Tschechoslowakische Republik (1948–1960)

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Tschechoslowakische Republik
Československá republika (tschechisch)
Československá republika (slowakisch)
19481960
Flagge Wappen
Wahlspruch: Die Wahrheit siegt!
(Tschechisch Pravda vítězí)
Lage und Staatsgebiet der Tschechoslowakei vom Juni 1948 bis 1960
Amtssprache Tschechisch, Slowakisch
Hauptstadt Prag
Staatsoberhaupt Präsident der Tschechoslowakei
Regierungschef Ministerpräsident der Tschechoslowakei
Fläche (bis Juli 1948) 140,800 km², (ab Juli 1948) 127,900 km²
Einwohnerzahl 14,3 Millionen (1956)
Währung Tschechoslowakische Krone
Errichtung März 1948
Endpunkt 11. Juli 1960 (neue Verfassung)
National­hymne Kde domov můj und Nad Tatrou sa blýska
Fläche und Bevölkerung beziehen sich auf das Jahr 1956
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Die Tschechoslowakische Republik (1948–1960) (tschechisch Československá republika (1948–1960)) war der offizielle Nachfolgestaat der Dritten Tschechoslowakischen Republik und ein Satellitenstaat der Sowjetunion sowie Mitglied im Warschauer Pakt. Das System der Republik wurde durch den Februarumsturz und die herrschende Kommunistische Partei der Tschechoslowakei bestimmt und endete mit einer neuen Verfassung und dem Wechsel der Staatssymbole 1960.

Geschichte

Auflösung der Dritten Republik

Nach dem Februarumsturz 1948 stand der Staat nun unter der Herrschaft der kommunistischen Partei und wendete sich seit seiner Ausrufung im März 1948 der stalinistischen Politik der Sowjetunion zu. Edvard Beneš trat zurück, weil er die neue Verfassung von Mai 1948 nicht unterschreiben wollte. Der kommunistische Führer Klement Gottwald proklamierte eine neue Republik, also die Tschoslowakische Republik. Er wurde Staatspräsident und Erster Sekretär der Kommunistischen Partei.

Staatlicher Terror und Ära Gottwald

Porträt Gottwalds auf einer DDR-Briefmarke

In diese Zeit fielen auch die Schauprozesse von Jihlava (Iglau). Anlass dafür war der am 2. Juli 1951 erfolgte Mord an drei örtlichen kommunistischen Funktionären in dem mährischen Dorf Babice, bekannt als der Fall Babice. Dieses Verbrechen bot Gelegenheit zu einem Exempel gegen Bauern und die katholische Landbevölkerung um Moravské Budějovice, die die neue kommunistische Staatsdoktrin offen ablehnte. In den Prozessen wurde elf Todesurteile gefällt und gegen 111 Personen langjährige Zuchthausstrafen ausgesprochen, zu denen noch sippenhaftartige Benachteiligungen und Umsiedlungen kamen. Dies waren jedoch keineswegs die einzigen Schauprozesse in der stalinistischen Ära. Im November 1952 wurde Rudolf Slánský zusammen mit elf weiteren Angeklagten im „Slánský-Prozess“ zum Tode verurteilt.

Entstalinisierung und Herrschaft Zápotockýs

Das Stalin-Denkmal (Prag) war wie viele andere Monumente das Symbol des Stalinismus

Nach dem Tod von Klement Gottwald 1953 folgte ihm Antonín Novotný als Parteisekretär, während Antonín Zápotocký das Amt des Staatspräsidenten übernahm. Die Entstalinisierungswelle nach dem 20. Parteikongress der KPdSU blieb in der Tschechoslowakei in verbalen Beteuerungen stecken, da weder die stalinistische Führungsschicht ausgewechselt, noch die Opfer der Säuberungen rehabilitiert wurden. Nachfolger des 1957 verstorbenen Staatspräsidenten Zápotocký wurde Novotný, der nun beide Ämter in seiner Hand vereinigte.

Ende

1960 wurde eine neue Verfassung erlassen und es kam zur Proklamation der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ČSSR). Die führende Rolle der KSČ war nun gesetzlich noch stärker verankert, die Zentralisierung des Staates verschärfte sich auf Kosten slowakischer Institutionen. Die Umwandlung in den Namen Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR) hatte mehrere Gründe und war durch die Namensänderungen anderer Ostblockstaaten und den Druck der Sowjetunion bestimmt.

