Thonet

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Thonet GmbH

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Rechtsform GmbH
Gründung 1819
Sitz Frankenberg (Eder), Hessen, Deutschland
Leitung Thorsten Muck
Branche Möbelherstellung
Website www.thonet.de

Die Thonet GmbH ist ein familiengeführter deutscher Hersteller von Möbeln mit Sitz im nordhessischen Frankenberg (Eder). Die Firma stammt ursprünglich aus Boppard und erlebte ihre Blütezeit bereits im 19. Jahrhundert in Wien mit Möbeln aus gebogenem Holz. Der Produktionsstandort in Frankenberg erlangte insbesondere mit Bauhaus-Stahlrohrmöbeln Weltruhm.[1]

Geschichte

19. Jahrhundert

Michael Thonet und seine Söhne, von links nach rechts Michael jun., Josef, Michael sen., August, Franz, Jakob (1850er Jahre)
Papieraufkleber unter einem der Thonet-Stühle im Neuen Rathaus von Hannover
Werbung aus dem Jahre 1906
Aktie über 1000 Mark der Gebrüder Thonet AG vom 20. August 1922

Michael Thonet experimentierte bereits in seiner ersten Werkstatt in Boppard am Rhein mit Bugholztechniken; um 1830 entstanden die ersten Entwürfe mit gebogenem Schichtholz. Fürst Metternich holte ihn 1842 nach Wien, wo mit dem sogenannten Wiener Kaffeehaus-Stuhl von 1859, eigentlich Stuhl Nr. 14, der wirtschaftliche Erfolg der Firma begann. Am 1. November 1853 übertrug Michael Thonet das Geschäft an seine Söhne, obgleich er selbst bis an sein Lebensende weiterhin für das Familienunternehmen tätig blieb. Die Gründung und Protokollierung der Firma »Gebrüder Thonet« erfolgte mit diesem Datum. Als mit dem zunehmenden Bedarf und der Vergrößerung des Geschäftes die ursprünglich an der Wiener Gumpendorferstraße errichtete Werkstätte zu klein geworden war, mietete Thonet im Jahre 1853 die neben der Sechshauserlinie gelegene, zur ehemaligen Herrschaft Gumpendorf gehörige Mollardmühle samt Wohnhaus und Nebengebäuden. Nach der Übersiedlung in die Mollardmühle im Sommer 1853 waren dort insgesamt 42 Arbeiter beschäftigt. Während bis dahin nur Maschinen mit Handbetrieb zur Erzeugung benutzt wurden, kam in diesem Jahre die erste kleine Dampfmaschine in Verwendung.[2]

Bei der sich stetig erweiternden Fabrikation und dem fortwährend steigenden Absatz der gebogenen Möbel erwiesen sich bald auch die Räume der Mollardmühle als unzureichend. Da die Beschaffung des nun in immer größeren Mengen erforderlichen Buchenholzes von geeigneter Qualität sich immer schwieriger gestaltete, entstand das Bedürfnis, die Fabrikation zu verlegen. Notwendig war eine waldreiche, gut bevölkerte Gegend in der Provinz, wo frisch geschlagenes Buchenholz direkt aus dem Wald beschafft werden konnte und wo billige ländliche Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Die Wahl fiel auf den drei Meilen westliche von der Nordbahnstation Bisenz-Pisek gelegenen Marktflecken Koritschan bei Gaya in Mähren.[2]

Nachdem mit dem damaligen Besitzer der Herrschaft Koritschan, Hermann Wittgenstein, ein mehrjähriger Holzlieferungsvertrag abgeschlossen worden war, wurde dort im Jahre 1856 die erste große Fabrik zur Erzeugung gebogener Möbel errichtet. Michael Thonet übersiedelte bereits im Frühjahr 1856 von Wien nach Koritschan, die Leitung der Wiener Fabrik wurde seinen Söhnen überlassen. Er verfasste selbst die Baupläne und leitete den Bau und die innere Einrichtung der Fabrik.[3]

Am 10. Juli 1856 wurde den Gebrüdern Thonet ein neues „Privilegium“ auf die Anfertigung von Sesseln und Tischfüßen aus gebogenem Holz, dessen Biegung durch Einwirkung von Wasserdämpfen oder siedenden Flüssigkeiten geschieht, verliehen.[3]

