Seeblockade

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Die Seeblockade, seltener auch Seesperre, ist eine wichtige Strategie in einem Seekrieg und auch in manchen Wirtschaftskriegen. Sie besteht darin, die Bewegungsfreiheit der gegnerischen Seestreitkräfte oder seiner Handelsschifffahrt durch eine militärische Blockade seiner Küste oder wichtiger Zufahrtswege einzuengen oder zu unterbinden. Auch die vom Seerecht eingeräumte Möglichkeit, fremde Schiffe auf Feindesgut zu durchsuchen, kann das Motiv einer Seeblockade sein.

Allgemein

Im Kriegsfall ist die Zielsetzung einer Seeblockade, die maritimen Verkehrswege des Gegners mit Kriegsschiffen und/oder Minensperren zu unterbrechen, sodass seine Fähigkeit zur Kriegsführung stark eingeschränkt oder seine Nachschubwege bedroht werden. Seeblockaden oder ihre Durchbrechung entschieden bereits im Altertum zahlreiche Kriege, u.  a. in der Ägäis und den Perserkriegen, seitens der Phönizier, im Kampf zwischen Karthago und Rom. Die rechtlichen Grundlagen und Anforderungen für die Durchführung einer Blockade sind im San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea[1] zu finden.

Wechselwirkungen der Politik vor dem Ersten Weltkrieg

Im Schleswig-Holsteinischen Krieges (1848–1851) brachte die dänische Marine innerhalb weniger Tage im April 1848 den deutschen Seehandel in Nord- und Ostsee zum Erliegen. Daraufhin wurde die Reichsflotte gegründet, die diese Blockade jedoch nicht brechen konnte.

Vor dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) erwog Frankreich eine Landung in Norddeutschland. Später gab es diese Pläne auf; während des Krieges blockierte die französische Flotte stattdessen die deutsche Nordseeküste.

Die um 1900 zunehmende Gegnerschaft zwischen Großbritannien und Deutschland erhielt eine auf den möglichen Seekrieg bezogene Eigendynamik:

  • Das Deutsche Reich befürchtete eine Seeblockade der Briten und begann daher mit dem Bau einer eigenen Hochseeflotte als so genannter Risikoflotte, die zur Abschreckung aller anderen Seemächte dienen sollte.
  • Die Britische Marine-Doktrin war der so genannte Two-Power-Standard, der forderte, dass die Royal Navy als „Beherrscher der Weltmeere“ immer mindestens so stark sein müsse, wie die beiden nachfolgenden Flotten zusammen.
  • Es kam zum Deutsch-Britischen Wettrüsten, dieses steigerte das Gefühl der Feindschaft und beschleunigte vermutlich die Blockadepolitik.
  • Letztlich erwies sich der Ausbau der deutschen Kriegsmarine als nicht erfolgreich: Sie war zwar stark genug, um Großbritannien herauszufordern, aber noch zu klein für eine ernsthaftere Gefährdung.

Seeblockaden vor dem Ersten Weltkrieg

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Wichtige Seeblockaden im Ersten Weltkrieg

Britische Seeblockade in der Nordsee

Luftblockade. Ein deutsches Marine-Luftschiff überprüft einen dänischen Dampfer, vermutlich in der Nordsee. Zeichnung von Willy Stöwer 1915
„Blockade-Brecher: Wie unsere Ostafrikaner Munition erhielten“

Im Ersten Weltkrieg war die britische Seeblockade des Deutschen Reichs in der Nordsee mitentscheidend dafür, dass die Mittelmächte ab etwa 1916 ins Hintertreffen gerieten. Wegen der Übermacht der britischen Flotte konnte das Deutsche Reich 1914 zur See keine Offensive starten, sodass die gegnerische Schifffahrt im Ärmelkanal keinen großen Störungen ausgesetzt war. Insbesondere war durch die Kontrolle der nord- und westeuropäischen Meere gewährleistet, dass das britische Expeditionskorps ungestört nach Frankreich übersetzen konnte. Der deutsche Versuch, u.a. durch den Einsatz von Marineluftschiffen in der Nordsee eine Gegenblockade der britischen Inseln durchzusetzen, erwies sich als ineffektiv.