Verwaltung

Die tschechischen Landesteile Böhmen und Mähren sowie Schlesien bildeten mit der Slowakei bis 1969 einen einheitlichen zentralistischen Staat. Der Slowakei wurde jedoch – mehr oder weniger pro forma – eine gewisse Autonomie zugestanden, indem sie eine eigene Regierung hatte, deren Minister die Funktionsbezeichnung Poverenik (dt. Beauftragter) trugen. Man kann aber davon ausgehen, dass diese primär die verlängerte Hand der zentralen Regierung in Prag (in der die Slowaken mit Ministerposten auch vertreten waren) bilden sollte. Neben der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (Komunistická strana Československa, KSČ) gab es auch eine Kommunistische Partei der Slowakei (Komunistická strana Slovenska, KSS) der gleichen Prägung.

Religion

Die Staatsdoktrin der Tschechoslowakischen Republik (1948–1960) war atheistisch. Die Ausübung der Religion war zeitweise verboten oder unterlag umfangreichen staatlichen Einschränkungen, so gab es z. B. Gesetze gegen das öffentliche Singen religiöser Lieder. Um 1950 gehörten noch etwa 65 % der tschechoslowakischen Bevölkerung dem Christentum an, so sank die Zahl bis 1960 auf unter 35 %. Viele Gläubige waren, in der Herrschaft Gottwalds, dem Terror der Staatssicherheit ausgesetzt, wurden gefoltert, erschossen oder in Arbeitslager deportiert. Unter der Führung Gottwalds wurden von der Regierung Dekrete und Gesetze zur Ausübung von Religion erlassen, die auf dem Papier eine stark eingeschränkte Religionsfreiheit gewährten, dabei wurden aber zahlreiche Kirchen enteignet und viele religiöse Schätze zerstört. Unter Antonín Zápotocký wurden tausende Priester in Arbeitslager geschickt, wobei die Brutalität abnahm und die Deportationen langsam eingeschränkt wurden.

Politik

1948 wurde eine neue Verfassung verabschiedet - die tschechoslowakische Verfassung von 1948. Dennoch wurden Verletzungen der Grundrechte und der Menschlichkeit in Kauf genommen, daher wird dieser politische Zeitraum manchmal als die Periode der Illegalität bezeichnet. Das kommunistische Regime missbrauchte die Macht des Staates zur Verfolgung ihrer Gegner, zum Beispiel das Gesetz über den Schutz der Volksdemokratischen Republik, wurde anschließend das kodifizierte Recht auf Zwangsarbeitslager von 25. Oktober 1948 verabschiedet . Der politische Einfluss war durch die Sowjetunion bestimmt.

Opfer und Verbrechen

Prozessprotokoll in deutscher Sprache, Justizministerium Prag (1953)
Ein Arbeitslager aus dieser Zeit

In der tschechoslowakischen Republik von 1948 bis 1960, wurden zahlreiche Verbrechen an der Bevölkerung des Landes verübt. Zahlreiche Deportationen in Arbeitslager gab es, viele Massenhinrichtungen und Morde an prominenten Kommunisten in der Partei, so z.b wurde im November 1952 Rudolf Slánský zusammen mit elf weiteren Angeklagten im „Slánský-Prozess“ zum Tode verurteilt und im selben Jahr ermordete die ŠtB den israelischen Botschafter. Laut der Wiederaufarbeitung in der neuen Demokratie von 1989 bis 1993, kamen in diesen Jahren ca. 600,000 Menschen ums Leben.

Staatssicherheit

Die 1945 gegründete ŠtB wurde ab 1948 im Innenministerium als Teil des staatlichen Sicherheitsapparates für die KSC die größte Machtquelle und verübte auf Weisung Gottwalds zahlreiche Verbrechen an der eigenen Bevölkerung.

Armee

Nach dem Februarumsturz begann Gottwald auf Druck Stalins mit der Abrüstung der tschechoslowakischen Armee von ca. 1,3 Mio Mann auf nur noch 300.000 Mann. 1954 wurde die Armee in Tschechoslowakische Volksarmee umbenannt. Die Streitkräfte waren in zwei Militärbezirke gegliedert. Der westliche Militärbezirk (Hauptquartier Tábor) verfügte über zwei Armeen, die 1. Armee in Příbram mit einer Panzerdivision und drei Motschützendivisionen, und die 4. Armee in Písek mit je zwei Panzerdivisionen und Motschützendivisionen. Im östlichen Militärbezirk (Trenčín) befanden sich zwei Panzerdivisionen T-55. Zudem verfügte die Tschechoslowakische Volksarmee über das 22. Luftlanderegiment (Kroměříž). Alle Truppen waren der Zentralen Gruppe der sowjetischen Streitkräfte (Hauptquartier Milovice nad Labem) zugeteilt.

