letzter Krieg Band I. Das Kriegsjahr 1914, Herausgeber: Edmund Glaise-Horstenau Verlag der Militärwissenschaftlichen Mitteilungen, Wien 1930.

Weblinks

Commons: Schlacht von Lemberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. vgl. Tabelle unter Lemma Schütte-Lanz
  2. zit. nach www.stahlgewitter.com
  3. Meldung vom 26. August 1914, zit. nach www.stahlgewitter.com
  4. http://digi.landesbibliothek.at