Die Inbetriebnahme der Fabrik Koritschan fand im Jahre 1857 statt. Hierbei wurden jene Grundlagen für die Fabrikation geschaffen, welche auch für die weitere Entwicklung und Ausdehnung maßgebend waren. Die Teilung der Arbeit wurde durchgeführt; Professionisten waren an der eigentlichen Sesselherstellung nicht mehr beteiligt. Zu den schweren Arbeiten wurden Männer herangezogen, in den leichteren, wie Raspeln, Polieren, Flechten, Einpacken usw. nur jugendliche Hilfsarbeiter, meist Mädchen, unterwiesen. Das Rohrflechten entwickelte sich später fast ausschließlich zur Hausindustrie. Es waren billige Arbeitskräfte vorhanden, die jedoch erst geschult werden mussten.[3]

Als auch die von Jahr zu Jahr vergrößerte Koritschaner Fabrik den fortwährend steigenden Bedarf nicht mehr decken konnte, wurden der Reihe nach die Fabriken in Bistritz am Hostein im Jahre 1862, Gross-Ugrócz 1865, Hallenkau mit Filiale Wsetin 1868, Nowo Radomsk 1880 und Frankenberg in Hessen 1890 errichtet. Außerdem wurde eine große Anzahl von Filialen und Sägewerken in Betrieb genommen. Während des Herbstmanövers von 1897 befand sich das Hauptquartier von Kaiser Franz Joseph I. in Bistriz am Hostein. Am 3. September des Jahres besuchte der Kaiser die dortige Fabrik. Nach einem Rundgang durch sämtliche Räume des ausgedehnten Etablissements sprach der Kaiser den anwesenden Chefs des Hauses in Worten hoher Anerkennung seine Zufriedenheit aus.[4]

Seit jener Zeit beteiligte sich die Firma Thonet an allen großen Gewerbeausstellungen. Die Fabrikate des Hauses wurden in die ganze Welt exportiert.[3]

Kaiser Franz Josef I. zeichnete den Begründer des Hauses mit dem goldenen Verdienstkreuz mit der Krone sowie mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens aus, auch die Leistungen der Söhne Michael Thonets wurden durch Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens und des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse anerkannt. Nach dem Tod von Michael Thonet wuchs das Unternehmen und die Bugholzmöbelindustrie weiter. Es war das Verdienst von Thonet, eine neue, bedeutende Industrie geschaffen zu haben. Um das Jahr 1900 betrieben in Österreich-Ungarn und außerhalb 52 Firmen in mehr als 60 Fabriken die Erzeugung von Möbeln aus gebogenem Holz. In Österreich-Ungarn allein beanspruchte diese Industrie die regelmäßige forstwirtschaftliche Ausnützung von 150.000 ha Buchenwaldungen. Mehr als 140.000 q Bugholzmöbel wurden aus der Doppelmonarchie alljährlich in alle Weltteile exportiert, und etwa 30.000 Menschen fanden auf diesem Erwerbsgebiet Beschäftigung.[3]

Die Angehörigen der Familie Thonet hatten als patriotische Kaisertreue während des Ersten Weltkrieges viel in Kriegsanleihen investiert, weshalb der Zusammenbruch der Monarchie und die schwierigen Nachkriegsjahre dem Unternehmen schwer zusetzten. In den 1920er Jahren kaufte sich der jüdische Kaufmann Leopold Pilzer aus Ungarn ein und führt Thonet mit der „Mundus AG“ und später mit „Jacob & Josef Kohn“ (Wien) zusammen. Pilzer gelang es, das Unternehmen wieder profitabel zu machen, indem er in Stahlrohrmöbeln investierte. Er kaufte in Berlin Unternehmen, die für Bauhaus arbeiteten und führte Entwürfe von Mies van der Rohe, Le Corbusier und Marcel Breuer aus.

Mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten und dem Anschluss war Pilzer zur Emigration gezwungen und floh in die Vereinigten Staaten. Das Unternehmen Thonet wurde zerschlagen, Pilzer gründete in Nordamerika Thonet Industries.