Während Deutschland sich in einem Zweifrontenkrieg behaupten musste, konnten die Briten ihre Seeherrschaft über die Nordsee aufrechterhalten. Sie hatte das Ziel, den Gegner von der Zufahrt zu allen Seewegen abzuschneiden, was später auch die allgemeine Versorgung Deutschlands stark beeinträchtigte. Die effektive Seeblockade, die die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Chilesalpeter und Kolonialwaren im Allgemeinen sehr erschwerte,[5] wurde nach dem Waffenstillstand vom November 1918 fortgeführt, um die Zustimmung zur Unterzeichnung der Pariser Vorortverträge im Sommer 1919 zu erzwingen. Sie wurde erst danach aufgehoben.[6][7][8] Der britische General Herbert Plumer, 1. Viscount Plumer habe sich beschwert, seine Besatzungstruppen könnten nicht mehr den Anblick ertragen von „Horden von dünnen aufgedunsenen Kindern die um die Abfälle der britischen Unterkünfte betteln“.[9]

Gegen Kriegsende erging ein Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918 zu einem Entlastungsangriff auf die britische Marine, um deren anhaltende Seeblockade am 28. Oktober zu durchbrechen. Die neue Reichsregierung war jedoch strikt gegen diesen Angriff und setzte sich durch, nachdem sie durch den in Kiel ausgebrochenen Matrosenaufstand Unterstützung erhielt. Die Meuterei der Matrosen gegen ein als bereits unnötig empfundenes Menschenopfer trug auch zur deutschen Novemberrevolution bei.

Eine Denkschrift des Reichsgesundheitsamts vom 16. Dezember 1918 bezeichnete die britische Seeblockade als völkerrechtswidrig. Sie schrieb ihr den Tod von 763000 Menschen der Zivilbevölkerung und einen Gesamtschaden an deutscher Volkskraft von mehr als 56,3 Milliarden Mark zu.[10]

Britische Seeblockade vor Ostafrika

Der Erste Weltkrieg in Ostafrika war geprägt durch die geographische Isolation der deutschen Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika. Das Deutsche Reich verfügte in dieser Region nur über den Kleinen Kreuzer Königsberg, der jedoch ab Ende September 1914 im Delta des Rufiji-Flusses von überlegenen britischen Kräften blockiert wurde. Ab dem 1. März 1915 verhängte Großbritannien eine Seeblockade vor der gesamten Küste Deutsch-Ostafrikas. Schiffsverkehr der Mittelmächte und neutraler Staaten wurde verboten, die Einhaltung durch Kreuzer und Hilfsschiffe überwacht. Dennoch gelang zwei deutschen Blockadebrechern im Verlauf des Krieges der Durchbruch: die Rubens erreicht im April 1915 schwer beschädigt die Mansabucht bei Tanga, und die Marie erreichte im März 1916 Sudi und konnte die Blockade beim Auslaufen ein zweites Mal durchbrechen.[11]

Deutsche Seeblockade in der Ostsee

Obwohl die Russische Ostseeflotte der deutschen numerisch weit überlegen war, gelang es dem deutschen Oberbefehlshaber Prinz Heinrich von Preußen, sie in die Defensive zu drängen. Dadurch kam es während des ganzen Krieges zu keinem einzigen russischen Angriff auf deutsche Küsten, aber die deutsche Marine konnte die Operationen des Heeres im Baltikum unterstützen.

Seesperre 1917/18 der Adria

Obwohl die Österreichische Marine damals die sechstgrößte Kriegsmarine der Welt war, konnte sie ihre Stärke nicht voll ausspielen, einerseits weil sie vor allem dem Küstenschutz und der Abschreckung dienen sollte, andererseits durch die geografischen Gegebenheiten – insbesondere die Meeresenge der Adria bei Otranto. Die Straße von Otranto begünstigte die Errichtung einer Seeblockade entscheidend. Diese Blockade konnte nach dem Seitenwechsel Italiens zur Triple Entente auf der mit Hilfe Frankreichs und Großbritanniens gestützten Vorherrschaft im Mittelmeer aufbauen. Von dieser gesicherten Basis aus gelang den drei Ländern, eine Seesperre aus Schiffen und schwerer Küstenartillerie bei Otranto zu errichten. Zweimal versuchte die k.u.k. Kriegsmarine, die Seesperre zu durchbrechen. Beim ersten Durchbruchsversuch im Sommer 1917 kam es zum größten Seegefecht Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg, bei dem die Alliierten eine schwere Schlappe verzeichneten, die k.u.k. Marine aber nur geringe Schäden erlitt. Dennoch gelang der Durchbruch nicht, weil die topografisch begünstigte Seesperre immer noch zu stark war. Der zweite und letzte Versuch wurde im Juni 1918 unternommen, wurde aber abgebrochen, da der Überraschungseffekt misslang: Die Alliierten entdeckten eines der zwei Flottengeschwader vorzeitig und konnten die Szent István versenken, sodass der Donau-Monarchie nur noch drei moderne Großschlachtschiffe verblieben.