Mitgliedschaften

Antonín Novotný 1960 in New York, anlässlich einer Sitzung der Vereinten Nationen

Von der Dritten Tschoslowakischen Republik übernahm die neue Republik die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und trat dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe und 1955 dem Warschauer Pakt bei.

Siehe auch

Portal: Tschechoslowakei – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Tschechoslowakei

Literatur

  • Diese Verfassung war frei erfunden. Šimáčková, Catherine. Imaginary Verfassung. In:. KOMMUNISTISCHE Rechte in der Tschechoslowakei - Kapitel aus der Geschichte der Ungerechtigkeit der Masaryk-Universität, Internationales Institut für Politikwissenschaft, Brno, 2009, S. 123–133. (Vor allem S. 130) - Jager Petr Religionsfreiheit und die Rechtsbeziehungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften in 1948 bis 1989 in:... KOMMUNISTISCHE Rechte in der Tschechoslowakei - Kapitel aus der Geschichte der Der Vorhang fiel. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1948, S. 8 (28. Februar 1948, online).
  • So weit die Armeen kommen …. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1984, S. 179–188 (24. September 1984, online).
  • Torsten Hartleb: „Qui est (anti)munichois?“ – Prag 1948 und der französische Münchenkomplex. In: Francia 3. Vol. 23, Nr. 3, 1996, ISSN 0937-7751, S. 75–92, online.
  • Ungerechtigkeit der Masaryk-Universität, Internationales Institut für Politikwissenschaft, Brno 2009, seite 769-810. (Vor allem Seite 777) http://proces-h.ic.cz/?s=50leta&ps=procesyCSR
  • Prucha, Václav et al. Wirtschafts-und Sozialgeschichte der Tschechoslowakei 1918-1992. Zweite Teil: Zeitraum 1945-1992 Brünn:. Supplement 2009. S. 254, S. 262–263, S. 264, S. 265, S. 268, S. 269, S. 272, S. 273, S. 274 ...
  • Kurt Erhart: Die Tschechoslowakische Volksarmee. Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin 1960.
  • Michael Sadykiewicz: Soviet-Warsaw Pact Western Theater of Military Operations: Organization and Missions. RAND, Santa Monica 1987.
  • Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. Herbig, München 2003, ISBN 3-7766-2317-9.
  • Igor Lukes: Showdown in der Kapelle. Der tschechoslowakische Geheimdienst 1968, In: Stefan Karner: Prager Frühling: Beiträge, Böhlau Verlag Köln Weimar, 2008, ISBN 9783412202071
  • Muriel Blaive, Zpřístupnění archivů komunistické tajné policie..., online auf: www.pwf.cz/cz/archiv..., tschechisch, abgerufen am 14. Juli 2010
  • Jan Pauer, Die Aufarbeitung der Diktaturen in Tschechien und der Slowakei, in: Das Parlament, Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte, Ausgabe 42 vom 16. Oktober 2006, online auf: www.bundestag.de/dasparlament/2006/42/Beilage, abgerufen am 14. Oktober 2010
  • Zdena Salivarová-Škvorecká (Hrsg.), Osočení. Pravdivé příběhy lidí z ‚Cibulkova seznamu‘ (Verleumdung. Wahre Geschichten der Menschen aus ‚Cibulkas Liste‘), Brno 2000 (1. Ausg. 1993)
  • O seznamy StB je enormní zájem, Bericht der Hospodářské noviny (Wirtschaftszeitung) vom 21. März 2003, online auf: hn.ihned.cz/c1-12519760, tschechisch, abgerufen am 12. Juli 2010
  • Bericht des Fernsehsenders ČT24 vom 20. März 2003 (2003: Ministerstvo vnitra zpřístupnilo seznam spolupracovníků StB), online auf www.ct24.cz/kalendarium, tschechisch, abgerufen am 11. Juli 2010
  • Eine Meldung des Rundfunksenders Český rozhlas (Jiřina Bohdalová není agentkou StB, přesto v jejich seznamech zůstane) vom 22. Januar 2004, online auf www.radio.cz, tschechisch, abgerufen am 11. Juli 2010, Abrufbar auf svazky.cz, tschechisch, abgerufen am 13. Juli 2010

Weblinks

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