Nachkriegszeit

Thonet-Stuhl in Stahlrohrbauweise (1964), entworfen von Hans Luckhardt

Nachdem die osteuropäischen Werke durch Enteignung verloren waren und der Wiener Stammsitz im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, baute Georg Thonet, ein Urenkel des Gründers Michael Thonet, das ebenso kriegszerstörte 1890 errichtete Werk in Frankenberg wieder auf und gründete dort 1953 die Thonet GmbH neu. Seit 2011 führt Peter Thonet als direkter Nachfahre des Gründers das Unternehmen.

Gebrüder Thonet Vienna

Grabanlage der Familie Thonet auf dem Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 14 B (Dez. 2014)

In Österreich wurde 1962 mit einem Werk in Friedberg (Steiermark) wieder mit der Produktion begonnen.[5] Am 9. Mai 1980 erhielt Gebrüder Thonet KG die staatliche Auszeichnung. Eine Reihe von Managementfehlern führte schließlich 1996 zum Verkauf des österreichischen Zweiges an einen deutschen Investor. Im Jahr 2000 wurde wieder verkauft, diesmal an den italienischen Luxusmöbelhersteller Poltrona Frau. Unter der Führung des Generaldirektors Fiorenzo Mengoni ist „Thonet Vienna“ wieder profitabel und international bekannt geworden. Das österreichische Thonet-Werk wurde dennoch 2006 geschlossen, an die ehemalige Produktion erinnert nur noch das Thonet-Museum in Friedberg. Im Juli 2011 wurde das Werksgelände von Poltrona Frau an eine ortsansässige Investorengemeinschaft verkauft.[6]

Produkte

Zur Produktpalette gehören heute die Klassiker, mit der das Unternehmen bekannt geworden ist, ebenso wie Entwürfe namhafter zeitgenössischer Designer wie z.B. Hadi Teherani, Norman Foster oder Stefan Diez. Neben den Bugholzmöbeln (Wiener Caféhaus-Stuhl) zählten die Stahlrohrmöbel der 1920er und 1930er Jahre, entworfen von Stardesignern wie Marcel Breuer oder Mies van der Rohe, zu den Verkaufsschlagern der Firma. Thonet-Möbel sind heute in den wichtigsten Designsammlungen der Welt vertreten, sie befinden sich unter anderem im Museum of Modern Art und in der Pinakothek der Moderne in München. Produktionsstandort ist heutzutage Frankenberg.

Bugholzmöbel

Seite aus dem Gebrüder Thonet Katalog (1904)

Bugholzmöbel begründeten den Erfolg des Unternehmens. Dies gelang vor allem mit dem sogenannten Wiener Caféhaus-Stuhl, eigentlich Stuhl Nr. 14, der sich bereits bis 1930 über 50 Millionen Mal verkaufte.

Bugholzmöbel (Auswahl)
  • Nr. 14 (Wiener Kaffeehaus-Stuhl) von 1859
  • Nr. 1 (Schaukelstuhl) von 1860
  • Nr. 18, spätes 19. Jhd.
  • Nr. 56 von 1885
  • 209
  • 247 von 1904 („Postsparkassen-Stuhl“,Design: Otto Wagner)

Stahlrohrmöbel

In den 1930er Jahren war Thonet der weltweit größte Produzent von Stahlrohrmöbeln, entworfen wurden sie von bekannten Architekten/Designern wie Mart Stam, Marcel Breuer oder Le Corbusier, vorwiegend aus dem Umfeld des Bauhauses, dessen Designer als Erste mit kalt gebogenem Stahlrohr arbeiteten.

Stahlrohrmöbel (Auswahl)

Museen und Ausstellungen

Im Jahr 1989 wurde in Frankenberg ein Museum eröffnet, welches sich auf dem Firmengelände befindet und historische Exponate auf 700 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigt.

Das Museum für angewandte Kunst, MAK Wien besitzt eine große Möbelsammlung und zeigt in seiner Dauerausstellung einen Überblick über hundert Jahre Thonet’scher Produktion sowie jener der Gebrüder Kohn und der Möbelfabrik Danhauser. Auch die Museen des Mobiliendepots in Wien zeigen ausgewählte Objekte aus dem Hause Thonet, darunter den grazilen Laufsessel des Michael Thonet von 1843/48 für das Wiener Stadtpalais Liechtenstein.[7]

Das Thonet-Museum der Stadt Boppard in der Kurfürstlichen Burg zeigt Möbel aus gebogenem Holz, primär von der Fa. Gebr. Thonet. Sammlungsschwerpunkt sind die Möbel vor dem Ersten Weltkrieg. Aktuell ist das Museum jedoch wegen umfangreicher Sanierungsmaßnahmen an dem Museumsgebäude geschlossen.

