Stefano Franscini

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Februar 2016 um 15:15 Uhr durch Leyo (Diskussion | Beiträge) (bessere Version). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Stefano Franscini

Stefano Franscini (* 23. Oktober 1796 in Bodio; † 19. Juli 1857 in Bern, heimatberechtigt in Bodio) war ein Schweizer Politiker, Schullehrer, Publizist und Statistiker. Nachdem er insgesamt zwölf Jahre lang der Regierung des Kantons Tessin angehört hatte, wurde er 1848 als Vertreter der liberal-radikalen Fraktion (der heutigen FDP) in den Bundesrat gewählt. Franscini organisierte die erste Volkszählung der Schweiz und trug massgeblich zur Gründung der Eidgenössischen Technischen Hochschule bei. Ausserdem bildete seine Aufbauarbeit im Bereich der Statistik die Grundlage für die Gründung des Bundesamts für Statistik.

Biografie

Jugend und Studium

Franscini entstammte einer armen Bauernfamilie aus Bodio in der unteren Leventina. Seine erste Schulbildung erhielt er im Nachbardorf Personico an der kostenlosen Winterschule des Pfarrers. Seine Familie wünschte, dass er die Laufbahn eines Priesters einschlug. Franscini besuchte deshalb ab 1808 das Priesterseminar in Pollegio und ging 1815 ans erzbischöfliche Seminar in Mailand. 1819 wandte er sich jedoch nichtreligiösen Fächern zu und bildete sich in Geschichte, Recht, Volkswirtschaft, Statistik und Pädagogik weiter. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Lehrer an verschiedenen Mailänder Schulen. Mit dem Schweizer Geografen Gerold Meyer von Knonau pflegte er eine langjährige Brieffreundschaft.

Kantonspolitik

1823 heiratete er Teresa Massari, mit der er zwei Kinder hatte. Im darauf folgenden Jahr kehrte er ins Tessin zurück. Franscini blieb weiterhin als Lehrer tätig, verfasste Schulbücher und publizierte Artikel für die Gazzetta Ticinese. 1826 gründete er in Lugano mit seiner Ehefrau eine Schule für wechselseitigen Unterricht nach der Lancaster-Methode, die in konservativen Kreisen Misstrauen weckte. Auch für Mädchen bot er Schulunterricht an. Daneben begann er, statistische Werke zu veröffentlichen. In verschiedenen Schriften prangerte Franscini das miserable Bildungswesen und die reaktionären politischen Verhältnisse im Kanton Tessin an. Mit einer anonym verfassten Broschüre und namentlich als Redaktor des Osservatore del Ceresio warb er für eine Verfassungsrevision im liberalen Sinne, was ihm eine Anklage wegen Aufruhrversuchs einbrachte.

1830 setzten sich die liberalen Kräfte durch. Franscini wurde in das Kantonsparlament, den Gran Consiglio, gewählt und übernahm zusätzlich das Amt des Staatssekretärs. 1831 starb seine Ehefrau, fünf Jahre später heiratete er deren Schwester Luigia Massari. Für den Osservatore del Ceresio und den Repubblicano della Svizzera italiana setzte er seine publizistische Tätigkeit fort. Von 1837 bis 1845 und danach wieder von 1847 bis 1848 gehörte er dem Consiglio di Stato, der Kantonsregierung, an. Dazwischen war er von 1845 bis 1847 erneut Staatssekretär. Franscini engagierte sich für eine Verbesserung des Bildungswesens und förderte Industrie und Handel. In den Jahren 1841, 1843, 1845 und 1846 vertrat er das Tessin in der eidgenössischen Tagsatzung.

Bundesrat

Nach dem Sieg der liberalen Kantone im Sonderbundskrieg und dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung wurde Franscini bei den ersten Parlamentswahlen in den Nationalrat gewählt. Am 16. November 1848 wählte ihn die Bundesversammlung in den Bundesrat. Im dritten Wahlgang erhielt Franscini 68 von 132 abgegebenen Stimmen, am wenigsten aller neu gewählten Bundesräte. Wegen mangelhafter Deutschkenntnisse und seiner Schwerhörigkeit galt er in der Landesregierung als Aussenseiter. Franscini erhielt das Departement des Innern zugewiesen, das damals nur eine geringe Bedeutung hatte, da viele innenpolitische Kompetenzen noch bei den Kantonen lagen.[1]

1850 organisierte Franscini fast im Alleingang die erste gesamtschweizerische Volkszählung. Auch beim Aufbau des Bundesarchivs leistete er Pionierarbeit. Er erarbeitete die Gesetzgebung in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Strassenbau. Sein Projekt einer eidgenössischen Universität scheiterte am Partikularismus der Kantone. 1854 wurde Franscini erst im dritten Wahlgang bestätigt. Im gleichen Jahr wurde er im Kanton Tessin bei den Nationalratswahlen 1854 nicht bestätigt. Aufgrund dieser verlorenen «Komplimentswahl» fehlte ihm die Legitimation, um weiterhin sein Amt als Bundesrat ausüben zu können. Er verblieb nur deshalb im Bundesrat, weil er im Kanton Schaffhausen antrat (wo die Wahlen noch nicht abgeschlossen waren) und dort gewählt wurde.[2]

Unter Franscinis Federführung wurde 1855 die Eidgenössische Technische Hochschule (das damalige Polytechnikum) in Zürich gegründet. Ab 1856 war er Mitglied des Institut de France. Um bei der anstehenden Erneuerungswahl ein weiteres Debakel zu verhindern, kündigte er per Ende 1857 seinen Rücktritt an. Wenig später verstarb er völlig unerwartet im Alter von 60 Jahren im Amt. Die zahlreichen statistischen Werke Franscinis und seine vorbereitenden Arbeiten in der Gesetzgebung bildeten die Grundlage für die Gründung des Bundesamts für Statistik im Jahr 1860.

Werke

  • Statistica della Svizzera, Lugano 1827; 2. Aufl. 1848–49, Supplement 1851
  • Della pubblica istruzione nel Cantone Ticino, Lugano 1828
  • Della riforma della Constituzione Ticinese, Zürich 1829
  • Der Kanton Tessin, historisch-geographisch-statistisch geschildert, St. Gallen 1835
  • Statistica della Svizzera italiana, Lugano 1837–1839
  • Übersichten der Bevölkerung der Schweiz, Bern 1851
  • Semplici verità ai Ticinesi sulle finanze e su altri oggetti di ben pubblico, Lugano 1854
  • Storia della Svizzera italiana dal 1797 al 1802, zusammengestellt von Pietro Peri, Lugano 1864
  • Annali del cantone Ticino, hrsg. von G. Martinola, Bellinzona 1953

Filmdokumentationen

Literatur

  • Raffaello Ceschi: Stefano Franscini. In: Urs Altermatt (Hrsg.): Die Schweizer Bundesräte. Ein biographisches Lexikon. 2. Auflage. Artemis Verlag, Zürich/München 1991, ISBN 3-7608-0702-X, S. 127–132.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Stefano Franscini auf parlament.ch
  2. Der unbekannte Schaffhauser Bundesrat
VorgängerAmtNachfolger
Mitglied im Schweizer Bundesrat
1848–1857
Giovanni Battista Pioda