Seeblockaden im Zweiten Weltkrieg

Seeblockaden in anderen Kriegen

Auch angesichts der Erfahrungen aus dem Weltkrieg forderte Hitler „Lebensraum im Osten“.[12]

Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um Arrondierung des Lebensraumes im Osten und um Sicherstellung der Ernährung… In Europa ist keine andere Möglichkeit zu sehen.

Die angesprochene Ernährung der importabhängigen zahlreichen deutschen Bevölkerung war im und noch nach dem Weltkrieg aufgrund der britischen Seeblockade nicht gewährleistet gewesen und hatte zur militärischen und politischen Niederlage beigetragen. Der sowjetische Außenminister Molotow handelte mit Ribbentrop in Moskau zuerst den Deutsch-Sowjetischen Wirtschaftsvertrag aus, der die Kriegsführung auch unter Blockadebedingungen durch sowjetische Rohstofflieferungen ermöglichte, und am 23. August 1939 den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt aus. Somit war der Weg zum Kriege frei.[13]

  • Seeblockaden im Zweiten Weltkrieg, deutsche U-Boot-Blockade gegen Großbritannien
  • Großmanöver und Seeblockaden nach 1945, Kuba-Blockade 1962
  • Blockadedrohungen und Wirtschaftskriege

Siehe auch

Literatur und Quellen

  • Lexikon der Weltgeschichte, Kompakt-Verlag München 2002.
  • Brockhaus 1959–1962 (5 Bände und Atlas)
  • The Treaty of Versailles: A Reassessment After 75 Years. In: Publications of the German Historical Institute. German Historical Institute; Cambridge University Press, Washington, D.C.; Cambridge, UK; New York, NY 1998, ISBN 0-521-62132-1.
  • C. Paul Vincent: The Politics of Hunger: The Allied Blockade of Germany, 1915–1919. Ohio University Press, Athens, Ohio 1985, ISBN 0-8214-0820-8.
  • The War at Sea: 1914–1918 (BBC)

Weblinks

Wiktionary: Seeblockade – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. San Remo Manual on International Law Applicable to Armed Conflicts at Sea
  2. Thomas Morlang: Ein Schlag ins Wasser, Zeit Online.
  3. Willi A. Boelcke: So kam das Meer zu uns – Die preußisch-deutsche Kriegsmarine in Übersee 1822 bis 1914. Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1981, ISBN 3-550-07951-6, S. 202.
  4. Thomas Morlang: Seeblockade – Gegen die Sklaverei, in: Y Das Magazin der Bundeswehr. (Archiv)
  5. Die Seeblockade. dhm.de, abgerufen am 23. Mai 2013.
  6. Lebensmittelversorgung. dhm.de, abgerufen am 23. Mai 2013.
  7. Robert Cowley, Noel Geoffrey Parker: The Reader’s Companion to Military History. Houghton Mifflin Harcourt, 2001, ISBN 0-618-12742-9, S. 58–59 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Christopher Birrer, A Critical Analysis of the Allied Blockade of Germany, 1914–1918.
  9. John V. Denson: Costs of War. Transaction Publishers, 1999, ISBN 1-4128-2045-6, S. 240 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919–1928. Die Ursachen des Deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1918, 4. Reihe, 6. Band, S. 387–442, Berlin 1928.
  11. Reinhard K. Lochner: Kampf im Rufiji-Delta − Das Ende des kleinen Kreuzers »Königsberg«. Die deutsche Marine und Schutztruppe im Ersten Weltkrieg in Ostafrika. Heyne, München, 1987, ISBN 3-453-02420-6.
  12. Holocaustreferenz: Lebensraum
  13. Manfred Zeidler, Deutsch-sowjetische Wirtschaftsbeziehungen im Zeichen des Hitler-Stalin-Paktes, in: Bernd Wegner (Hrsg.), Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt zum „Unternehmen Barbarossa“, Piper, München 1991, S. 98.