Das Thonet-Museum der Stadt Friedberg (Steiermark) zeigt über 80 Exponate, darunter der Weltausstellungstisch von 1851 oder der einzige Liechtenstein-Stuhl, der sich in einer Privatsammlung befindet, sowie der Postsparkassenstuhl von Otto Wagner und formschöne Stücke der Wiener Sezessionisten.

2014 zeigte das Grassimuseum in Leipzig die Ausstellung Sitzen, Liegen, Schaukeln.Möbel von Thonet.[8]

Einzelnachweise

  1. Pressemappe der Thonet GmbH. Website der Thonet GmbH in Frankenberg. Abgerufen am 9. Dezember 2015.
  2. a b Gebrüder Thonet. In: Dargebracht von den Industriellen Oesterreichs unter dem hohen Protectorate Seiner K. und K. Hoheit des Durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand (Hrsg.): Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. Band 3. Leopold Weiss, Wien 1898, VII. Holz- und Schnitzwaaren-Industrie; Wohnungseinrichtungen, S. 325.
  3. a b c d e Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 326
  4. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 327
  5. [1]
  6. Kleine Zeitung, Ausgabe Hartberg, vom 21. Juli 2011
  7. Gebrüder Thonet - Möbel aus gebogenem Holz, Böhlau Verlag, Wien 2003.
  8. Schwingen Sie sich frei; in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 18. Mai 2014, Seite V9.

Literatur

  • Albrecht Bangert: Thonet Möbel. Bugholz-Klassiker von 1830 bis 1930. Heyne, München 1997, ISBN 3-453-13047-2.
  • Hans H. Buchwald: Form from Process. The Thonet chair. Carpenter Center for the Visual arts, Cambridge Mass. 1967.
  • Reinhard Engel, Marta Halpert: Luxus aus Wien II. Czernin Verlag, Wien 2002, ISBN 3-7076-0142-0.
  • Andrea Gleininger: Der Kaffeehausstuhl Nr. 14 von Michael Thonet. Birkhäuser, Frankfurt/M. 1998, ISBN 3-7643-6832-2.
  • Heinz Kähne: Möbel aus gebogenem Holz. Ein Blick in die Sammlung der Stadt Boppard. Boppard 2000.
  • Heinz Kähne: Thonet Bugholz-Klassiker. Eine Einführung in die Schönheit und Vielfalt der Thonet-Möbel. Rhein-Mosel Verlag, Briedel 1999, ISBN 3-929745-70-4.
  • Heinz Kähne: Die Thonets in Boppard. Sutton Verlag, Erfurt 2008, ISBN 978-3-86680-368-8.
  • Brigitte Schmutzler: Eine unglaubliche Geschichte. Michael Thonet und seine Stühle. Landesmuseum, Koblenz 1996, ISBN 3-925915-55-9.
  • Sembach, Leuthäuser, Gössel: Möbeldesign im 19. Jahrhundert, Benedikt Taschen, Köln 1990, ISBN 3-8228-0365-0.
  • Eva B. Ottilinger (Hrsg.): Gebrüder Thonet- Möbel aus gebogenem Holz, Böhlau Verlag, Wien Köln Weimar 2003, ISBN 3-205-77102-8.
  • Renz, Wolfgang Thillmann, sedie a dondolo Thonet - Thonet rocking chairs, Silvana Editoriale, Milano 2006, ISBN 88-366-0671-7.
  • Natascha Lara, Wolfgang Thillmann, Bugholzmöbel in Südamerika – Bentwood furniture in South America – Muebles de madera curvada, La Paz 2008.
  • Wolfgang Thillmann, Bernd Willscheid, MöbelDesign - Roentgen, Thonet und die Moderne, Roentgen Museum Neuwied, Neuwied 2011, ISBN 978-3-9809797-9-5.

Weblinks

Commons: Gebrüder Thonet – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien